Inhalt

VG München, Urteil v. 27.02.2024 – M 3 K 21.4572
Titel:

Universität der Bundeswehr, Regelungsdichte der Prüfungsordnung, Prüferbestellung, Kein Ausschluss der Rüge von Verfahrensmängeln, Täuschungsversuch, Endgültiges Nichtbestehen eines Wahlpflichtmoduls

Normenketten:
BayHSchG Art. 76 ff.
BayHSchG Art. 82
BayVwVfG Art. 37
BayVwVfG Art. 41
ABaMaPO
Schlagworte:
Universität der Bundeswehr, Regelungsdichte der Prüfungsordnung, Prüferbestellung, Kein Ausschluss der Rüge von Verfahrensmängeln, Täuschungsversuch, Endgültiges Nichtbestehen eines Wahlpflichtmoduls
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14261

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2020 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 29. Juli 2021 sowie die Feststellung des Nichtbestehens des Zweit- und Drittversuchs der Modulprüfung des Moduls „Leichte und transparente Bauwerke“ werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger nahm am 1. Oktober 2016 sein Studium im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften an der Universität der Bundeswehr ... (im Folgenden: die Hochschule) der Beklagten auf und setzte dieses im Januar 2019 im gleichlautenden Masterstudiengang mit der Vertiefungsrichtung Konstruktiver Ingenieurbau (120 ECTS-Punkte) fort.
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Am 1. Juli 2019 legte er erstmals die Modulprüfung im Wahlpflichtmodul „Leichte und transparente Bauwerke“ (im Folgenden: Modul 1338) in Form einer schriftlichen Prüfung über 90 Minuten ab und erzielte dabei die Note 5,0 (nicht bestanden).
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Der Zweitversuch am 18. September 2019 in derselben Prüfungsform wurde mit der Note 4,7 (nicht bestanden) bewertet.
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Im Drittversuch am 14. Juli 2020 wurde die Prüfungsarbeit des Klägers wegen des Vorwurfs der Nutzung unerlaubter Hilfsmittel mit der Note 5,0 bewertet.
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Mit Bescheid vom 31. Juli 2020 stellte die Hochschule fest, dass der Kläger im Modul 1338 im Drittversuch die Note 5,0 erzielt habe und dass entsprechend § 13 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die universitären Bachelor- und Masterstudiengänge der Universität der Bundeswehr (ABaMaPO) der Prüfungsanspruch im Studiengang Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften verloren sei. Nach § 6 Abs. 1 der Immatrikulations- und Exmatrikulationsordnung der Universität der Bundeswehr ... (ImmExmO) sei der Kläger exmatrikuliert. Nach dem beigefügten Transcript of Records hat der Kläger 95 ECTS-Punkte erreicht.
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Der Widerspruch des Klägers vom 21. August 2020 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2021 zurückgewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 26. August 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben lassen. Er beantragt zuletzt,
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den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 29. Juli 2021 und die Feststellungen zum Nichtbestehen des Erst-, Zweit- und Drittversuchs des Moduls aufzuheben.
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Zur Begründung trägt der Kläger, auch unter Verweis auf die Widerspruchsbegründung, im Wesentlichen vor, es fehle für die drei hier in Rede stehenden Klausuren an einer Regelung des Prüfungsgegenstands oder des Prüfungsstoffs in der ABaMaPO oder der FPO. Den Kläger treffe insofern keine Rügepflicht, da die Rügeobliegenheit auf Mängel der rechtlichen Grundlagen der Prüfung nicht anwendbar sei. Die praktischen Bedenken der Beklagten seien insoweit ohne Bedeutung. Für eine übergangsweise Fortgeltung der bisherigen Praxis sei hier kein Raum, weil die Rechtsprechung zur Regelungsdichte von Prüfungsordnungen seit langem bekannt sei. Weiter sei die Bestimmung der zuständigen Prüfer rechtswidrig erfolgt. Die Prüferbestellung vom 29. Juli 2013 sei nicht durch Satzung erfolgt. Eine Bestimmung durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses fehle. Ebenso fehle eine wirksame Zweitprüferbestellung. Prüfer und Zweitprüfer seien vier Wochen vor dem Prüfungstermin bekannt zu geben. Dabei handele es sich nicht nur um eine Formvorschrift; vielmehr könnten Studierende bis eine Woche vor der Prüfung ohne Angaben von Gründen zurücktreten. Ein prüfungstaktischer Rücktritt in Ansehung der jeweiligen Zweitprüfer werde durch die fehlende Bekanntgabe der Prüfer jedoch unmöglich gemacht. Auch das in der