Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 25.06.2024 – 101 AR 68/24 e
Titel:

Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses in einer Energiewirtschaftssache

Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 281 Abs. 2 S. 2, S. 4
EGZPO § 9
GVG § 23 Nr. 1, § 72 Abs. 1 S. 1, § 133
EnWG § 36, § 40 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 1 S. 1, § 102 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 106 Abs. 1, § 107 Abs. 1 Nr. 3, § 108
GWB § 87
BGB § 315
EWPBG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 7, § 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der negative Kompetenzkonflikt über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (BayObLG BeckRS 2024, 724). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Sonderzuständigkeit des § 102 Abs. 1, § 106 Abs. 1 EnWG erstreckt sich nicht auf Fragen der Zuständigkeitsbestimmung (OLG Hamm BeckRS 2014, 20394). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt, wenn er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (stRspr BGH BeckRS 2017, 123744); hierfür genügt es nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verweisungsbeschluss, sachliche Zuständigkeit, Energiewirtschaftssache, Energiewirtschaftsgesetz, Bindungswirkung, Willkür, Rechtsanwendung, Vorgreiflichkeit, Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz, Strompreisbremsegesetz, Versorgungsvertrag
Fundstellen:
RdE 2024, 366
LSK 2024, 14469
BeckRS 2024, 14469

Tenor

Sachlich zuständig ist das Landgericht Ansbach.

Gründe

I.
1
Mit ihrer zum Amtsgericht Weißenburg i. Bay. erhobenen Klage verlangt die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, von den Beklagten als Gesamtschuldnern restliches Entgelt für deren Belieferung mit Erdgas und Strom.
2
Die Klägerin machte bei Klageeinreichung geltend, sie habe mit den Beklagten einen wirksamen Versorgungsvertrag geschlossen, der zum 28. Februar 2023 beendet worden sei. Unter Zugrundelegung geleisteter Abschlagszahlungen bestehe für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis 28. Februar 2023 gemäß Verbrauchsabrechnung vom 22. März 2023 eine noch offene Forderung für die Belieferung mit Gas und Strom in Höhe von 1.928,11 €. Einer Zahlungsaufforderung sei mit Schreiben vom 29. März 2023 widersprochen und ein Lastschriftmandat widerrufen worden. Als Grund sei genannt worden, dass die Klägerin den zugunsten der Beklagten bestehenden Gaspreisdeckel nicht berücksichtigt habe. Die geltend gemachte Zahlungsforderung bestehe aber sowohl dem Grunde nach als auch in der konkret geltend gemachten Höhe. Eine Reduzierung der Forderung aufgrund des Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (im Folgenden: Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz – EWPBG) sei nicht geboten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 3 Abs. 1 EWPBG, § 49 StromPBG hätten nicht vorgelegen. Das Vertragsverhältnis habe mit Ablauf des 28. Februar 2023 geendet. Entlastungen im Zuge des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes für die Zeiträume Januar und Februar 2023 hätten demnach nicht bestanden.
3
Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ergebe sich aus § 23 Nr. 1 GVG, § 71 Abs. 1 GVG. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 102 EnWG sei nicht gegeben, da der Schwerpunkt der Streitigkeit in der Frage des Bestehens einer Zahlungsforderung liege. Mithin handele es sich um eine typische zivilrechtliche Frage, die keinen besonderen energierechtlichen Bezug erfordere. Im Übrigen ergebe sich der Zahlungsanspruch nicht aus einer Vorschrift des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (im Folgenden: Energiewirtschaftsgesetz – EnWG), sondern vielmehr aus Vertrag. Streitentscheidende Normen, mithin die Frage des Erfolgs der Klage, beruhten auf keiner Norm des Energiewirtschaftsgesetzes, sondern allenfalls auf solchen des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes und des Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse (im Folgenden: Strompreisbremsegesetz-StromPBG).
4
Die Beklagten rügten in der Klageerwiderung die Unzuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts. Zur Begründung brachten sie vor, streitgegenständlich seien vorliegend insbesondere die Regelungen des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes sowie des Strompreisbremsegesetzes. Ungeachtet des Umstands, dass sich die Streitigkeit gegebenenfalls nicht direkt nach dem Energiewirtschaftsgesetz richte, seien zugehörige Rechtsverordnungen, die ihre Ermächtigungsgrundlage in diesem Gesetz hätten, streitentscheidend, zumal unter anderem das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz direkt auf das Energiewirtschaftsgesetz verweise (§ 4 Abs. 7 EWPBG). Für die Anwendbarkeit des § 102 EnWG spreche der Sinn und Zweck der Norm, der darin liege, eine einheitliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts in allen Instanzen zu gewährleisten. Das Energiewirtschaftsrecht werde aber gerade maßgeblich durch die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ausgestaltet. Würden diese nicht von der Zuständigkeit umfasst, wäre diese Zweckerreichung bedroht. Mit einer Verweisung an das Landgericht Ansbach bestehe Einverständnis.
