Titel:
Zur isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung
Normenkette:
FamFG § 54 Abs. 2, § 57 S. 2
Leitsatz:
Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist nicht statthaft, auch wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. (Rn. 14)
Schlagworte:
Beschwerde, Leistungen, isolierte Anfechtung, Kostenentscheidung, elterlichen Sorge, Auslegung, Erledigung, Statthaftigkeit, einstweilige Anordnung
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Endbeschluss vom 28.02.2024 – 110 F 4429/23
Fundstellen:
FGPrax 2024, 196
FamRZ 2024, 1559
BeckRS 2024, 14296
LSK 2024, 14296
NJW-RR 2024, 1068
Tenor
I. Die Beschwerde der Mutter des betroffenen Kindes gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.02.2024, erlassen am 29.02.2024, Az. 110 F 4429/23, wird als unzulässig verworfen.
II. Die Mutter und Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 584,17 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Mutter und Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Kostenentscheidung im Verfahren einer einstweiligen Anordnung in Kindschaftssachen.
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Im Verfahren der einstweiligen Anordnung zur elterlichen Sorge für das nunmehr vierzehn Jahre alte Kind J… H… hat das Amtsgericht in der Entscheidung vom 28.02.2024 (erlassen am 29.02.2024) festgestellt, dass einstweilige gerichtliche Maßnahmen derzeit nicht veranlasst und die Kosten des Verfahrens von der Mutter zu tragen sind.
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Seit dem 08.11.2011, also seitdem J… anderthalb Jahre alt ist, streiten die Eltern über den Umgang des Vaters mit ihr. Hinsichtlich der langen Vorgeschichte wird auf die vorhergehenden Verfahren Bezug genommen, wobei Ausgangspunkt des Streits die unerschütterliche, aber nicht bestätigte Überzeugung der Mutter ist, der Vater hätte Jennifer als kleines Kind sexuell missbraucht.
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Gegenstand des nunmehrigen – amtswegigen – Verfahrens ist die Weigerung der Mutter, die erforderlichen Dokumente beim Jugendamt zur Installation einer ambulanten Hilfe, voraussichtlich eines Erziehungsbeistandes, zu unterzeichnen. Hierzu hatten sich die Eltern J…s im Verfahren des Amtsgerichts Nürnberg 110 F 774/19 am 29.09.2023 in einer umfassenden Vereinbarung verpflichtet. Nach erneuter Aufforderung und erfolgloser Fristsetzung an die Mutter hat das Gericht im hiesigen, neu eingeleiteten Verfahren sowohl J… als auch die Beteiligten angehört, um zu prüfen, ob der Teilbereich der elterlichen Sorge zur Beantragung von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern ggf. entzogen und der Antrag auf ambulante Hilfen durch einen Ergänzungspfleger gestellt werden müsste. Das Amtsgericht ist jedoch zu dem Schluss gekommen, dass gerichtliche Maßnahmen derzeit nicht erforderlich seien. Zwar sei der Entzug der elterlichen Sorge (Teilbereich der Beantragung von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern) und sodann die Installation eines Erziehungsbeistands möglich und im Ergebnis erforderlich, um die akute Kindeswohlgefährdung zu beseitigen. Allerdings sei die Maßnahme aus Sicht des Gerichts (derzeit) ungeeignet.
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J…werde nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts nicht mit einem Erziehungsbeistand kooperieren und dessen Hilfe nicht annehmen, wenn ihre Mutter weiterhin die ablehnende Haltung vorgebe. Im Gegenteil könne die vorgebliche Kooperationsbereitschaft der Mutter bislang vielmehr dafür sorgen, dass sich J… nach jeweils durch das Gericht geäußerten Bedenken vorgeblich und für das Gerichtsverfahren konstruiert anzupassen habe, worauf auch die gleichgültige Haltung J… in der letzten Kindesanhörung hindeute. Angesichts der Schwere des Vorwurfs und der gezeigten Überzeugung der Mutter gehe das Gericht davon aus, dass sich dies bereits durch vorhergehende Gerichtsverfahren gezogen haben könnte. Dass Bedenken, Angebote, Vorschläge oder Anordnungen des Gerichts durch J… bei dieser Sachlage nicht positiv aufgenommen, sondern vielmehr als Gängelung wahrgenommen würden, liege auf der Hand. Das Gericht sehe auch keine Möglichkeit, hieran etwas zu ändern. Die niederschwellige einvernehmliche Installation einer unabhängigen dritten Person (Erziehungsbeistand) außerhalb von jedem gerichtlichen Verfahren sei nunmehr aufgrund der Weigerung der Mutter gescheitert. Eine gerichtliche Anordnung würde gerade aufgrund des gerichtlichen Zwangs den Zweck der Einrichtung einer Erziehungsbeistandsschaft in diesem Fall vereiteln.
