Inhalt

VG München, Urteil v. 06.06.2024 – M 27 K 23.261
Titel:

Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Anrechnung von Weiterbildungszeiten und Zulassung zur Facharztprüfung, Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung des Weiterbilders, Kein Erfordernis einer ganztägigen Präsenz des Weiterbilders, Anrechnung gleichwertiger Weiterbildung, Anerkennung von Nacht- und Wochenenddienstzeiten als Weiterbildungszeiten, Anerkennung von Weiterbildungszeit in belegärztlich geführter Station, Weiterbildungsbefugnis mit Nebenbestimmung

Normenketten:
HKaG Art. 27
HKaG Art. 29
HKaG Art. 31 Abs. 1
HKaG Art. 33 Abs. 1
WBO 2010 § 5 Abs. 2 S. 2
WBO 2010 § 10
WBO 2010 § 12 Abs. 1
WBO 2024 § 20 Abs. 5
Schlagworte:
Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Anrechnung von Weiterbildungszeiten und Zulassung zur Facharztprüfung, Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung des Weiterbilders, Kein Erfordernis einer ganztägigen Präsenz des Weiterbilders, Anrechnung gleichwertiger Weiterbildung, Anerkennung von Nacht- und Wochenenddienstzeiten als Weiterbildungszeiten, Anerkennung von Weiterbildungszeit in belegärztlich geführter Station, Weiterbildungsbefugnis mit Nebenbestimmung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15096

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Juni 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2022 verurteilt, die Tätigkeit der Klägerin am Krankenhaus ... vom 15. März 2010 bis zum 16. September 2012 mit 24 Monaten stationärer Weiterbildungszeit für die Zuerkennung des Facharztes Kinder- und Jugendmedizin anzuerkennen und die Klägerin zur Facharztprüfung zuzulassen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt Rechtsschutz hinsichtlich einer abgelehnten Anerkennung von Weiterbildungszeiten sowie Prüfungszulassung für die Facharztbezeichnung „Kinder- und Jugendmedizin“.
2
Der Klägerin wurde am 15. September 2009 die ärztliche Approbation erteilt. In der Folge war sie ab dem 15. März 2010 bis zum 16. September 2012 im Krankenhaus ... (Krankenhaus …), vom 17. September 2012 bis zum 28. November 2013 und vom 15. Januar 2016 bis zum 8. März 2022 in einer Kinderarztpraxis in … als Assistenzärztin tätig. Laut Arbeitsvertrag vom 15. März 2010 war die Klägerin im Krankenhaus ganztägig und hauptberuflich angestellt, wobei die Klägerin wochentags für täglich sechs Stunden zuzüglich Nacht- und Wochenenddiensten im Umfang von zehn Stunden in der Woche tätig war.
3
Die Klägerin absolvierte ihre Weiterbildung zunächst vom 15. März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 unter der Betreuung der beiden Weiterbilder Dipl. med. R. und Dr. med. W. auf der belegärztlich geführten Kinderstation des Krankenhauses … Dipl. med. R. hatte am 6. Mai 1995 eine bis zum 31. Juli 2011 befristete Weiterbildungsbefugnis für seine Praxis sowie das Krankenhaus … als Weiterbildungsstätten erhalten. Die Weiterbildungsbefugnis enthielt die Nebenbestimmung, dass nur eine Weiterbildungszeit von zwölf Monaten angerechnet werden könne, sofern Weiterbildungsassistenten nur in der Praxis weitergebildet würden, da dies auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung von 1993 der ambulante Höchstzeitraum sei. Dr. med. W. war seit dem 15. September 2007 ebenfalls im Besitz einer Weiterbildungsbefugnis für seine Praxis und das Krankenhaus … als Weiterbildungsstätten. Seine Weiterbildungsbefugnis enthielt keine Nebenbestimmung. Dr. med. W. beendete seine belegärztliche Tätigkeit am Krankenhaus … zum 31. Dezember 2010. Am 27. Juni 2011 beantragte Dipl. med. R. bei der Beklagten eine weitere Weiterbildungsbefugnis als Weiterbilder an den beiden Weiterbildungsstätten. Am 1. Juli 2011 wurde die bislang belegärztlich geführte Station in eine Hauptabteilung des Krankenhauses … umgewandelt. Am 11. Februar 2012 wurde Dipl. med. R. von der Beklagten eine bis zum 30. September 2018 befristete 24-monatige Weiterbildungsbefugnis für seine Praxis und das Krankenhaus … erteilt. Diese Weiterbildungsbefugnis enthielt insbesondere die Nebenbestimmung, dass die Befugnis für Praxis und Klinikum gelte, jedoch sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung von Assistenten an den beiden Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung des Weiterbilders erfolge.
4
Die Klägerin beantragte am 26. März 2022 unter anderem unter Vorlage eines von Dipl. med. R. ausgestellten Weiterbildungszeugnisses vom 2. Oktober 2012 bei der Beklagten die Anerkennung als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin bzw. die Zulassung zur entsprechenden Facharztprüfung.
