Titel:
ordentliche betriebsbedingte Kündigung in einem Restbetrieb
Normenketten:
KSchG § 1 Abs. 2
BetrVG § 102
Leitsätze:
Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses anläßlich eines Betriebsübergangs widersprochen. Daraufhin hat die Beklagte die Klägerin und insgesamt weitere ca. 35 dem Übergang widersprechende Arbeitnehmer einem "Rest"betrieb, der eine eigenständige Organisationseinheit bildete, zugeordnet. Die Klägerin war sodann mit einer kurzen Unterbrechung bei voller Gehaltszahlung ca. 4 Jahre von der Arbeitsleistung freigestellt. In dieser Zeit blieben sämtliche Vermittlungsversuche der Beklagten bzw. Bewerbungen der Klägerin auf freie Stellen im Unternehmen erfolglos. Nach dem Erhalt einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung blieb die Kündigungsschutzklage der Klägerin ohne Erfolg, denn eine Beschäftigungsmöglichkeit im "Rest"betrieb war nach dem Betriebsübergang nicht mehr vorhanden. Eine den Kenntnissen und Fähigkeiten der Klägerin entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen hat die Beklagte verneint und dem ist die Klägerin im Verfahren auch nicht hinreichend entgegengetreten; insbesondere hat die Klägerin hat auch keinen entsprechenden freien Arbeitsplatz im Unternehmen der Beklagten benannt. Zudem war das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, denn in dem organisatorisch eigenständigen "Rest"betrieb, in dem auch kein Betriebsrat existierte9+, waren zwischenzeitlich weniger als 10 Personen beschäftigt. (Rn. 28 – 36)
1. Es steht in der unternehmerischen Freiheit des bisherigen Betriebsinhabers, wie er das in dem Restbetrieb verbliebene Personal, welches einem Betriebsübergang widersprochen hat, einsetzt und ggf. auch unter Gehaltsfortzahlung von der Arbeitsleistung freistellt. Entschließt sich der bisherige Betriebsinhaber, diesen Restbetrieb fortzuführen, ist dies weder zu beanstanden noch rechtsmissbräuchlich und insbesondre ist der Arbeitgeber rechtlich nicht verpflichtet, dieses Personal anderen Betrieben zuzuordnen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es steht in der unternehmerischen Freiheit des bisherigen Betriebsinhabers, diesen Restbetrieb bis zu seiner Auflösung dergestalt fortzuführen, dass versucht wird, Mitarbeiter anderweitig zu beschäftigen oder zu versetzen oder ggf. auch Beendigungslösungen hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse zu suchen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Entfällt die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit eines Arbeitnehmers aufgrund des Betriebsübergangs und bestehen keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten, liegt allein aufgrund des Widerspruchs regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis vor, das eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen kann. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Beschäftigungsbetriebes auf einen neuen Betriebsinhaber und kündigt daraufhin der bisherige Betriebsinhaber das Arbeitsverhältnis wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, ohne den Arbeitnehmer zuvor einem anderen Betrieb seines Unternehmens zuzuordnen, so ist zu dieser Kündigung nicht nach § 102 BetrVG der in dem Unternehmen des bisherigen Betriebsinhabers bestehende Gesamtbetriebsrat anzuhören. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
betriebsbedingte Kündigung, Restbetrieb, Betriebsübergang, Widerspruch, bisheriger Betriebsinhaber, dringendes betriebliches Erfordernis
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 12.06.2023 – 33 Ca 7476/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14317
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.06.2023 – 33 Ca 7476/22 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
2