5
In der Sache selbst ergebe sich unter Berücksichtigung der Regelungen des ErdgasWärme-Preisbremsengesetzes für den Verbrauch von Gas und unter Berücksichtigung der Regelung des Strompreisbremsegesetzes für den Verbrauch von Strom zuzüglich des Grundpreises für Strom und Gas ein Betrag in Höhe von 1.707,90 €. Unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 658,00 € und der Strom-Gaspreisbremse sei eine Forderung in Höhe von 1.049,90 € denkbar. Einen darüber hinausgehenden Betrag könne die Klägerin nicht beanspruchen. Es werde ausdrücklich bestritten, dass in dem hier vorliegenden Fall eines Lieferantenwechsels den Beklagten gemäß § 4 Abs. 5 EWPBG ordnungsgemäß Mitteilung gemacht worden sei. Insofern beriefen sich die Beklagten höchst vorsorglich auf ein Zurückbehaltungsrecht. Höchst vorsorglich sei außerdem darauf hinzuweisen, dass den Beklagten durch den neuen Energieversorger ein Entlastungsbetrag in Höhe von lediglich 4,00 € monatlich und zwar ohne jede Berücksichtigung der tatsächlich für die Monate Januar und Februar 2023 angefallenen Kosten gewährt worden sei. Ungeachtet der Frage, welcher Energieversorger nach dem Gesetzeswortlaut für die Entlastung nach der einschlägigen gesetzlichen Regelung für zuständig erklärt worden sei, sei es eindeutige gesetzgeberische Zielsetzung, dass die Strom- und Gaspreisbremse die Verbraucher rückwirkend für die Monate Januar und Februar 2023 habe entlasten sollen. Dass gegebenenfalls – je nach Auslegung der gesetzlichen Regelung – Verbraucher, die zum Stichtag des 1. März 2023 in einen günstigeren Strom- oder Gastarif gewechselt seien, benachteiligt würden, weil ihnen hierdurch die gesetzlich vorgesehene Entlastung aufgrund einer Regelungslücke entgehe, entspräche keinesfalls der gesetzgeberischen Zielsetzung. Gegebenenfalls sei die Regelung des § 5 EWPBG im Wege der Rechtsfortbildung dahingehend auszulegen, dass auch Verbraucher, die zum 1. März 2023 zu einem anderen Versorger gewechselt seien, in den Genuss der rückwirkenden Entlastung kämen. Sofern man die Regelungen des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes und des Strompreisbremsegesetzes im Sinne der Klägerin auslege, liege eine planwidrige Regelungslücke vor. Diese Regelungslücke werde auch nicht etwa dadurch kompensiert, dass ein etwaiger neuer Versorger die nach der gesetzlichen Regelung zu errechnende Entlastung gewähre, da durch den neuen Versorger – wie im vorliegenden Fall – eine Entlastung nur auf der Basis der von diesem Versorger beanspruchten Preise erfolge, welche den gesetzlichen Grenzwert von 12 ct/kWh gegebenenfalls gar nicht oder nur unwesentlich überstiegen. Dass der Gesetzgeber einen Versorgerwechsel im Rahmen der gesetzlichen Regelung nicht im Blick gehabt habe, ergebe sich auch aus der optionalen Gestaltung der Entlastungsmöglichkeiten in § 5 Abs. 2 EWPBG. Die Bestimmung enthielte für einen Versorgerwechsel zum 1. März 2023 zum Teil völlig sinnentleerte Regelungen. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung ergebe sich aber primär aus dem Umstand, dass sie für den Fall des Versorgerwechsels zum 1. März 2023 keine plausible Regelung dahingehend enthalte, dass ein neuer Versorger die nach dem Willen des Gesetzgebers vorgesehene Entlastung für die Monate Januar und Februar 2023 erbringe. Gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht erwiesen sich daher sowohl das Erdgas-WärmePreisbremsengesetz als auch das Strompreisbremsegesetz als planwidrig unvollständig; die Lücke sei durch die Rechtsprechung auszufüllen, indem auch Fälle eines Versorgerwechsels zum 1. März 2023 allen anderen Fallgestaltungen gleichgestellt würden. Im Übrigen müsse dies auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet werden.
6
Mit Verfügung vom 22. März 2024 wies das Amtsgericht die Klägerin auf Bedenken hinsichtlich seiner sachlichen Zuständigkeit hin und fragte an, ob eine Verweisung an das Landgericht Ansbach beantragt werde.
