Titel:
Recht auf Betreten der freien Natur, Errichtung eines Schildes auf Privatgrund, mit dem der Zugang zu einer öffentlichen Badefläche beschränkt wird, Begriff der „freien Natur“ nach Art. 26 ff. BayNatSchG und der „freien Landschaft“ nach § 59 Abs. 1 BNatSchG, Zulässigkeit von Sperren nach Art. 33 BayNatSchG, Dauerwirkung von Beseitigungsanordnungen
Normenketten:
Bayerische Verfassung (BV) Art. 141 Abs. 3 S. 1
Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) Art. 26 Abs. 1 S. 1, Art. 27 Abs. 1, 3
BayNatSchG Art. 33, Art. 34 Abs. 2, 3
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) § 59 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2
Schlagworte:
Recht auf Betreten der freien Natur, Errichtung eines Schildes auf Privatgrund, mit dem der Zugang zu einer öffentlichen Badefläche beschränkt wird, Begriff der „freien Natur“ nach Art. 26 ff. BayNatSchG und der „freien Landschaft“ nach § 59 Abs. 1 BNatSchG, Zulässigkeit von Sperren nach Art. 33 BayNatSchG, Dauerwirkung von Beseitigungsanordnungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15092
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wehrt sich gegen die Anordnung, ein Schild, mit dem der Zugang zu einem Teil eines Ufergrundstücks beschränkt wird, zu entfernen und das zukünftige Aufstellen von Sperren zu unterlassen.
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Das streitgegenständliche Ufergrundstück FlNr. 517/3 Gemarkung … hat eine Größe von ca. 1.400 m² und grenzt im Norden an den … See. Es steht, wie die im Süden angrenzenden Grundstücke FlNr. 517 und 517/2 derselben Gemarkung, im Eigentum des Studentenwerks München, einer Anstalt öffentlichen Rechts. Die Klägerin ist seit Vertrag vom 20. April 1982 Inhaberin eines Erbbaurechts an den genannten Grundstücken. Auf dem Grundstück FlNr. 517 betreibt die Klägerin ein Hotel, das Grundstück FlNr. 517/2 beherbergt einen Gastronomiebetrieb. Das Grundstück 517/3 wird im Wesentlichen als Badefläche genutzt. An dieses Grundstück grenzen westlich zu privatem Wohnen genutzte Grundstücke und östlich der Segelverein ... e.V. sowie im Anschluss ein öffentlicher Campingplatz an. Das Grundstück FlNr. 517/3 wird zu einem kleinen am Ostrand gelegenen Teil (ca. 260 m²) auch durch den Segelverein genutzt. Zwischen den Grundstücken FlNr. 517 sowie 517/2 erstreckt sich vom Campingplatz (FlNr. 582/3) ausgehend ein bis zum Grundstück FlNr. 517/3 führendes und im Eigentum des Freistaats Bayern stehendes Wegegrundstück (FlNr. 524/1). Der fußläufige Zugang zum Ufer erfolgt jedoch nicht hierüber, sondern von der ... Straße aus über den Parkplatz auf den Grundstücken FlNr. 517 und 517/2 sowie einen Weg östlich des Gastronomiebetriebs auf dem Grundstück FlNr. 517/2.
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Die Grundstücke FlNr. 517, 517/2 und 517/3 waren im Flächennutzungsplan in Nachbarschaft zum See zunächst als öffentliche Grünfläche und südlich davon als private Parkanlage mit Baubestand ausgewiesen; dieser Plan wurde im Jahr 1991 durch einen neuen Flächennutzungsplan ersetzt, in dem im fraglichen Bereich eine öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung Sondergebiet, das der Erholung dient (Sport und Hotel) dargestellt wurde. Der Bebauungsplan „Neubearbeitung …“ aus dem Jahr 1998 diente der Verwirklichung der im Flächennutzungsplan vorgesehenen Nutzungen und sah einen Erweiterungsbau des bereits bestehenden Hotels … vor. Das streitgegenständliche Grundstück FlNr. 517/3 wurde als öffentlicher Badeplatz festgesetzt. Die Ausweisung des streitgegenständlichen Grundstücks FlNr. 517/3 als öffentlicher Badeplatz wurde im Zuge der Änderungen des Bebauungsplans in den Jahren 2001 und 2008, die eine Vergrößerung des Hotelbetriebs ermöglichten, sowie im konsolidierten Bebauungsplan „Hotel ... … See“ aus dem Jahr 2015 beibehalten.
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Die Untere Naturschutzbehörde des Beklagten stellte bei Ortseinsichten am 8. Januar und 9. Juni 2020 fest, dass der westliche Teil des Grundstücks FlNr. 517/3 auf der Höhe der westlichen Grenze des Gastronomiegrundstücks FlNr. 517/2 bis zur unmittelbar am … See gelegenen Hangkante (ca. 460 m²) durch querliegende Baumstämme vom östlichen Teil desselben Grundstücks (ca. 620 m²) abgegrenzt wurde. Auf dem westlichen Grundstücksteil befand sich zudem eine hölzerne Terrasse und Mobiliar des Hotels. Auf dem mit dem Gastronomiebetrieb bebauten Grundstück FlNr. 517/2 war ein Schild mit der Aufschrift „Parken nur für Restaurant- und Hotelgäste“ angebracht (vgl. zum Ganzen die Fotos auf Bl. 1 ff. BA und die Karte auf Bl. 12 BA).
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Mit Bescheid vom 5. August 2020 forderte die Untere Naturschutzbehörde die Klägerin zur Beseitigung der querliegenden Bäume und des Schildes sowie zum Unterlassen der Nutzung der hölzernen Terrasse zu privaten Zwecken auf. Dem kam die Klägerin nach.
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Bei einer Ortseinsicht der Behörde am 27. Juni 2022 stellte diese fest, dass an derselben Stelle erneut eine Abgrenzung des westlichen vom östlichen Teil des Grundstücks FlNr. 517/3 vorgenommen wurde, diesmal durch Errichtung eines Holzstapels und eines Zauns. Auf dem westlichen Teil stand erneut Mobiliar des Hotels (Liegen, Sonnenschirme etc.). An dem Zaun war etwa mittig ein grünes Schild mit dem Namen des Hotels als Überschrift und mit folgender weiterer Aufschrift angebracht: „Bitte haben Sie Verständnis, dass uns die Privatsphäre unserer Gäste heilig ist. Zutritt zum Hotel und Garten nur für Hotelgäste! Das Restaurant und die Außenterrassen sind derzeit unseren Hotelgästen als „privates Refugium“ vorbehalten! […]“ (vgl. die Fotos auf Bl. 89 f. BA).
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Mit Schreiben vom 4. Juli 2022 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Anordnung wegen unzulässiger Sperren an.
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Bei einer Ortseinsicht am 19. Juli 2022 war das grüne Schild abgebaut. Bei Ortseinsichten am 8. August und 19. Oktober 2022 war dieses jedoch wieder aufgestellt (vgl. Bl. 125, 128 BA).
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19. Oktober 2022, dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 27. Oktober 2022, ordnete die Behörde gegenüber der Klägerin die Beseitigung des grünen Schildes auf dem Grundstück FlNr. 517/3 Gemarkung … innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids an (Nr. 1 des Bescheids). Sie verpflichtete die Klägerin zudem, das zukünftige Aufstellen von Sperren, welche den Zutritt der Allgemeinheit zum gesamten öffentlichen Badeplatz auf dem Grundstück FlNr. 517/3 verhindern, ab Zustellung des Bescheids zu unterlassen (Nr. 2), drohte für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 1 des Bescheids und für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 2 des Bescheids jeweils ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 EUR an (Nrn. 3 und 4) und ordnete den Sofortvollzug der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 5).