Die am TT.MM.1976 geborene Klägerin war seit dem 11.04.2011 bei der Beklagten, die mehrere Betriebe an mehreren Standorten hat, als Projektleiterin mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. zuletzt 9.936,19 € beschäftigt. Seit 2015 war die Klägerin am Standort E-Stadt im Betrieb der Beklagten „E-Stadt G“ im sog. Geschäftsbereich Mobility, der sich über mehrere Betriebe und Standorte erstreckte, tätig. Im Betrieb „E-Stadt G“ waren weit über zehn Arbeitnehmer beschäftigt und es existierte ein Betriebsrat. In E-Stadt existierte des Weiteren ein sog. Betrieb „E-Stadt F“. Im Rahmen einer Umorganisation bei der Beklagten wurden zunächst teilweise Betriebe des Geschäftsbereichs Mobility abgespalten und dann mit Wirkung zum 01.08. 2018 auf die neu gegründete C M. GmbH ausgegliedert, wobei teilweise Betriebe der Beklagten auch im Gesamten auf die C M. GmbH übertragen wurden. Diese Umorganisation war Gegenstand eines Interessenausgleichs, der zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am 18.05.2018 geschlossen wurde. Zum Inhalt des Interessenausgleichs wird auf Anlage B3 (Bl. 145 ff d.A.) Bezug genommen. Danach wurde vom Betrieb E-Stadt G der Geschäftsbereich Mobility abgespalten als künftiger Betrieb Mobility E-Stadt G (vgl. Ziffer 3.3.1. des Interessenausgleichs= Bl. 149ff d.A.). Im Zuge der Übertragung erfolgte ein Übergang sämtlicher Arbeitsverhältnisse der zuvor im Geschäftsbereich Mobility beschäftigten Arbeitnehmer auf die C M. GmbH, wovon auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin betroffen war. Nachdem die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses im Jahre 2018 widersprochen hatte, ordnete die Beklagte die Klägerin betriebsorganisatorisch einem sog. „Mobility EStadt G Restbetrieb“ (im Folgenden: E-Stadt Restbetrieb) zu, ebenso wie weitere 35 Mitarbeiter, die dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse ebenfalls widersprochen hatten. Der E-Stadt Restbetrieb war nicht operativ tätig. Sein Geschäftszweck war, die Arbeitnehmer, die dem Betriebsübergang widersprochen hatten, aus dem Restbetrieb heraus im Wege der Versetzung bzw. Änderungskündigung an Fachabteilungen in andere Betrieben, idealerweise dauerhaft, zumindest im Rahmen vorübergehender Projekteinsätze, zu vermitteln. Daneben wurden Möglichkeiten einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geprüft und ggf. verhandelt, alternativ auch Optionen von Eigenkündigungen, Beendigungskündigungen, Renteneintritt oder Altersteilzeit. Die Klägerin war fortan im Wesentlichen unter Gehaltsfortzahlung freigestellt. Sie bewarb sich zwar auf über 60 Stellenangebote der Beklagten, war aber lediglich einige Monate befristet in einem anderen Betrieb der Beklagten im Rahmen eines Projekteinsatzes tätig. Die Zahl der dem E-Stadt Restbetrieb zugeordneten Mitarbeiter reduzierte sich im Lauf der Jahre, durch Vermittlung in andere Geschäftsbereiche der Beklagten oder durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Zuletzt waren neben der Klägerin noch vier weitere Arbeitnehmer diesem Restbetrieb zugeordnet. Ein Betriebsrat existierte im E-Stadt Restbetrieb nicht. Mit einem Schreiben der Beklagten vom 16.03. 2021 (Bl. 138 -139 d.A.) wurde Herr Dr. F zum „Sprecher der Betriebsleitung MO E-Stadt G Restbetrieb“ bestellt. In dem Schreiben stand ua.:
„Die Betriebsleitung hat die Entscheidungsgewalt in allen personellen und sozialen Angelegenheiten für die Arbeitnehmer des MO E-Stadt G Restbetrieb. Abgesehen von örtlichen Besonderheiten hat die Betriebsleitung:
- Die Arbeitgeberfunktion gem. Betriebsverfassungsgesetz (alleiniger Ansprechpartner für den Betriebsrat)
- Die Verantwortung für die Infrastruktur
Die Betriebsleitung […] hat bezüglich der zu einem Betrieb gehörenden Unternehmenseinheiten die alleinige Vertretungsfunktion zur Wahrnehmung aller betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des Arbeitgebers, ohne in die geschäftlichen Belange der Einheiten einzugreifen.“
3
Herr Dr. F war organisatorisch nicht dem E-Stadt Restbetrieb zugeordnet. Er fungierte als Betriebsleiter weiterer (Rest-)Betriebe der Beklagten. Zuständiger Personalleiter für die im E-Stadt Restbetrieb angesiedelten Arbeitnehmer war Herr G. Herr G wie auch der (letzte) disziplinarische Vorgesetzte der Klägerin waren dem Betrieb der Beklagten B-Stadt P zugeordnet. Herrn G oblag neben dem E-Stadt Restbetrieb für weitere Restbetriebe die Funktion als Personalleiter.
