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AG Fürth, Endurteil v. 28.02.2024 – 310 C 905/23
Titel:

"E-Commerce Master Training" kein Fernunterricht sondern reiner Videolernkurs

Normenketten:
FernUSG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 26 Abs. 1
BGB § 242, § 312c Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolges iSd § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG ist grds. weit auszulegen, sodass die bloße Möglichkeit ausreicht, dass Teilnehmende bspw. iRv Anbieter organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Merkmal der Lernerfolgskontrolle ist zwar grds. ein WhatsApp-Support ausreichend, es genügt aber nicht, wenn der genannte Ansprechpartner nur Fragen rund um den Vertragsabschluss beantworten kann. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Studiengang zum Erwerb eines akademischen Grades ist schon im Grundsatz nicht mit einem Coaching-Vertrag vergleichbar, der darauf abzielt, erforderliche Kenntnisse und Hilfestellungen zum Aufbau einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu vermitteln. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB, erst den Vorzug eines Vertragsabschlusses, der Unternehmern vorbehalten sein soll, in Anspruch zu nehmen und im Widerspruch dazu später Verbraucherrechte geltend machen zu wollen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fernunterricht, Videolernkurs, Lernerfolg, Kündigungsausschluss, Verbraucherrechte, Wuchergeschäft
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14967

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger wird im Wege der Widerklage verurteilt, an die Beklagten einen Betrag in Höhe von 2.142,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz Zug-um-Zug gegen Erteilung des Zugriffs auf das Lernportal der Beklagten bezüglich des „E-Commerce Master Trainings“ zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass sich der Kläger bezüglich der Inanspruchnahme des „E-Commerce Master Trainings“ in Annahmeverzug befindet.
IV. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.142,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Schulungsvertrag zum Verkauf von Produkten und Dienstleistungen über das Internet.
2
Die Beklagte bietet Internet-Fernkurse zum E-Commerce an. Der Kläger schloss am 24.05.2023 bei der Beklagten nach telefonischer Beratung einen „Vertrag zum E-Commerce Master Training“ wie folgt:
„Das E-Commerce Master Training beinhaltete:
Zugang zum Mitgliederbereich
Modul 0: Einführung in das Coaching
Modul 1: Der Einstieg in das E-Commerce Business
Modul 2: Rechtliche Grundlagen
Modul 3: Nischen und Produktsuche inkl. Händlerportal und Schnittstelle
Modul 4: Shopify-Shop einrichten
Modul 5: Facebook/Instagram Kampagnen aufsetzen
Zugriff auf Worksheets & Hilfesheets
Jederzeit die Möglichkeit auf ein Upgrade in den E-Commerce Master Club mit Service, Support sowie Coaching Calls.“
3
Die Parteien vereinbarten für das Training einen Preis von 1.800,00 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer, insgesamt also 2.142,00 €, wobei dem Kläger nachgelassen wurde, den Betrag in zwölf monatlichen Raten zu je 178,50 € zu zahlen. In dem elektronisch signierten Vertrag vereinbarten die Parteien des Weiteren:
„Es gelten unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen, diese sind auf unserer Firmenwebseite unter folgendem Link aufrufbar: www....de/agb
Der Kunde bestätigt mit seiner Unterschrift, dass er die AGBs gelesen, verstanden und akzeptiert hat.
Außerdem bestätigt der Kunde, dass er den Vertrag als Unternehmer und nicht als Verbraucher abschließt und alle persönlichen Angaben wahrheitsgemäß angegeben hat.
