Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 06.06.2024 – 7 UF 85/24
Titel:

Keine Vergütung für Verfahrensbeistand im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren

Normenketten:
FamFG § 76 Abs. 1, § 158 c Abs. 1
ZPO § 118 Abs. 1
Leitsatz:
Eine Stellungnahme, die ein in erster Instanz bestellter Verfahrensbeistand in dem Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren über eine beabsichtigte Beschwerde eines anderen Beteiligten einer Kindschaftssache abgibt, löst keine erneute Vergütung gem. § 158 c Abs. 1 FamFG aus, da dieses Verfahren keinen „Rechtszug“ i.S. des § 158 c Abs. 1 FamFG darstellt. (Rn. 10)
Schlagworte:
Bewilligung, Erinnerung, Kindschaftssache, Verfahrenskostenhilfe, Verfahrensbeistand, Stellungnahme, Rechtsmittel, Beschwerdeverfahren, Arbeit
Vorinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.05.2024 – 7 UF 85/24
AG Nürnberg vom -- – 103 F 4366/22
Fundstellen:
MDR 2024, 1206
FamRZ 2024, 1886
RPfleger 2024, 606
FDRVG 2024, 014292
BeckRS 2024, 14292

Tenor

Die Erinnerung des Verfahrensbeistands gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14.05.2024 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der in der ersten Instanz in einem Verfahren zur elterlichen Sorge für die beiden Kinder S… und D… I… bestellte Verfahrensbeistand beantragte mit Schriftsatz vom 07.03.2024 beim Oberlandesgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 7 UF 85/24 die Vergütung für seine Tätigkeit als Verfahrensbeistand in Höhe von 1.100 € festzusetzen.
2
Unter dem Aktenzeichen 7 UF 85/24 ist beim Oberlandesgericht Nürnberg ein Verfahren erfasst, das mit dem Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter vom 19.01.2024 adressiert an das Amtsgericht, überschrieben mit „Verfahrenskostenhilfeantrag und Beschwerde“, eingeleitet wurde. Dieser wurde am 25.01.2024 an das Oberlandesgericht weitergeleitet. Mit Verfügung vom selben Tag wurde sämtlichen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Verfahrenskostenhilfeantrag bis zum 12.02.2024 gewährt. Der Verfahrensbeistand, das Jugendamt sowie die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters gaben hierzu Stellungnahmen ab. Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Mutter wurde seitens des Senats mit Beschluss vom 04.03.2023 zurückgewiesen.
3
Der Festsetzungsantrag des Verfahrensbeistands wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 14.05.2024 durch den Kostenbeamten des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Dieser führt aus, dass einem im Beschwerdeverfahren tätigen Verfahrensbeistand zwar grundsätzlich ein Vergütungsanspruch zustehe, jedoch ein solches beim Oberlandesgericht weder anhängig war noch ist. In der Sache sei noch kein Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht anhängig gewesen, sondern lediglich ein Verfahren zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Inhaltlich verweist der Kostenbeamte auf eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin beim Oberlandesgericht vom 12.04.2024, die ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Vergütung für den Verfahrensbeistand in dieser Fallkonstellation nicht angefallen sei. Im Hinblick auf die Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der zuständigen Bezirksrevisorin vom 12.04.2024 sowie den Beschluss vom 14.05.2024 Bezug genommen.
