Inhalt

LG Deggendorf, Beschluss v. 24.01.2024 – 13 T 6/24
Titel:

Genehmigung einer Unterbringung mangels Bereitschaft der Medikamenteneinnahme angebracht

Normenkette:
BGB § 1831 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Eine Unterbringung nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung ist weiterhin begründet, wenn die Betroffene mangels Krankheits- oder Defiziteinsicht die Depotpräparatgabe eines notwendigen Neuroleptikums ablehnt und dies zu einer Verschlechterung der Erkrankung, ebenso zu erneuten Verwahrlosungstendenzen und erheblicher gesundheitlicher Gefährdung führen könnte. (Rn. 6 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
paranoide Schizophrenie, Intelligenzminderung, freiheitsentziehende Unterbringung, Verlängerungszeitram
Vorinstanz:
AG Deggendorf, Beschluss vom 12.12.2023 – XVII 474/23
Rechtsmittelinstanzen:
LG Deggendorf, Berichtigungsbeschluss vom 04.03.2024 – 13 T 6/24
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 15.05.2024 – XII ZB 98/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14431

Tenor

1. Die Beschwerde der Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 12.12.2023, Az. XVII 474/23, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.
1
Mit Beschluss vom 12.12.2023 (Bl. 107/109 der Akte) genehmigte das Amtsgericht Deggendorf die weitere Unterbringung der Betroffenen in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 12.12.2024.
2
Mit Schreiben vom 13.12.2023, beim Amtsgericht Deggendorf eingegangen am 15.12.2023, sowie mit weiterem Schreiben vom 18.12.2023, beim Amtsgericht Deggendorf eingegangen am 27.12.2023, (Blatt 110/111 der Akte) legte die Betroffene gegen diesen Beschluss Beschwerde ein.
3
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.01.2024 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 112/113 der Akte).
4
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
5
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Betroffenen ist unbegründet, die Genehmigung der Unterbringung ist nicht zu beanstanden.
6
1. Das Amtsgericht hat zur Begründung der Entscheidung ausgeführt, dass die Betroffene an einer paranoiden Schizophrenie und einer leichten Intelligenzminderung leide. Es bestehe die Gefahr, dass die Betroffene sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Die Betroffene müsse geschlossen untergebracht werden, da sie weglaufgefährdet sei und massiv verwahrlosen würde. Die Betroffene habe derzeit keine ausreichende Krankheitseinsicht und vermag die Notwendigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen nicht zu erkennen.
7
Das Amtsgericht stützte sich bei seiner Entscheidung insbesondere auf das Gutachten des vom 05.11.2023, die Stellungnahme des Verfahrenspflegers und den unmittelbaren Eindruck des Gerichts im Rahmen der Anhörung.
8
In ihrer Beschwerde brachte die Betroffene vor, dass sie nicht länger im „Wohnheim“ bleiben wolle und zu ihrer Schwester in ziehen wolle, welche dem auch bereits zugestimmt habe. Sie habe nichts angestellt und sei zurechnungsfähig.
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2. Die Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen vor, dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts insbesondere aus dem nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen vom 05.11.2023 sowie dem Eindruck, den das Gericht im Rahmen der persönlichen Anhörung der Betroffenen am 22.01.2024 gewonnen hat.
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a) Die Betroffene leidet an einer psychischen Krankheit, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, verbunden mit einer leichten Intelligenzminderung. Das Beschwerdegericht sieht keinen Anlass, die schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Für das Gericht ist daher das Gutachten des Sachverständigen zutreffend, nachvollziehbar und plausibel.
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Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer freiheitsentziehenden Unterbringung weiterhin vorlägen. Die Betroffene lehne die Depotpräparatgabe des Neuroleptikums ab, weswegen keinerlei Krankheits- oder Defiziteinsicht bestehe. Aus medizinischer Sicht lägen die Voraussetzungen der Verlängerung einer freiheitsentziehenden Unterbringung der Betroffenen in einem Pflegeheim vor. Eine offene Einrichtung würde die Betroffene bei gänzlich fehlendem Realitätsbezug verlassen, sie würde ihre Medikation ablehnen, sich erneut gesundheitlich erheblich schädigen. Dies würde zu einer Verschlechterung der Erkrankung führen, ebenso zu erneuten Verwahrlosungstendenzen und erheblicher gesundheitlicher Gefährdung. Die Betroffene könne aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in Kombination mit der geistigen Behinderung ihren Willen in Bezug auf die Freiheitsentziehung der Unterbringung nicht frei bestimmen. Andere, weniger einschneidende Maßnahmen als die geschlossene Unterbringung zeigten sich aktuell nicht auf. Als weiteren Überprüfungszeitraum erachtet der Gutachter 12 Monate ab Auslaufen des aktuellen Beschlusses für angebracht. Dem schließt sich die Beschwerdekammer nach kritischer Prüfung an.
12
b) Im Rahmen der Anhörung der Betroffenen durch das Landgericht Deggendorf am 22.01.2024 bestätigte sich die ärztliche Diagnose. Die Betroffene versicherte zwar, auch außerhalb einer geschlossenen Einrichtung ihre Medikamente zu nehmen. Der Betreuer der Betroffenen, , erklärte jedoch, dass er noch nicht von einer ausreichenden Stabilisierung der Betroffenen ausgehe. Die Betroffene gab zudem an, Depotspritzen abzulehnen. Das Gericht teilt die Auffassung des Sachverständigen, dass die Betroffene eine offene Abteilung verlassen würde und außerhalb einer geschlossenen Unterbringung nicht eigenständig die erforderlichen Medikamente einnehmen würde. Die Betroffene zeigte keinerlei Krankheitseinsicht.
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3. Im Rahmen der persönlichen Anhörung der Betroffenen vom 12.12.2023 führte zudem der Verfahrenspfleger aus, dass er die Unterbringung für den angegebenen Zeitraum befürworte. Auch im Rahmen seiner Stellungnahme vom 23.10.2023 hält der Verfahrenspfleger die weitere Unterbringung der Betreuten in der beschützenden Abteilung einer therapeutischen Einrichtung für bis zu ein Jahr für erforderlich. Der Gesundheitszustand der Betroffenen habe sich aufgrund der regelmäßigen Einnahme der Medikation über einen langen Zeitraum seit dem 05.01.2023 erheblich verbessert. Allerdings verfüge die Betroffene immer noch über keinerlei Krankheitseinsicht. Eine realistische Einschätzung ihrer Fähigkeiten gelinge ihr nicht. Der Verfahrenspfleger geht davon aus, dass die Betroffene ihre Medikation außerhalb der Einrichtung unverzüglich absetzen würde. Eine weitere Unterbringung sei erforderlich, um die Verbesserung des Gesundheitszustands zu sichern und eine erneute erhebliche Verschlechterung, die durch Nichteinnahme der Medikation zwangsläufig auftreten würde, abzuwenden. Würde die Unterbringung nicht verlängert und die Betroffene ihre Medikation absetzen, würde sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut im häuslichen Umfeld verwahrlosen.
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4. Die Dauer der Unterbringung ist nach § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht zu beanstanden, sie orientiert sich zudem an der voraussichtlichen Notwendigkeit der Unterbringung aus sachverständiger Sicht.
15
5. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit ist nicht zu beanstanden, § 324 Abs. 2 Satz 1 FamFG.
III.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 2, 84 FamFG.