5
Mit Bescheid vom 14. Juni 2022 wurde der Antrag der Klägerin auf Anerkennung der Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen in Abschnitt B Nr. 11 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns (WBO) nicht erfüllt seien. Die Weiterbildungsbefugnis von Dipl. med. R. im Krankenhaus … sei unter anderem mit der Nebenbestimmung versehen, dass sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung von Assistenten an den benannten Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung des Weiterbilders erfolge. Aus dem Weiterbildungszeugnis gehe aber nicht hervor, ob die Weiterbildung unter der Anleitung des Dipl. med. R. erfolgt sei. Im Rahmen der Antragstellung seiner Weiterbildungsbefugnis habe Dipl. med. R. angegeben, mit 40 Stunden pro Woche in seiner Praxis und lediglich mit 13 Stunden pro Woche im Krankenhaus … tätig gewesen zu sein. Es sei für die Beklagte nicht nachvollziehbar, wie ohne eine ganztägige Präsenz eine Weiterbildung in Vollzeit ausschließlich im Krankenhaus … erfolgt sein soll. Dieser Tätigkeitsabschnitt könne daher nur mit 10,23 Monaten angerechnet werden, was einer Wochenarbeitszeit von 13 Stunden entspreche, sodass insgesamt 11,56 Monate fehlen würden.
6
Mit Schreiben vom 20. Juni 2022, bei der Beklagten eingegangen am 21. Juni 2022, legte die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung ein. Mit weiteren Schreiben vom 28. Juni 2022 sowie 8. Juli 2022 reichte die Klägerin erbetene Unterlagen nach und führte zur Begründung ihres Widerspruchs im Wesentlichen aus, dass sie täglich jeden Patienten während einer morgendlichen Kurvenvisite mit einem ihrer Weiterbilder besprochen und sie anschließend die Visite am Krankenbett gemeinsam durchgeführt hätten. Auch die Ultraschalldiagnostik und radiologische Untersuchungen seien täglich besprochen worden. Jede stationäre Aufnahme sei mit den Weiterbildern erörtert worden. Zudem habe es täglich eine Abendvisite gegeben. Bei Rückfragen habe eine ständige telefonische Erreichbarkeit der Weiterbilder bestanden. Bei Bedarf seien die Weiterbilder in kürzester Zeit, innerhalb eines Zeitraums, in dem auch ein Oberarzt, der sich im Hause befinde, anwesend sein könne, vor Ort gewesen, um die Klägerin persönlich zu unterstützen. Die Klägerin legte u.a. ein weiteres Zeugnis vom 2. Oktober 2012, diesmal ausgestellt von Dr. med. W. und Dipl. med. R., sowie einen Arbeitsvertrag vom 15. März 2010 vor.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2022, zugegangen am 9. Dezember 2022, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, Dipl. med. R. habe trotz mehrmaliger Nachfragen keinen Nachweis erbringen können, dass er im Zeitraum seiner Weiterbildungsbefugnis mit einer höheren wöchentlichen Arbeitszeit im Krankenhaus … tätig gewesen sei. Die Qualität der Weiterbildung sei entsprechend der WBO nur bei einer weitgehend ständigen, ganztägigen Präsenz des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte gewährleistet. Vorliegend sei der Weiterbilder jedoch für den überwiegenden Teil des Tages nicht im Krankenhaus … gewesen. Im vorliegenden Fall sei insbesondere auch zu beachten, dass es sich um die erste Weiterbildungsstelle der Klägerin gehandelt habe. Gerade in dieser Phase sei die persönliche Anleitung noch intensiver geboten als in späteren Weiterbildungsphasen. Bis Juni 2011 sei die Abteilung belegärztlich geführt worden. Für diese Weiterbildungszeit könne per se nicht von einer ganztägigen stationären Weiterbildungszeit ausgegangen werden. Es liege in der Natur einer belegärztlichen Struktur, dass die Weiterbildung ambulant und stationär erfolge. Für die Zeit ab Juni 2011 könne eine vollzeitige Anrechnung der Weiterbildungszeit nur erfolgen, wenn die Weiterbildungsbefugnis mit Nebenbestimmung tatsächlich wie erteilt umgesetzt worden sei und eine ganztägige Weiterbildung unter Anleitung des Weiterbilders erfolgt sei. Dienste würden ebenso wenig als Weiterbildungszeit zählen.
8
Mit E-Mails vom 7. Dezember 2022 und 12. Dezember 2022 wandte sich der Vater der Klägerin an den Ersten Vizepräsidenten der Beklagten und bat unter Berücksichtigung des weiteren Weiterbilders Dr. med. W. um nochmalige Prüfung der Angelegenheit. Zudem leitete er eine E-Mail von Dr. med. W. an den Ersten Vizepräsidenten der Beklagten weiter, in der dieser erläutert, dass er in seinem Antrag auf Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis vom 20. Mai 2007 die Situation der belegärztlich geführten Kinderstation detailliert dargestellt habe. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2022 wandte sich die Beklagte für die Überprüfung einer etwaigen Weiterbildung der Klägerin unter Anleitung von Dr. med. W. an diesen. Mit E-Mail vom 19. Dezember 2022 sowie in einem Telefonat vom 21. Dezember 2022 teilte Dr. med. W. unter Vorlage seines damaligen Arbeitsvertrags mit, dass seine Präsenz auf der Station bis zur Beendigung seiner dortigen belegärztlichen Tätigkeit am 31. Dezember 2010 durchschnittlich 10 bis 15 Wochenstunden betragen habe. Die übrige Zeit sei er jederzeit erreichbar und bei Bedarf verfügbar gewesen. Es habe über den gesamten Arbeitstag hinweg eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Klägerin bestanden.
9
Die Klägerin hat am 9. Januar 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und zunächst sinngemäß beantragen lassen, den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2022 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2022, mit welchem die Anerkennung der Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin versagt wurde, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Anerkennung der Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 18. April 2023 hat sie sinngemäß beantragen lassen,
10
die Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Tätigkeit der Klägerin am Klinikum ... vom 15. März 2010 bis zum 16. September 2012 mit 24 Monaten stationärer Weiterbildungszeit für die Zuerkennung des Facharztes Kinder- und Jugendmedizin anzuerkennen und die Klägerin zur Facharztprüfung zuzulassen.