Prüfungsordnung vorgesehene Vorschlagsrecht der Prüflinge sei nur möglich, wenn die Prüferbestellung für jede einzelne Prüfung erfolge. Jedenfalls liege ein Bewertungsverfahrensfehler vor, der nicht nachträglich heilbar sei, da hier mit der Aufgabenstellung bereits durch Mitteilung der in den Aufgaben erreichbaren Punkte der Bewertungsmaßstab festgelegt worden sei und damit eine selbständige, unabhängige Bewertung durch den Zweitprüfer nicht mehr möglich sei. Denn mit der Mitteilung der erreichbaren Punkte werde den Prüflingen ein wesentlicher Bestandteil des Bewertungsschemas bekanntgegeben, nämlich die Einschätzung des Schwierigkeitsgrads der einzelnen Aufgaben. Damit sei ausgeschlossen, dass die Zweitprüfer die Aufgaben autonom bewerteten, da das Vertrauen der Prüflinge in die mitgeteilte Bepunktung der Aufgaben schutzwürdig sei. Aus der Stellungnahme von Prof. S. sei ersichtlich, dass tatsächlich der Zweitprüfer die Prüfungsaufgaben erstellt habe. Es fehle eine ordnungsgemäße Dokumentation des Entstehungsvorgangs der Klausur. Die Prüfungsleistungen seien daher nicht verfahrensfehlerfrei erhoben worden; die Prüfungen seien daher zu wiederholen. Im Drittversuch sei der Täuschungsversuch bereits zweifelhaft, nachdem die Nutzung der Normen aller Teile der DIN 18008 zugelassen gewesen sei.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen Bezug genommen auf die Stellungnahmen von Prof. H. vom 29. Oktober 2020 und von Prof. S. vom 16. Juni 2021 sowie auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Der Kläger habe beim Drittversuch einen Täuschungsversuch unternommen, wie aus der Stellungnahme von Prof. S. ersichtlich. Auf die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel komme es nicht an, da diese verspätet vorgebracht worden seien. Die Prüfungsversuche würden daher auf die Zahl der Wiederholungsversuche angerechnet. Die behaupteten Verfahrensfehler lägen im Übrigen nicht vor. Gegenstand der Klage sei allein der Bescheid vom 31. Juli 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2021; der Einbeziehung der Klausuren werde widersprochen.
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Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2021 wiederholt und vertieft die Klagepartei ihre Ausführungen zum Umfang der Rügeobliegenheit von Prüflingen.
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Mit Schriftsatz vom 23. November 2023 führt die Beklagte auf Anfrage des Gerichts aus, die Prüfungsergebnisse des Erst- und Zweitversuchs seien über die digitale Plattform der Hochschule für den Kläger ab dem 12. Juli 2019 bzw. dem 11. Oktober 2023 (gemeint wohl 2019) abrufbar gewesen. Erstprüfer sei stets der Modulverantwortliche. Zweitprüfer sei beim Zweit- und Drittversuch Prof. B. gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 30. November 2023 trägt die Beklagte auf Anfrage des Gerichts vor, nach Auffassung der Beklagten handele es sich bei Wahlpflichtmodulen um verpflichtende Module im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 Spiegelstrich 2 ABaMaPO. Dem Kläger wäre das Belegen anderer Wahlpflichtmodule möglich gewesen. Beim Erstversuch des Klägers stamme die Unterschrift auf der Kandidatenliste von Dr. H.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2024 wird auf das Protokoll hierüber Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet.
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Streitgegenstand der Klage ist die im Bescheid vom 31. Juli 2020 und im Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2021 enthaltenen Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Moduls 1338, des Nichtbestehens des Drittversuchs der Modulprüfung dieses Moduls und des endgültigen Nichtbestehens des Masterstudiums sowie die Exmatrikulation des Klägers. Darüber hinaus sind Streitgegenstand, auch wenn nicht ausdrücklich im in der Klageschrift enthaltenen Antrag erwähnt, die Nichtbestehensentscheidungen zum Erst- und Zweitversuch der Modulprüfung des Moduls 1338. Dies ergibt sich nach §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO daraus, dass in der Begründung der Klageschrift vom 26. August 2021 ausdrücklich „die Klausuren“ des Klägers angegriffen werden (Klageschrift S. 12) und zudem auf die Begründung des Widerspruchs verwiesen wird (Klageschrift S. 6), der gegen die Nichtbestehensentscheidungen aller drei Prüfungsversuche gerichtet war (vgl. Widerspruch vom 21. August 2020, S. 2 „gegen die Bewertungen der Modulprüfungen im Modul 1338“; vgl. Widerspruchsbegründung vom 27. November 2020, S. 2 „die Klausuren“).