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Aus Sicht des Gerichts sei es daher unter Abwägung der Folgen sinnvoll, die Begutachtung im Hauptsacheverfahren im Hinblick darauf abzuwarten, ob es in diesem Fall noch Einflussmöglichkeiten durch das Gericht, Behörden oder Ämter gebe.
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Die Kostenentscheidung beruhe auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Kosten seien durch die Mutter zu tragen, da ihre Weigerung, den Antrag auf ambulante Hilfen zu unterzeichnen, das Verfahren erst notwendig gemacht habe.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mutter ihrer am 05.03.2024 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde mit dem Ziel, die Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass die Kosten gegeneinander aufgehoben werden.
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Es sei zwar richtig, dass sie die Formulare des Jugendamtes nicht unterschrieben habe. Jedoch stelle das Familiengericht in den Gründen seiner Entscheidung vom 28.02.2024 selbst fest, dass sich das Kind in der Kindesanhörung deutlich gegen die Installation eines Erziehungsbeistands ausgesprochen hätte. Insoweit äußere das Familiengericht die Vermutung, dass sich die ablehnende Haltung des Kindes an ihren (der Mutter) Wünschen orientiere, wobei diese Vermutung derzeit durch nichts belegt sei, nachdem ein Sachverständigengutachten, das auch auf diese Frage eingehen werde, erst in Auftrag gegeben worden sei. Es sei deshalb unbillig, die Kosten dieses Verfahrens ihr allein aufzuerlegen. Vielmehr habe es bei der in Kindschaftssachen üblichen Kostenverteilung der Kostenaufhebung zu verbleiben. Allein dies werde dem derzeitigen Sach- und Streitstand gerecht.
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Auf den Hinweis des Senats, dass er beabsichtige, die Beschwerde der Mutter als unzulässig zurückzuweisen, hat sie unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Frankfurt in seinem Beschluss vom 16.05.2023 an ihrer Beschwerde festgehalten.
11
Die gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.02.2024 eingelegte Beschwerde ist nicht statthaft.
12
§ 57 S. 2 Nr. 1-5 FamFG regelt abschließend, welche einstweiligen Anordnungen mit der Beschwerde anfechtbar sind. Zu den Neben-, namentlich den Kostenentscheidungen, hat der Gesetzgeber keine Regelung getroffen.
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1. Zwar wird vertreten, und hierauf hat die Beschwerdeführerin verwiesen, dass eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung in den Fällen des § 57 S. 2 FamFG statthaft sei (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2024, 457 m.w. Nw.; ebenso Giers, in: Sternal FamFG 21. Aufl. § 57 Rn. 3).
14
Hierzu werden verschiedene Argumente genannt: Dass Kostenbeschwerden generell dem Anwendungsbereich von § 57 S. 2 FamFG entzogen sein sollen, finde weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzgebungsgeschichte eine Stütze (Dürbeck, NZFam 2023, 733, 734; ders. in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. § 57 Rn. 22). Hinsichtlich der Anfechtung der Kostenentscheidung gebe es keine Sonderregelungen, so dass hier das Gleiche wie für sonstige Kostenentscheidungen gelte (Schneider, NZFam 2015, 353; Socha, in: Bahrenfuss FamFG 3. Aufl. § 57 Rn. 16); auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung könnten erhebliche Kosten entstehen (Schwamb, FamRB 2022, 399). § 99 Abs. 1 ZPO finde keine Anwendung (Witt, NZFam 2023, 272), wohingegen in Familienstreitsachen die isolierte Kostenanfechtung gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 99 Abs. 1 ZPO – unstreitig auch im einstweiligen Anordnungsverfahren (BGH FamRZ 2011, 1933 und FamRZ 2019, 551) – nicht statthaft ist.
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Konsequenz der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren in den Fällen des § 57 S. 2 FamFG ist es, dass auch im Falle der Erledigung der Hauptsache auf Antrag eine mündliche Verhandlung nur über die Kostenentscheidung nach § 54 Abs. 2 FamFG durchzuführen ist, um die Anfechtung zu ermöglichen (Schneider NZFam 2015, 974, Obermann NZFam 2022, 415).