4
Mit einem Schreiben vom 22.08.2022 (Bl. 16 d.A.), das die Klägerin am 24.08.2022 erhielt, kündigte die Beklagte der Klägerin zum 31.12.2022. Das Kündigungsschreiben war von Herrn G und einem weiteren, dem Betrieb B-Stadt P zugeordneten Mitarbeiter, unterschrieben.
5
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin gemeint, die Kündigung vom 22.08.2022 sei sozialwidrig und hat behauptet, sie hätte auf einer Vielzahl von freien Stellen in anderen Betrieben der Beklagten weiterbeschäftigt werden können. Sie hat auch gemeint, dass es sich bei dem E-Stadt Restbetrieb nicht um einen Betrieb iSd. § 23 I KSchG handele, weil dieser keinen eigenständigen Leitungsapparat habe, wozu sie ua. darauf verwiesen hat, dass weder ihr Vorgesetzter noch Herr Dr. F dem E-Stadt Restbetrieb angehörten und Lohnabrechnungen und Personalaktenverwaltung durch den Betrieb E-Stadt G erfolgt seien. Weiter hat sie behauptet, dass Herr Dr. F keine Bevollmächtigung zur Entscheidung in allen personellen und sozialen Angelegenheiten gehabt habe. Sie hat sich auch darauf berufen, dass sie kündigungsschutzrechtlich noch immer dem Betrieb E-Stadt G zuzuordnen sei und dass daher auch dessen Betriebsrat zur streitgegenständlichen angehört hätte werden müssen. Die Beklagte hätte sich angesichts ihrer Mitarbeiterzahl jedenfalls nicht darauf berufen können, dass ein Kleinbetrieb vorgelegen habe und eine verfassungskonforme Auslegung des § 23 I KSchG hätte ergeben, dass auf den gesamten Betrieb E-Stadt G abzustellen sei.
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Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin zuletzt beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22. August 2022 beendet ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei bis zum Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
hat die Abweisung der Klage beantragt.
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Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sämtliche Bemühungen, die Klägerin nach 2018 in einem anderen Betrieb weiter zu beschäftigen, erfolglos geblieben seien, weil der Klägerin jeweils die erforderliche Qualifikation gefehlt habe. Das gleiche habe für zum Kündigungszeitpunkt freie Stellen gegolten. Die Beklagte hat aber auch gemeint, dass auf die Kündigung mangels Erreichen der Betriebsgröße das Kündigungsschutzgesetz nicht anzuwenden sei und sie hat darauf verwiesen, dass die Folgen der geänderten Beschäftigungssituation, der Wegfall des Arbeitsplatzes mit Beschäftigungslosigkeit und der Verbleib in einem betriebsratslosen Restbetrieb allein durch den Widerspruch der Klägerin entstanden und von ihr selbst herbeigeführt worden seien. Mangels der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes habe auch keine Verpflichtung bestanden, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen und für eine Anhörung vor der Kündigung nach § 102 BetrVG sei kein Betriebsrat zuständig bzw. vorhanden gewesen.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat darauf abgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht am Kündigungsschutzgesetz zu messen gewesen sei, da dessen Anwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien, da im E-Stadt Restbetrieb, dem die Klägerin zuzuordnen gewesen sei, regelmäßig weniger als zehn Mitarbeiter, nämlich neben der Klägerin nur noch vier, beschäftigt gewesen seien. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei auf den E-Stadt Restbetrieb als Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG abzustellen gewesen. Das Arbeitsgericht hat dazu ausgeführt, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine Definition des Betriebsbegriffs enthalte und dass daher im Wesentlichen der Betriebsbegriff iSd § 1 BetrVG gelten würde. Danach sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolge, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liege. Dies setze einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus und die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht werde dabei dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt werde. Entscheidend sei, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden werde und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen würden. Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb“ und „Unternehmen“ in § 1 Abs. 1 KSchG sei er auch in § 23 I KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen.