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a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Nichtbestehen des Erstversuchs der Modulprüfung des Moduls 1338 richtet, wegen Bestandskraft dieser Entscheidung nicht statthaft. Im Übrigen ist die Klage zulässig.
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aa) Die Nichtbestehensentscheidung bezüglich des Erstversuchs ist ein Verwaltungsakt, auch wenn noch weitere Prüfungsversuche zur Verfügung standen. Denn der Nichtbestehensentscheidung kommt jedenfalls dann Regelungsqualität zu, wenn das Bestehen Voraussetzung für einen erfolgreichen Studienabschluss ist (OVG NW, B.v. 4.3.2011 – 14 B 174/11 – juris Rn. 4; Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 818; für Prüfungsversuche in Fächern der Vordiplomprüfung BayVGH, B.v. 7.11.2012 – 7 C 12.2143 – juris Rn. 13); dies ist vorliegend der Fall (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die universitären Bachelor- und Masterstudiengänge der Universität der Bundeswehr ... – ABaMaPO – vom 30. November 2011). Dass die Nichtbestehensentscheidung ein Verwaltungsakt ist, ergibt sich auch aus § 18 Abs. 5 Satz 1 ABaMaPO, wonach über eine nicht bestandene Modulprüfung vom Prüfungsamt ein Bescheid gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 ABaMaPO erteilt wird. Dabei leitet die Hochschule der Beklagten die Ausübung hoheitlicher Befugnisse zur Abnahme von Hochschulprüfungen aus der staatlichen Anerkennung durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultur vom 29. September 1981 (Nr. I A 6 – 5/126 242) her (vgl. BVerwG, B.v. 14.10.1992 – 6 B 2/92 – juris, zur Hochschule der Bundeswehr H.); dieser Anerkennungsbescheid findet seine Grundlage in Art. 82 Satz 3, Art. 76 Abs. 1, Art. 77 Abs. 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245) – BayRS 2210-1-1-WK, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2022 (GVBl. S. 221), in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98).
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Dass vorliegend die Nichtbestehensentscheidung nicht in Gestalt eines schriftlichen Bescheids mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung, wie in § 3 Abs. 4 Satz 1 ABaMaPO vorgesehen, sondern nach Angabe der Hochschule allein durch Einstellen in die digitale Plattform nach Maßgabe von Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Alt. 4 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG, Art. 82 Satz 3, Art. 77 Abs. 1 BayHSchG erlassen wurde, steht dem nicht entgegen. Allein die Nichteinhaltung der Schriftform des § 3 Abs. 4 Satz 1 ABaMaPO führt, wie aus Art. 46 BayVwVfG und dem Umkehrschluss aus Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG unmittelbar ersichtlich, nicht zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts.
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Aus Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Alt. 4 BayVwVfG ergibt sich, dass ein Verwaltungsakt auch durch Einstellen des Prüfungsergebnisses in eine digitale Plattform und damit „in sonstiger Weise“ erlassen und bekanntgegeben werden kann. Nach den Erläuterungen der Hochschule in der mündlichen Verhandlung kann der jeweilige Studierende mit seinem Benutzernamen und seinem Passwort auf sein jeweiliges Konto und die dort eingestellten Prüfungsergebnisse jederzeit zugreifen. Aufgrund des ausschließlichen und jederzeit möglichen Zugangs des Studierenden gehört das Konto zu seinem „Machtbereich“; bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse des Studierenden ist mit der Kenntnisnahme durch ihn zu rechnen, so dass von einem Zugang entsprechend § 130 BGB auszugehen ist. Angesichts der Beschränkung der digitalen Plattform auf den Hochschulbereich ist diese Art des Erlasses der Verwaltungsakte im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes und den Anspruch auf rechtliches Gehör rechtlich unbedenklich; da die digitale Plattform gerade der Einsichtnahme in die Bewertung der einzelnen Modulprüfungen dient, ist damit zu rechnen, dass die Studierenden sich regelmäßig über die eingestellten Prüfungsergebnisse kundig machen (vgl. OVG NW, U.v. 21.3.2017 – 14 A 1689/16 – juris Rn. 45 ff., bestätigt durch BVerwG, B.v. 21.12.2017 – 6 B 43/17 – juris Rn. 10 ff.). Dass dies auch vorliegend der Fall war, ergibt sich bereits aus der Teilnahme des Klägers an den Wiederholungsversuchen.