11
Mit Schriftsätzen vom 18. April 2023, 28. Juli 2023, 8. März 2024 sowie 12. März 2024 wird zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit im Krankenhaus … müsse als Vollzeittätigkeit mit 24 Monaten stationärer Weiterbildungszeit berücksichtigt werden. Die Klägerin habe sich darauf verlassen, dass die Angaben der Beklagten in der offiziellen Veröffentlichung der Liste der zur Weiterbildung befugten Ärzte auf ihrer Homepage korrekt seien und genieße deshalb Vertrauensschutz. Dr. med. W. sei die Befugnis zur Weiterbildung im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin bis zur Höchstdauer von 24 Monaten erteilt worden. Eine Unterscheidung bezüglich der Weiterbildungsstätten oder gar eine prozentuale Aufteilung zwischen den einzelnen Weiterbildungsstätten sei nicht erfolgt. Die ambulante Weiterbildungsstätte sei zwar beantragt und genehmigt, aber nicht in Anspruch genommen worden. Die Klägerin sei in ihrer stationären Weiterbildungszeit kein einziges Mal in der Praxis eingesetzt worden. Eine Verpflichtung hierzu ergebe sich aber auch nicht aus der WBO. Dass es eine Lücke in Bezug auf die Weiterbildungsermächtigung von Dipl. med. R. gegeben habe, habe die Klägerin nicht gewusst. In diesem Zeitraum habe ein Anspruch auf Erteilung der Weiterbildungsbefugnis bestanden, hilfsweise könne eine Anrechnung nach § 10 WBO erfolgen. Für die Entscheidung sei abzustellen auf die damals gültige Fassung der WBO. Diese enthalte das Erfordernis einer ganztägigen persönlichen Leitung des Weiterbilders nicht. Über notwendige Anwesenheitszeiten des Weiterbilders werde in der WBO keine Aussage getroffen. Durch die räumliche Nähe ihrer Praxen zum Krankenhaus … hätten die Weiterbilder dem Weiterbildungsassistenten bei Bedarf in kürzester Zeit zur Seite stehen können. Die Entfernung der Praxis von Dipl. med. R. zum Klinikum betrage mit dem Auto lediglich 2 Minuten und mit dem Fahrrad gerade einmal 5 Minuten. Die Situation am Klinikum sei mit der Situation an jeder großen Regelklinik vergleichbar, deren Abteilungen oftmals über mehrere Gebäude und Stockwerke verteilt sind und bei der der Oberarzt auf Initiative der Weiterzubildenden ebenso herbeigerufen werden müsse. Darüber hinaus hätten sich die Weiterbilder auch unabhängig von einer Anforderung durch die Weiterzubildenden regelmäßig über das Stationstelefon gemeldet. Die Auffassung der Beklagten, dass bei einer belegärztlich geführten Abteilung nicht von einer stationären Weiterbildungszeit ausgegangen werden könne, werde dadurch widerlegt, dass die Beklagte den beiden Weiterbildern für eine solche belegärztliche Tätigkeit die Weiterbildungsbefugnis erteilt habe. Belegärztliche Abteilungen würden nach der WBO zum stationären Bereich zählen. Eine Einschränkung der Anerkennung der Weiterbildung unter belegärztlichen Bedingungen werde in der WBO nicht gefordert und wäre im Nachhinein auch nicht zulässig. Dass bei erteilter Weiterbildungsbefugnis unter belegärztlichen Bedingungen die Weiterbildung an beiden Weiterbildungsstätten zu erfolgen habe, ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Die gehegten Zweifel an der Anrechenbarkeit von Nacht- und Wochenenddiensten auf die Wochenarbeitszeit würden allen Gepflogenheiten an deutschen Krankenhäusern widersprechen. Nacht- und Wochenenddienste seien für die Weiterbildung wichtig. Zudem werde im Unionsrecht ausdrücklich auf den Bereitschaftsdienst als Teil der Weiterbildung und in der WBO auf medizinische Notfallsituationen als verpflichtenden Weiterbildungsinhalt hingewiesen.
12
Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 2. Februar 2023 die Behördenakte vor und beantragt mit Schriftsatz vom 20. Juni 2023
13
Klageabweisung.
14
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, aus Gründen des Vertrauensschutzes habe die Beklagte ihrer Entscheidung zu Gunsten der Klägerin die zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Weiterbildung am 15. März 2010 gültige WBO zugrunde gelegt. Die Dipl. med. R. im Jahr 1995 erteilte Weiterbildungsbefugnis sei auf Grundlage des sowohl in der Praxis als auch in der Klinik erbrachten Leistungsspektrums erteilt worden und sehe somit den strukturierten Wissenserwerb unter Anleitung des Weiterbilders an beiden Weiterbildungsstätten vor. Zudem habe zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin keine Weiterbildungsbefugnis nach der damals gültigen WBO für Dipl. med. R. bestanden. Eine Anrechnung der Weiterbildungszeit bis zur Erteilung der neuen Weiterbildungsbefugnis könne allenfalls als gleichwertiger Weiterbildungsgang erfolgen, wenn die Weiterbildungsbefugnis mit Nebenbestimmung tatsächlich wie erteilt mit einer ganztägigen Weiterbildung unter Anleitung des Weiterbilders durchgeführt worden sei. Von der Befugnis zur Weiterbildung sei deren Umsetzung und die konkrete Durchführung der Weiterbildung strikt zu trennen. Die konkrete Durchführung der Weiterbildung werde im Verfahren auf Zulassung zur Facharztprüfung rückschauend geprüft. Dr. med. W. sei als Belegarzt befugt und verpflichtet gewesen, die Weiterbildung ambulant in seiner Praxis und stationär am Klinikum für insgesamt 24 Monate durchzuführen. Mit Beendigung der belegärztlichen Tätigkeit am Klinikum zum 31. Dezember 2010 sei seine Weiterbildungsbefugnis erloschen. Im Übrigen sei laut Sachvortrag der Klägerin und von Dr. med. W. von der Anwesenheit mindestens eines Weiterbilders von täglich 2 bis 3 Stunden und wöchentlich 13 Stunden auszugehen sei, sodass sich auch unter Berücksichtigung der Weiterbildungsbefugnis von Dr. med. W. keine höheren Anwesenheitszeiten ergäben.