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Der Beklagte führte zur Begründung im Wesentlichen an, die Beseitigungsanordnung sei nach Art. 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BayNatSchG rechtmäßig. Bei dem streitgegenständlichen Grundstück FlNr. 517/3 handele es sich aufgrund seines naturnahen Bestands um freie Natur. Die Beschilderung stelle eine Sperre dar, da sie als psychologische Barriere die erholungssuchende Bevölkerung vom Betreten abhalte. Die Voraussetzungen der Rechtfertigung von Sperren in der freien Natur nach Art. 33 BayNatSchG lägen nicht vor, da nur Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG in Betracht komme und die Klägerin auf der FlNr. 517/3 keine zulässige Nutzung betreibe. Denn der Bebauungsplan sehe eine gemeindliche Badefläche vor. Die Beseitigung des Schilds sei für die erholungssuchende Bevölkerung i.S.d. Art. 34 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG erforderlich, da die Zugänglichkeit zum … See im Bereich … bereits stark eingeschränkt sei. Die Anordnung der Beseitigung sei nach pflichtgemäßen Ermessen erfolgt. Das Interesse der erholungssuchenden Allgemeinheit überwiege das Interesse der Klägerin als Erbbauberechtigte an einer privaten Nutzung. Mildere Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Bei Sperrung des Zugangs sei ein Ausweichen der erholungssuchenden Bevölkerung auf andere, naturschutzfachlich wertvollere Flächen zu befürchten. Die Klägerin habe als Verhaltens- und Zustandsstörerin eine Doppelstörereigenschaft und sei daher nach Art. 9 LStVG richtige Adressatin der Beseitigungsanordnung. Die Unterlassungsanordnung beruhe auf § 3 Abs. 2 i.V.m. § 59 Abs. 1 BNatSchG. Der Begriff der „freien Landschaft“ sei zum Begriff der „freien Natur“ im Landesrecht deckungsgleich, sodass auf die Begründung zur Beseitigungsanordnung verwiesen werden könne. Auch hinsichtlich des Ermessens laufe die Interessenlage gleich; die Ermessenserwägungen zur Beseitigungsanordnung würden entsprechend gelten. Da die freie Natur bereits mehrfach durch Sperren der Klägerin eingeschränkt worden sei, bestehe die konkrete Gefahr weiterer Verstöße. Die Androhung der Zwangsgelder sei angesichts der exklusiven Seelage verhältnismäßig.
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Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin mit am 16. November 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,
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die Anordnungen im Bescheid vom 19. Oktober 2022 aufzuheben.
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Der Bescheid sei rechtswidrig, da er an den Geschäftsführer persönlich gerichtet worden sei, der jedoch nicht als Störer herangezogen werden könne, weil er mittlerweile seine Anteile an der Klägerin veräußert habe. Aufgrund der Lage des Grundstücks FlNr. 517/3 im Geltungsbereich eines Bebauungsplans erscheine es fraglich, ob insoweit von „freier Natur“ auszugehen sei. Zudem könne bei dem Schild nicht von einer „Sperre“ gesprochen werden, da es keine Aussage über die Zugänglichkeit des Uferbereichs treffe und ein psychologisches Hindernis nicht ausreiche. Die Beseitigungsanordnung liege auch nicht im Interesse der erholungsbedürftigen Bevölkerung; die Behauptung im Bescheid, dass die Zugänglichkeit zum Ufer des … Sees in … bereits eingeschränkt sei, werde bestritten. Es bestehe zudem kein Anlass, die Klägerin mit einer Anordnung hinsichtlich anderer potentieller Sperren zu belasten; der Anordnung zur Beseitigung der querliegenden Baumstämme sei die Klägerin nachgekommen.
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Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2023 und beantragte,
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Die Klage sei wegen eines vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin am 27. Januar 2023 abgegebenen Klagerücknahmeversprechens bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, da der Bescheid rechtmäßig sei. Insoweit vertiefte der Beklagte im Wesentlichen seine bereits im Bescheid vom 19. Oktober 2022 vorgebrachten Argumente. Er wies zudem darauf hin, dass die bauplanungsrechtliche Einstufung für die Frage der Einordnung eines Grundstücks als freie Natur irrelevant sei. Das Vorliegen von freier Natur bestimme sich ausschließlich nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Für eine Sperre der freien Natur reiche es aus, dass sich nach den gesamten Umständen der Eindruck aufdränge, es handele sich um eine nicht dem Betretungsrecht unterliegende Fläche. Die Klägerin sei Adressatin des Bescheids und in dessen Begründung auch als solche bezeichnet worden. Der Bescheid sei nicht an den damaligen Geschäftsführer persönlich gerichtet. Dieser sei nur im Adressfeld genannt, da der an die Klägerin gerichtete Bescheid ihm als deren Organvertreter habe zugestellt werden müssen. Die Klägerin sei richtige Adressatin des Bescheids, insbesondere sei sie Inhaberin der tatsächlichen Gewalt. Die Veräußerung der Anteile der Klägerin durch den damaligen Geschäftsführer lasse die Identität der Klägerin als Personengesellschaft bzw. juristische Person unberührt. An das Auswahlermessen seien wegen der Doppelstörereigenschaft der Klägerin keine zu hohen Anforderungen zu stellen, es handele sich um die Ausübung intendierten Ermessens.