Mit den folgenden Unterschriften vereinbaren der Kunde und der Vertragspartner die in diesem Vertrag genannten Konditionen zum Eintrittsdatum.“
4
Mit E-Mail vom 26.05.2023 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen möchte. Die Beklagte antwortete mit E-Mail vom gleichen Tag und wies darauf hin, dass der Kläger bei Abschluss des Vertrages auf sein Widerrufsrecht verzichtet habe und eine Kündigung laut Vertrag ausgeschlossen sei. Daraufhin wandte sich der Kläger an seine anwaltliche Vertretung, die mit Schreiben vom 07.06.2023 u.a. die schriftliche Bestätigung einforderte, dass ein rechtswirksamer Vertrag nicht zustande gekommen sei. Zur Begründung wurde auf die Nichtigkeit des Vertrages wegen Sittenwidrigkeit und Verstoßes gegen § 7 FernUSG verwiesen. Darüber hinaus erklärte die anwaltliche Vertretung des Klägers (hilfsweise) den Widerruf, die Anfechtung und Kündigung des Vertrages. Die Beklagte wies entsprechende Ansprüche mit Schreiben vom 12.06.2023 zurück und erstellte am 28.06.2023 eine Rechnung in Höhe von 2.142,00 €. Der Kläger leistete keine Zahlung, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2023 (erneut) mahnte und ankündigte, bei weiterer Nichtzahlung ein Inkassounternehmen einzuschalten.
5
Der Kläger trägt vor, der Beklagten stünden keine Vergütungsansprüche zu, da der Vertrag von Anfang an unwirksam gewesen sei. Zum einen fehle es der Beklagten an der nach § 12 Abs. 1 FernUSG erforderlichen Zulassung. Zum anderen handle es sich bei dem Vertrag um ein wucherisches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 2 BGB, da zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis bestehe. Darüber hinaus habe er den Vertrag als Verbraucher wirksam widerrufen können und sei auch eine Kündigung des Dienstverhältnisses nach § 621 Nr. 5 BGB jederzeit möglich. Jedenfalls aber habe der Vertrag (hilfsweise) wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten werden können, sodass auch insoweit vertragliche Ansprüche der Beklagten weggefallen seien.
6
Der Kläger beantragt:
I. Es wird festgestellt, dass zugunsten der Beklagten aus dem Vertrag über ein „E-Commerce Master Training“ vom 24.05.2023 keine Zahlungsansprüche in Höhe von 2.142,00 EUR brutto gegen den Kläger bestehen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 367,23 EUR freizustellen.
7
Die Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
8
Im Wege der Widerklage beantragt die Beklagte und Widerklägerin darüber hinaus:
I. Der Kläger wird im Wege der Widerklage verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 2.142,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen Zug-um-Zug gegen Erteilung des Zugriffs auf das Lernportal der Beklagten bezüglich des E-Commerce Master Trainings.
II. Der Kläger wird im Wege der Widerklage weiter verurteilt, an die Beklagte außergerichtliche Kosten in Höhe von 308,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass sich der Kläger bezüglich der Inanspruchnahme des E-Commerce Master Trainings in Annahmeverzug befindet.
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Der Kläger und Widerbeklagte beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
10
Die Beklagte und Widerklägerin trägt vor, zwischen den Parteien sei ein wirksamer und nicht nach FernUSG zulassungsbedürftiger Online-Videokurs zustande gekommen. Es handle sich dabei um keinen Fernunterrichtungsvertrag i.S.v. § 2 Abs. 1 FernUSG, da der Vertrag keine Überwachung des Lernerfolges vorgesehen habe. Im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Vertrages werde diesem fünf Module mit insgesamt 225 Videolektionen mit Praxisbezug und Lösungsvorschlägen zugänglich gemacht. Insoweit seien die klägerseits benannten, vermeintlich deutlich preiswerteren Angebote mit dem hier abgeschlossenen Vertrag nicht vergleichbar. Für eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das FernUSG oder wegen Sittenwidrigkeit sei unter diesen Umständen kein Raum. Darüber hinaus stehe dem Kläger auch kein Widerrufsrecht nach Fernabsatzvertragsrecht zu, da er als Unternehmer und nicht als Verbraucher gehandelt habe. Zudem sei auch das ordentliche Kündigungsrecht wirksam zwischen den Parteien ausgeschlossen worden. Auch Rechte aus einer Anfechtungserklärung seien nicht herleitbar, da eine Irrtumsanfechtung nur unverzüglich erklärt werden könne und es für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bereits in objektiver Hinsicht an einer Täuschungshandlung der Beklagten und in subjektiver Hinsicht an Arglist fehle.