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Demnach ist von dem Erlass und der Bekanntgabe der Nichtbestehensentscheidung zum Erstversuch mit dem Einstellen des Prüfungsergebnisses am 12. Juli 2019 auszugehen. Der am 21. August 2020 eingelegte Widerspruch wahrt die Jahresfrist (§ 70 Abs. 1, 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO) nicht. Da der Widerspruchsbescheid lediglich den Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Juli 2020 behandelt und den Erstversuch nicht erwähnt, ist auch nicht durch eine Widerspruchsentscheidung zur Sache erneut eine Klagemöglichkeit gegen die Nichtbestehensentscheidung zum Erstversuch eröffnet.
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bb) Im Übrigen ist die Klage in Gestaltung der Anfechtungsklage statthaft.
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(1) Im Hinblick auf die Entscheidung über das Nichtbestehen des Zweitversuchs gelten die obigen Ausführungen zur Verwaltungsaktsqualität und zur Bekanntgabe entsprechend. Nach den von der Hochschule vorgelegten Ausdrucken aus der digitalen Plattform wurde das Prüfungsergebnis am 11. Oktober 2019 eingestellt, so dass der Widerspruch vom 21. August 2020 die Jahresfrist einhält.
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(2) Bezüglich der Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Moduls 1338 und des Masterstudiums sowie der Exmatrikulation gewährt die Anfechtungsklage hinreichenden Rechtsschutz. Gleiches gilt in Bezug auf Zweit- und Drittversuch des Moduls 1338. Der Kläger rügt bei beiden Prüfungsversuchen die Fehlerhaftigkeit des Prüfungsverfahrens. Die Anfechtungsklage ist in Bezug auf diese Einwände hinreichend rechtsschutzintensiv, da im Erfolgsfall die angefochtenen Prüfungsentscheidungen aufgehoben werden, und die Prüfungsbehörde bereits aufgrund des wieder auflebenden Prüfungsanspruchs des Klägers zu einer Wiederholung der Prüfung verpflichtet ist, ohne dass es hierzu eines entsprechenden klägerischen Antrags und eines gesonderten gerichtlichen Ausspruchs bedarf (Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 825). Auch soweit der Kläger in Bezug auf den dritten Prüfungsversuch die Voraussetzungen für die Annahme unerlaubter Hilfsmittel und damit für die Sanktionsnote bestreitet, ist die Aufhebung der Nichtbestehensentscheidung ausreichend, damit das Prüfungsverfahren seinen Fortgang nehmen kann (Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 824).
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b) Soweit die Klage zulässig ist, hat sie auch in der Sache Erfolg. Die Feststellung des Nichtbestehens des Zweit- und des Drittversuchs der Modulprüfung des Moduls 1338, des endgültigen Nichtbestehens des Moduls 1338 und des endgültigen Nichtbestehens des Masterstudiums sowie die Exmatrikulation des Klägers sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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aa) Die Nichtbestehensentscheidungen in Bezug auf den Zweit- und den Drittversuch sind verfahrensfehlerhaft ergangen und daher rechtswidrig.
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(1) Soweit der Kläger allerdings einwendet, für die Bewertung der beiden Klausuren fehle bereits eine hinreichende Rechtsgrundlage, da weder in der ABaMaPO noch in der Fachprüfungsordnung für den universitären Masterstudiengang Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften der Universität der Bundeswehr ... (FPOBAU/Ma) vom 6. August 2015 sich eine Regelung der Gegenstände der Prüfung oder der Festlegung des prüfungsrelevanten Stoffes finde, bleibt dieser Einwand ohne Erfolg.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu berufsbezogenen Prüfungen obliegt es dem zuständigen Normgeber, den Zweck einer berufsbezogenen Prüfung in Bezug auf den jeweiligen Beruf zu konkretisieren. Hierfür muss er darüber entscheiden, welche berufsbezogenen Kenntnisse und Fähigkeiten er für unverzichtbar hält und welche Anforderungen er an ihren Nachweis stellt. Dementsprechend legt er den prüfungsrelevanten Stoff, die Art und Dauer der Prüfungen und deren Bestehensvoraussetzungen fest. Das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verlangt, dass diese Festlegungen in Anbetracht des berufsbezogenen konkretisierten Prüfungszwecks verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar sind. Hierfür steht dem zuständigen Normgeber ein Einschätzungsspielraum zu (BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 6 C 46/15 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 22.6.2016 – 6 B 21/16 – juris Rn. 10 m.w.N.).
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Die vom Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geforderte Regelungsdichte hinsichtlich Prüfungsstoff sowie Art, Dauer und Gewicht der einzelnen Prüfungen weisen die Vorschriften in Anlage 1 FPOBAU/Ma nicht auf.