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Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2023 ergänzte der nach Mandatsniederlegung des vormaligen Klägerbevollmächtigten neu hinzugezogene Bevollmächtigte die Klage. Das Grundstück FlNr. 517/3 sei Teil eines bestehenden Bebauungszusammenhangs. Sowohl westlich wie östlich schließe sich weitere Bebauung an; alle benachbarten Grundstücke seien bis zum See hin eingefriedet und gehörten offensichtlich nicht zur „freien Natur“. Es bestehe zudem eine Zuordnung zum Hotel und insbesondere zum Gastronomiebetrieb auf dem Grundstück FlNr. 517/2, von dessen Terrasse aus mit wenigen Stufen ein Zugang zum Grundstück FlNr. 517/3 bestehe. Das Grundstück könne nicht als größere Freifläche innerhalb eines gegebenen Bebauungszusammenhangs mit eigenständiger Prägung gewertet werden. Der in der „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz v. 27.11.2020, Az. 62f-U8667.0-2019/1-126 zum Vollzug des Bayerischen Naturschutzgesetzes, Teil 6: Erholung in der freien Natur“ gezogene Vergleich zum Englischen Garten zeige, dass das abzüglich der vom Segelverein genutzten Fläche nur ca. 1.200 m² große Grundstück für eine Einordnung als freie Natur zu klein sei. Nichts Anderes folge aus der Festsetzung des Grundstücks als öffentliche Badefläche im Bebauungsplan. An der Eigenschaft eines Privatgrundstücks könne dies nichts ändern, eine Umwandlung zu einer öffentlichen Fläche müsse ggf. durch ein – bisher nicht erfolgtes – Enteignungsverfahren betrieben werden. Die Überplanung der Privatfläche der Klägerin stelle zudem einen schwerwiegenden Eingriff in die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) dar, dem jede Rechtfertigung fehle, sodass der Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam sei. Dies gelte erst recht mit Blick auf den in ca. 230 m Luftlinie entfernten öffentlichen Badeplatz der Gemeinde … Im Übrigen fehle jede Zugänglichkeit zum Grundstück durch die Öffentlichkeit; ein Zugang sei nur über das Privatgelände der Klägerin möglich. Nach alledem komme es auf die Frage des Vorliegens einer Sperre nicht an. Eine solche sei aber jedenfalls wegen der Verunreinigung des Gesamtgeländes nach Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG gerechtfertigt. Die Parkplätze des Hotels würden ebenso wie die sanitären Anlagen des Gastronomiebetriebs ungefragt durch Badegäste genutzt. Auf dem Grundstück FlNr. 517/3 verblieben Abfälle. Da der Begriff der „freien Landschaft“ im Bundesrecht und der Begriff der „freien Natur“ im Landesrecht deckungsgleich seien, sei auch die Unterlassungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids rechtswidrig.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15. Januar 2024 und vom 24. April 2024, auf das Protokoll zum gerichtlichen Augenschein vom 24. April 2024 samt Fotomaterial sowie auf die Gerichtsakte und die Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht wegen eines Klagerücknahmeversprechens bzw. fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
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a) Der Beklagte kann den Nachweis eines vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin abgegebenen wirksamen Klagerücknahmeversprechens, welches zur Unzulässigkeit der Klage führen würde (vgl. BayVGH, U.v. 22.4.2008 – 1 B 04.3320 – juris Rn. 31 m.w.N.), nicht erbringen. Der Prozessvertreter des Beklagten verweist insoweit auf interne E-Mails der Unteren Naturschutzbehörde des Beklagten, in welchen vermerkt wurde, dass der damalige Geschäftsführer bei einem gemeinsamen Ortstermin am 27. Januar 2023 „in Aussicht gestellt“ habe, die streitgegenständliche Klage im Gegenzug zu einer Bußgeldreduzierung zurückzunehmen. Dies belegt aber allenfalls eine entsprechende Absichtserklärung. Ein verbindliches Rücknahmeversprechen ist ihm nicht zu entnehmen.
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b) Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids hat sich durch die zwischenzeitliche Beseitigung des streitgegenständlichen grünen Schildes nicht i.S.d. Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) erledigt. Die Erfüllung der dem Kläger auferlegten Verpflichtung führt nicht zum Wegfall der mit dem Bescheid verbundenen Beschwer. Vielmehr kommt der Beseitigungsanordnung vorliegend Dauerwirkung zu; sie umfasst auch das Verbot, das besagte Schild wieder aufzustellen. Dem Bescheid kann im Wege der Auslegung entnommen werden, dass die Beseitigungsanordnung für den Fall der Rückgängigmachung erneut Rechtsfolgen entfalten soll. Denn das betreffende Schild könnte jederzeit ohne größeren Aufwand am gleichen Ort wieder neu errichtet werden (vgl. zur bauordnungsrechtlichen Beseitigungsanordnung BVerwG, B.v. 17.11.1998 – 4 B 100.98 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 25.7.2014 – 1 ZB 13.514 – juris Rn. 8; B.v. 14.3.2008 – 9 ZB 07.1126 – juris Rn. 3 m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 2.8.2023 – Au 4 K 23.385 – juris Rn. 16; VG München, U.v. 14.7.2020 – M 1 K 18.5695 – juris Rn. 22 m.w.N.; VG Ansbach, B.v. 28.5.2018 – AN 17 S 18.00716 – juris Rn. 22; zum Ganzen auch Manssen in BeckOK, Bauordnungsrecht, Stand Januar 2024, Art. 76 BayBO, Rn. 61). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Klägerin das streitgegenständliche Schild bereits im Jahr 2022 beseitigt und wieder aufgestellt hat.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid vom 19. Oktober 2022 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Der Bescheid ist auf die richtigen Rechtsgrundlagen gestützt. Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung des Schildes in Nr. 1 des Bescheids ist Art. 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG und für die Unterlassungsanordnung hinsichtlich sämtlicher Sperren des Grundstücks FlNr. 517/3 in Nr. 2 des Bescheids § 3 Abs. 2 i.V.m. § 59 BNatSchG.
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b) Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde die Klägerin vor dessen Erlass mit Schreiben vom 4. Juli 2022 ordnungsgemäß i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG zu den für die Entscheidungen erheblichen Tatsachen angehört.
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c) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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aa) Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids durfte auf Art. 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG gestützt werden und die Behörde hat auch ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
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Nach Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG kann die Untere Naturschutzbehörde die Beseitigung einer bereits bestehenden Sperre anordnen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach Art. 34 Abs. 2 BayNatSchG die Errichtung der Sperre untersagt werden müsste. Nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG kann die Behörde die Errichtung einer Sperre in der freien Natur (vgl. Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG) untersagen, wenn dies im gegenwärtigen oder absehbaren zukünftigen Interesse der erholungsuchenden Bevölkerung erforderlich ist und die Sperre den Voraussetzungen des Art. 33 BayNatSchG widerspricht.
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(1) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
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(a) Bei dem Grundstück FlNr. 517/3 Gemarkung … handelt es sich um einen Teil der freien Natur.
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Die Gesetzesbegründung zu Art. 14 ff. BayNatSchG a.F. (LT-Drs. 7/3007, S. 24) führt zu diesem Begriff aus:
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„Unter „freie Natur“ sind einmal Flächen außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zu verstehen, die nicht durch bauliche oder sonstige künstliche Anlagen unmittelbar verändert sind. Das werden insbesondere solche Flächen sein, die sich im Naturzustand oder im Zustand landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder gärtnerischer Kultivierung befinden. Nicht zur freien Natur gehören danach etwa Gebäude und ihr unmittelbarer Umgriff, Bahnanlagen oder ausgebaute Lagerplätze. Dagegen ist es für den Begriff der freien Natur grundsätzlich unerheblich, ob ein Gebiet frei zugänglich oder durch Einfriedungen oder sonstige Sperren dem Zugang der Allgemeinheit entzogen ist. Durch die Bestimmungen dieses Abschnittes soll gerade geregelt werden, welche Flächen in der freien Natur eingezäunt werden dürfen und wann Einfriedungen beseitigt werden können. Aus diesem System ergibt sich, dass Einfriedungen den Charakter eines Gebietes als Teil der freien Natur nicht ausschließen können. Auch die durch landwirtschaftliche oder gärtnerische Maßnahmen gestalteten Flächen sind Teile der freien Natur. Auch größere Flächen innerhalb von Stadtgebieten oder von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen können Bestandteile der freien Natur sein (vgl. BayVerfGH 18, 121; 21, 197-201). Ein Ort kann auch in seiner Gesamtheit so in die Landschaft eingebettet, mit dieser zu einem einheitlichen Bild verwachsen oder zu einem Bestandteil der Landschaft geworden sein, dass lediglich die tatsächlich überbauten Flächen und die Umgriffe der Gebäude nicht zur freien Natur gerechnet werden können. Der Begriff „freie Natur“ kann nicht für alle Fälle eindeutig und abschließend gesetzlich definiert werden. Im Einzelfall muss jeweils nach den tatsächlichen Gegebenheiten entschieden werden, ob ein Gebiet Teil der freien Natur ist. Eine Aufzählung der für die Erholung und den Naturgenuss wichtigsten Teile der freien Natur enthält Art. 15 Abs. 1 (heute: Art. 27 Abs. 1) BayNatSchG.“