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Gegen diesen ihm am 14.05.2024 zugestellten Beschluss legte der Verfahrensbeistand mit Schriftsatz vom 22.05.2024, der am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen ist, Erinnerung ein und beantragt, den Beschluss des Oberlandesgerichts 7 UF 85/24 vom 14.05.2024 aufzuheben und die gemäß Festsetzungsantrag vom 07.03.2024 beantragte Vergütung als Verfahrensbeistand festzusetzen und auszuzahlen. Er führt aus, der Verfahrensbeistand sei für die Kinder im gesamten Instanzenzug beigeordnet und auch die Stellungnahme in einem VKH-Prüfungsverfahren stelle die Wahrnehmung der Interessen der Kinder einem gesonderten (Verfahrenskostenhilfeprüfungs-)Verfahren dar. Diese Tätigkeit sei nach dem formellen Abschluss der ersten Instanz erfolgt. Von dem Oberlandesgericht sei ein gesondertes Aktenzeichen vergeben worden. Der Verfahrensbeistand sei auch vom Oberlandesgericht konkludent beauftragt worden, in diesem gesonderten Verfahren tätig zu werden, da ihm der Verfahrenskostenhilfeantrag und Beschwerdeschriftsatz vom 19.01.2024 zur Stellungnahme bis zum 12.02.2024 zugeleitet worden sei. Hätte das Oberlandesgericht keine Stellungnahme gewollt, wäre lediglich die Mitteilung erfolgt, dass die Antragsschrift vom 19.01.2024 nur zur Kenntnis übersandt werde und eine Stellungnahme eben nicht erwartet werde. Ein Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren sei ein eigenständiges Gerichtsverfahren, dessen Vergütung für den die Partei vertretenden Anwalt gesetzlich geregelt ist. Die Argumentation, dass das Verfahrenskostenhilfeverfahren an sich gerichtskostenfrei für die Antragstellerseite ist, könne nicht dazu führen, dass der nicht dem Gericht zugehörige Verfahrensbeistand keine Vergütung für seine Arbeit beanspruchen könne. Das Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren sei auch nicht wie ein Neben- oder Zwischenstreitigkeit zu sehen, da die Entscheidung zur Verfahrenskostenhilfe (hier ablehnend) in der Beschwerdeinstanz den Instanzenzug beendet und die Tätigkeit des Verfahrensbeistands, jedenfalls hier nach Abschluss der ersten Instanz und vor dem Beschwerdegericht erfolgte.
II.
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1. Die Erinnerung des Verfahrensbeistands ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften kann gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden (§ 57 Abs. 7 FamGKG), daher findet hier gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG die Erinnerung statt. Sie wurde fristgerecht eingelegt (§ 11 Abs. 2 S.1 RPflG), über sie hat der Einzelrichter des zuständigen Senats zu entscheiden (§ 11 Abs. 2 S. 6 u.7 RPflG, § 568 Abs. 1 S.1 ZPO).
6
2. Die Erinnerung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der Kostenbeamte des Oberlandesgerichts zu Recht eine Kostenerstattung an den Verfahrensbeistand abgelehnt hat.
7
Gemäß § 158 c Abs. 1 FamFG erhält der Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben bei berufsmäßiger Führung der Verfahrensbeistandschaft in jedem Rechtszug eine einmalige Vergütung in Höhe von 350 Euro, die sich gem. § 158 c Abs. 1 S. 2 FamFG im Falle der Übertragung von Aufgaben nach § 158 b Abs. 2 FamFG auf 550 Euro erhöht. Die Gebühr ist für jedes vom Verfahrensbeistand vertretene Kind zu zahlen.
8
Weil es sich hierbei um eine pauschalierte Vergütung handelt, setzt der Anspruch auf sie nicht voraus, dass der jeweilige Rechtszug bereits seinen Abschluss gefunden hat. Vielmehr reicht es aus, dass der Verfahrensbeistand in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist, wobei es auf den konkreten Umfang seiner Tätigkeit nicht ankommt (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1896).
9
Im vorliegenden Fall hat jedoch – wie auch der Verfahrensbeistand erkennt – der zweite Rechtszug noch nicht begonnen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter beantragte in ihrem Schriftsatz vom 19.01.2024 „zunächst“ Verfahrenskostenhilfe für die Mutter im Beschwerdeverfahren und kündigte an, „für den Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe“ für diese Beschwerde gegen den Beschluss vom 22.12.2023 einzulegen. Das Verfahren befand sich also nach Abschluss der ersten Instanz im VKH-Prüfungsverfahren für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren.