15
Die Kammer hat am 6. Juni 2024 mündlich zur Sache verhandelt. Den ursprünglich gestellten Antrag auf Feststellung der Notwendigkeit einer Hinzuziehung des Rechtsanwalts hielt der Bevollmächtigte der Klägerin nicht aufrecht.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
18
Die Klage ist zulässig.
19
Die Klägerin begehrt im Wege der Versagungsgegenklage die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der stationären Weiterbildungszeit am Krankenhaus … mit 24 Monaten stationärer Weiterbildungszeit sowie die Zulassung zur Facharztprüfung, vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Diese Konkretisierung des Klageantrags mit Schriftsatz vom 18. April 2024 sowie mit Antragstellung in der mündlichen Verhandlung stellt keine Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO dar, sondern ist als bloße Klarstellung des Klagebegehrens anzusehen.
20
Für das Verständnis der Klageanträge ist nicht deren Wortlaut, sondern das ihnen zu Grunde liegende Klagebegehren maßgeblich (vgl. § 88 VwGO). Für die Ermittlung des wirklichen Rechtsschutzzieles im Wege der Auslegung ist neben dem Klageantrag und der Klagebegründung auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Klägervortrag und sonstigen für das Gericht und der Beklagten als Adressatin des Klageantrags erkennbaren Umständen ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.2016 – 9 A 16.15 – juris Rn. 14). Hiernach war das Klagebegehren der Klägerin von Beginn an lediglich auf die Anerkennung der abgeleisteten Weiterbildungszeiten sowie die Zulassung zur Facharztprüfung gerichtet. Sowohl der Klägerin als auch der Beklagten ging es trotz teilweise abweichender Formulierung des Verfahrensgegenstandes im behördlichen und gerichtlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt um die unmittelbare Anerkennung der angestrebten Facharztbezeichnung. Den Beteiligten war gleichermaßen bewusst, dass hierfür das Ablegen einer Prüfung notwendig ist, deren Zulassungsvoraussetzungen aber gerade in Streit stehen. Der Klägerin kam es ersichtlich ausschließlich darauf an, zu dieser Prüfung zugelassen zu werden, nicht jedoch unmittelbar die Facharztbezeichnung zuerkannt zu bekommen.
II.
21
Die Klage ist begründet. Der ablehnende Bescheid vom 14. Juni 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2022 ist rechtswidrig und rechtsverletzend. Die Klägerin hat infolge voller Anrechenbarkeit einer 24-monatigen stationären Weiterbildungszeit im Krankenhaus … insgesamt die erforderlichen Weiterbildungszeiten erfüllt und hat folglich einen Anspruch auf Zulassung zur Facharztprüfung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Da die Weiterbildungszeit im Krankenhaus … die Anforderungen an eine Weiterbildung nach der WBO erfüllt, kann dahinstehen, ob sich ein solcher Anspruch der Klägerin zusätzlich aus Vertrauensschutz-, Gleichbehandlungs- oder Benachteiligungsgesichtspunkten ergeben würde.
22
Eine Facharztbezeichnung nach Art. 27 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002 (GVBl. S. 42, zuletzt geändert durch § 3 G.v. 24. Juli 2023 – GVBl. S. 431), darf nach Art. 29 Abs. 1 HKaG führen, wer aufgrund des erfolgreichen Abschlusses der vorgeschriebenen Weiterbildung die entsprechende Anerkennung erhält. Über den Antrag entscheidet die Landesärztekammer aufgrund des Ergebnisses einer Prüfung der vorgelegten Zeugnisse über den Inhalt, den Umfang und den Erfolg der nach abgeschlossenem Medizinstudium durchlaufenen Weiterbildung und eines Prüfungsgesprächs (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und 3 HKaG). Nach § 12 Abs. 1 der auf Grundlage von Art. 35 HKaG erlassenen Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse des 67. Ärztetages vom 11. Oktober 2009, in Kraft getreten am 1. Januar 2010 (WBO 2010), die nach § 20 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 16. Oktober 2021 in der Fassung der Beschlüsse des 82. Bayerischen Ärztetages vom 15. Oktober 2023, in Kraft getreten am 1. Januar 2024 (WBO 2024) für die Weiterbildung der Klägerin maßgeblich ist, entscheidet die Landesärztekammer über die Zulassung zur Prüfung, wobei die Zulassung erteilt wird, wenn die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen der Weiterbildungsordnung an den Erwerb der vorgeschriebenen Kompetenz erfüllt und die Nachweise einschließlich der Dokumentationen nach § 8 Abs. 3 WBO 2010 belegt sind. Die Anforderungen an den Kompetenzerwerb werden unionsrechtlich, verfassungsrechtlich, landesgesetzlich und durch die Weiterbildungsordnung näher bestimmt (vgl. VG München, U.v. 26.10.2023 – M 27 K 21.6223 – juris Rn. 30 ff.). Abschnitt B Nr. 11 WBO 2010 setzt für die Zuerkennung des Facharztes in Kinder- und Jugendmedizin insgesamt mindestens 60 Monate Weiterbildungszeit voraus, von der bis zu 24 Monate im ambulanten Bereich abgeleistet werden können.
