Inhalt

LG München I, Endurteil v. 05.04.2024 – 37 O 10418/23
Titel:

Angabe einer Telefonnummer in Widerrufsbelehrung nicht erforderlich

Normenketten:
BGB § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 3
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Angabe einer Telefonnummer im Rahmen einer Widerrufsbelehrung ist nicht erforderlich. (Rn. 39 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für einen Hinweis auf den persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechts gilt nicht das Klarheits- und Verständlichkeitsgebot aus Art. 246 EGBGB. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Online-Kauf, Internet, PKW, Informationspflicht, Widerrufsbelehrung, Angabe einer Telefonnummer, Verbraucher
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14387

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen PKW.
2
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Autoherstellers …, dessen Produkte sie vertreibt. Dazu betreibt sie in Deutschland 36 physische sogenannte …, in denen sich potentielle Kunden über Fahrzeuge informieren können und die Beklagte erreichen können. Daneben bietet die Beklagte auch den Kommunikationsweg über ihre … an.
3
Der Kläger bestellte am 08.03.2022 über die Internetseite der Beklagten unter der Bestellnummer … ein Elektroauto des Typs … zu einem Kaufpreis von 56.370,00 € zu privaten Zwecken. Ein eingebautes Parkkontrollsystem mittels Ultraschallsensoren hatte der Kläger nicht bestellt.
4
Im Zuge des Bestellprozesses erfolgte folgender Hinweis zum Erfordernis einer Anzahlung:
5
Abweichend war lediglich, dass eine Anzahlung von 100,00 € gefordert worden war, die der Kläger im Weiteren auch gezahlt hatte.
6
Der Kläger erklärte sich im Bestellprozess ausdrücklich damit einverstanden, regelmäßig Software-Updates zu erhalten.
7
Die Beklagte übermittelte dem Kläger bei Vertragsschluss neben dem Fahrzeugbestellvertrag mitsamt AGB (Anlage K1, S. 1-4) folgende daran anschließende „Regionalspezifische Vorgaben“:
„Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Wenn Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail 0.3.) geschlossen haben, haben Sie das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag nach den nachstehenden Regelungen zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Befördere ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.
Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns … mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.
Folgen des Widerrufs
Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie beider ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.
Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an … oder an Ihr örtliches P… zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablaut der Frist von vierzehn Tagen absenden.
Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit Ihnen zurückzuführen ist.“
(Anlage K1, S. 5)
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Die daran angefügte Muster-Widerrufsformular hatte folgenden Inhalt:
9
Eine auf der Homepage der beklagten unter … angegebene Telefonnummer war jeweils nicht angegeben.
10
Im weiteren Verlauf bezahlte der Kläger den restlichen geforderten Kaufpreis.
11
Die Beklagte forderte – wie üblich – vor der Auslieferung des bestellten Fahrzeugs, dass dieses auf den Käufer, hier den Kläger, zugelassen sein muss, sodass sie ihm zunächst die Zulassungsbescheinigung Teil II (vormals Fahrzeugbrief) übersandte.
12
Das Fahrzeug wurde dem Kläger sodann am 24.12.2022 übergeben. Es verfügt über kein Parkkontrollsystem, weder per Ultraschallsensoren, noch Kameras.
13
Am 27.06.2023 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Kaufvertragserklärung per E-Mail und Einschreiben. Am 11.07.2023 forderten die Klägervertreter die Beklagte schriftsätzlich zur Rückzahlung des Kaufpreises auf.
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Der Kläger behauptet, am 08.07.2023 erfolglos versucht zu haben, das Fahrzeug mittels eines Boten an die Beklagte zurückzugeben.
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Weiterhin trägt der Kläger vor, dass die Beklagte ab April Jahr 2022, anders als andere Hersteller, begonnen habe, für ihre Fahrzeugmodelle die Einparkhilfe nicht mehr auf Basis von Ultraschallsensoren, sondern auf alleiniger Basis von Kameras anzubieten. Dabei habe sie angekündigt, dass die Fahrzeuge „vorübergehend mit eingeschränkten oder inaktiven Funktionen ausgeliefert werden“. Noch im November 2022 habe die Beklagte erklärt, dass aufgrund dieser Umstellung die Einparkhilfe für Fahrzeuge, „die nicht mit die nicht mit Ultraschallsensoren ausgestattet sind, vorübergehend eingeschränkt oder inaktiv“ sei und die Beklagte angekündigt habe, dass die Funktion der Einparkhilfe mittels eines Updates „wiederhergestellt“ werden würde.