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Zum Gegenstand der Wahlpflichtmodule, zu denen auch Modul 1338 zählt, enthält Anlage 1 FPOBAU/Ma keinerlei inhaltliche Regelungen, sondern lediglich einen Verweis auf das Modulhandbuch. Nach Art. 82 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 80, Art. 61 i.V.m. Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG sind Prüfungsordnungen jedoch durch Satzung zu erlassen und bedürfen der Genehmigung durch den Präsidenten; eine Subdelegation ist gesetzlich nicht vorgesehen (Aulehner in BeckOK Hochschulrecht Bayern, von Coelln/Lindner, Stand: 1.8.2022, Art. 61 Rn. 87). Das Modulhandbuch ist nicht als Prüfungsordnung erlassen und genügt damit diesen Vorgaben nicht.
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In Bezug auf Art und Dauer der Prüfung ist zu berücksichtigen, dass zwar ein anzuerkennendes Interesse der Hochschulen besteht, mehrere Prüfungsformen oder eine gewisse Bandbreite in Bezug auf Umfang, Dauer und Gewicht (ECTS-Punkte) der Prüfungen vorzusehen, um den Prüfern einen gewissen Spielraum zu ermöglichen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regelungsdichte setzen flexiblen Regelungen jedoch Grenzen (vgl. Aulehner in BeckOK Hochschulrecht Bayern, von Coelln/Lindner, Stand: 1.8.2022, Art. 61 Rn. 90, der die Angabe von bis zu fünf Prüfungsformen sowie bei Prüfungsumfang und – dauer die Vorgabe einer Bandbreite, bei der die Obergrenze das Doppelte der Untergrenze nicht überschreitet, für hinnehmbar hält). Die Vorgaben in Anlage 1 FPOBAU/Ma Tabelle 3, wonach wahlweise eine schriftliche Prüfung mit einer Prüfungsdauer von 45 bis 240 Minuten, eine mündliche Prüfung von 15 bis 90 Minuten, kombinierbar mit Notenschein oder Teilnahmeschein vorgesehen ist, nehmen keine spürbare Einschränkung vor, sondern umfassen eine Vielzahl gängiger Prüfungsformen und gehen damit deutlich über die noch tolerierbare Bandbreite hinaus.
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Es ist jedoch anerkannt, dass es unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Rechtstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, Regelungen, die einem bereichsspezifischen Gesetzesvorbehalt nicht genügen oder mangels rechtswirksamer Bekanntmachung nicht in Kraft getreten sind, für einen Übergangszeitraum anzuwenden. Dies ist der Fall, wenn und soweit die Anwendung unerlässlich ist, um grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu wahren oder die Funktionsfähigkeit der staatlichen Verwaltung sicherzustellen (BVerwG, U.v. 28.10.2020 – 6 C 8/19 – Rn. 24; U. v. 15.3.2017 – 6 C 46/15 – Rn. 23; Aulehner in BeckOK Hochschulrecht Bayern, von Coelln/Lindner, Stand: 1.8.2022, Art. 61 Rn. 24). Ein solcher Fall liegt hier vor; ohne Fortgeltung der sich aus der FPOBAU/Ma in Zusammenschau mit dem Modulhandbuch ergebenden bisherigen Praxis könnten Prüfungen zu den Wahlpflichtmodulen nicht abgehalten werden und auch der Kläger könnte das fortbestehende Prüfungsrechtsverhältnis nicht ordnungsgemäß beenden; vielmehr könnten Prüfungen zu den Wahlpflichtmodulen erst nach dem Erlass der Regelungen durch Prüfungsordnung abgehalten werden. Soweit der Kläger eine Fortgeltung mit dem Argument ablehnt, die verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Regelungsdichte seien seit längerem geklärt (vgl. auch Verwaltungsgericht Würzburg (U.v. 21.7.2021 – W 2 K 20.869 – juris Rn. 28), folgt das Gericht dem nicht. Nach der oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob der Prüfungsbehörde das Regelungsdefizit bekannt sein konnte; vielmehr stellt das Bundesverwaltungsgericht allein auf eine Folgenabwägung ab und nimmt eine vorübergehende Fortgeltung der bisherigen Praxis trotz Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht in Kauf, um noch verfassungsfernere Zustände zu vermeiden.
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(2) Die Prüfungsentscheidungen in Bezug auf den Zweit- und Drittversuch des Klägers sind verfahrensfehlerhaft ergangen, da es jeweils an einer wirksamen Bestellung von Erst- und Zweitprüfer fehlt.