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Hieraus ergibt sich, dass freie Natur sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass sie nicht von der umliegenden Bebauung, sondern von ihrem natürlichen Erscheinungsbild entscheidend geprägt wird (vgl. BayObLG, B.v. 15.9.1993 – 3 ObOWi 65/93 – juris Rn. 6 m.w.N.; VG München, U.v. 20.10.2008 – M 8 K 07.5834 – juris Rn. 34 m.w.N.; VG Regensburg, U.v. 29.9.2023 – RN 4 K 22.1597 – juris Rn. 41). Die Einordnung eines Grundstücks als freie Natur kann sich ausweislich der Gesetzesbegründung entweder aus sich heraus oder aber aus seiner Einbettung in die umgebende Landschaft ergeben (vgl. auch BayObLG a.a.O. Rn. 6; BayVGH, U.v. 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 52). Im Gegensatz zu den Regelungen des Bauplanungsrechts über bebaute Ortsteile und Außenbereich ist für den Begriff der freien Natur in Art. 26 ff. BayNatSchG nicht auf bauplanungsrechtliche Gesichtspunkte, sondern auf den tatsächlichen Zustand abzustellen. Damit können auch Flächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans freie Natur sein. Selbiges gilt für Wohngrundstücke außerhalb des Wohnbereichs (vgl. Fischer-Hüftle/Egner (Hrsg. u.a.), Naturschutzrecht in Bayern, Stand Januar 2023, Art. 26 Rn. 8 f.). Die Frage, ob das betreffende Grundstück in einen Bebauungszusammenhang eingeordnet ist, richtet sich danach, ob das betreffende Grundstück tatsächlich durch eine Bebauung geprägt oder dieser funktional zugeordnet ist (BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 7/16 – juris Rn. 51 mit Verweis auf OVG Berlin-Bbg, U.v. 2.4.2009 – 11 B 9.08 – juris Rn. 35 ff.; VG München, U.v. 23.10.2019 – M 19 K 18.343 – juris Rn. 55 f.; Maus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 59 Rn. 14). Ob ein Grundstück frei zugänglich ist, ist für eine Zuordnung zur freien Natur grundsätzlich unerheblich (vgl. Fischer-Hüftle/Egner (Hrsg. u.a.) a.a.O. Rn. 7 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch BayVerfGH, E.v. 30.9.2014 – Vf.1-VII-14 – juris Rn. 40). Die Frage einer die freie Natur ausschließenden Nutzung wird im bayerischen Landesrecht im Gegensatz zum Bundesrecht (vgl. den Begriff der „ungenutzten Grundflächen“ in § 59 Abs. 1 BNatSchG) erst bei der Prüfung des Art. 33 BayNatSchG relevant; der Begriff der „freien Natur“ im bayerischen Landesrecht ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Verankerung des Rechts auf Erholung in der freien Natur in Art. 141 Abs. 3 BV keinesfalls enger zu verstehen als der bundesrechtliche Parallelbegriff der „freien Landschaft“ (vgl. Fischer-Hüftle/Egner a.a.O. Rn. 12).
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Dies zugrunde gelegt ist das streitgegenständliche Grundstück FlNr. 517/3 nach den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort Teil der freien Natur i.S.d. Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG. Das Gericht ist aufgrund der in den Akten befindlichen Lichtbilder, Luftbilder und Kartenmaterialien sowie dem Eindruck, den es bei seiner Beweisaufnahme durch Augenschein gewonnen hat, zu dem Ergebnis gelangt, dass das Grundstück FlNr. 517/3 als Uferzone in seiner Gesamtheit in die vorhandene, vom Starnberger See geprägte Landschaft eingebettet ist.
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(aa) Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass das Grundstück FlNr. 517/3 eine eher geringe Fläche von ca. 1.400 m² aufweist. Der in der „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz v. 27.11.2020, Az. 62f-U8667.0-2019/1-126 zum Vollzug des Bayerischen Naturschutzgesetzes, Teil 6: Erholung in der freien Natur“ gezogene Vergleich zum Englischen Garten legt zumindest nahe, dass der Gesetzgeber innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen erheblich größere Grundstücke dem Betretungsrecht nach Art. 26 Abs. 1 BayNatSchG unterwerfen wollte.
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(bb) Die Zugehörigkeit des Grundstücks FlNr. 517/3 zur freien Natur ergibt sich jedoch aus seiner Verbindung zu den umgebenden Grünflächen und insbesondere zum ca. 58 km² großen, unmittelbar angrenzenden Starnberger See mit dem freien Blick auf das gegenüber liegende Ufer, wodurch das naturbelassene Grundstück wesentlich geprägt wird.
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Das Grundstück selbst befindet sich in naturnahem Zustand. Es ist im Bereich des südlich anschließenden Gastronomiebetriebs mit Ausnahme einer in den See ragenden Steganlage unbebaut und mit Wiese sowie in unmittelbarer Nähe zum See mit einzelnen großen Bäumen bestanden, deren Wurzeln teilweise bis ins Wasser ragen. Direkt am Ufer finden sich Kiesstreifen. Im Bereich des sich südlich anschließenden Hotels mit Außenanlagen stellt sich die Situation ähnlich dar, wobei die dortige Rasenfläche einen gepflegteren Zustand aufweist. Dort ist lediglich eine kleinere gemauerte Treppe errichtet, die an der in diesem Bereich steileren Uferkante einen leichteren Einstieg in den See ermöglicht. Der östliche Teil des Grundstücks, der hinter einer niedrigen Einfriedung liegt und vom Segelverein genutzt wird, ist ebenfalls naturbelassen. Eine flachere Uferzone mit Kies geht in eine mäßig steile Wiesenfläche über. Erst das südlich anschließende Grundstück FlNr. 524 ist vom Ufer zurückversetzt mit einzelnen größeren Gebäuden bebaut; es stellt sich im Grenzbereich zum streitgegenständlichen Grundstück aufgrund dichteren Busch- und Baumbewuchses gleichwohl naturnah dar.
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Das an das Grundstück FlNr. 517/3 unmittelbar westlich angrenzende Grundstück (FlNr. 523/2) ist mit einem deutlich vom See abgesetzten Wohnhaus bebaut und insbesondere auch im Bereich des Seeufers mit zahlreichen größeren Bäumen bewachsen. Gleiches gilt, wie sich dem betreffenden Karten und Luftbildmaterial aus dem BayernAtlas entnehmen lässt, für die weiter westlich benachbarten und intensiv begründen Grundstücke bis zumindest FlNr. 512. Die jeweilige Bebauung wirkt angesichts der Grundstücksgrößen eher untergeordnet. Die Grundstücke wirken parkähnlich und vermögen für sich genommen keine funktionale Zuordnung der streitgegenständlichen Fläche zu der westlich benachbarten Bebauung zu schaffen. Die südlich an das Grundstück FlNr. 517/3 angrenzenden Grundstücke FlNr. 517/2 und 517 sind mit dem Gastronomiebetrieb und dem Hotel zwar intensiver bebaut. Während das Hotelgebäude deutlich zurückversetzt errichtet ist und nur dessen großzügige Außenanlagen (mit Rasenfläche, Buschwerk bzw. Hecken) nebst einem Pavillon an das streitgegenständliche Grundstück angrenzen, weist der Gastronomiebetrieb nur einen geringen Abstand zu der Wiesenfläche auf dem Grundstück FlNr. 517/3 auf. Die betreffende Terrasse mit Treppenanlage, die in eine Kiesfläche auf dem streitgegenständlichen Grundstück übergeht, grenzt unmittelbar an. Dies wirkt sich aber – wie der Augenschein bestätigt hat – nicht prägend auf das hier zu betrachtende Grundstück aus. Vielmehr dominiert nach dem Gesamteindruck dessen natürliche Eigenart als Uferwiese am … See und entspricht damit letztlich dem im Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG als Teil der freien Natur beispielhaft benannten „Uferstreifen“ (vgl. auch Nr. 2.6.3 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 27.11.2020, Az. 62f- U8667.0- 2019/1- 126 zum Vollzug des bayerischen Naturschutzgesetzes, Teil 6: Erholung in der freien Natur, wonach öffentliche Badeplätze vom Betretungsrecht der Allgemeinheit umfasst und freie Natur sind, sowie Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG). Von der gesamten Fläche aus ergibt sich auch ein ungehinderter Blick auf die überwiegend mit Bäumen bewachsenen gegenüberliegenden Uferbereiche.