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Der Kläger ist der Ansicht, seine Widerrufserklärung sei nicht verfristet, da die Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nicht zu laufen begonnen habe. Er führt aus, die Widerrufsbelehrung der Beklagten habe aufgrund des Fehlens einer Telefonnummer nicht den Anforderungen des Art. 246a § 1 S. 2 Nr. 1 EGBGB genügt, sodass das Widerrufsrecht gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erst nach Ablauf von zwölf Monaten und 14 Tagen erlösche. Der Kläger verweist hierzu auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Mai 2020. Die Unterrichtung des Klägers sei auch deshalb unzulänglich, weil sie entgegen Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB nicht klar und verständlich gewesen sei. Sie suggeriere nämlich einen Formzwang (namentlich: die Textform), den das Gesetz gerade nicht vorsehe. Den Kunden steht es vielmehr frei, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung auch telefonisch zu widerrufen.
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Dem Kläger sei es zudem unmöglich gewesen, aufgrund der widersprüchlichen und irreführenden vor – wie nachvertraglichen Informationen der Beklagten zuverlässig den Beginn einer Frist zur Ausübung seines gesetzlichen Widerrufsrechts zu ermitteln. Die Widerrufsbelehrung sei zudem unzureichend, da sie durch Voranstellung der Bedingung der Verbrauchereigenschaft des Käufers nicht individuell ausgestaltet sei. Die Widerrufsbelehrung sei auch hinsichtlich der Kosten der Rücksendung falsch und entspreche zudem nicht den Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit, da sie zu Verwirrung des Verbrauchers führe.
18
Zudem seien durch die Beklagte aufgrund der Zusendung der Zulassungsbescheinigung Teil II bereits vor Übergabe des Fahrzeugs sowie der weiterhin ausstehenden Nachlieferung des Parkkontrollsystems unberechtigt lediglich verschiedene Teilleistungen erbracht worden. Auf Teillieferungen gehe die Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht ein.
19
Der Kläger beantragt unter Abstandnahme vom zunächst beantragten Urkundsprozess,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 56.370,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 56.370,00 € seit dem 12. Juli 2023 zu zahlen,
2.
an den Kläger einen Betrag von 2.147,83 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3.
festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger alle Schäden zu ersetzen hat, die ihm durch die unterbliebene Rücknahme des Fahrzeugs entstanden sind und künftig entstehen.
20
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Die Beklagte ist der Ansicht, der Widerruf sei verfristet. Die Nichtangabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung führe nicht zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der einschlägigen Normen, aus einer historischen Auslegung des § 356 Abs. 3 BGB und aus der Gesetzessystematik.
22
Die Beklagte weist zudem darauf hin, dass die vorgenannte Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2020 auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei, da es sich um eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung handele. Vorliegend gehe es nicht um die Anforderungen an die Musterwiderrufsbelehrung, sondern darum, ob die konkrete Widerrufsbelehrung, die die Beklagte dem Kläger nach Abschluss des Kaufvertrages übersandt hat, den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.
23
Durch den Bestellprozess werde zudem kein irreführender Eindruck erweckt. Ausweislich des Screenshots zum Bestellvorgang werde durch einen Sternchenhinweis ausgeführt, dass ein Rückerstattungsanspruch bei Vorliegen eines gesetzlichen Widerrufsrechts selbstverständlich besteht. Das behauptete Vorspiegeln der mangelnden Erstattungsfähigkeit der Anzahlung sei zudem unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Grund, der die Widerrufsfrist verlängert. Denn ein an anderer Stelle enthaltener Zusatz lasse die Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nach ständiger Rechtsprechung des BGH unberührt.
24
Die Beklagte habe auch keine Teilleistungen erbracht. Analog § 952 BGB folge das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II dem Eigentum am Fahrzeug. Schuldurkunden seien daher bloße Annexe, das heißt unselbstständige Anhängsel der Forderung und damit kein selbstständiger Gegenstand im Rechtsverkehr. Die Beklagte schulde zudem lediglich ein Fahrzeug mit einer Einparkhilfe, das einem regelmäßigen Software-Update unterworfen ist. Würde jedes Software-Update als Teilleistung angesehen, hätte dies den im Gesetz nicht vorgesehenen Effekt, dass dem Verbraucher ein vom Gesetzgeber nicht (mehr) gewolltes ewiges Widerrufsrecht zustehen würde.
25
Entgegen der klägerischen Auffassung sei auch die Angabe der Rücksendekosten in der Widerrufsbelehrung für die Länge der Widerrufsfrist irrelevant. Die Widerrufsbelehrung sei auch hinsichtlich des Hinweises zu den Rücksendekosten nicht falsch.