11
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L. W.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.01.2024 verwiesen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der dazu eingereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13
Die gemäß § 23 Nr. 1 GVG, § 26 Abs. 1 FernUSG zulässig bei dem Amtsgericht Fürth erhobene Klage ist unbegründet, die gemäß §§ 23 Nr. 1 GVG, 12, 13, 33 ZPO zulässig bei dem Amtsgericht Fürth erhobene Widerklage ist begründet.
I.
14
Die auf Feststellung gerichtete Klage, dass der Beklagten aus dem Vertrag über ein „E-Commerce Master Training“ vom 24.05.2023 keine Zahlungsansprüche in Höhe von 2.142,00 € zustehen, war abzuweisen, da die Parteien am 24.05.2023 einen Vertrag über einen Online-Videolernkurs schlossen und der wirksam geschlossene Vertrag auch fortbesteht.
15
Entgegen der Ansicht des Klägers ist das begründete Vertragsverhältnis nicht nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Erforderlich für die Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes ist nämlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG notwendige Voraussetzung der Überwachung des Lernerfolgs beinhaltet. An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall.
16
Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm und der Intension des Gesetzgebers das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolges grundsätzlich weit auszulegen, sodass die bloße Möglichkeit ausreicht, dass Teilnehmende beispielsweise im Rahmen vom Anbieter organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. Dies kann in Form von Sprechstunden, WhatsApp-Supports oder auch sonstigen Life-Calls erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009 – III ZR 310/08 –, juris; OLG Celle, Urteil vom 1. März 2023 – 3 U 85/22 –, juris; LG Hamburg, Urteil vom 19. Juli 2023 – 304 O 277/22 –, juris).
17
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass für das Merkmal der Lernerfolgskontrolle ausreichend gewesen wäre, wenn die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt hätte, über einen „WhatsApp-Support“ Fragen zu den Lerninhalten zu stellen und entsprechende Rückmeldungen zu erhalten.
18
Der Kläger trug vor, ein solcher Support habe nach Vertragsschluss auch stattgefunden. Der Mitarbeiter der Beklagten, Herr .., habe dem Kläger nach Vertragsschluss als dessen Betreuer für die Ausbildung per „WhatsApp“ zur Verfügung gestanden. Er habe dem Kläger in diesem Zusammenhang Trainingsvideos als „Hausaufgabe“ übersandt und explizit geäußert, dass er sich jederzeit an ihn wenden könne, wenn Fragen zu den Inhalten des Videokurses bestünden. Das Gericht ist jedoch von der Richtigkeit dieses Sachvortrages nicht überzeugt. Die insoweit zum Beweis angebotene WhatsApp-Korrespondenz wurde vom Kläger nicht vorgelegt. Im Rahmen der informatorischen Befragung gab der Kläger an, er habe das Angebot des Zeugen .. so in Erinnerung, dass dieser ihm angeboten habe, ihn bei Fragen zu kontaktieren, ohne dass dieses Angebot auf vertragliche Dinge eingeschränkt oder sonst weiter konkretisiert worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass es sich auch auf den Inhalt des Kursangebotes beziehe. Diesbezüglich hat jedoch der Zeuge .. in seiner Vernehmung für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig dargestellt, dass er lediglich als Handelsvertreter für die Beklagte und dementsprechend lediglich im Rahmen des Vertragsschlusses tätig geworden ist. Er habe dem Kläger insoweit auch nur für Fragen rund um den Vertragsabschluss zur Verfügung gestanden. Weder habe er Beratung zu inhaltlichen Fragen der Videolektion angeboten noch habe er dem Kläger eine vergleichbare Begleitung beim Videolernkurs offeriert.