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Die Frage der freien Zugänglichkeit ist für die Einordnung eines Grundstücks zur freien Natur grundsätzlich unerheblich. Selbst wenn der Klägerin aber zu folgen wäre, dass für die Zuordnung eines Grundstücks zur freien Natur zumindest eine abstrakte Zugangsmöglichkeit für die Allgemeinheit erforderlich sein müsse, ist dies hier der Fall. Aktuell gelangt man zum Seeufer über die FlNr. 517 und 517/2 über einen gepflasterten Fußweg, der östlich am Gastronomiebetrieb vorbeiführt (vgl. zum Augenscheinprotokoll Fotos 6 ff.). Wenn die Klägerin den Zugang zu den privaten Durchgangsgrundstücken FlNr. 517 und 517/2 sperren würde, bestünde zumindest eine abstrakte Zugangsmöglichkeit über das Wegegrundstück FlNr. 524/1 des Freistaats Bayern, dessen freie Zugänglichkeit dieser rechtlich durchsetzen könnte. Der Umstand, dass dieses Wegegrundstück bisher nicht an einer öffentlichen Straße, sondern vor dem an den Segelverein angrenzenden Campingplatz im Osten an der Würm endet, steht dem nicht entgegen. Eine zukünftige Anschließung an den im Eigentum der Gemeinde Seeshaupt stehenden Campingplatz ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Im Übrigen ist der Gemeinde Seeshaupt – wie auch die mündliche Verhandlung ergeben hat – im Grundbuch ein Geh- und Fahrtrecht eingeräumt. Der Vortrag der Klägerin, dieses Geh- und Fahrtrecht gelte nach der Bewilligung vom 16. Oktober 1998 nur für den Zugang zu dem auf dem östlichen Teil des Grundstücks FlNr. 517/3 gelegenen Steg (vgl. Foto 11), nicht jedoch für den Zugang zum übrigen Grundstück FlNr. 517/3, ändert nichts daran, dass das Grundstück damit faktisch insgesamt zugänglich ist. Dass das Grundstück FlNr. 517/3 Privatgrund ist, hindert seine Zuordnung zur freien Natur und das damit einhergehende Betretungsrecht nicht (vgl. Art. 141 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 36 Abs. 1 BayNatSchG). Zudem ist nach Rechtsauffassung des Gerichts jedenfalls im konkreten Fall auch die grundsätzliche Zugangsmöglichkeit von See aus zu berücksichtigen, da die Nutzung als Anlegestelle für Schwimmer, Boote, Stand-Up Paddles u.Ä. eine charakteristische und ohne weiteres mögliche Nutzung der Uferflächen des Starnberger Sees darstellt.
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(b) Bei dem streitgegenständlichen Schild handelt es sich um eine „Sperre“ in der freien Natur i.S.d. Art. 34 BayNatSchG.
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Sperren in diesem Sinne sind insbesondere Einfriedungen, andere tatsächliche Hindernisse oder Beschilderungen (vgl. Art. 27 Abs. 3 Satz 2 BayNatSchG). Eine Sperre setzt voraus, dass die Allgemeinheit zeitweise oder auf unbestimmte Zeit vom Betreten der freien Natur abgehalten wird, selbst wenn es demjenigen, der das Hindernis errichtet hat, darauf nicht ankam. Entscheidend ist die objektive Situation, wie sie sich dem Betretenden an Ort und Stelle darbietet; eine psychologische Barriere reicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2017 – 14 ZB 16.1775 – juris Rn. 9 f.). Das Hindernis muss nicht unüberwindbar sein (vgl. VGH BW, U.v. 21.4.1994 – 5 S 2157.93 – juris Rn. 16). Es genügt, wenn dem Betretenden der Eindruck vermittelt wird, er tue etwas Unerlaubtes und handele gegen den Willen des Eigentümers/Nutzungsberechtigten. Sperrungen können auch durch verbale Untersagungen (Schilder) erfolgen. Ob ein solches Schild entsprechend Art. 27 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG auf den gesetzlichen Grund hinweist, der eine Beschränkung des Betretungsrechts rechtfertigt, also wirksam ist, hat keine Relevanz für die Frage des Vorliegens einer Sperre, sondern betrifft nur das Selbsthilferecht der Erholungssuchenden (zum Ganzen Fischer-Hüftle/Egner, Naturschutzrecht in Bayern, Art. 27 Rn. 15 f., 19 m.w.N.).
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Gemessen hieran ist das streitgegenständliche Schild eine Sperre. Es weist unmissverständlich darauf hin, dass der Zutritt zum Hotel und Garten nur für Hotelgäste vorgesehen ist und diesen als privates Refugium dient. Durch die Stellung des Schildes auf dem Grundstück 517/3 – ungefähr mittig und auf der Höhe der westlichen Grenze des Gastronomiegrundstücks FlNr. 517/2 – wird auch ohne eine weitere Abzäunung deutlich, dass das Betretungsverbot für die Allgemeinheit für die gesamte vor dem Hotel gelegene Wiese bis zum Ufer gelten soll. Durch das Schild wird faktisch eine Linie über die gesamte Länge bis zum See gezogen und objektiv der Eindruck erweckt, der Betretende handele bei Übertreten dieser Linie unerlaubt und gegen den Willen des Berechtigten. Die Allgemeinheit wird dadurch vom Betreten dieser Uferwiesenfläche abgehalten. Dabei ist es – wie bereits Art. 27 Abs. 3 Satz 2 BayNatSchG zeigt, der als Beispiel für Sperren Beschilderungen nennt – unerheblich, dass das Hindernis nur psychologischer Natur ist.
43
(c) Die Errichtung der Sperre ist nicht gerechtfertigt.
44
Nach dem hier allein in Betracht kommenden Rechtfertigungsgrund des Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG darf ein Grundstückseigentümer oder sonstiger Berechtigter – in Konkretisierung der in Art. 27 Abs. 3 BayNatSchG geregelten Ausnahme vom Recht zur Betretung der freien Natur durch die Allgemeinheit gem. Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG – Sperren dann errichten, wenn die zulässige Nutzung des Grundstücks andernfalls nicht unerheblich behindert oder eingeschränkt, insbesondere wenn das Grundstück regelmäßig von einer Vielzahl von Personen betreten und dadurch in seinem Ertrag erheblich gemindert oder in unzumutbarer Weise beschädigt oder verunreinigt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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(aa) Zwar ist die Klägerin als Erbbau- und Nutzungsberechtigte (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 ErbbauRG i.V.m. Abschnitt II. und Abschnitt IIb. § 2, § 6 des Erbbaurechtsvertrags vom 20. April 1982, Anlage zur Klageerwiderung) „sonstige Berechtigte“ i.S.d. Art. 33 BayNatSchG, sodass der personelle Anwendungsbereich der Norm eröffnet ist. Darauf, ob eine dingliche oder schuldrechtliche Berechtigung am abgesperrten Grundstück besteht, kommt es nicht an (vgl. Fischer-Hüftle/Egner a.a.O., Art. 33, Rn. 1 und 4, wo ohne Differenzierung vom „Nutzungsberechtigten“ gesprochen wird).