23
Die Frage der formalen Erteilung der Weiterbildungsbefugnis und deren Bestand ist dabei von der Frage der tatsächlichen Durchführung der Weiterbildung zu trennen (vgl. VGH BW, U.v. 24.6.2014 – 9 S 1348/13 – juris Rn. 48 ff.). Die Weiterbildung der Klägerin im Krankenhaus … ist sowohl unter formalen Gesichtspunkten der Erteilung und des Fortbestandes der Weiterbildungsbefugnisse (1.) als auch im Hinblick auf die tatsächliche Durchführung der Weiterbildung (2.) als stationäre Weiterbildungszeit vollständig anzuerkennen.
24
1. Hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Anerkennung ihrer Weiterbildungszeit im Krankenhaus … vom 15. März 2010 bis zum 16. September 2012 mit insgesamt 24 Monaten stationärer Weiterbildungszeit ist im Hinblick auf die formale Anerkennungsfähigkeit hinsichtlich verschiedener Zeiträume zu differenzieren.
25
a. Vom 15. März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 war die Klägerin unter den beiden Weiterbildern Dr. med. W. und Dipl. med. R. in der belegärztlich geführten Kinderstation im Krankenhaus … tätig. Die Weiterbildungsbefugnis von Dipl. med. R. aus dem Jahr 1995 war mit einer Nebenbestimmung für den Fall der ausschließlichen Weiterbildung in seiner Praxis versehen. Die Weiterbildungsbefugnis von Dr. med. W. enthielt keine Nebenbestimmung. Beide Weiterbildungsbefugnisse waren für das Krankenhaus … und die jeweilige Praxis erteilt worden.
26
aa. Sowohl die Weiterbildungsbefugnis von Dr. med. W. als auch von Dipl. med R. haben zu einer ausschließlich stationären Weiterbildung im Krankenhaus … befugt. Eine Auslegung des Inhalts der Weiterbildungsbefugnisse sowie des Umstands der Erteilung für jeweils beide Weiterbildungsstätten ergibt, dass sowohl eine ausschließlich ambulante als auch ausschließlich stationäre Weiterbildung umfasst war. Die Weiterbildungsbefugnisse sind nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Weiterbildung sowohl ambulant als auch stationär erfolgen musste. Zwar mag es sein, dass die Beklagte die Weiterbildungsbefugnisse jeweils auf Grundlage des sowohl in der Praxis als auch in der Klinik erbrachten Leistungsspektrums erteilt hatte. Diese Einschränkung ergibt sich für einen objektiven Dritten aber nicht aus dem Inhalt der erteilten Weiterbildungsbefugnisse. Vielmehr ließ die in der an Dipl. med. R. erteilten Weiterbildungsbefugnis aus dem Jahr 1995 enthaltene Nebenbestimmung erkennen, dass die Beklagte Vorkehrungen für den Fall einer ausschließlich ambulanten Weiterbildung getroffen hatte, diese also für möglich erachtet hat. Die Weiterbildungsbefugnisse waren jeweils für die beiden Weiterbildungsstätten Praxis und Krankenhaus … erteilt worden, ohne dass diese Weiterbildungsbefugnisse mit einer einschränkenden Nebenbestimmung dahingehend versehen gewesen wären, dass eine Weiterbildung sowohl stationär als auch ambulant erfolgen müsste und zu welchen Anteilen diese Weiterbildungszeiten erfolgen müssten. Eine ausschließlich stationäre Weiterbildung war somit auf Grundlage der beiden Weiterbildungsbefugnisse grundsätzlich möglich.
27
bb. Einer Anerkennung der in diesem Zeitraum abgeleisteten stationären Weiterbildungszeit steht auch nicht grundsätzlich die Organisationsform der Kinderstation im Krankenhaus … als belegärztlich geführte Abteilung entgegen.
28
Belegärztliche Abteilungen sind nach § 1 Abs. 2 Buchst. b WBO 2010 dem stationären Bereich zugeordnet, sodass in einer Belegabteilung grundsätzlich eine stationäre Weiterbildung stattfindet. Mangels anderweitiger Bestimmung in den Weiterbildungsbefugnissen ist ferner davon auszugehen, dass auch in einer belegärztlichen Abteilung eine in Vollzeit abgeleistete ausschließlich stationäre Weiterbildung erfolgen kann. Trotz Kenntnis der Beklagten von der Organisationsform der Station wurden entsprechende Weiterbildungsbefugnisse erteilt. Zeitliche Einschränkungen der Anerkennung stationärer Weiterbildungszeiten oder Vorgaben zur Durchführung einer Weiterbildung in einer Belegabteilung enthalten weder die WBO 2010 noch das HKaG noch eine entsprechende Nebenbestimmung in den Weiterbildungsbefugnissen.