19
Das Gericht geht dementsprechend davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag, wie von den Klägern auch in der Klageschrift selbst vorgetragen, um einen reinen Videolernkurs ohne individuelle Betreuung handelte und dementsprechend die Überwachung des Lernerfolges i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG nicht Vertragsinhalt wurde. Allein der Umstand, dass nach dem Vertragstext „jederzeit die Möglichkeit [bestand], auf ein Upgrade in den E-Commerce Master Club mit Service, Support und Coaching Calls“ zu buchen, stellt keine verbotene Umgehung i.S.d. § 8 FernUSG dar. Anhaltspunkte dafür, dass mit diesem Zusatz klägerseits beabsichtigt gewesen wäre, die „Zwecke eines Fernunterrichtsvertrages (§ 2) in einer anderen Rechtsform zu erreichen“ bestehen nämlich aufgrund dessen nicht. Entgegen der Behauptung der Klagepartei fand damit nämlich nicht eine unzulässige Aufteilung der Verträge statt, sondern es handelte sich um unterschiedliche Verträge mit unterschiedlichen Leistungen. Auch insoweit hat der Zeuge .. für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin Lehrgänge in insgesamt drei Stufen anbietet. Neben dem vom Kläger gebuchten Master-Training, bei dem lediglich verschiedene Videolektionen zur Verfügung gestellt werden, bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, den Master-Class zu buchen, einem dreimonatigen Angebot mit intensiver Beratung, oder die höchste Stufe, den sogenannten Master-Club, bei dem eine umfangreiche persönliche Betreuung angeboten werde. Es handle sich dabei um jeweils eigenständige, gesondert abzuschließende Verträge, ohne dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Umgehungsabsicht bezweckt wäre. Daran ändert auch der Umstand, dass aus Sicht des Klägers die bloße Buchung eines entsprechenden Upgrades erforderlich gewesen wäre, um den Vertrag dem Fernunterrichtsschutzgesetz zu unterstellen, nichts an der Sach- und/oder Rechtslage. Tatsächlich hat nämlich der Kläger das entsprechende Upgrade unstreitig nicht gebucht.
20
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist auch nicht als wucherisches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Soweit der Kläger dazu vorgetragen hat, Leistung und Gegenleistung stünden in einem auffälligen Missverhältnis, da die Beklagte für den Zugang zu einem Videokurs eine Vergütung von 2.142,00 € brutto verlange, während sich vergleichbare Kurse, wie zum Beispiel ein staatlich anerkannter und zugelassener Fernstudiengang an der Fernuniversität Hagen für 1.500,00 € bis 2.000,00 € (Bachelorstudiengang) bzw. 600,00 € bis 1.100,00 € (Masterstudiengang) erwerben lasse und die Beklagte darüber hinaus unter fast identischen Namen und identischen Inhalten einen anderen Videokurs zum Preis von lediglich 49,00 € anbiete, ist die Beklagte diesem Sachvortrag substantiiert entgegengetreten.
21
Die Beklagte hat eingewandt, dass es sich bei dem vom Kläger genannten Kurs zum Preis von 49,00 € lediglich um ein „Einstiegspaket“ handle. Dagegen werde die genaue Umsetzung in der Praxis lediglich in dem vom Kläger geschlossenen Vertrag vermittelt. Dieser umfasse fünf Module mit insgesamt 225 Videolektionen. Eine Vergleichbarkeit sei insoweit nicht gegeben. Bei dem Vortrag zu den Studiengängen an der Fernuni Hagen bleibe unberücksichtigt, dass weitere Kosten, wie Beleggebühren, Studierendenschaftsbeiträge zusätzlich anfielen.