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Die Darlegungs- und Beweislast für die betrieblichen Geltungsvoraussetzungen nach § 23 Abs. 1 KSchG habe grundsätzlich der Arbeitnehmer zu tragen, wobei an die Darlegungslast des Arbeitnehmers zur betrieblichen Organisation keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Es würde dabei in der Regel ausreichen, wenn dieser die äußeren Umstände schlüssig darlege, die für die Annahme sprächen, dass die Betriebsstätte, in der er beschäftigt sei, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfüge, diese vielmehr zentral gelenkt werde. Sodann hat das Arbeitsgericht ausgehend von diesen Grundsätzen darauf verwiesen, dass auf den E-Stadt Restbetrieb als maßgeblichem Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG abzustellen gewesen sei. Durch die Abspaltung vom Betrieb EStadt G habe es zunächst einen Betrieb Mobility E-Stadt G gegeben, der unstreitig auf die C. M. GmbH übertragen worden sei mit der Folge, dass der Betrieb Mobility E-Stadt G damit nicht mehr existiert habe. Die Beklagte sei nicht gehindert gewesen, einen EStadt Restbetrieb zu bilden und die dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmer diesem Betrieb zuzuordnen. Dieser habe eine eigene organisatorische Einheit dargestellt. Das habe sich nicht nur an dem von den Betrieben E-Stadt G und E-Stadt F zu unterscheidendem Geschäftszweck dargestellt (nämlich endgültiger Abbau der Arbeitsplätze statt operativem Auftreten am Markt). Vielmehr habe in der Person des Herrn Dr. F auch eine Betriebsleitung existiert und die Behauptung der Klägerin, Herr Dr. F habe keine Bevollmächtigung zur Entscheidung in allen personellen und sozialen Angelegenheiten, sei die Beklagte erheblich entgegengetreten, denn aus dem vorgelegten Bestellungsschreiben vom 16.03.2021 habe sich ausdrücklich ergeben, dass Herr Dr. F die „Entscheidungsgewalt in allen personellen und sozialen Angelegenheiten für die Arbeitnehmer des MO E-Stadt G Restbetrieb“ übertragen worden sei und er „alleiniger Ansprechpartner für den Betriebsrat“ geworden sei. Dass sich dies etwa nicht mit den tatsächlichen Umständen gedeckt habe, habe die Klägerin nicht behauptet und es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen. Dass Herr Dr. F Betriebsleiter weiterer (Rest-)Betriebe und Herr G Personalleiter weiterer Betriebe der Beklagten gewesen sei, habe nicht ausgereicht, um annehmen zu können, es gebe damit einen einheitlichen Leitungsapparat für mehrere Betriebsstätten der Beklagten Es sei auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Kleinbetriebsklausel eine andere Betrachtung veranlasst gewesen.
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Die Zuordnung der Klägerin zum Restbetrieb E-Stadt als Organisationsentscheidung der Beklagten sei auch rechtlich nicht zu beanstanden gewesen und sei insbesondre nicht rechtsmissbräuchlich gewesen.
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Die Kündigung sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 I 1 BetrVG unwirksam gewesen, denn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe in dem Betrieb, dem die Klägerin zugeordnet war, kein Betriebsrat existiert.
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Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 6 – 19 (Bl. 241 – 254 d.A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
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Die Klägerin hat gegen dieses Urteil vom 12.06.2023, das ihr am 11.09.2023 zugestellt wurde, mit einem am 05.10.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 08.12.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat, nachdem zuvor die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 11.12.2023 verlängert worden war.
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Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht verkenne in seiner Entscheidung den Betriebsbegriff verkannt und komme daher zu einem unrichtigen Ergebnis.
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Nach der Ansicht der Klägerin hätte sich das Arbeitsgericht mit dem Betriebsbegriff gemäß § 613 a BGB auseinandersetzen müssen und dass der Betriebsbegriff iSv. § 1 BetrVG maßgeblich sei, sei unzutreffend. Bei dem Restbetrieb Mobility handele es sich nicht um einen selbständigen Betrieb, da in diesem Bereich sämtliche Mitarbeiter, die den Betriebsübergang widersprochen hatten, keine operativen Tätigkeiten mehr ausführten und damit keine wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Folge einer wirtschaftlichen Haupttätigkeit vorläge. Von Bedeutung sei weiter auch, dass die Klägerin in einer Zeit für einen 6-monatigen Projekteinsatz „Supply Change Management“ eingesetzt gewesen sei was die Folge habe, dass die Klägerin in diesem Teilbereich mit dieser Beschäftigung von einem halben Jahr eingegliedert worden sei und sie daher nicht mehr in ihrem früheren Bereich Mobility zuzurechnen gewesen sei. Dementsprechend führe auch eine spätere Nichtbeschäftigung nicht wieder dazu, dass die Klägerin wiederum in dem früheren Bereich zuzurechnen sei, der zudem nicht mehr vorhanden gewesen sei und auch operativ keinerlei Tätigkeiten mehr entfaltet habe. Zudem habe auch eine Zurückversetzung aus dem Bereich Einkauf nie stattgefunden. Es lägen auch keine arbeitsvertraglichen Regelungen vor, aus denen sich ergebe, dass die Klägerin abweichend von dem letzten Bereich E-Stadt nach der Beschäftigung im Bereich Einkauf wiederum zu den nichtvorhandenen Betrieb Mobility Restbetrieb versetzt worden sei. Zudem habe auch kein Einverständnis der Klägerin zur Rückversetzung vorgelegen. Die Klägerin meint aber auch, dass ihre Kündigung nur dann rechtmäßig wäre, soweit keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit für sie bestünde. Keinesfalls könne die Kleinbetriebsklausel zur Anwendung kommen, da es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen mit über 300 000 Mitarbeiter handele. Abschließend verweist die Klägerin darauf, dass auch im Betrieb C Real Estate ein Betriebsrat bestehe und das hinsichtlich des Betriebs E-Stadt G im April 2022 ein Betriebsrat gewählt wurde und da dieser zu der streitgegenständlichen Kündigung nicht angehört wurde, sei die Kündigung auch wegen eines Verstoß gegen § 102 BetrVG rechtsunwirksam.