29
cc. In diesem Zusammenhang ist es zudem unerheblich, dass Dipl. med. R. lediglich im Besitz einer auf Grundlage einer bereits außer Kraft getretenen WBO erteilten Weiterbildungsbefugnis aus dem Jahr 1995 war. Nach § 20 Abs. 1 WBO 2010 bleiben die auf Grund der bisher geltenden Weiterbildungsordnungen erworbenen Rechte unberührt. Die Weiterbildungsbefugnis stellt ein solches Recht dar, da sie den Weiterbilder im Sinne des Abschnittes IV des HKaG zur Weiterbildung ermächtigt, § 5 Abs. 1 Satz 1 WBO 2010. Die Weiterbildungsbefugnis hat daher auch unter der später in Kraft getretenen WBO 2010 zur Weiterbildung ermächtigt.
30
dd. Vielmehr ist allein maßgeblich, dass die Weiterbildung tatsächlich entsprechend den Vorgaben der WBO 2010 durchgeführt worden ist (vgl. 2.).
31
b. Im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 war die Klägerin nach dem Ausscheiden von Dr. med. W. zum 31. Dezember 2010 ausschließlich unter dem Weiterbilder Dipl. med. R. auf Grundlage dessen Weiterbildungsbefugnis aus dem Jahr 1995 tätig.
32
Das Ausscheiden von Dr. med. W. ist für die Anerkennungsfähigkeit der Weiterbildung der Klägerin jedoch ohne Belang, da sie weiterhin unter der Betreuung des Weiterbilders Dipl. med. R. stand. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten der Weiterbildung haben sich durch das Ausscheiden von Dr. med. W. keine relevanten Veränderungen ergeben, sodass ebenfalls allein maßgeblich ist, dass die Weiterbildung entsprechend den Vorgaben der WBO durchgeführt worden ist (vgl. 2.).
33
c. Am 1. Juli 2011 wurde die Kinderstation des Krankenhauses … in eine Hauptabteilung umgewandelt. Ab dem 1. Juli 2011 bis zum 31. Juli 2011 war die Klägerin in der Kinderstation als Hauptabteilung des Krankenhauses … weiterhin unter dem Weiterbilder Dipl. med. R. auf Grundlage dessen Weiterbildungsbefugnis aus dem Jahr 1995 tätig.
34
Durch die Umwandlung der Struktur der Kinderstation haben sich jedoch weder die formalen Grundlagen noch die tatsächlichen Gegebenheiten der Weiterbildung, insbesondere die Anwesenheitszeiten des Weiterbilders Dipl. med. R., geändert. Maßgeblich ist auch hier, dass die Weiterbildung in diesem Zeitraum tatsächlich entsprechend den Vorgaben der WBO durchgeführt worden ist (vgl. 2.).
35
d. In dem Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 10. Februar 2012 war die Klägerin unter dem Weiterbilder Dipl. med. R. tätig, wobei dieser nicht mehr im Besitz einer gültigen Weiterbildungsbefugnis war. Seine Weiterbildungsbefugnis aus dem Jahr 1995 war bis zum 31. Juli 2011 befristet.
36
Trotz des Fehlens einer formalen Weiterbildungsbefugnis ist auch dieser Zeitraum grundsätzlich als stationäre Weiterbildungszeit anerkennungsfähig. Die Beklagte selbst trägt vor, dass nach § 10 Satz 1 WBO 2010 eine von dieser Weiterbildungsordnung abweichende Weiterbildung oder ärztliche Tätigkeit unter Anleitung ganz oder teilweise angerechnet werden kann, wenn und soweit sie gleichwertig ist. Die Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen dieser Weiterbildungsordnung an den Erwerb der vorgeschriebenen ärztlichen Kompetenz erfüllt sind, § 10 Satz 2 WBO 2010. Ausweislich des Wortlauts kann auf das Vorhandensein einer formal gültigen Weiterbildungsbefugnis verzichtet werden, wenn die Anforderungen der WBO in qualitativer Hinsicht erfüllt sind. Auch für diesen Zeitraum ist somit allein maßgeblich, dass die Weiterbildung tatsächlich entsprechend den inhaltlichen Vorgaben der WBO durchgeführt worden ist (vgl. 2.).
37
e. Ab dem 11. Februar 2012 bis zum 16. September 2012 war die Klägerin unter dem Weiterbilder Dipl. med. R. auf Grundlage dessen Weiterbildungsbefugnis vom 11. Februar 2012 tätig, die die Nebenbestimmung enthielt, dass sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung von Assistenten an den benannten Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung des Weiterbilders erfolge.
38
Der Erlass dieser Nebenbestimmung beruht auf § 5 Abs. 3 Satz 4 WBO 2010 und ist zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben der WBO grundsätzlich zulässig. Allerdings ergibt eine Auslegung der Nebenbestimmung, dass diese gerade keine über die gesetzlichen Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 hinausgehenden Anerkennungsvoraussetzungen schaffen, sondern lediglich die Einhaltung der vorhandenen Vorgaben sicherstellen sollte. Die Nebenbestimmung setzt weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck eine ganztätige Präsenz des Weiterbilders voraus. Die Nebenbestimmung wiederholt lediglich das gesetzliche Erfordernis der ganztägigen Weiterbildung unter der persönlichen Leitung des Weiterbilders, um sicherzustellen, dass diese Anforderungen auch in der besonderen Situation der zwei Weiterbildungsstätten unter der Aufsicht von Dipl. med. R. erfüllt werden. Darüber wie die persönliche Leitung konkret zu erfolgen hat, wird keine Aussage getroffen. Insbesondere ist das Adjektiv „ganztägig“ nicht auf die Leitung durch den Weiterbilder, sondern auf die Weiterbildung der Assistenten, mithin deren Anwesenheitszeiten zu beziehen.