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(bb) Bei der Nutzung der westlichen Teilfläche des Grundstücks FlNr. 517/3 als private Badewiese für Hotelgäste dürfte es sich aber schon nicht um eine zulässige Nutzung i.S.d. Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG handeln, weil das gesamte Grundstück der bauplanungsrechtlichen Festsetzung als gemeindlicher bzw. öffentlicher Badeplatz unterliegt.
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Der Einwand der Klägerin, der Bebauungsplan sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam, da die mit dem öffentlichen Badeplatz überplante Fläche ein mit einem Erbbaurecht belastetes Privatgelände sei, dürfte vorliegend nicht durgreifen. Auch ein Privatgrundstück darf grundsätzlich mit öffentlichen Nutzungen überplant werden, wenn sich dieser Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG – der auch das Erbbaurecht umfasst (BVerfG, B.v. 30.11.1988 – 1 BvR 1301/84 – juris Ls. 2) – als verhältnismäßig erweist. Eine fremdnützige Überplanung eines privaten Grundstücks ist verhältnismäßig, wenn der mit der Aufstellung eines Bebauungsplans verbundene hoheitliche Eingriff in das Eigentumsrecht geeignet ist, das Planungsziel zu erreichen; er muss ferner das am wenigsten belastende Mittel darstellen und in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem zu erzielenden Nutzen stehen, was insbesondere eine ausreichende Ermittlung entgegenstehender Belange voraussetzt (vgl. zum Ganzen OVG NRW, U.v. 14.4.2022 – 10 D 17/20.NE – juris Rn. 42 ff. m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass diese Anforderungen nicht erfüllt sein könnten und ein Abwägungsfehler bzw. sog. „Ewigkeitsmangel“ die Folge wäre. Es handelt sich bei der Überplanung hier lediglich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und nicht um eine (entschädigungspflichtige) Enteignung oder einen enteignungsgleichen Eingriff. Denn der direkte Zugang der Hotelgäste zum Starnberger See bleibt durch die Ausweisung als öffentlicher Badeplatz unberührt. Es ist in der bayerischen Rechtsprechung anerkannt, dass vor dem Hintergrund des hohen Rangs des Grundrechts auf Erholung der Allgemeinheit in der freien Natur (Art. 141 Abs. 3 BV) weitreichende Schrankenbestimmungen hinsichtlich des Eigentumsrechts möglich sind (vgl. z.B. die Rechtsprechung zum Seeuferweg am Tegernsee, BayVGH, B.v. 11.6. und 14.6.2013 – 8 ZB 12.725 und 8 ZB 12.784, die Rechtsprechung zur Leuchtenbergvilla am Bodensee, BayVGH, B.v. 12.3. 2004 – 9 ZB 99.464 und zum Schloss Possenhofen am Starnberger See, BayVGH, U.v. 5.12.1978 – 1 VIII 74 – alle juris). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat hinsichtlich des freien Zugangs zu Seeufern bereits festgestellt, dass Grundstückseigentümer sich nicht auf ein ungestörtes Nutzungsrecht berufen können; Art. 141 Abs. 3 BV bewirke als Ausfluss der Sozialgebundenheit öffentlich-rechtliche Beschränkungen des Eigentums und begründe für die betroffenen Grundeigentümer entsprechende Duldungspflichten, soweit sie nicht die Grenzen der Sozialbindung überschritten und über ein zumutbares Maß hinausgingen (vgl. BayVGH, B.v. 11. Juni 2013 – 8 ZB 12.784 – juris Rn. 32 mit Verweis auf BayVerfGH, E.v. 4.5.1994 – Vf. 8-VI-93 – VerfGH 47, 54/58). Im konkreten Fall ist auch der entstehungsgeschichtliche Hintergrund des Hotelbetriebs zu berücksichtigen. Wie die vormaligen Flächennutzungs- und Bebauungspläne zeigen, sollte das Beherbergungsgewerbe von Anfang an nur neben der Nutzung des Grundstücks FlNr. 517/3 als öffentliche Grün- /Badefläche ermöglicht werden.
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(cc) Die Wirksamkeit der Bebauungspläne bzw. die Frage der zulässigen Nutzung bedarf jedoch keiner abschließenden Beurteilung. Denn jedenfalls sind die weiteren Voraussetzungen des Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG nicht gegeben. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Nutzung des Grundstücks FlNr. 517/3 durch die Klägerin durch die Nutzung als allgemein zugänglicher Badeplatz i.S.d. Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG „nicht unerheblich behindert oder beeinträchtigt“ wird.
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Nach Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG wäre dies insbesondere dann der Fall, wenn die Beschädigung von Nutzpflanzen zu erwarten ist oder wenn das Grundstück regelmäßig von einer Vielzahl von Personen betreten und dadurch in seinem Ertrag erheblich gemindert oder in unzumutbarer Weise beschädigt oder verunreinigt wird. Wie der Vergleich zum Beispiel der Beschädigung von Nutzpflanzen und der unzumutbaren Beschädigung oder Verunreinigung des Grundstücks zeigt, müssen die Ursachen für eine Einschränkung der Nutzbarkeit des Grundstücks in einer Beeinträchtigung des Bodens liegen. Eine mit einer größeren Personenzahl einhergehende „normale Verschmutzung“ reicht für die Annahme einer „unzumutbaren Verunreinigung“ nicht aus, da eine solche mit einer Beschädigung des Grundstücks nicht gleichzusetzen ist (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2013 – 14 BV 13.487 – juris Rn. 45; Fischer-Hüftle/Egner a.a.O., Art. 33, Rn. 12).
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Diese Maßstäbe zugrunde gelegt kann der – von der Klägerin nicht näher dargelegte – Umstand, dass der wirtschaftliche Ertrag des Hotelbetriebs erheblich höher wäre, wenn ein exklusiver Seezugang für die Gäste bestünde, eine Nutzungseinschränkung i.S.d. Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG nicht begründen, da eine solche Einschränkung bereits nicht bodenbezogen ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Nutzung der Uferwiese durch Hotelgäste mit einer Nutzung auch durch andere Erholungssuchende nicht vereinbar ist.
51
Soweit die Klägerin illegales Parken auf dem Parkplatz auf den Grundstücken FlNr. 517, 517/2 und den unberechtigten Gebrauch der Toilettenanlage des Gastronomiebetriebs oder der Hotelanlagen durch externe Badegäste bemängelt, ist dies für die Frage der Beeinträchtigung des hier allein streitgegenständlichen Grundstücks FlNr. 517/3 nicht relevant; im Übrigen könnten solche unrechtmäßigen Nutzungen durch geeignete Maßnahmen an Ort und Stelle unterbunden werden. Beispielsweise bleibt es der Klägerin unbenommen, auf den Hotelaußenanlagen auf den Grundstücken FlNr. 517, 517/2 durch Beschilderung darauf hinzuweisen, dass deren Nutzung den Hotelgästen vorbehalten ist.