36
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ABaMaPO, in Bezug auf den Drittversuch in der Fassung der Änderungssatzung vom 1. September 2020, bestellt das vorsitzende Mitglied des Prüfungsausschusses die für die Modulprüfungen zuständigen Prüferinnen und Prüfer und gibt sie spätestens vier Wochen vor Beginn der Prüfung bekannt. Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
37
Vorliegend waren zum Zeitpunkt des Zweit- und des Drittversuchs die jeweiligen Erst- und Zweitprüfer nicht eindeutig durch den Prüfungsausschussvorsitzenden, Prof. H., bestellt. Die Prüferbestellung vom 29. Juli 2013 nennt als Prüfer nicht nur die in den jeweiligen Modulhandbüchern aufgeführten Modulverantwortlichen, sondern auch die jeweils bestellten „Lesenden/Lehrbeauftragten/Lecturer“; dies waren nach der Stellungnahme des Prüfungsausschussvorsitzenden, Prof. H., vom 29. Oktober 2020 sowohl Dr. H. als auch Prof. B. Die erforderliche konkrete Zuordnung bestimmter Prüfer zu den Prüfungen des Klägers ergibt sich somit nicht aus der Prüferbestellung vom 29. Juli 2013. Ob und unter welchen Voraussetzungen § 4 Abs. 1 Satz 1 ABaMaPO eine nachträgliche und rückwirkende Prüferbestellung zuließe, kann vorliegend offen bleiben. Denn in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober 2020 führt der Prüfungsausschussvorsitzende, Prof. H., lediglich aus, die Universal-Prüferbestellung beinhalte, dass sowohl Dr. H. als auch Prof. B. als Prüfer bestellt seien; damit sei er [Prof. H.] seiner Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 ABaMaPO vollumfänglich nachgekommen. Auch die weiteren Ausführungen von Prof. H. („Der besagte § 4 der ABaMaPO verlangt nicht nach einer individuellen, d.h. namentlichen Nennung der Prüfer in der Bestellung…“) deuten darauf hin, dass Prof. H. davon ausging, dass die Prüferbestellung gerade nicht die Zuordnung konkreter Prüfer zu einer konkreten Prüfung umfasse. Diese Ausführungen schließen es aus, die Stellungnahme von Prof. H. als nachträgliche konkludente Bestätigung der jeweils tätig gewordenen Prüfer aufzufassen. In Bezug auf den Zweitversuch kommt hinzu, dass entgegen den Ausführungen der Stellungnahme vom 29. Oktober 2020 als Zweitprüfer Prof. B. (nicht Dr. H.) geprüft hat.
38
Der Verfahrensmangel ist vorliegend auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der Kläger diesen Mangel erst mit Einlegung seines Widerspruchs gerügt hat. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt, dass ein Prüfling bei einem Verzicht auf Einwendungen aus taktischen Gründen sich später auf den Mangel des Prüfungsverfahrens nicht mehr berufen kann. Die Annahme eines derartigen Verzichts auf eine Rüge setzt allerdings voraus, dass der Prüfling den Mangel gekannt und zumindest auf einer laienhaften Ebene seine Bedeutung für die anstehende Prüfung erfasst hat (Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022 Rn. 215, 217). Nach diesen Maßgaben liegt hier kein Verzicht des Klägers auf die Geltendmachung der fehlenden Prüferbestellung vor. Für den Kläger war allenfalls ersichtlich, dass für seine Prüfungen nicht, wie in § 4 Abs. 1 Satz 1, 3 ABaMaPO vorgesehen, die zuständigen Prüfer vorab bekannt gegeben worden waren. Für ihn war aber nicht erkennbar, ob die Prüfer zumindest bestimmbar gewesen wären und ob neben der Prüferbestellung vom 29. Juli 2013 noch konkrete Prüferbestellungen vorgenommen worden waren; Klarheit hätte sich für ihn nur durch eine Bitte um Auskunft oder Akteneinsicht ergeben. Derartige Auskunftsersuchen an die Hochschule vor Ablegen einer Prüfung überschreiten jedoch die sich aus Treu und Glauben ergebenden Obliegenheiten des Prüflings. Ein Absehen von derartigen Recherchen kann daher auch nicht als taktischer Verzicht auf eine diesbezügliche Rüge verstanden werden.
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(3) Die weiteren Rügen des Klägers gegen die Nichtbestehensentscheidungen des Zweit- und Drittversuchs bleiben ohne Erfolg.