16
2. Doch mit der Ausnahme des § 57 S. 2 FamFG sollen nur bestimmte unter den besonders einschneidenden Entscheidungen des Familiengerichts im Eilrechtsschutz einer Überprüfung im Wege der Beschwerde zugänglich gemacht werden. Die Anfechtbarkeit von Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist nach dem Willen des Gesetzgebers auf besonders bedeutsame Fälle beschränkt. Die diesbezügliche gesetzgeberische Wertung wurde durch die abschließende Aufzählung der in S. 2 des § 57 FamFG genannten Bereiche zum Ausdruck gebracht. Eine Anfechtungsmöglichkeit soll danach nur dann bestehen, wenn ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Rechtsstellung eines Beteiligten vorliegt und aus der vorläufigen Anordnung ein dauerhafter Rechtszustand entstehen kann. Ansonsten bestehen Sinn und Zweck der Norm darin, den Fortgang der Hauptsache nicht dadurch zu behindern, dass wegen einstweiliger Anordnungen die Verfahrensakten zwischen den Instanzen hin und her gesandt werden. Ferner dient die Vorschrift einer Entlastung der Rechtsmittelgerichte (OLG Koblenz FamRZ 2020, 1210 Rn. 5). Die Anfechtbarkeit allein einer Kostenentscheidung ist mit dieser gesetzgeberischen Wertung und Gewichtung nicht in Einklang zu bringen. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber durch die fehlende Anfechtbarkeit von einstweiligen Anordnungen zum Unterhalt deutlich gemacht hat, dass rein wirtschaftliche Belange nicht einer Nachprüfung unterliegen sollen (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 6 m.w. Nw.; auf erhebliche Wertungswidersprüche hinweisend und eine in sich schlüssige gesetzliche Regelung postulierend Anm. Splitt, NZFam 2023, 886, 887).
17
Das Beschwerdegericht hat sich bereits zur restriktiven Auslegung des § 57 S. 2 FamFG geäußert (etwa OLG Nürnberg FamRZ 2022, 878; FamRZ 2022, 1381; FamRZ 2024, 58); die dort genannten und hier zuletzt referierten Argumente überzeugen im Hinblick auf die (Un-) Statthaftigkeit einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung im Eilverfahren. Der Gesetzgeber führte bereits in der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6308, Seite 202) aus, dass nur eine begrenzte Anfechtbarkeit von Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung möglich sein solle. Stattdessen stehe es den Beteiligten offen, unmittelbar oder über § 52 FamFG ein Hauptsacheverfahren einzuleiten und auf diese Weise die getroffene Entscheidung durch das Gericht und notfalls auch durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen oder auf eine Abänderung hinzuwirken, die in weitgehendem Umfang möglich sei. § 57 S. 2 FamFG benenne die Fälle, in denen „die Entscheidung ausnahmsweise anfechtbar“ sein soll. Dieser grundsätzliche Ausnahmecharakter der Anfechtbarkeit wurde mit der Gesetzesänderung des Jahres 2012 nicht eingeschränkt; hier sollten lediglich „notwendige Klarstellungen und kleine Korrekturen“ vorgenommen werden (BT-Drs. 17/10490 S. 11). Der Gesetzgeber beließ es (auch nach Diskussion im Gesetzgebungsverfahren) bewusst bei der reduzierten Anfechtbarkeit einstweiliger Maßnahmen trotz hoher Eingriffsintensität auch anderer gerichtlichen Anordnungen, namentlich etwa durch einen einstweiligen Umgangsausschluss (BT-Drs. 16/9733, S. 289; hierauf verweisend OLG Saarbrücken FamRZ 2013, 1153 zur Frage einer Ausweitung der Anfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen über den Wortlaut des § 57 S. 2 Nr. 2 FamFG hinaus).
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Es wird angezweifelt, ob der Gesetzgeber sich über die Frage der isolierten Kostenanfechtung überhaupt Gedanken gemacht hat (Splitt, NZFam 2023, 886, 887). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kostenbeschwerden in einer nicht vermögensrechtlichen Familiensache (BGH FamRZ 2013, 1876) erfolgte erst hiernach; zu einstweiligen Anordnung wird er nicht angerufen werden können, § 70 Abs. 4 FamFG. Im Gesetzgebungsverfahren dürfte der Gedanke, dass mit Blick auf allgemeine Regelungen die Kostenentscheidung in den Ausnahmebereichen nach mündlicher Verhandlung isoliert anfechtbar oder eine mündliche Verhandlung allein über die Kosten erzwingbar sein sollte, während ein einstweiliger Umgangsausschluss oder eine vorläufige Unterhaltsregelung hinzunehmen ist, schlicht fern gelegen haben.
19
Die Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
21
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich angesichts des Beschwerdeziels der Kostenaufhebung nach der Hälfte der im ersten Rechtszug angefallenen Kosten. Diese sind – ausgehend von dem festgesetzten Verfahrenswert von 2.000 Euro – mit 584,17 Euro zu bestimmen. Es handelt sich hierbei zum einen um die Hälfte der Gerichtskosten (0,3 Gebühr gem. Nr. 1410 KV FamGKG, demnach 29,40 Euro zzgl. Auslagen gem. Nr. 2005 KV FamGKG; hier Dolmetscherkosten in Höhe von 103,64 Euro) sowie um Rechtsanwaltskosten in Höhe von 517,65 Euro (1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG, 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG sowie 19% Ust gem. Nr. 7008 VV RVG).
22
Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 70 Abs. 4 FamFG. Deshalb ist der Beschluss des Senats mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angreifbar.