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Mit Schriftsatz vom 9. April 2024 hat die Klägerin die „Abgabe“ „an das zuständige Gericht, namentlich das Landgericht Ansbach“ beantragt.
8
Mit Beschluss vom 10. April 2024 hat sich das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Ansbach verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, streitgegenständlich seien insbesondere Regelungen des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes sowie des Strompreisbremsegesetzes. Das Energiewirtschaftsgesetz und die zugehörigen Rechtsverordnungen, die ihre Ermächtigungsgrundlage im Energiewirtschaftsgesetz hätten, seien voraussichtlich streitentscheidend, weshalb die Streitigkeit der Sonderzuständigkeit des § 102 EnWG unterfalle, zumal unter anderem das ErdgasWärme-Preisbremsengesetz direkt auf das Energiewirtschaftsgesetz verweise (§ 4 Abs. 7 EWPBG). Hierfür spreche der Sinn und Zweck „dieser Norm“, der darin liege, eine einheitliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts in allen Instanzen zu gewährleisten. Das Energiewirtschaftsrecht werde maßgeblich durch die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ausgestaltet. Würden diese nicht von der Zuständigkeit umfasst, wäre diese Zweckerreichung nicht gewährleistet.
9
Das Landgericht Ansbach hat nach Eingang der Akten den Hinweis erteilt, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. zurückzuverweisen. Der Verweisungsbeschluss sei ausnahmsweise nicht nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend. Die Voraussetzungen des § 102 EnWG seien nicht erfüllt. Hierzu sei erforderlich, dass sich entweder der Kläger zur Begründung der Klage auf entscheidungserhebliche Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes bezogen habe oder der Sache nach die Entscheidung des Rechtsstreits wenigstens teilweise von einer Rechtsfrage abhänge, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu entscheiden sei. Beides sei nicht der Fall. Die ausschließliche Zuständigkeit nach § 102 EnWG sei insbesondere deshalb nicht gegeben, weil die Anwendung der Entlastungsregelungen gemäß § 3 EWPBG bzw. § 49 Abs. 1 StromPBG zwischen den Parteien streitig sei. Die Frage, ob die Entlastungsregelung zur Anwendung komme, lasse sich ohne Hinzunahme der Spezialvorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes schon nach den vorgenannten Bestimmungen bemessen. Bei den Vorschriften des Erdgas-WärmePreisbremsengesetzes und des Strompreisbremsegesetzes handele es sich – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. – auch nicht um Rechtsverordnungen, die ihre Ermächtigungsgrundlage im Energiewirtschaftsgesetz hätten. Es sei nicht erkennbar, dass das Energiewirtschaftsgesetz eine entscheidungserhebliche Rolle spiele. Im Übrigen sei eine fehlende Bindungswirkung in der obergerichtlichen Rechtsprechung zumindest in Fällen angenommen worden, in denen das Amtsgericht die Zahlungsklage eines Energieversorgungsunternehmens, dem die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung bzw. Unbilligkeit derselben nach § 315 BGB entgegengehalten worden sei, unter Verweis auf § 102 EnWG an das Landgericht verwiesen habe, ohne sich mit der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Frage auseinanderzusetzen. Gemessen an diesen Maßstäben sei die Verweisung objektiv willkürlich, weil sie ohne nachvollziehbare Begründung der Zuständigkeit erfolgt sei.
10
Die zu dem Hinweis angehörte Klägerin hat daraufhin mit an das Landgericht Ansbach gerichtetem Schriftsatz vom 25. April 2024 beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das zuständige Gericht durch das Bayerische Oberste Landesgericht bestimmen zu lassen.
11
Die Beklagten haben darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Zurückverweisung vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 17. Juli 2018 (EnZB 53/17) kritisch gesehen werde. Zwar handele es sich vorliegend nicht um eine Streitigkeit aufgrund einer Rechtsverordnung, die ihre Ermächtigungsgrundlage im EnWG habe, jedoch werde beklagtenseits unter anderem auf § 4 Abs. 5 EWPBG und die dort geregelte Mitteilungspflicht Bezug genommen, „die“ in § 4 Abs. 7 EWPBG ausdrücklich auf das Energiewirtschaftsgesetz, insbesondere auf die dort geregelten Mitteilungspflichten in Teil 4 EnWG verweise. Der Inhalt der im Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz geregelten Mitteilungspflichten werde also durch die Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes und deren Auslegung maßgeblich ausgestaltet. Die „gesetzliche Normierung des EnWG (§ 40 EnWG)“ sei durchaus im vorliegenden Fall betroffen, weshalb sich die vom Amtsgericht angenommene Zuständigkeit des Landgerichts nach der gebotenen weiten Auslegung des § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG zumindest nicht als willkürlich darstelle.