39
Darüber hinaus durfte die Klägerin auf die ursprüngliche Fassung der Weiterbildungsbefugnis ihres Weiterbilders aus dem Jahr 1995 vertrauen. Anders als in dem der Entscheidung dieses Gerichts vom 26. Oktober 2023 zu Grunde liegenden Sachverhalts war zu Beginn der Weiterbildungszeit der Klägerin eine Einschränkung der Weiterbildungsbefugnis bezogen auf die Kinderstation des Krankenhauses … für diese gerade nicht – auch nicht auf der Homepage der Beklagten – erkennbar, sodass sie auf deren Unbeschränktheit auch über den 10. Februar 2012 hinaus vertrauen durfte.
40
Auch unter Berücksichtigung der Nebenbestimmung ist somit allein maßgeblich, dass die Weiterbildung tatsächlich entsprechend der inhaltlichen Vorgabe der „persönlichen Leitung“ in § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 durchgeführt worden ist (vgl. 2.).
41
2. Die über den gesamten Weiterbildungszeitraum im Krankenhaus … in tatsächlicher Hinsicht in vergleichbarer Weise durchgeführte Weiterbildung der Klägerin erfüllt die Anforderungen des HKaG sowie der WBO 2010.
42
3.1 Nach Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 HKaG wird die Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung ermächtigter Ärzte durchgeführt, wobei der Weiterbilder verpflichtet ist, die Weiterbildung entsprechend den Weiterbildungsbestimmungen dieses Gesetzes sowie der Weiterbildungsordnung durchzuführen. Die Weiterbildung hat der Weiterzubildende ganztägig und in hauptberuflicher Stellung abzuleisten, Art. 30 Abs. 4 HKaG. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 muss der Weiterbilder die Weiterbildung persönlich leiten und sie zeitlich und inhaltlich entsprechend dieser Weiterbildungsordnung gestalten. Im Gegensatz zu der gegenwärtig gültigen Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2024, wonach der befugte Arzt verpflichtet ist, die Weiterbildung persönlich zu leiten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend dieser Weiterbildungsordnung zu gestalten und die Richtigkeit der Dokumentation der Weiterbildung eines in Weiterbildung befindlichen Arztes gemäß § 8 Abs. 2 WBO 2024 zu bestätigen, enthielt die WBO 2010 ein solches Erfordernis der ganztägigen Durchführung noch nicht. Erst die Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse des 69. Bayerischen Ärztetags vom 17. Oktober 2010, in Kraft getreten am 1. April 2011, (WBO 2011) enthält eine mit § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2024 identische Regelung.
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3.1 Die konkrete Durchführung der Weiterbildung der Klägerin erfüllt die Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010. Das Merkmal der persönlichen Leitung ist nicht als Erfordernis einer ständigen, ganztägigen Präsenz des Weiterbilders auszulegen.
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Im Gegensatz zu der in den späteren Fassungen der WBO enthaltenen Regelung einer grundsätzlich ganztägigen Durchführung der Weiterbildung ist weder im HKaG noch in der WBO 2010 eine Aussage über Mindestanwesenheitszeiten des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte enthalten. Es ist lediglich festgelegt, dass der Weiterzubildende die Weiterbildung ganztägig und in hauptberuflicher Stellung abzuleisten hat, Art. 30 Abs. 4 Satz 1 HKaG. Für eine zielführende Weiterbildung ist hierbei die Möglichkeit einer Überwachung durch den Weiterbilder zu verlangen, also die Möglichkeit, Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse des Weiterzubildenden zu kontrollieren (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014 – 5 A 824/13 – juris Rn. 27). Eine „verantwortliche Leitung“, die zwangsläufig mit einer gewissen Eigenständigkeit des weiterbildenden Arztes bei der Gestaltung der Weiterbildung verbunden ist, gebietet keine permanente Überwachung des in der Weiterbildung befindlichen Arztes. Es bedarf jedoch zumindest einer Ausprägung, die gewährleistet, dass der Weiterbilder Weisungen erteilen und für ihre Umsetzung sorgen kann (vgl. VGH BW, U.v. 24.6.2014 – 9 S 1348/13 – juris Rn. 65). Der Weiterbildungsassistent darf allerdings ein seinen Leistungen und seinem Weiterbildungsstand entsprechendes Maß an Selbständigkeit erhalten, um das Ziel der Weiterbildung zu erreichen. In diesem Rahmen müssen ihm auch Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen werden (VG München, U.v. 26.10.2023 – M 27 K 21.6223 – juris Rn. 33 m.w.N.) Eine solche Überwachung und Kontrolle muss nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 im Gegensatz zu dem Wortlaut späterer Fassungen der WBO nicht zwingend durch eine ganztägige Präsenz des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte erfolgen, sondern kann zumindest teilweise auch durch telefonische Betreuung und Anforderung von Unterstützung im Bedarfsfall gewährleitstet sein. Die Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 stellt insofern niedrigere Anforderungen an die Leitung der Weiterbildung als die in den späteren Fassungen enthaltene Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO (vgl. zu den Anforderungen der späteren Fassungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO: VG München, U.v. 26.10.2023 a.a.O. Rn. 32 ff. m.w.N.). Die erforderlichen Anwesenheitszeiten sind dabei nicht abstrakt bestimmbar, sondern richten sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles, auch wenn es sicherlich Mindestanwesenheitszeiten gibt, in denen der Weiterbildende zu Zwecken der Weiterbildung zur Verfügung stehen muss (vgl. OVG MV, B.v. 14.2.2007 – 1 M 1/07 Rn. 7 – juris m.w.N.). Hierbei sind insbesondere der Weiterbildungsstand des Weiterzubildenden und die Fachrichtung zu berücksichtigen.