10
Gem. § 76 Abs. 2 FamFG, § 118 Abs. 1 S.1 FamFG ist im Bewilligungsverfahren für Verfahrenskostenhilfe dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Dieser Norm folgend hat der Senat mit Verfügung vom 25.01.2024 sämtlichen Beteiligten der ersten Instanz Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gewährt. „Gegner“ i.S. des § 118 Abs. 1 S. 2 FamFG ist jeder, der als Prozessbeteiligter des bereits anhängigen oder angestrebten Hauptsacheverfahrens durch die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung unmittelbar rechtlich betroffen ist (vgl. MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 118 Rn. 8). Anders als der Verfahrensbeistand meint, hat das Oberlandesgericht ihn durch die Einräumung einer Stellungnahmefrist nicht konkludent beauftragt, in diesem gesonderten Verfahren tätig zu werden, sondern ihm lediglich zu seinem prozessualen Rechten verholfen, die ihm als Verfahrensbeistand der ersten Instanz von Gesetz wegen zustehen. Als Rechtsanwalt weiß der Verfahrensbevollmächtigte auch, dass gem. § 118 Abs. 1 S.4 ZPO dem Gegner entstandene Kosten nicht zu erstatten sind. Das Argument, dass das Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren ein eigenständiges Verfahren sei, für das das RVG für den Anwalt gegenüber seinem Mandanten eine eigene Abrechnungsziffer vorsieht, verfängt hier nicht, da sich der Gesetzgeber beim Verfahrensbeistand für eine Pauschalvergütung entschieden hat.
11
Diese fällt gem. § 158 c Abs. 1 S.1 FamFG „in jedem Rechtszug jeweils […] einmalig“ an. Für Tätigkeiten des Verfahrensbeistands in Neben- oder Zwischenstreitigkeiten erhält dieser keine Vergütung. Mit der Aufnahme des Begriffes „Rechtszug“ in den Gesetzeswortlaut sollte lediglich eine Vergütung des Verfahrensbeistandes auch dann sichergestellt werden, wenn die Streitigkeit vor eine weitere Instanz gelangt; andernfalls nämlich wäre, wegen der Fortwirkung der Bestellung, die Vergütung nur einmal angefallen (s. BT-Drucksache 16 – 12717, S. 61, li. Sp. unten). Richtiger Ansicht nach ist mit dem Begriff „Rechtszug“ daher nur die Instanz in der Hauptsache selbst zu verstehen, also wenn die Beschwerde gegen eine Endentscheidung in der Kindschaftssache erhoben wird, nicht jedoch wenn nur ein Zwischen- oder Nebenstreit betroffen ist. Der Senat teilt die Auffassung, wonach als gebührenrechtlich relevanter „Rechtszug“ jeweils nur die Instanz in der Hauptsache zu verstehen ist, die mit einem Beschluss über den (eigentlichen) Gegenstand des Kindschaftsverfahrens endet (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21.03.2013 – 12 WF 193/12 Tz 6 m. Anm. Menne, FamRB 14, 132 – ebenfalls für den Fall der Beschwerde gegen einen die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss; OLG München Beschl. V. 28.05.2019, 11 WF 548/19 juris). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbeistands war der Senat mit einem solchen Beschluss im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren nicht befasst: im Rahmen der Prüfung der „hinreichenden Erfolgsaussicht“ des Rechtsmittels legt der Senat einen anderen Prüfungsmaßstab an als im Hauptsacheverfahren. Auch beendet der abschlägige Verfahrenskostenhilfebeschluss nicht zwangsläufig den Instanzenzug, denn eine Beschwerde kann auch unabhängig von der versagten Verfahrenskostenhilfe eingelegt werden. Die Möglichkeit der Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels durch den Verfahrensbeistand entspringt aus seiner erstinstanzlichen Bestellung und gehört ebenso wie die Prüfung, ob ein Rechtsmittel einzulegen ist, noch zu den erstinstanzlichen Aufgaben, welche durch die Pauschale auch abgegolten sind (vgl. Toussaint/Felix, 54. Aufl, 2024, FamFG § 158 c Rn. 31).
12
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 11 Abs. 4 RPflG).
13
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.