12
Mit Beschluss vom 30. April 2024 hat sich das Landgericht Ansbach für sachlich unzuständig erklärt, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und entschieden, dass die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorzulegen sind. Zur Begründung hat es seine Ausführungen im zuvor erteilten Hinweis wiederholt. Ergänzend hat es dargelegt, die Informationspflicht bei einem Lieferantenwechsel gemäß § 4 Abs. 5 EWPBG vermöge nichts daran zu ändern, dass das Energiewirtschaftsgesetz keine entscheidungserhebliche Rolle spiele. § 4 Abs. 5 EWPBG sehe bei einem Lieferantenwechsel lediglich vor, dass der bisherige Lieferant den Letztverbraucher in der Schlussrechnung nach § 20 EWPBG über den Entlastungsbetrag und die dieser zugrunde liegenden Verbrauchsprognose zu informieren habe. Dies solle unter anderem einem erleichterten Wechsel zu dem neuen Lieferanten dienen, der auf der Basis der dem Letztverbraucher mitgeteilten Daten das neue Lieferverhältnis begründen könne.
13
Den Parteien ist im Bestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
14
Die Beklagten haben vorgetragen, in § 40 EnWG seien Informationspflichten normiert, die auch im vorliegenden Fall in Rede stünden. Es sei jedenfalls nicht anzunehmen, dass dem Verweisungsbeschluss – ungeachtet der Frage, ob dieser unrichtig oder fehlerhaft gewesen sei – Willkür zugrunde gelegen habe.
15
Die Klägerin hat ausgeführt, zuständig sei das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. Die Frage, ob die Beklagten zur Bezahlung einer noch offenen Forderung verpflichtet seien, hänge nicht von einer Rechtsfrage nach dem Energiewirtschaftsgesetz ab. Maßgeblich sei insoweit der geltend gemachte prozessuale Anspruch. Streitgegenständlich sei jedoch allein die Frage, ob eine Zahlungspflicht aus dem Vertragsverhältnis bestehe. Es handele sich um eine zivilrechtliche Fragestellung ohne besonderen energierechtlichen Bezug. Spezielle Fragen des Energiewirtschaftsgesetzes seien „nicht einschlägig“. Die Entscheidung hänge auch nicht ganz oder teilweise von einer Rechtsfrage ab, die nach diesem Gesetz zu treffen sei. Die Beklagten lehnten die Zahlungspflicht ab, weil angeblich die Energiepreisbremse nicht berücksichtigt worden sei. Die Vorschriften fänden jedoch bereits keine Anwendung. Im Übrigen handele es sich um keine Frage nach dem Energiewirtschaftsgesetz. § 102 EnWG diene nach seinem Sinn und Zweck der Vereinheitlichung der Rechtspflege durch Konzentration der zivilprozessualen energiewirtschaftlichen Streitigkeiten bei bestimmten, besonders sachkundigen Gerichten. Dieser Konzentration bedürfe es nur bei Fragen von zentraler und über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung. Dies sei bei dem Bestehen eines Zahlungsanspruchs gerade nicht der Fall. Der Ausspruch der Kündigung sei unstreitig. Mithin sei die Frage des Bestehens streitwertabhängig beim ortsansässigen Gericht anzusiedeln. Die Vorschrift sei nach ihrem Wortlaut eng auszulegen und könne nicht auf darüber hinausgehende Fälle zu einem umfassenden Gerichtsstand beim Landgericht umfunktioniert werden, in welchem sämtliche Fragen, welche im Zusammenhang mit einem Energielieferungsvertrag stünden, konzentriert würden. Die Regelung sei klar dahin zu verstehen, dass es um Rechtsentscheidungen gehe, die von einer Rechtsfrage des Energiewirtschaftsgesetzes abhingen. Hier stünden jedoch allenfalls noch Vorschriften aus dem Strompreisbremsegesetz und dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz im Streit. Im Übrigen gehe es allein um die Nichterfüllung einer Zahlungspflicht durch einen Kunden.
II.
16
Auf die zulässige Vorlage ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach auszusprechen.
17
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der (sachlichen) Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht waren zwar bei Stellung des Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung durch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. April 2024 noch nicht gegeben, liegen aber seit Bekanntgabe der zuständigkeitsverneinenden Entscheidung des Landgerichts Ansbach vom 30. April 2024 vor.
18
a) Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. hat sich durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 10. April 2024 für unzuständig erklärt, das Landgericht Ansbach durch die Entscheidung vom 30. April 2024, mit der es sich für sachlich unzuständig erklärt hat. Die jeweils beiden Parteien mitgeteilte und ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestand:smerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35; jeweils m. w. N.).