52
Soweit die Klägerin vorbringt, dass auf dem Grundstück FlNr. 517/3 Abfälle verbleiben, ist nicht dargelegt, dass diese Verunreinigungen über das sozialübliche Maß hinausgehen. Es ist außerdem nicht auszuschließen, dass diese zum Teil von den eigenen Hotelgästen herrühren.
53
(d) Die Beseitigung des Schildes ist auch im gegenwärtigen und absehbaren zukünftigen Interesse der erholungssuchenden Bevölkerung erforderlich (Art. 34 Abs. Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG).
54
Es ist gerichtsbekannt, dass die Erholungsgebiete am Starnberger See dem Bedarf bei weitem noch nicht Rechnung tragen, hat doch der Starnberger See Erholungsfunktionen für den gesamten Großraum München; die Badeflächen rund um den Starnberger See sind an schönen Wochenenden vollkommen überfüllt (so bereits der BayVGH, U.v. 5.12.1978 – 1 VIII 74 – juris Rn. 53). Diese Situation hat sich aufgrund des starken Zuzugs in den Großraum München verschärft. Am Starnberger See sind nur rund 24,4 von insgesamt 49,2 km der Ufer zugänglich (Auskunft der Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, s. Alwardt, „Bayerische Verfassung – Streit um die Seeufer – Bayern – SZ.de (sueddeutsche.de), zuletzt abgerufen am 29.5.2024). Der Erhalt des Betretungsrechts aller Teile der freien Natur am Starnberger See ist daher für das Erholungsinteresse der Bevölkerung im Raum München dringend erforderlich.
55
(e) Die Klägerin ist nach Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG), der mangels spezialgesetzlicher Regelungen als allgemeine Vorschrift Anwendung findet, Verhaltensstörerin und als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt am Grundstück FlNr. 517/3 (zur tatsächlichen Sachherrschaft vgl. § 1 Abs. 1, 2 ErbbauRG i.V.m. Abschnitt II. und Abschnitt IIb. § 2, § 6 des Erbbauvertrags) zugleich Zustandsstörerin. Es spielt keine Rolle, dass der zum Zeitpunkt des Erlasses des an die Klägerin gerichteten Bescheids bestellte vormalige Geschäftsführer seit Dezember 2023 als Geschäftsführer der Klägerin ausgeschieden ist und im November 2023 seine Anteile an der Klägerin veräußert hat. Damit geht keine Umwandlung bzw. Aufspaltung der Klägerin einher, ihre Identität hat sich nicht geändert.
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(2) Die Beseitigungsanordnung erging ermessensfehlerfrei.
57
Der Beklagte ist in seinem Bescheid zu Recht davon ausgegangen, dass die Beseitigung des Schildes geeignet und erforderlich ist, der Öffentlichkeit wieder einen ungehinderten Zugang zum gesamten Badeplatz auf dem Grundstück FlNr. 517/3 zu verschaffen, da mildere Mittel nicht ersichtlich sind, insbesondere auch Abgrenzungen mit geringfügigeren Sperrwirkungen rechtswidrig wären. Die Untere Naturschutzbehörde ist zudem nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beseitigungsanordnung auch angemessen ist, weil das Interesse der Allgemeinheit an der Erholung in der freien Natur nach Art. 141 Abs. 3 BV hier aufgrund der wenigen Bademöglichkeiten und der Gefahr eines Ausweichens der erholungsbedürftigen Bevölkerung auf andere geschützte Bereiche am Starnberger See das von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasste Recht der erbbauberechtigten Klägerin an einer privaten Nutzung der westlichen Teilfläche überwiegt. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass durch das Zusammendrängen vieler Menschen auf engem Raum die Erholung in der freien Natur ganz entscheidend beeinträchtigt wird (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.1978 – 1 VIII 74 – juris Rn. 53). Vorliegend wird der direkte Zugang für Hotelgäste sowie der Blick und die unmittelbare Lage zum Starnberger See durch die freie Zugänglichkeit des Grundstücks FlNr. 517/3 nicht berührt; der Klägerin bleibt unbenommen, unberechtigte Beeinträchtigungen auf ihren Grundstücken FlNr. 517 und 517/2 durch geeignete Maßnahmen abzuwenden. Es ist insbesondere kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ersichtlich, da dieser in seiner Substanz nicht ernstlich beeinträchtigt wird. Denn von einer sog. „betriebsbezogenen“ Beeinträchtigung kann insbesondere bei einer Beschränkung der Badesaison auf wenige Monate im Jahr und unter Berücksichtigung des wechselhaften Wetters – nicht ausgegangen werden (vgl. VG München, U.v. 13.12.2011 – M 2 K 10.4146 – juris Rn. 34 m.w.N. – Seeufersteg). Hinzu kommt, dass der Gastronomiebetrieb auf dem Grundstück FlNr. 517/2 von der Öffentlichkeit der gesamten Badefläche wirtschaftlich profitieren dürfte. Soweit die Klägerin auf eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den westlich benachbarten Grundstücken verweist, die bis zum See hin eingefriedet seien, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich hierbei – anders als bei den von der Klägerin genutzten Flächen – um Wohngrundstücke handelt, für die ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 33 Nr. 2 BayNatSchG in Betracht kommt, der sich nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten richtet. Ob ein entsprechender Rechtfertigungsgrund jeweils vorliegt, kann in Anbetracht der ungleichen Sach- und Rechtslage dahingestellt bleiben.
58
Die Behörde hat auch ihr Auswahlermessen hinsichtlich der Störerwahl fehlerfrei ausgeübt. Sie ist zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend an die Begründung des Auswahlermessens keine zu hohen Anforderungen zu stellen waren, da die Klägerin Doppelstörerin ist und sich das Auswahlermessen in diesen Fällen zu einem intendiertes Ermessen reduziert (vgl. VG München, U v. 11.10.2018 – M 11 K 16.2826 – juris Rn. 37 m.w.N.).
59
bb) Die Anordnung zur zukünftigen Unterlassung des Aufstellens aller Sperren, die den Zutritt der Allgemeinheit zum Grundstück FlNr. 517/3 verhindern (Nr. 2 des Bescheids), ist rechtmäßig.
60
(1) Die Behörde hat mit § 3 Abs. 2 i.V.m. § 59 Abs. 1 BNatSchG die richtige Rechtsgrundlage angewendet. Eine vorrangige landesrechtliche Regelung (Art. 72 Abs. 3 GG) für die Unterlassung der Errichtung von Sperren in der freien Natur, die nicht bereits von einer Beseitigungsanordnung nach Art. 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BayNatSchG umfasst sind, existiert nicht. Die Untersagungsanordnung nach Art. 34 Abs. 1 BayNatSchG umfasst lediglich Sperren, deren Errichtung der Naturschutzbehörde angezeigt wurde (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, Naturschutzrecht in Bayern, Art. 34 BayNatSchG, Rn. 10; Tausch in BayNatSchG (2007), Art. 30 Rn. 6). Für die Unterlassungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids musste daher auf die naturschutzrechtliche Generalklausel zurückgegriffen werden. Auf ihrer Grundlage können grundsätzlich auch Unterlassungsverfügungen erlassen werden (vgl. etwa VG München, B.v. 10.08.2021 – M 19 S 21.3137 – juris Rn. 47).
61
(2) Die Unterlassungsanordnung ist rechtmäßig.
62
Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG können die Naturschutzbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Einhaltung des Bundesnaturschutzgesetzes sicherzustellen.