26
Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Rechtsauffassung des Klägers korrekt wäre, wäre sein Vorgehen im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich, weil er seine formal geschützte Verbraucherposition ausnutzen würde, um der Beklagten durch seinen Widerruf zu schaden und sich selbst nicht vorgesehene Sondervorteile einzuverleiben.
27
Die Beklagte erhob vorsorglich die Einrede aus § 357 Abs. 4 BGB und erklärte hilfsweise im Prozess die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Wertersatz wegen eines von ihr behaupteten Wertverlusts des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
28
Ihre zunächst gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erhobene Rüge nahm die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung zurück und verhandelte zur Sache.
29
Das Gericht hat am 16.02.2024 zur Sache mündlich verhandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
31
Die Zulässigkeit der Klage beruht auf folgenden Erwägungen:
32
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus §§ 1, 29 ZPO, 23 Nr. 1, 71 GVG beziehungsweise – nach rügeloser Verhandlung der Beklagten – § 39 S. 1 ZPO.
33
Die Zulässigkeit der Klageerweiterung bezüglich des Klageantrags Ziffer 3. folgt aus § 264 Nr. 2 ZPO, weil der Kläger sein Begehren in der Hauptsache erweitert.
34
Das Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO folgt bezüglich des Klageantrags Ziffer 3. aus dem Umstand, dass der Schadensentstehungsprozess noch nicht abgeschlossen und eine finale Bezifferung damit unmöglich ist. Der Kläger kann noch nicht absehen, welche Beträge er unter anderem für Steuern, Versicherung und einen Parkplatz aufzuwenden hat.
B.
35
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 56.370,00 €. Ein entsprechender Anspruch ist nach keiner erdenklichen Anspruchsgrundlage ersichtlich.
36
I. Ein solcher Anspruch folgt vor allem nicht aus §§ 357 Abs. 1, 356 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1 BGB, da zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war.
37
Denn der Beginn der Widerrufsfrist erfolgte nach § 356 Abs. 2 Nr. 1 a) mit Übergabe des Fahrzeugs im Dezember 2022 (siehe hierzu auch die weiteren Ausführungen unter Ziffer 5.) und dauerte nach § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage. Der Widerruf des Klägers im Juni 2023 war dementsprechend verfristet.
38
§ 356 Abs. 3 BGB, wonach der Lauf der Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor der Unternehmer den Verbraucher den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB entsprechend unterrichtet hat, ist vorliegend nicht anzuwenden.
39
1. Die fehlende Angabe der Telefonnummer ist hierfür unerheblich.
40
a) Nach der Systematik des Gesetzes ist die Angabe der Telefonnummer zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung nicht erforderlich:
41
Für den Beginn der Widerrufsfrist stellt § 356 Abs. 3 BGB nicht auf Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. (geändert zum 28.05.2022), der eine Telefonnummer vorsieht, ab. Art. 246a § 1 Abs. 2 1 Nr. 1 EGBGB, auf den tatsächlich verwiesen wird, sieht lediglich eine ausreichende Information über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 EGBGB vor. Folglich ist die Angabe einer Telefonnummer (die der Gesetzgeber im Gegensatz dazu nur in Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB erwähnt) nicht Teil des Informationskatalogs, über den der Unternehmer den Verbraucher unterrichten muss, um den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen.
42
b) Nach dem Wortlaut des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ist die Angabe einer Telefonnummer gerade nicht Teil der Informationspflicht. Es entsteht nach Auffassung des Gerichts im Übrigen auch nicht der irreführende Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre – insbesondere, da in der Widerrufsbelehrung einige Formen des Widerrufs durch die vorangestellte Verwendung der Abkürzung „z.B.“ nur beispielhaft aufgezählt werden.
43
c) Auch die Anforderungen der EU-Richtlinie 2011/83 verlangen nicht nach einer Telefonnummer. Die Verbraucherrechterichtlinie verlangt in Art. 6 Abs. 1 c) lediglich, dass dem Verbraucher vorvertraglich die Kontaktdaten des Unternehmers und gegebenenfalls eine Telefonnummer mitzuteilen ist. Allerdings steht diese Informationspflicht nicht im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 h), der die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung festlegt. Nach Art, 6 Abs. 1 h) ist der Verbraucher lediglich über „die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B“ zu informieren. Eine Information über die konkrete Form des Widerrufs und dementsprechend eine mögliche Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer ist jedoch nicht vorgesehen. Auch aus den übrigen Vorschriften der Richtlinie ergibt sich nichts Abweichendes.