19
b) Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11. Januar 2024, 101 AR 222/23 e, juris Rn. 26; Beschluss vom 10. Juli 2023, 101 AR 148/23 e, juris Rn. 14 m. w. N.).
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c) Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht. Im Streitfall ist das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht Weißenburg i. Bay. und dem Landgericht Ansbach in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof, denn vom Amtsgericht als Eingangsgericht gemäß § 23 Nr.1 GVG – wäre eine Streitigkeit nach § 102 EnWG zu verneinen – geht der Rechtszug zum Landgericht als Berufungsgericht gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 GVG und weiter zum Bundesgerichtshof als Revisionsgericht gemäß § 133 GVG. Entscheidet ein Landgericht als ausschließlich sachlich zuständiges Eingangsgericht gemäß §§ 102, 108 EnWG geht der Rechtszug gemäß § 106 EnWG zum Oberlandesgericht – Kartellsenat – als Berufungsgericht und weiter zum Bundesgerichtshof – Kartellsenat – als Revisionsgericht gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 3 EnwG. Dass beide am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg liegen, führt deshalb nicht zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Bestimmungsverfahren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris; Toussaint in BeckOK ZPO, 52. Ed. Stand: 1. März 2024, § 36 Rn. 45.2).
21
Die teilweise in der Literatur (van Rossum in BeckOK EnWG, 10. Ed. Stand: 1. März 2024, EnWG § 106 Rn. 10; Dicks in Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, GWB § 87 Rn. 29) und bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf – Kartellsenat – vom 1. Juni 2011 (VI-W [Kart] 1/11, juris Rn. 8 ff.) auch von den Oberlandesgerichten Celle (Beschluss vom 23. Dezember 2010, 13 AR 9/10 [Kart], juris Rn. 4; Beschluss vom 1. Oktober 2010, 13 AR 5/10, juris Rn. 6; Beschluss vom 27. Mai 2010, 13 AR 1/10, juris Rn. 6), München (Beschluss vom 15. Mai 2009, AR [K] 7/09, juris Rn. 5) und Düsseldorf (Beschluss vom 13. Dezember 2010, VI-W [Kart] 8/10, juris Rn. 5) vertretene Auffassung, dass die Sonderzuständigkeit des § 102 Abs. 1, § 106 Abs. 1 EnWG sich auch auf Fragen der Zuständigkeitsbestimmung erstrecke, mit der Folge, dass für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorliegend das Oberlandesgericht Nürnberg – Kartellsenat – zuständig wäre, teilt der Senat nicht. Über den negativen Kompetenzkonflikt hat das nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zuständige Gericht zu entscheiden, da die Frage, ob ein energiewirtschaftsrechtlicher Rechtsstreit vorliegt, gerade streitig ist. Für eine analoge Anwendung von § 102 Abs. 1, § 106 Abs. 1 EnWG besteht mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum. § 106 EnWG begründet die ausschließliche Zuständigkeit (§ 108 EnWG) nur für die materiell-rechtliche Entscheidung über eine Berufung in einer Rechtsstreitigkeit, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergibt. Die vorgeschaltete Frage, ob im Einzelfall eine Energiewirtschaftssache vorliegt, fällt demgegenüber in die Entscheidungskompetenz des jeweils angerufenen (Kartell- oder Nichtkartell) Gerichts und im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts in die Zuständigkeit des nach § 36 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO zuständigen Gerichts (vgl. OLG Düsseldorf – Kartellsenat – a. a. O.; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2014, 32 SA 72/14, juris Rn. 5; Pastohr in BeckOK EnWG, EnWG § 102 Rn. 19; Keßler in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl. 2019, EnWG § 102 Rn. 18).
22
2. Sachlich zuständig ist das Landgericht Ansbach, da der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. Bindungswirkung entfaltet.
23
a) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Auch ein sachlich zu Unrecht oder verfahrensfehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss entzieht sich danach grundsätzlich der Nachprüfung. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist.
24
Die Bindungswirkung entfällt allerdings dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 281 Rn. 17; Bacher in BeckOK ZPO, § 281 Rn. 32.4; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16 f.). Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9 m. w. N.).
25
b) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die ausgesprochene Verweisung an das Landgericht Ansbach nicht willkürlich und hat daher dessen Zuständigkeit begründet. Die Annahme des Amtsgerichts, es liege eine Streitigkeit nach § 102 EnWG vor, ist nicht offensichtlich unhaltbar.
26
aa) Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergeben, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Landgerichte ausschließlich sachlich zuständig.