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Hieran gemessen liegt über den gesamten Zeitraum der Weiterbildungszeit der Klägerin im Krankenhaus … eine persönliche Leitung durch den Weiterbilder Dipl. med. R. sowie bis Ende Dezember 2010nauch durch Dr. med. W. vor. Über die Anwesenheitszeiten des bzw. der Weiterbilder von durchschnittlich 2 bis 3 Stunden täglich, in denen ein direkter Austausch stattfand, hinaus bestand aufgrund der örtlichen Nähe der ambulanten Praxen der Weiterbilder eine enge Zusammenarbeit und Betreuung. Die Weiterbilder waren ständig telefonisch erreichbar und waren im Bedarfsfall innerhalb von wenigen Minuten vor Ort. Diese ständige Erreichbarkeit bestand auch nicht lediglich in der Theorie, sondern wurde tatsächlich in Anspruch genommen. Zwar stellte die Tätigkeit im Krankenhaus … für die Klägerin erst die erste Weiterbildungstätigkeit dar, sodass insofern ein höherer Betreuungsbedarf als zum Ende der Weiterbildung bestand. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass Voraussetzung für den Beginn der Weiterbildung die Approbation als Arzt ist, § 4 Abs. 1 WBO 2010. Bereits zu Beginn der Weiterbildung ist somit ein vollständig ausgebildeter und approbierter Arzt tätig, der nicht der ständigen Kontrolle durch einen Weiterbilder bedarf.
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3.2 Der Weiterbildungszeitraum ist auch nicht anteilig um den in Form von Nacht- und Wochenenddiensten abgeleisteten Anteil der Arbeitszeit zu kürzen.
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Die Ableistung von Diensten ist Teil der Weiterbildung. Der Weiterzubildende hat die Weiterbildung ganztägig und in hauptberuflicher Stellung abzuleisten, Art. 30 Abs. 4 Satz 1 HKaG. Nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Richtlinie) setzt die Weiterbildung die Beteiligung an sämtlichen ärztlichen Tätigkeiten in dem Bereich voraus, in dem die Weiterbildung erfolgt, einschließlich des Bereitschaftsdienstes, so dass der in der ärztlichen Weiterbildung befindliche Arzt während der gesamten Dauer der Arbeitswoche und während des gesamten Jahres gemäß den von den zuständigen Behörden festgesetzten Bedingungen seine volle berufliche Tätigkeit dieser praktischen und theoretischen Weiterbildung widmet. Nach Art. 25 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie müssen die Facharztanwärter in den betreffenden Abteilungen persönlich zur Mitarbeit herangezogen werden und Verantwortung übernehmen. § 4 Abs. 3 WBO 2010 legt als Inhalt der Weiterbildung ausdrücklich auch den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in medizinischen Notfallsituationen fest. Aus der Regelung in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie ergibt sich, dass Bereitschaftszeiten – und somit auch reguläre Nacht- und Wochenenddienste – zwingender Bestandteil der ärztlichen Weiterbildung sind. Bereitschaftsdienstzeiten dürften für die Übernahme von Verantwortung regelmäßig im besonderen Maße geeignet sein, da zu diesen Zeiten nicht selten nur die Rufbereitschaft des Oberarztes bei dringenden Fällen zur Verfügung steht und der Assistenzarzt ansonsten auf sich allein gestellt Entscheidungen treffen muss (vgl. VG Hannover, U.v. 21.1.2015 – 5 A 8219/14 – juris Rn. 41). Die Richtlinie enthält zwar keine verbindliche Vorgabe zu einer Anrechnung solcher Bereitschaftszeiten auf eine Mindestweiterbildungszeit. Zumindest für nicht in Bereitschaft absolvierte Nacht- und Wochenenddienste ist allerdings davon auszugehen, dass der Satzungsgeber diese Weiterbildungszeiten als Teil der Mindestweiterbildungszeit angesehen hat und diese somit zu berücksichtigen sind. Im Gegensatz zu Weiterbildungszeiten im Bereitschaftsdienst ist eine ständige Anwesenheit des Weiterzubildenden während regulärer Nacht- und Wochenenddienste erforderlich. Ein wie von § 1 Abs. 1 Satz 2 WBO 2010 vorgesehener strukturierter Wissenserwerb ist hier möglich und durch die ständige Anwesenheit des Weiterzubildenden sowie die Unterschiede der ärztlichen Tätigkeit zu gewöhnlichen Tagdiensten gerade gewährleistet. Es ist davon auszugehen, dass der Satzungsgeber die vorgenannten Zeiten berücksichtigt hatte, als er die Weiterbildungszeiten in den einzelnen Gebieten verbindlich vorgegeben hat (vgl. VG Hannover, U.v. 21.1.2015 – 5 A 8219/14 – juris Rn. 33).
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Auch hinsichtlich dieser Dienstzeiten muss die Weiterbildung gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 vom Weiterbilder persönlich geleitet werden. Einer Weiterbildung zu Dienstzeiten ist jedoch generell immanent, dass eine noch höhere Eigenverantwortlichkeit des Weiterzubildenden und eine weniger enge Betreuung und Kontrolle durch den Weiterbilder gegeben ist. Die ständige telefonische Erreichbarkeit der Weiterbilder ist hierfür ausreichend. Die Klägerin war im Krankenhaus … in Vollzeit beschäftigt. Auch die in Form von Nacht- und Wochenenddiensten anteilig abgeleistete Arbeitszeit ist im Rahmen der Vollzeitweiterbildung anzuerkennen.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie zur Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.