22
Das Gericht kann keine Vergleichbarkeit der vom Kläger genannten Studiengänge bei der Fernuni Hagen und den von der Beklagten angebotenen Videolernkurse erkennen. Ein Marktvergleich verbietet sich bereits im Hinblick auf die ganz unterschiedlichen Lerninhalte und -ziele. Ein Studiengang zum Erwerb eines akademischen Grades ist schon im Grundsatz nicht mit dem streitgegenständlichen Coaching-Vertrag vergleichbar, der darauf abzielt, erforderliche Kenntnisse und Hilfestellungen zum Aufbau einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu vermitteln. Das vom Kläger behauptete auffällige Leistungsmissverhältnis kann unter diesen Umständen nicht festgestellt werden. Es fehlt auch am ausreichend substantiierten Sachvortrag, der es zuließe, zu dieser Frage Beweis zu erheben. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens käme aufgrund des bisherigen Sachvortrages dem Nachgehen eines Ausforschungsbeweises gleich. Die Klagepartei trägt selbst vor, dass sich aus der Angabe, es handle sich um 225 Videolektionen, keine Rückschlüsse auf den Umfang der Videolektionen ableiten lassen. Unter diesen Umständen ist aber darüber hinaus auch ein Vergleich mit dem „E-Commerce Master Class“, der 39 Videolektionen mit einem Umfang von ca. acht Stunden Videomaterial umfasst, de facto nicht möglich, insbesondere kann gerichtsseits nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die 225 Videolektionen im Ergebnis nicht mehr als acht Stunden Videomaterial beinhalten können, wie vom Kläger behauptet.
23
Der dementsprechend wirksame Vertrag zum „E-Commerce Master Training“ ist auch weder durch Widerruf, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben bzw. beendet worden.
24
Zwar hatte der Kläger mit Schreiben vom 26.06.2023 den Widerruf des Vertrages gegenüber der Beklagten erklärt, dem Kläger stand indessen kein Widerrufsrecht zur Verfügung, insbesondere ergibt sich ein solches auch nicht aus den Regeln zum Abschluss von Fernabsatzverträgen i.S.d. § 312 c Abs. 1 BGB. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen worden ist. Im vorliegenden Fall liegt ein solcher Verbrauchervertrag jedoch nicht vor bzw. der Kläger kann sich zumindest nicht darauf berufen, als Verbraucher gehandelt zu haben, da er bei Vertragsschluss vorgab, als Unternehmer zu handeln. Zudem bestätigte er mit seiner Unterschrift, die klägerischen AGBs gelesen, verstanden und akzeptiert zu haben. Aus diesem wiederum ergibt sich, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Vertrag nur mit einem Unternehmer, nicht aber mit Verbrauchern abzuschließen bereit ist. Dem Kläger war unter diesen Umständen bewusst, dass er Verbraucherschutzrechte unter diesen Umständen nicht geltend machen kann. Es widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), erst den Vorzug eines Vertragsabschlusses, der Unternehmern vorbehalten sein soll, in Anspruch zu nehmen und im Widerspruch dazu später Verbraucherrechte geltend machen zu wollen (vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 – VIII ZR 91/04 –, juris).
25
Nach den vom Kläger durch Unterschrift akzeptierten Vertragsbedingungen war auch eine Kündigung des Vertrages ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem auf Seite 4 des Vertragstextes enthaltenen „Beiblatt zum E-Commerce Master Training“. Ein entsprechender Ausschluss des Kündigungsrechtes ist im Rahmen der den Parteien zustehenden Vertragsfreiheit grundsätzlich möglich.