40
Soweit der Kläger rügt, aus dem bereits mit der Aufgabenstellung mitgeteilten Bewertungsmaßstab in den Klausuren ergebe sich, dass eine selbständige unabhängige Zweitbewertung durch Zweitprüfende nachträglich ohnehin nicht mehr möglich sei, bleibt dieser Einwand ohne Erfolg. Nach der Stellungnahme des Erstprüfers, Prof. S., werden die Prüfungsaufgaben in enger Abstimmung zwischen Erst- und Zweitprüfer erstellt, so dass vorab Einigkeit über die Bewertung der einzelnen Teilaufgaben herrsche. Angesichts dieser (zulässigen) ist Vorgehensweise nicht ersichtlich, wie die Mitteilung der Bepunktung der Aufgaben an die Prüflinge einer selbständigen und unabhängigen Korrektur durch den Zweitprüfer entgegenstehen würde.
41
Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, die Auswahl der Prüfungsaufgaben sei für die Studierenden eine wesentliche Entscheidung, so dass eine nachträgliche Erstellung eines Vermerks darüber, wie regelmäßig verfahren werde, zur Dokumentation nicht ausreiche, dringt er damit nicht durch. Vorliegend sind keine Rechtsvorschriften ersichtlich, die eine Dokumentation der Erstellung der Prüfungsaufgaben vorsehen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dargetan oder ersichtlich, dass die Prüfungsaufgaben im Zweit- und Drittversuch des Klägers nicht in der von Prof. S. beschriebenen Weise erstellt worden wären.
42
Der Einwand des Klägers, es bestünden beim Drittversuch Zweifel am Täuschungsversuch, da die Nutzung aller Normen der DIN 18008 zugelassen gewesen sei, bleibt ohne Erfolg. Nach § 12 Abs. 4 Satz 1 ABaMaPO gilt die betreffende Prüfung als mit „nicht ausreichend“ (5) bewertet, wenn Prüfling das Ergebnis seiner Prüfungsleistung durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen versucht. Das Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel bei der Ausgabe der Prüfungsaufgaben stellt einen Täuschungsversuch dar (§ 12 Abs. 4 Satz 2 ABaMaPO). Laut der Prüfungsangabe zum Drittversuch des Klägers waren DIN 18008 und ETAG „auch kommentiert“ zugelassene Hilfsmittel. Die Annahme eines Täuschungsversuchs ist jedoch nicht auf bloße Kommentierungen der beiden Regelwerke gestützt. Prof. S. legt in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2021 nachvollziehbar dar, dass die handschriftlichen Notizen des Klägers in den Regelwerken weit über den Normeninhalt hinausgehende Zusatzinformationen enthalten und damit keine „Kommentierungen“ der Regelwerke sind (vgl. z.B. DIN 18008 – 1 S. 3: Inhalte zu Bruchmechanik, notiert unter dem Inhaltsverzeichnis). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel daran, dass ein mit derartigen Anmerkungen versehenes Hilfsmittel kein zugelassenes Hilfsmittel mehr ist.
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bb) Die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Moduls 1338 ist rechtswidrig.
44
Nach § 10 Abs. 5 ABaMaPO dürfen Modulprüfungen bis zu zweimal wiederholt werden, sofern die vorausgegangenen Versuche ohne Erfolg abgelegt wurden, der Prüfungsanspruch nicht vorher durch die Fortschrittsregelung gemäß § 6 verloren und die Studienzeit nach § 21 und § 26 überschritten wurde. Da, wie oben ausgeführt, die Feststellung des Nichtbestehens des Zweit- und des Drittversuchs der Modulprüfung des Moduls 1338 rechtswidrig ist, ist das Prüfungsverfahren des Zweitversuchs fortzusetzen ist.
45
cc) Die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Masterstudiums ist rechtswidrig.
46
Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 Spiegelstrich 2 ABaMaPO ist die Masterprüfung endgültig nicht bestanden, sobald die zweite Wiederholung der Modulprüfung eines verpflichtenden Moduls des Masterstudiengangs nicht bestanden wurde.
47
(1) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Moduls 1338 keinen Bestand hat (vgl. oben).
48
(2) Unabhängig davon sieht § 13 Abs. 1 Satz 3 Spiegelstrich 2 ABaMaPO das endgültige Nichtbestehen der Masterprüfung nur im Fall des endgültigen Nichtbestehens eines „verpflichtenden“ Moduls des Masterstudiengangs vor, zu denen das Wahlpflichtmodul 1338 nicht zählt.