44
d) Soweit klägerseitig vorgetragen wurde, die Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH, so ist dem nicht zu folgen:
45
Bereits aus der Vorlagefrage und dem Tenor der Entscheidung des EuGH (Urt. v. 14.05.2020 – C-266/19 (Eis GmbH/TO), GRUR 2020, 753) ergibt sich, dass die Beklagte im dort behandelten Fall auf die Muster-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83 zurückgegriffen hatte. Auch die Vorlagefragen beziehen sich ausdrücklich auf die Verfügbarkeit „der Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83“. Der EuGH hat lediglich dazu ausgeführt, wann ein Unternehmer zur Angabe einer Telefonnummer verpflichtet ist, wenn er die gesetzlich geregelte Muster-Widerrufsbelehrung verwendet. Er behandelt mithin nur die Frage, welche Vorgaben durch die Gestaltungshinweise für die Muster-Widerrufsbelehrung aus Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB verpflichtend sind. Der EuGH hat aber – ebenso wenig wie der BGH – keine Aussage zum Bestehen einer Informationspflicht über eine Telefonnummer bei einer indivduellen Widerrufsbelehrung gemacht. Davon abgesehen erging die EIS-Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen zwei Wettbewerbern und behandelt vor allem wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Informationspflicht und dem Musterschutz bei der Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung. Eine Aussage darüber, welche zivilrechtlichen Rechtsfolgen die Nichtangabe einer Telefonnummer in einer individuellen Widerrufsbelehrung hat, insbesondere, dass hiervon der Beginn der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 BGB abhängig sein solle, haben EuGH und BGH gerade nicht getroffen.
46
e) Darüber hinaus haben der deutsche wie der europäische Gesetzgeber als Reaktion auf die EuGH-Urteile „EIS“ und „Amazon“ (EuGH Urt. v. 14.05.2020 – C-266/19, GRUR-RS 2020, 8821 im Anschluss an EuGH, Urt. v. 10.07.2019 – C-649/17) sowohl die allgemeinen Informationspflichten als auch die Muster-Widerrufsbelehrung geändert und dabei in beiden Fällen eine unbedingte Angabepflicht hinsichtlich der Telefonnummer zum 28.05.2022 eingeführt; die allgemeinen Anforderungen an die Inhalte der Widerrufsbelehrung in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 1 h) der Richtlinie 2011/83 blieben hingegen unverändert (vgl. Schmidt-Kessel, ZIP 2024, 1, 6).
47
Die dargestellte Gesetzesentwicklung wie auch die Systematik sprechen gegen die Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer (so u.a. auch LG Münster, Urt. v. 14.09.2023, Az. 02 O 101/23; LG Berlin, Urt. v. 31.10.2023, Az. 38 O 111/23, Urt. v. 30.11.2023, Az. 28 O 89/23; LG Heidelberg, Urt. v. 27.12.2023, Az. 3 O 159/23; LG Berlin, Urt. v. 22.12.2023, Az. 1 O 29/23, Urt. v. 12.01.2024, Az. 17 O 56/23). Während der deutsche wie der europäische Gesetzgeber die Telefonnummer im Rahmen der allgemeinen Informationspflichten nach Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB (= Art. 6 Abs. 1 c) Richtlinie 2011/83) nunmehr ausdrücklich verlangen, ist dies im vorliegend einschlägigen Fall der Widerrufsbelehrung nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (= Art. 6 Abs. 1 h) Richtlinie 2011/83) auch nach der Gesetzesreform nicht der Fall.
48
2. Durch den Bestellprozess wird zudem kein irreführender Eindruck erweckt. Ausweislich des Screenshots zum Bestellvorgang wird durch ein leicht erkennbares Sternchen und dessen Auflösung in unmittelbarer Nähe erkennbar, dass ein Rückerstattungsanspruch bei Vorliegen eines gesetzlichen Widerrufsrechts besteht. Ohnehin lässt ein an anderer Stelle enthaltener Zusatz die Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung unberührt (BGH NJW 2020, 334).
49
3. Die Widerrufsbelehrung ist auch nicht deswegen unzureichend, weil sie die Verbrauchereigenschaft des jeweiligen Käufers als erforderliche Bedingung voranstellt. Entgegen der Ansicht der Klägerseite hat dieser Umstand die inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Belehrung nicht unklar und missverständlich werden lassen.
50
Für einen Hinweis auf den persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechts gilt nicht das Klarheits- und Verständlichkeitsgebot aus Art. 246 EGBGB. Dieses bezieht sich nach dem Wortlaut und nach Sinn und Zweck der genannten Vorschriften nur auf die eigentliche Widerrufsbelehrung und nicht auch darauf, wem ein Widerrufsrecht zusteht (BGH NJW 2012, 1814).