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Die Klägerin beantragt,
1. Auf die Berufung hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.06.023 aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2022 zum 31.12.2022 beendet wird, sondern unverändert und unbefristet fortbesteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie hält der Klägerin vor, dass sie verkenne, dass auf Betriebsbegriffe im Zusammenhang mit § 613a BGB und EU -Richtlinien bzw. Entscheidungen des EuGH abzustellen sei. Maßgeblich sei ausschließlich der Betriebsbegriff des § 23 KSchG und maßgeblich sei weiter, dass die Klägerin auf keinen anderen Betrieb aufgrund ihres Widerspruchs übergegangen sei mit der Folge, dass sie im Restbetrieb Mobility E-Stadt G verblieben sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe der Restbetrieb Mobility E-Stadt G auch über einen entsprechenden Geschäftszweck verfügt. Der Geschäftszweck sei gewesen, Mitarbeiter deren Arbeitsverhältnis aufgrund ihres Widerspruchs nicht übergangen sei, aus dem Restbetrieb heraus im Wege der Versetzung bzw. der Änderungskündigung in Fachabteilungen anderen Betrieben, idealerweise auf eine passende Stelle, zumindest auch im Rahmen der vorübergehenden Projekteinsätze zu vermitteln. Bei fehlenden Beschäftigungsoptionen seien die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung zu prüfen und zu verhandeln gewesen, wie auch alternativ die Option von Eigenkündigung und Beendigungskündigung sowie bei Renteneintritt als auch die Vereinbarung von Altersteilzeit zu prüfen. Keineswegs sei die Klägerin dem Betrieb E-Stadt G zugeordnet worden. Die Klägerin übersehe, dass sie aufgrund des seinerzeit abgeschlossenen Interessenausgleichs der Gesamtbetriebsvereinbarung dem Betrieb am Standort der Beklagten in E-Stadt mit der Bezeichnung „Mobility E-Stadt G“ zugeordnet worden und dieser Betrieb sei in einem weiteren Schritt im Wege eines Betriebsübergangs auf die C M. GmbH übertragen worden und somit sei bei der Beklagten der „(Rest) Betrieb Mobility E-Stadt G)verblieben, den die Klägerin und die Übrigen den Betriebsübergang widersprochenen Mitarbeiter angehörten. Dort sei die Klägerin auch verblieben und keinesfalls in irgendeinen anderen ggf. auch mitbestimmten Betrieb zugeordnet worden. Die Klägerin berufe sich auch unzutreffend darauf, dass sie in dem Bereich Einkauf versetzt worden sei. Die Beklagte verweist dazu auf ihr Schreiben vom 18.12.2019 (Blatt 353 ff. der Akte). In dem ua. stehe:
„Ihr Einsatz in der C Real Estate, SRE SCM DE Sehr geehrte Frau A., wie mit Ihnen besprochen, sind Sie vom 01.01.2020 bis vorerst zum 30.06.2020 in der C Real Estate, Supply Chain Management (im Folgenden: Entleiher) in B-Stadt P eingesetzt.