26
Der Vertrag ist schließlich auch nicht durch die mit Schreiben vom 07.06.2023 bzw. die mit Replikschriftsatz vom 08.01.2024 ausgesprochene Anfechtung wegen Täuschung und Irrtums rückwirkend entfallen, § 142 Abs. 1 BGB. Unabhängig von der Frage, ob eine entsprechende Anfechtungserklärung form- und fristgerecht erfolgt ist, fehlt es jedenfalls an dem für die Anfechtung erforderlichen Anfechtungsgrund. Soweit der Kläger die Irrtumsanfechtung darauf stützen will, dass ihm ein „jederzeitiges Update“ des Vertrages im Verkaufsgespräch zugesichert worden sei und er täuschungsbedingt diesem Irrtum unterlegen gewesen sei, sofern ein entsprechendes Upgrade tatsächlich doch nicht möglich gewesen sein sollte, ist der Kläger für diese ihn günstige Behauptung beweisfällig geblieben. Nach den Angaben des Klägers im Rahmen der informatorischen Befragung wurde im Rahmen des Verkaufsgespräches gar nicht weiter explizit über die Möglichkeit eines Upgrades gesprochen, sodass er insoweit auch keinem Irrtum unterlegen gewesen sein kann. Nach Angaben der Beklagtenpartei, die durch die Aussage des Zeugen .. gestützt wird, sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Ende Mai ein Upgrade auf die weiteren Angebote zwar nicht, ein entsprechendes Upgrade jedoch zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Im Vertragsgespräch sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass das schließlich gebuchte Master-Training das für den Kläger geeignete Angebot sei. Auch nach Angaben des Klägers selbst im Rahmen der informatorischen Anhörung wollte dieser zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht auch zugleich ein Upgrade auf den E-Commerce Materclub mit Servicesupport und Coachingcalls vornehmen. Der Kläger gab an, dies sei nicht Gegenstand des Verkaufsgespräches gewesen. Der Kläger konnte dementsprechend auch diesbezüglich keinem Irrtum unterliegen.
27
Soweit der Kläger den Vertrag schließlich wegen arglistiger Täuschung anfechten will, ist auch dies erfolgreich nicht möglich. Der Kläger stützt die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB darauf, dass die Behauptung der Beklagten, ein Upgrade sei aus Kapazitätsgründen nicht möglich, als wahr unterstellt, dem Kläger jedenfalls vertraglich anders versprochen worden sei, was im Ergebnis eine arglistige Täuschung darstelle. Unabhängig davon, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, den Beweis dafür zu erbringen, dass ihm die sofortige Möglichkeit auf ein Upgrade in den „E-Commerce Master Club mit Service, Support sowie Coaching Calls“ möglich ist, fehlt es auch an jeglichem substantiierten Vortrag zur erforderlichen Arglist im Sinne des § 123 BGB.
II.
28
Nach alledem bleibt es beim Bestand des zwischen den Parteien am 24.05.2023 geschlossenen Vertrages „E-Commerce Master Training“ zum Preis von 2.142,00 €. Der vom Kläger begehrten Feststellung, dass der Beklagten aus diesem Vertrag keine Zahlungsansprüche zustehen, konnte nicht entsprochen werden.
29
Begründet und damit erfolgreich war dagegen der im Rahmen der Widerklage erhobene Antrag auf Verurteilung des Widerbeklagten auf Zahlung der vereinbarten Vergütung in Höhe von 2.142,00 € Zug-um-Zug gegen Erteilung des Zugriffs auf das Lernportal der Beklagten bezüglich des E-Commerce Mastertrainings. Durch die Nichteinhaltung der zwischen den Parteien getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung und wegen der (spätestens mit der erhobenen negativen Feststellungsklage) verweigerten Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Leistungen ist der Kläger und Widerbeklagte auch in Annahmeverzug gekommen, §§ 298, 293 BGB. Dies war antragsgemäß festzustellen.
30
Soweit die Beklagte und Widerklägerin darüber hinaus den Ersatz ihr entstandener außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangte, war die Klage dagegen abzuweisen. Ein entsprechender Anspruch kann sich lediglich aus Verzugsgesichtspunkten ergeben, allerdings hat der Kläger insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die anwaltliche Vertretung der Beklagten außergerichtlich für die Beklagte und Widerklägerin nicht tätig wurde. Der Beklagten und Widerklägerin können dementsprechend keine außergerichtlich nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten entstanden sein.
31
Der Zinsanspruch ist aus Verzugsgesichtspunkten begründet, §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB.
III.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
33
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 u. 2 ZPO.