51
Hinsichtlich der sodann erfolgenden eigentlichen Belehrung ist nicht schlechthin jeglichen Zusatz zur Belehrung ausgeschlossen. Ihrem Zweck entsprechend sind Ergänzungen als zulässig anzusehen, die ihren Inhalt verdeutlichen. Nicht hierzu zählen jedoch Erklärungen, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und die deshalb von ihr ablenken (BGH, NJW 2002, 3396 = GRUR 2002, 1085 [1086] – Belehrungszusatz, m.w.Nachw.).
52
Um einen solchen handelt es sich jedoch vorliegend nicht. Die Verbrauchereigenschaft ist für den persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechts vielmehr gerade entscheidend. Ein Unternehmer hat zudem nicht dafür einzustehen, dass ein Verbraucher sich irrtümlich nicht für einen Verbraucher und damit für nicht widerrufsberechtigt hält. Eine derart weitgehende Verpflichtung kann den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnommen werden (BGH NJW 2012, 1814).
53
4. Entgegen der klägerischen Auffassung sind auch die beklagtenseits gemachten Angaben zu den Rücksendekosten in der Widerrufsbelehrung für die Länge der Widerrufsfrist irrelevant.
54
Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 356 Abs. 3 S. 1 BGB ist die Information des Verbrauchers nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB gerade nicht für die Widerrufsfrist relevant. § 356 Abs. 3 S. 1 fordert nur, dass der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet.
55
Der Hinweis macht – unabhängig von seiner Richtigkeit – die Widerrufsbelehrung im Übrigen nicht unverständlich. Dementsprechend verweist auch Art. 10 Abs. 1 der Verbraucherrechterichtlinie im Gleichlauf zu den Vorschriften des BGB nur auf Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie und nicht etwa auch auf Art. 6 Abs. 1 lit i) der Verbraucherrechterichtlinie.
56
5. Die Beklagte hat auch keine Teilleistungen erbracht, sodass ihre Ausführungen zum Beginn der Widerrufsfrist in ihrer Widerrufsbelehrung richtig waren.
57
a) Analog § 952 BGB folgt das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II dem Eigentum am Fahrzeug (vgl. BGH NJW 2020, 3711 Rn. 32 m.w.N.). Schuldurkunden sind bloße Annexe, das heißt unselbstständige Anhängsel an Forderungen und damit kein selbstständiger Gegenstand im Rechtsverkehr. Entsprechendes muss daher für die Zulassungsbescheinigung Teil II gelten: Sie ist lediglich unselbstständiger Annex zum Eigentum an der Ware.
58
b) Hinsichtlich der (fehlenden) Ausrüstung einer Einparkhilfe handelt es sich um keine eigenständige von der Beklagten noch zu erbringende Teilleistung. Dies wäre vielmehr aufgrund des Charakters einer Einparkhilfe als unmittelbarer Bestandteil des Fahrzeugs hinsichtlich der (vorliegend nicht beanstandeten) Sachmangelfreiheit beziehungsweise einer etwaig auch nach Übergabe bestehenden Wartungspflicht des Fahrzeugs zu prüfen.
59
Dass es für den Beginn der Widerrufsfrist auf den Zeitpunkt des Erhalts des Fahrzeugs ankommt und nicht einen anderen Zeitpunkt, ist für den Verbraucher letztlich verständlich und eindeutig.
60
II. Die Nichtangabe einer Telefonnummer schränkte den Kläger auch nicht in der Ausübung seines Widerrufsrechts ein: So bestellte er sein KFZ über die Website der Beklagte und erklärte den Widerruf per E-Mail sowie per Einschreiben, was überdies sein naturgemäßes Interesse widerspiegelt, seine Erklärung schriftlich zu fixieren. Dass der Kläger früher widerrufen hätte, wenn er gewusst hätte, dass er auch telefonisch widerrufen könne und hierbei auf eine direkte Angabe der Telefonnummer angewiesen gewesen wäre (, die er selbst nicht ohne Weiteres im Internet hätte recherchieren können), wird gerade klägerseits nicht vorgetragen und würde auch lebensfremd erscheinen. Daher scheidet auch ein Anspruch auf Rückforderung aufgrund einer etwaigen vorvertraglichen Informationspflichtverletzung bereits mangels Kausalität aus. Selbiges gilt hinsichtlich etwaiger Angaben zu den Rücksendekosten.
61
III. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der nicht durchsetzbaren Hauptforderung, ebenso wenig besteht aus obigen Gründen das vom Kläger im Feststellungsantrag genannte Rechtsverhältnis.
C.
62
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
D.
63
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.