Wir behalten uns vor, Ihren Einsatz in Abstimmung mit dem Entleiher zu verlängern oder zu verkürzen. Während Ihres Einsatzes unterstehen Sie disziplinarisch weiterhin den Weisungen Ihrer Führungskraft bei dem Mobility Restbetrieb. Sie bleiben organisatorisch dem Mobility Restbetrieb zugeordnet. Die fachliche Weisungsbefugnis hat der Entleiher, Frau H, SRE SCM DE, sowie andere Mitarbeiter dieser Abteilung.
Wie mit Ihnen besprochen, übernehmen Sie folgende Aufgabe: Unterstützung im Baueinkauf für Baumaßnahmen in Deutschland … Ihre disziplinarische Führungskraft bei dem Mobility Restbetrieb ist weiterhin für die Genehmigung ihres Urlaubs zuständig. Der Urlaub ist dazu von Ihnen mit Ihrer fachlichen Führungskraft abzustimmen …“
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Die Beklagte verweist darauf, dass es sich bei diesem Projekteinsatz gemäß dem Schreiben 18.12.2019 nur um eine vorübergehende befristete Zuweisung von Tätigkeiten in einer anderen Abteilung und für einen anderen Betrieb mit Direktionsrecht der disziplinarischen Führungskraft gehandelt habe und dass die ursprüngliche betriebliche Zugehörigkeit der Klägerin dadurch unverändert geblieben sei. Insbesondere sei der Klägerin auch zum Projekteinsatz ua. mitgeteilt worden, dass sie während ihres Einsatzes weiterhin disziplinarische Anweisungen ihrer Führungskraft bei dem Restbetrieb Mobility E-Stadt G unterstehe.
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Die Beklagte rügt auch, dass die Einlassung der Klägerin, sie sei in ihrer Funktion als Architektin bei ihr beschäftigt worden, unzutreffend sei. Vielmehr sei die Klägerin mit folgenden Aufgaben beschäftigt gewesen:
- Erstellung Tenderanalyse für verschiedene Angebote im Bereich Straßenverkehrstechnik
- Überprüfung und Anpassung der Masterersatzteilliste im Rahmen eines Bahnprojekts
- Führung und Pflege von Statusberichten
- Durchführung von organisatorischen Themen im Team R. Support Center
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Entgegen der Auffassung der Klägerin trete durch die „Nichtbeschäftigung“ im Rahmen der widerruflichen Freistellung aufgrund der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten keine Änderung in Bezug auf ihre Zuordnung zum Restbetrieb Mobility E-Stadt ein. Wobei die Bezeichnung Restbetrieb Mobility nicht korrekt sei, sondern die richtige Bezeichnung des Restbetriebes, dem die Klägerin am Standort in E-Stadt angehörte laute „Mobility E-Stadt G“. Insoweit sei die Klägerin auch darauf zu verweisen, dass wenn sie von einem „Betrieb E-Stadt“ schreibe, es diesen Betrieb gar nicht gebe. Schließlich verweist die Beklagte darauf, dass sie sich intensiv um eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bemüht habe, aber keine geeignete freie Stelle gefunden werden konnte. Die Beklagte meint weiter abschließend, dass die Anhörung eines Betriebsrates nicht erforderlich gewesen sei, denn die Klägerin habe dem Restbetrieb der Beklagten „Mobility E-Stadt G“ angehört und in diesem bestehe unstreitig kein Betriebsrat.
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Zum weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die zwischen ihnen im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze vom 08.12.2023 (Blatt 299 ff), 12.02.2024 (Blatt 331 ff), 20.02.2024 (Blatt 365 und 366 der Akte) genommen.
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Des Weiteren wird, insbesondere zur Prozessgeschichte, auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Sitzungsniederschrift vom 01.03.2024 (Blatt 368 bis 371) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist beendet hat und dass die Kündigung nicht sozialwidrig ist. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist noch das folgende veranlasst:
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A. Von ausschlaggebender Bedeutung ist, dass nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz wegen der unstreitig zu geringen Beschäftigtenzahl (unter 10 Personen) in dem eigenständigen Betrieb in dem die Klägerin beschäftigt ist, Restbetrieb Mobility E-Stadt G ist, keine Anwendung findet. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Kleinbetriebsklausel wird zunächst ebenfalls auf die gründlichen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen
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1.) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist sie dem Restbetrieb Mobility E-Stadt G zugeordnet und diese Einheit ist ein eigenständiger Betrieb.