63
Hier ist die Unterlassungsverfügung erforderlich zur Einhaltung des Rechts der Allgemeinheit auf Betreten der freien Landschaft nach § 59 Abs. 1 BNatSchG.
64
(a) Bei dem Grundstück FlNr. 517/3 handelt es sich um „freie Landschaft“.
65
Der Begriff der freien Landschaft läuft mit dem Begriff der freien Natur im Landesrecht weitgehend gleich (vgl. Fischer-Hüftle/Egner a.a.O. Rn. 12). Jedoch bestehen im Detail Unterschiede (vgl. Kraft in Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 59 Rn. 2). Diese sind in Bayern in der verfassungsrechtlichen Verankerung des Rechts auf Erholung in der freien Natur in Art. 141 Abs. 3 BV begründet. Die unterschiedlichen Nuancen sind möglich, obwohl es sich bei § 59 Abs. 1 BNatSchG um einen allgemeinen Grundsatz i.S.d. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG handelt, der durch das Landesrecht – und damit auch durch die unter dem Rang des Bundesrechts stehenden Landesverfassungen – nur in den Fällen des § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG (Einschränkung des Betretungsrechts aus wichtigen Gründen) abgeändert werden kann (zur Ausgestaltung als allgemeiner Grundsatz vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 59, Rn. 26). Denn die Ausgestaltung als allgemeiner Grundsatz wurde vom Gesetzgeber mit der großen Bedeutung des Rechts auf Betreten der freien Landschaft für die Erholung der Allgemeinheit begründet (BT-Drs. 278/09 v. 3.4.2009, S. 232). Dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber lediglich darum ging, dass der Mindestschutz des § 59 Abs. 1 BNatSchG nicht unterschritten wird. Ein weitergehender landesrechtlicher Schutz bleibt unberührt.
66
Der Begriff der „freien Landschaft“ steht tendenziell eher für ein weitläufigeres Areal (vgl. Frenz/Müggenborg a.a.O, Rn. 14 f. mit Verweis auf OVG Berlin-Bbg, U.v. 2.4.2009 – 11 B 7.08 – juris Rn. 29 ff.). Zudem geht das Bundesrecht von freier Landschaft nur auf „ungenutzten Grundflächen“ aus (§ 59 Abs. 1 BNatSchG). Der Begriff der ungenutzten Grundfläche soll den Betroffenen eine verlässliche Einschätzung ihrer Rechte und Pflichten „auf Sicht“ ermöglichen; es kommt auf die tatsächliche, nicht auf die zulässige/genehmigte Nutzung an (Frenz/Müggenborg a.a.O., Rn. 9). Das Bundesrecht geht also davon aus, dass es von vornherein die freie Landschaft ausschließende Nutzungen gibt. Eine solche Nutzung liegt zwar nicht schon vor, wenn für das Betreten der freien Landschaft ein Entgelt verlangt wird, aber z.B. dann, wenn Strandflächen von mehreren benachbarten, funktional aufeinander bezogenen Einrichtungen der Badeinfrastruktur geprägt werden, die – wie etwa Strandduschen oder Umkleidekabinen – über eine naturverträgliche Freizeitnutzung hinausgehen (vgl. BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 7/16 – juris Rn. 51).
67
Gemessen hieran ist das Grundstück FlNr. 517/3 der freien Landschaft zuzuordnen, da es im Verbund mit dem Starnberger See und den westlich angrenzenden naturnahen Uferbereichen zu sehen ist. Denn unter „Landschaft“ ist ein charakteristischer, individueller Teil der Erdoberfläche, bestimmt durch das Wirkungsgefüge der hier vorhandenen Geofaktoren zu verstehen (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 2.4.2009 – 11 B 7.08 – juris Rn. 29 m.w.N.). Uferbereiche sind geologisch und vegetativ durch die angrenzenden Gewässer geprägt und können daher nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Somit handelt es sich bei der streitgegenständlichen Fläche auch nach dem Bundesrecht um eine ausreichend große Fläche, um dem Betretungsrecht der Allgemeinheit zu unterliegen. Diese wird maßgeblich nicht von der umliegenden Bebauung, sondern von ihrem natürlichen Erscheinungsbild geprägt; insoweit wird auf die Ausführungen zum Vorliegen freier Natur verwiesen.
68
Auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird auch keine die freie Landschaft ausschließende tatsächliche gewerbliche Nutzung im Rahmen des Hotelbetriebs ausgeübt. Auf dem Grundstück FlNr. 517/3 befinden sich lediglich einige mobile Holzliegen des Hotels. Einrichtungen, die – wie z.B. Strandduschen oder Umkleidekabinen – über eine naturverträgliche Freizeitnutzung hinausgehen – sind dort nicht errichtet worden. Damit erschöpft sich die Nutzung als private Badewiese für Hotelgäste darin, das nach dem Gesetz unentgeltlich zu gewährende Betreten zum Baden zu kommerzialisieren. Die Badewiese wird in ihrer Funktion als naturhaft gestaltete Erholungsfläche durch die mobilen Holzliegen lediglich ergänzt (vgl. BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 7/16 – juris Rn. 51).
69
(b) Die Unterlassungsverfügung ist hier zur Einhaltung des Rechts der Allgemeinheit auf Betreten der freien Landschaft auch erforderlich. Insoweit kann wiederum auf die Ausführungen zur Erforderlichkeit der Beseitigungsanordnung verwiesen werden. Eine vorbeugende Unterlassungsanordnung setzt darüber hinaus eine Wiederholungsgefahr voraus (vgl. VG Göttingen, U.v. 4.7.2006 – 2 A 431/05 – juris Rn. 26 im Hinblick auf die Untersagung der Aufstellung von Werbeanlagen), die hier gegeben ist. Die Behörde hat in ihrem Bescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin bereits in der Vergangenheit Sperren errichtet und trotz behördlicher Beseitigungsanordnung wiederaufgestellt hat. Es ist allgemein anerkannt, dass bereits ein einmaliger Verstoß ausreicht, sofern keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde (vgl. Spohnheimer in Beck Online Großkommentar, Stand Februar 2024, § 1004 BGB, Rn. 268; Regenfus, Kongruenz und Äquivalenz zum Unterlassungstitel als Vorgaben für Verständnis und Auslegung strafbewehrter Unterlassungserklärungen, GRUR 2022, 1489, 1490 m.w.N.).
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(c) Hinsichtlich ihrer Ermessensentscheidung hat die Behörde zulässigerweise auf ihre Erwägungen zur Beseitigungsanordnung Bezug genommen. Aus der Begründung der Unterlassungsanordnung ergibt sich zudem, dass die Behörde sich auf das Aufstellen von Sperren auf dem Grundstück FlNr. 517/3 beschränkt hat („Sperren des Grundstücks FlNr. 517/3“). Als richtige Adressatin war auch hier nach dem allgemeinen Sicherheitsrecht die Klägerin heranzuziehen (vgl. Brinktine in BeckOK, Umweltrecht, Stand Januar 2022, § 3 BNatSchG, Rn. 31).
71
cc) Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 3 und 4 des Bescheids begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, da die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Insbesondere sind die getrennten Androhungen für die Nr. 1 und die Nr. 2 des Bescheids bestimmt (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) und ihrer Höhe nach angesichts des Interesses, das die Klägerin am Unterbleiben der Beseitigung bzw. der Unterlassung zukünftiger Sperren hat (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG), auch verhältnismäßig (Art. 31 Abs. 2 VwZVG).
72
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
73
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.