27
Der Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 EnwG lässt sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung zu, weil die Umschreibung der dieser Norm unterfallenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten als sich „aus diesem Gesetz ergeben(d)“ unergiebig ist. Der Gesetzeswortlaut orientiert sich nach den Gesetzesmaterialien an der kartellrechtlichen Zuständigkeitsregelung des § 87 GWB. § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG erfasst alle bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten, die sich unmittelbar aus dem Energiewirtschaftsgesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018, EnZB 53/17, EnWZ 2018, 352 Rn. 13 ff.; BT-Drs. 15/3917, S. 75). Es genügt, wenn – auf der Basis des klägerischen Tatsachenvortrags – die Anspruchsgrundlage eine Norm des Energiewirtschaftsgesetzes oder des auf diesem Gesetz beruhenden untergesetzlichen Regelungswerks ist (vgl. BGH a. a. O. Rn. 9; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Dezember 2015, 11 SV 116/15, juris Rn. 13; OLG München, Beschluss vom 15. Mai 2009, AR [K] 7/09, juris Rn. 9).
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Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG sind auch diejenigen Fälle erfasst, in denen die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu treffen ist. Die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts ist also auch begründet, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits jedenfalls teilweise von einer Rechtsfrage abhängt, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu entscheiden ist. Hierfür muss sie nach obergerichtlicher Rechtsprechung von einer Vorfrage abhängig sein, die – wäre sie Hauptfrage – unter § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG fiele; dabei ist das Merkmal der Vorgreiflichkeit nach der obergerichtlichen Rechtsprechung streng zu handhaben. Nicht ausreichend ist es, wenn in die Streitentscheidung lediglich allgemeine Wertungsmaßstäbe einfließen, die in anderem Zusammenhang auch im Energiewirtschaftsrecht Berücksichtigung finden können, ohne dass eine konkrete energiewirtschaftsrechtliche Vorfrage aufgeworfen wird (OLG München, Beschluss vom 15. Mai 2009, AR [K] 7/09, juris Rn. 10; OLG Köln, Beschluss vom 24. Oktober 2007, 8 W 80/07, juris Rn. 6; Stelter in Bourwieg/Hellermann/Hermes, Energiewirtschaftsgesetz, 4. Aufl: 2023, EnWG § 102 Rn. 13). Eine energierechtliche Vorfrage liegt auch dann vor, wenn der Beklagte energiewirtschaftsrechtliche Einwendungen geltend macht (Stelter in Bourwieg/Hellermann/Hermes, Energiewirtschaftsgesetz, EnWG § 102 Rn. 14).
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Mit der Frage, ob eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus dem Energiewirtschaftsgesetz vorliegt, können schwierige Abgrenzungsprobleme verbunden sein (BGH EnWZ 2018, 352 Rn. 23). Zahlungsklagen aus Energielieferungsverträgen unterfallen allerdings grundsätzlich nicht § 102 Abs. 1 EnWG (BGH, a. a. O Rn. 23; OLG Hamm, Beschluss vom 12. September 2022, 4 U 114/22, juris Rn. 6). Gleiches gilt für die gerichtliche Kontrolle von Preiserhöhungen durch Energieversorger (BGH a. a. O. Rn. 23). § 102 Abs. 1 EnWG begründet nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch keine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für einen Rechtsstreit über Zahlungsansprüche aus einem Gasliefervertrag, denen der Abnehmer entgegenhält, die Festsetzung des Gaspreises entspreche nicht der Billigkeit gemäß § 315 BGB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2010, VI-W [Kart] 8/10, juris Rn. 13 ff.; OLG München, Beschluss vom 15. Mai 2009, AR [K] 7/09, juris Rn. 13 ff.). Geht es indes um das „Ob“ eines Vertragsschlusses im Zusammenhang mit der Grundversorgungspflicht des § 36 EnWG, greift § 102 Abs. 1 EnWG ein (BGH a. a. O. Rn. 23 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 12. September 2022, 4 U 114/22, juris Rn. 6).
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bb) Es kann offenbleiben, ob das verweisende Amtsgericht schlechterdings nicht nachvollziehbar angenommen hat, bei dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz und dem Strompreisbremsegesetz handele es sich um die in dem Verweisungsbeschluss angesprochenen „zugehörigen Rechtsverordnungen“, die auf der Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes ergangen seien oder ihre Ermächtigungsgrundlage in diesem Gesetz hätten, und ausgehend hiervon im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgert hat, dass § 102 EnWG einschlägig sei, weil es für eine energiewirtschaftsrechtliche Rechtsstreitigkeit ausreiche, dass Anspruchsgrundlage oder Vorfrage eine auf dem Energiewirtschaftsgesetz beruhende untergesetzliche Norm sei (vgl. BGH EnWZ 2018, 352 Rn. 13 ff.; einschränkend: OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Dezember 2015, 11 SV 116/15, juris Rn. 13). Der Verweisungsbeschluss ist insoweit mehrdeutig, wobei es nahe liegen dürfte, dass das Amtsgericht jedenfalls rechtsirrig übersehen hat, dass es sich bei dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz und dem Strompreisbremsegesetz um Gesetze handelt.
