Titel:
Erforderlichkeit von Gutachterkosten für Darlegung des Haushaltsführungsschadens
Normenkette:
BGB § 249, § 823
Leitsätze:
1. Die Aufwendungen für einen Sachverständigen sind dann zu ersetzen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die Einschaltung des Sachverständigen nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten für geboten halten dürfte. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im streitgegenständlichen Fall waren im Einzelnen die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers festzuhalten und in Bezug auf die Haushaltsführung gegenüber einem gesunden Menschen ins Verhältnis zu setzen. Dies ist nicht ureigenste Aufgabe eines Rechtsanwalts, sondern Gegenstand der Tätigkeit eines entsprechend ausgebildeten Sachverständigen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gutachterkosten, Schadensersatz, Sachverständigenkosten
Vorinstanz:
AG Hof, Endurteil vom 22.11.2023 – 17 C 468/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14466
Tenor
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 22.11.2023, Az. 17 C 468/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses
Entscheidungsgründe
1
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers gegen das Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 22.11.2023, Az. 17 C 468/23 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2
Die Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrundeliegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
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Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von den vom Erstgericht festgestellten Tatsachen auszugehen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH NJW 2004, 1876 ff., sowie …83 ff.).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Kammer im vorliegenden Fall an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden, weil weder bei der Beweiserhebung, noch bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler erkennbar sind.
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Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keine Sach- bzw. Rechtsfehler zum Nachteil der Berufungsführer ergeben. Zur Vermeidungen von Wiederholungen wird daher auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die auch durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, voll inhaltlich Bezug genommen und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen nur noch ergänzend Folgendes ausgeführt:
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Der Berufungsführer ist der Auffassung, Klagepartei könne die Kosten für die sachverständige Ermittlung des Haushaltsführungsschadens nicht verlangen. Zur Ermittlung eines Haushaltsführungsschadens seien keine fundierten Kenntnisse erforderlich. Vielmehr handele es sich um das tägliche Einmaleins eines Rechtsanwalts. Die Bestimmung des Haushaltsführungsschadens sei ureigenste Aufgabe eines Rechtsanwalts. Auch sei keine besondere Fachexpertise nötig. Insbesondere handele es sich um einen einfach gelagerten Fall Zudem habe das Instanzgericht den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens übergangen. Auch sei die Vornahme eines Ortstermins durch die Sachverständige nicht erforderlich gewesen, weshalb auch die Kosten hierfür nicht erstattungsfähig seien.
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Dieses Vorbringen des Berufungsführers vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Vollkommen zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Aufwendungen für einen Sachverständigen dann zu ersetzen sind, wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die Einschaltung des Sachverständigen nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten für geboten halten dürfte. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil die Voraussetzungen für die Hinzuziehung der Sachverständigen zur Bemessung des Haushaltsführungsschadens zutreffend bejaht, denn auch nach Auffassung der Berufungskammer sind die fundierten Erkenntnisse des Sachverständigen gerade nicht Gegenstand der juristischen Ausbildung. Insbesondere waren im streitgegenständlichen Fall im Einzelnen die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers festzuhalten und in Bezug auf die Haushaltsführung gegenüber einem gesunden Menschen ins Verhältnis zu setzen. Dies ist nicht ureigenste Aufgabe eines Rechtsanwalts, sondern Gegenstand der Tätigkeit eines entsprechend ausgebildeten Sachverständigen. Ein Rechtsanwalt ist gerade kein hauswirtschaftlicher oder medizinischer Sachverständiger Allein der Sachverständige kann genau beurteilen, in welchem Umfang welche Leistungen im Haushalt erforderlich sind und kann insoweit auch darlegen, welcher Schaden zutreffenderweise verfolgt werden kann und welcher nicht.
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Schließlich zeigt auch die zwischen den Parteien geführte vorgerichtliche Korrespondenz eindeutig, dass sich die Berechnung des Haushaltsführungsschadens im streitgegenständlichen Fall gerade nicht als einfach und unkompliziert erwiesen hat und zwischen den Parteien in Streit stand. So hat die Haftpflichtversicherung des Beklagten mit Schreiben vom 24.06.2020 (Anlage K4) mitgeteilt, dass sie von einem wöchentlichen Zeitbedarf von 16 Stunden ausgehe und einen Stundensatz von 8,- € ansetze. Mit Schreiben vom 21.05.2021 (Anlage K 10) wurde mitgeteilt, dass allenfalls ein geringes Entgegenkommen in der Summe möglich wäre. Man würde 300,- € vorschlagen. Mit weiterem Schreiben vom 01.10.2021 (Anlage K 12) wurden sodann 400,- € angeboten.
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Gerade dieser Schriftsatzwechsel zeigt, dass die Vorstellungen der Parteien hinsichtlich der Höhe des Haushaltsführungsschadens weit auseinanderlagen und es umfangreicher Verhandlungen bedurft hat. Gerade unter diesem Gesichtspunkt erachtet es auch die Berufungskammer als absolut nachvollziehbar, dass ein vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Klägers einen Sachverständigen zur Ermittlung des Haushaltsführungsschadens einschaltet, um zunächst überhaupt eine Vorstellung über die Höhe des Haushaltsführungsschadens zu erhalten und schließlich auch, um eine entsprechende Argumentationshilfe gegenüber der Versicherung bei der Durchsetzung der Ansprüche in der Hand zu haben.
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Wie das Instanzgericht ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass die Höhe der Sachverständigenkosten nicht zu beanstanden ist. Die Rechnung hält einer Plausibilitätskontrolle stand. Die Berufungskammer hält insbesondere auch die Fahrtkosten für nachvollziehbar, da sich die Sachverständige in einem persönlichen Termin mit dem Kläger ein Bild von dessen körperlichen Beeinträchtigungen machen musste. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht erforderlich, da auch hier darauf abzustellen war, ob ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die Kosten für erforderlich halten durfte. Auch dies ist vorliegend aus Sicht der Berufungskammer zu bejahen.
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Insgesamt hat damit das Amtsgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 3.062,20 € nebst Zinsen verurteilt, sodass im Ergebnis die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
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Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO) liegen ebenfalls nicht vor. Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
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Die Kammer regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb der offenen Stellungnahmefrist zurückzunehmen und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung hin (Nr. 1222 KV zum GKG).
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Die Kammer beabsichtigt weiterhin, der Berufungsklagepartei die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.062,- € festzusetzen.