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a) Unstreitig wurde der gesamte Geschäftsbereich Mobility, zu dem ua. auch der Betrieb „Mobility E-Stadt G“ gehörte, dem wiederum ebenfalls unstreitig die Klägerin angehörte, im Wege eines Betriebsübergangs mit Wirkung zum 01.08.2018 auf die neu gegründete C M. GmbH übertragen. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die C M. GmbH hatte zwangsläufig zur Folge, dass sie in der Betriebseinheit „Mobility E-Stadt G“ verblieb ebenso wie weitere 33 Mitarbeiter, die ebenfalls dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprochen hatten. Dass vormals der Betrieb Mobility E-Stadt G als eigenständiger Betrieb zu bewerten ist, ist offensichtlich und hat auch die Klägerin nicht in Frage gestellt. Es erschließt sich aber nicht und ist auch keine zwingende Rechtsfolge, dass die Betriebseinheit Mobility E-Stadt G sich aufgelöst hätte mit dem Vollzug des Betriebsübergangs auf die C M. GmbH, denn die Widersprüche der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer hat die Folge, dass sie jedenfalls als Restbetrieb mit wenn auch stark verringerter Belegschaft fortbesteht. Dass es für diese Belegschaft keine adäquate Beschäftigung mehr gab, denn die Beschäftigungsmöglichkeiten sind nunmehr bei C M. GmbH, ist der Beklagten nicht anzulasten, sondern ist die logische Konsequenz des von der Restbelegschaft abgelehnten Übergangs ihrer Arbeitsverhältnisse.
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b) Es steht in der unternehmerischen Freiheit der Beklagten, wie sie nunmehr das in dem Restbetrieb verbliebene Personal einsetzt und ggf. auch unter Gehaltsfortzahlung von der Arbeitsleistung freistellt und wenn sie sich dazu entschließt, diesen Restbetrieb fortzuführen ist dies weder zu beanstanden noch rechtsmissbräuchlich und insbesondre ist die Beklagte rechtlich nicht verpflichtet dieses Personal anderen Betrieben zuzuordnen (vgl. BAG, 21.02.2013 – 8 AZR 877/11). Dass im Tatsächlichen auch eine eigenständige Fortführung des Restbetriebs erfolgte, unterstreicht die Entscheidung der Beklagten, wonach sie eine personelle Führungsverantwortung mit disziplinarischen Befugnissen für den Restbetrieb mit der Ernennung von Herrn Dr. F mit einem Schreiben vom 16.03. 2021 (Bl. 138 -139 d.A.) errichtet hat. Dass dieser nicht selbst in den Restbetreib eingegliedert wurde und auch für andere Bereiche personelle Führungsverantwortung ausübte, ist unerheblich und führt jedenfalls nicht dazu, dass der Restbetrieb nicht mehr existiert hätte.
31
c) Es ist auch nicht notwendig, dass, wie die Klägerin fordert, dass dieser Restbetrieb operativ tätig wurde, was zwar im Wirtschaftsleben die Regel bei einem Betrieb ist. Es bleibt vielmehr der unternehmerischen Freiheit der Beklagten überlassen, diesen Restbetrieb bis zu seiner Auflösung dergestalt fortzuführen, dass versucht wird, Mitarbeiter anderweitig zu beschäftigen oder zu versetzen oder ggf. auch Beendigungslösungen hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse zu suchen. Dieser rechtlich nicht zu beanstandende Betriebszweck hatte auch weitgehend Erfolg und war keineswegs nur von theoretischer Art, denn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung war der Personalbestand in dem fortgeführten Restbetrieb weitgehend abgebaut.
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2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich auch keine andere Zuordnung der Klägerin als in den Restbetrieb durch ihren Einsatz auf Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 18.12.2019 (Bl. 353 – 354 d.A.). Dem Schreiben lässt sich im ersten Satz unschwer entnehmen, dass der Einsatz in der C Real Estate Supply Chain Management in B-Stadt P vom 01.01.2020 bis vorerst (!) 30.06.2020 begrenzt erfolgt und zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass nach Ablauf von sechs Monaten dieser Einsatz beendet war. Inwieweit gerade im Hinblick auf den zeitlich begrenzten Einsatz quasi durch die Hintertür eine Zuordnung nach dem Einsatz in einen anderen Betrieb als den Restbetrieb erfolgt sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig ist verständlich, weshalb, wie von der Klägerin gemeint, eine (Rück) Versetzung notwendig hätte sein müssen. Offensichtlich ist vielmehr, dass die Klägerin nach Ablauf von 6 Monaten wieder in den Restbetrieb zurückkam, der sie kurzfristig entliehen hatte. Inwieweit hierzu nach Auffassung der Klägerin zur Untermauerung ihrer Rechtsposition Rechtsprechung des EuGH zur Konzernleihe heranzuziehen sei, ist nicht verständlich.