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cc) Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. hat seine Annahme, dass eine Streitigkeit nach § 102 Abs. 1 EnWG vorliege, tragend aber auch darauf gestützt, dass die Parteien über die Mitteilungspflicht des § 4 Abs. 5 EWPBG stritten und das ErdgasWärme-Preisbremsengesetz in § 4 Abs. 7 EWPBG auf die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes, insbesondere dessen Teil 4, verweise.
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Dies zugrunde gelegt, ist der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht offensichtlich unhaltbar.
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Zwar lässt der Verweisungsbeschluss selbst nicht ausdrücklich erkennen, in welcher konkreten Weise sich der Rechtsstreit nach Ansicht des Amtsgerichts aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergeben oder eine Vorfrage nach dem Energiewirtschaftsgesetz betreffen soll. Jedoch hat sich das Amtsgericht bei seiner Entscheidung ersichtlich auf den Akteninhalt bezogen. Aus diesem geht hervor, dass sich die Beklagten ausdrücklich auf ein sich aus einer Verletzung des § 4 Abs. 5 EWPBG ergebendes Zurückbehaltungsrecht berufen hatten. § 4 Abs. 1 EWPBG regelt, dass ein Grundpreis, den ein Energielieferant von seinem Letztverbraucher verlangt, für die Monate, in denen der Letztverbraucher eine Entlastung nach § 3 Abs. 1 EWPBG (Verpflichtung der Lieferanten zur Entlastung der Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas durch Gutschrift eines Entlastungsbetrags im Zeitraum 1. März 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023; vgl. BT-Drs. 20/4683 S. 64) erhält, nur in der Höhe des Grundpreises berechnet werden darf, den der Erdgaslieferant auf Grund des Energieliefervertrags mit dem Letztverbraucher am 30. September 2022 verlangen konnte. § 5 Abs. 1 EWPBG bestimmt, dass für bestimmte Letztverbraucher, die in den Monaten Januar und Februar 2023 mit leitungsgebundenem Erdgas beliefert wurden, von dem Erdgaslieferanten, der sie am 1. März 2023 beliefert, zusätzlich zu den Entlastungen nach § 3 für die Monate Januar und Februar 2023 jeweils der für den Monat März 2023 nach § 8 Abs. 1 bis 3 ermittelte Entlastungsbetrag zu berücksichtigen ist. § 4 Abs. 5 EWPBG regelt die Informationswege im Falle eines Lieferantenwechsels und enthält in Satz 2 zudem eine Bestimmung, auf welcher Basis der neue Lieferant die Berechnung des Entlastungsbetrags durchführen soll, falls ihm die Daten des bisherigen Lieferanten nicht vorliegen (vgl. BT-Drs. 20/4683 S. 68). § 4 Abs. 7 EWPBG stellt hinsichtlich der Vorgaben zur Gestaltung von Erdgaslieferverträgen bzw. im Hinblick auf Informationspflichten der Erdgaslieferanten klar, dass die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes gelten, und verweist ergänzend insbesondere auf Teil 4 EnWG „Energielieferung an Letztverbraucher“ (§§ 36 bis 42b EnWG) (vgl. BT-Drs. 20/4683, S. 67 f.). Teil 4 EnWG enthält in § 36 EnWG eine Bestimmung zur Grundversorgungspflicht von Haushaltskunden und insbesondere in § 40 Abs. 1 Satz 1 und § 41 Abs. 1 Satz 1 EnWG Standards, in welcher Weise durch das Energieversorgungsunternehmen Informationspflichten nachzukommen ist (vgl. Krater in BeckOK Energiesicherheitsrecht, 5. Ed. Stand: 1. Mai 2024, EWPBG § 4 Rn. 28 f.). Dies zugrunde gelegt, erscheint es nicht grob rechtsfehlerhaft, dass das Amtsgericht ausgehend vom Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung eine Rechtsstreitigkeit i. S. d. § 102 Abs. 1 EnWG bejaht hat, weil es auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten (teilweise) Vorfrage sei, ob die Klägerin die Beklagten unzureichend i. S. d. § 4 Abs. 5 EWPBG informiert habe, mit der Folge, dass die Beklagten wegen des Lieferantenwechsels nicht in den Genuss einer monatlichen Gutschrift für die Monate Januar und Februar 2023 auf Grund des Energieliefervertrags mit den Beklagten als Letztverbraucher am 30. September 2022 gekommen seien.