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3. Aber auch für den Fall, dass das Kündigungsschutzgesetz, ob mittelbar oder unmittelbar, zur Anwendung käme, erweist sich die streitgegenständliche Kündigung als sozial gerechtfertigt.
34
a) Die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin ist aufgrund des Betriebsübergangs weggefallen und wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, liegt allein aufgrund des Widerspruchs regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis vor, das eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen kann (vgl. BAG, 21.03. 1996 – 2 AZR 559/95).
35
b) Insoweit hätte es der Klägerin oblegen darzulegen, wie sie sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, nachdem ihr bisheriger Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen war (vgl. BAG, 16.07.1998 – 8 AZR 284/97). Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis “bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem “ultima-ratio-Grundsatz”. Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu prüfende “ultima-ratio-Grundsatz” wird in § 1 Abs. 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG ist die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben des privaten Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. (vgl. BAG, 24.06.2004 – 2 AZR 326/03). Ein entsprechender Sachvortrag im Hinblick auf freie und für die Klägerin geeignete Arbeitsplätze im Unternehmen der Beklagten ist aber nicht erfolgt und die Beklagte hat auch in hinreichender Weise darauf verwiesen, dass entsprechende für die Klägerin geeignete, freie Arbeitsplätze in ihrem Unternehmen nicht vorhanden sind.
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c) Die Kündigung ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, dem Arbeitnehmer. Dabei geht das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB. Urteil vom 15.06.1989 – 2 AZR 580/88) im Rahmen der Beweisführungslast von einer abgestuften Darlegungslast aus. Es ist danach zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen (vgl. BAG, 16.07.1998 – 8 AZR 284/97), was aber nicht erfolgt ist, mit der Folge, dass sich die Klägerin nicht auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen kann
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4. Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 BetrVG unwirksam, denn in dem Restbetrieb, dem die Klägerin angehörte, existierte kein Betriebsrat und andere Betriebsratsgremien waren zur Kündigung der Klägerin nicht zu beteiligen.
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a) Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Beschäftigungsbetriebes auf einen neuen Betriebsinhaber und kündigt daraufhin der bisherige Betriebsinhaber das Arbeitsverhältnis wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, ohne den Arbeitnehmer zuvor einem anderen Betrieb seines Unternehmens zuzuordnen, so ist zu dieser Kündigung nicht nach § 102 BetrVG der in dem Unternehmen des bisherigen Betriebsinhabers bestehende Gesamtbetriebsrat anzuhören (vgl. BAG, 21.03.1996 – 2 AZR 559/95).
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b) Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Betriebes auf einen anderen Betriebsinhaber, so kann dies im Falle einer Kündigung zu einer Verschlechterung seines Schutzes nach § 102 BetrVG führen. Auch wenn der frühere Betriebsinhaber neben dem insgesamt veräußerten Betrieb einen weiteren Betrieb besitzt, lässt sich ein Anhörungsrecht des in diesem Betrieb bestehenden Betriebsrats zur Kündigung des dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmers nicht begründen. Hat der Arbeitgeber den widersprechenden Arbeitnehmer dem ihm verbleibenden Betrieb nicht als Arbeitskraft zugeordnet, etwa, weil er in diesem Betrieb keine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn sieht, so fehlt die tatsächliche Beziehung des widersprechenden Arbeitnehmers zu diesem Betrieb, die seine Zugehörigkeit zur Belegschaft und damit seine Repräsentation durch dessen Betriebsrat bei der Anhörung nach § 102 BetrVG begründen könnte. Würde man insoweit ein Anhörungsrecht des Betriebsrats annehmen, würde sich der Betriebsrat mit der Kündigung eines Arbeitnehmers befassen, der nicht zur Belegschaft des Betriebes gehört und der in diesem Betrieb weder wahlberechtigt noch wählbar ist. Der widersprechende Arbeitnehmer, der mit der Ausübung seines Widerspruchsrechts schon ein höheres Kündigungsrisiko eingeht, riskiert damit gleichzeitig also ein Leerlaufen der betrieblichen Mitbestimmung im Fall seiner Kündigung (vgl. BAG, 21.03.1996 – 2 AZR 559/95).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
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Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.