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Zwar mag es nahegelegen haben, dass ein verweisendes Gericht eine etwaige Zuständigkeit gemäß § 102 EnWG unter Zuhilfenahme entsprechender Literatur oder maßgeblicher ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen prüft. Der Umstand allein, dass sich das Amtsgericht nicht mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zu Zahlungsklagen von Energieversorgungsunternehmen (siehe oben b] aa]) auseinandergesetzt hat, vermag den Vorwurf der Willkür jedoch nicht zu begründen, weil dem deutschen Recht eine Präjudizienwirkung fremd ist. Für die Annahme, dass der Verweisungsbeschluss jeder rechtlichen Grundlage entbehrt, bedürfte es zusätzlicher Umstände. Solche sind indes nicht gegeben.
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Es liegt kein Sachverhalt vor, in dem das verweisende Gericht durch Vortrag einer Partei Anlass hatte, sich mit einer gegenteiligen Rechtsansicht auseinanderzusetzen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. Mai 2014, 32 SA 32/14, MDR 2014, 1106; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Februar 1996, 21 AR 10/96, NJW-RR 1996, 1403). Vor Erlass des Verweisungsbeschlusses sind die von den Beklagten in der Klageerwiderung für eine Zuständigkeit des Landgerichts nach § 102 Abs. 1 EnWG sprechenden Gesichtspunkte von der Klägerin nicht weiter thematisiert worden, obwohl ihr Gelegenheit gegeben worden war, dem Vorbringen der Beklagten argumentativ entgegenzutreten. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 9. April 2024 beschränkten sich darauf, dass ein unbedingter Antrag auf „Abgabe“ des Rechtsstreits „an das zuständige Landgericht Ansbach“ gestellt werde, womit die Klägerin zu erkennen gab, dass der Rechtsauffassung der Beklagten zur Zuständigkeitsfrage unter anderem im Hinblick auf das ins Feld geführte, nach Ansicht der Beklagten auf das Energiewirtschaftsgesetz gestützte Zurückbehaltungsrecht nicht entgegengetreten werde. Anders als in der vom Landgericht Ansbach mit dem Hinweis auf eine in der Literatur in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2010 (VI-W [Kart] 8/10, juris Rn. 23; vgl. Pastohr in BeckOK EnWG, EnWG § 102 Rn. 18.1) ist höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung zu § 102 Abs. 1 EnWG bis zum Erlass des Verweisungsbeschlusses von keiner der Parteien thematisiert worden. In der Klageschrift hatte die Klägerin zwar vorgetragen, dass der „Schwerpunkt der Streitigkeit“ in der Frage des Bestehens einer Zahlungsforderung liege. Zudem hatte sie geltend gemacht, dass kein besonderer energierechtlicher Bezug gegeben sei und sich der Zahlungsanspruch nicht aus einer Vorschrift des Energiewirtschaftsgesetzes, sondern vielmehr aus einem Vertrag ergebe. Bei dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz und dem Strompreisbremsegesetz handele es sich nicht um das Energiewirtschaftsgesetz. Jedoch hatten die Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch kein auf § 4 Abs. 5 EWPBG gestütztes Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und in diesem Zusammenhang nicht darauf hingewiesen, dass das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz in § 4 Abs. 7 EWPBG direkt auf das Energiewirtschaftsgesetz verweise. Entgegenstehende Bedenken mit Blick auf die in der Klageerwiderung vorgetragenen rechtlichen Erwägungen hatte die Klägerin nicht vorgebracht.
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Es liegt auch kein Fall vor, in dem der auf § 102 EnWG gestützte Verweisungsbeschluss nicht begründet worden ist (zu einer solchen Konstellation: OLG Hamm, Beschluss vom 23. Juli 2012, 32 SA 32/12; kritisch zu dieser Entscheidung: Pastohr in BeckOK EnWG, EnwG § 102 Rn. 18.1). Zwar übernimmt das Amtsgericht in der Begründung des Verweisungsbeschlusses nahezu wörtlich die Argumentation der Beklagten. Allein daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass das Amtsgericht die mögliche Fehlerhaftigkeit einer Verweisung erkannt, diese aber zu dem Zweck hingenommen hat, eine Bindungswirkung herbeizuführen.
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3. Ob innerhalb des Landgerichts eine speziell für Streitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz gebildete Kammer oder eine Kammer für allgemeine Zivilsachen zuständig ist, ob also nach materiell-rechtlicher Anknüpfung eine energiewirtschaftsrechtliche Streitigkeit nach § 102 EnWG vorliegt, hat das Bayerische Oberste Landesgericht nicht zu entscheiden.