49
§ 2 Abs. 2 Satz 1 ABaMaPO unterscheidet Pflichtmodule, Wahlpflichtmodule und Wahlmodule. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ABaMaPO sind Pflichtmodule Module, die für alle Studierenden eines Studiengangs oder einer Studienrichtung verbindlich sind. Wahlpflichtmodule sind Module, die von den Studierenden in vorgeschriebener Anzahl oder in vorgeschriebenen Umfang einzeln oder in Gruppen aus einem Angebot im Rahmen einer Spezialisierung auszuwählen sind (§ 2 Abs. 2 Satz 3 ABaMaPO). Wahlmodule sind nach § 2 Abs. 2 Satz 4 ABaMaPO Module, die über den vorgeschriebenen Umfang der Pflicht- und Wahlpflichtmodule hinaus von den Studierenden frei gewählt werden. Eine Regelung, wonach die einmal getroffene Auswahl der Wahlpflichtmodule verbindlich und ein späterer Wechsel ausgeschlossen wäre, enthalten weder die ABaMaPO noch die FPOBAU/Ma.
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Der in § 13 Abs. 1 Satz 3 Spiegelstrich 2 ABaMaPO gewählte Begriff „verpflichtendes Modul“ ist nicht eigens definiert. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Regelung legen es nahe, hierunter auch Wahlpflichtmodule zu fassen. Denn diesen ist gerade eigen, dass der Studierende sie zwar in der vorgeschriebenen Anzahl belegen muss, er dabei jedoch aus einem Angebot von Modulen wählen kann. Wenn es dem Studierenden freisteht, ein bestimmtes Wahlpflichtmodul auch überhaupt nicht zu belegen, wird dieses Modul, wenn es der Studierende tatsächlich belegt, allein dadurch nicht zu einem „verpflichtenden“ Modul; denn nach den Regelungen der ABaMaPO und der FPOBAU/Ma steht ihm weiter frei, stattdessen ein anderes Wahlpflichtmodul zu belegen. Es erschiene auch widersprüchlich, dass einerseits das Belegen eines Wahlpflichtmoduls in das Belieben des Studierenden gestellt und ein späterer Wechsel zu einem anderen Wahlpflichtmodul nicht ausgeschlossen ist, andererseits aber das Scheitern an diesem Wahlpflichtmodul zum endgültigen Nichtbestehen des Studiums führen soll. Wie in der mündlichen Verhandlung von Prof. B. erläutert, entspricht es auch der Praxis an der Hochschule, dass es auch möglich ist, ein einmal gewähltes Wahlpflichtmodul gegen ein anderes zu tauschen, etwa wenn ein Studierender bemerkt habe, dass ihm das eine Modul nicht liege. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass nach § 26 Abs. 3 Satz 2 ABaMaPO bereits das Überschreiten einer Studienzeit von 2 Jahren zum endgültigen Nichtbestehen des Masterstudiums führt. Eine erhebliche Verzögerung der Studienzeit wegen des Wechsels von Wahlpflichtmodulen ist vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten.
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(3) Eine Auslegung bzw. Umdeutung in einen Bescheid über das endgültige Nichtbestehen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 Spiegelstrich 3 i.V.m. § 26 Abs. 3 Satz 2 ABaMaPO kommt vorliegend nicht in Betracht, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen.
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Der Bescheid vom 31. Juli 2020 erging nach Ablauf der Regelstudienzeit nach § 26 Abs. 1 ABaMaPO; nach § 26 Abs. 3 Satz 2 ABaMaPO ist das Studium erst nach Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren endgültig nicht bestanden, wobei nach § 26 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 ABaMaPO auf Antrag über eine Verlängerung entschieden wird. Nach den vorliegenden Akten hat der Kläger mit Ausnahme des streitgegenständlichen Moduls 1338 und der Masterarbeit alle Module absolviert; dass ein Studienabschluss innerhalb eines Zeitraums von insgesamt zwei Jahren unmöglich wäre, ist nicht ersichtlich. Vorliegend kommt hinzu, dass nach den Bestimmungen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie in Art. 99 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG die verlängerte Regelstudienzeit auch für nichtstaatliche Hochschulen vorgesehen ist; hierzu zählt nach Art. 1 Abs. 3 BayHSchG auch die Hochschule der Beklagten. Zwar mag im Hinblick auf den in Art. 82 Satz 3 BayHSchG vorgesehenen Ausschluss der Regelungen zu den Fristen nach Art. 61 Abs. 3 Nr. 5, Abs. 6 BayHSchG zweifelhaft sein, ob Art. 99 Abs. 1 BayHSchG auf die Hochschule der Beklagten Anwendung findet. Art. 99 Abs. 2 BayHSchG betrifft jedoch die Regelstudienzeit, für die Art. 82 Satz 3 BayHSchG keinen Vorbehalt vorsieht. Demnach ist für den Kläger nach Art. 99 Abs. 2 Satz 1, 2 BayHSchG die Regelstudienzeit um ein Semester verlängert.
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dd) Die auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Spiegelstrich 4 der Immatrikulations- und Exmatrikulationsordnung der Universität der Bundeswehr vom 28. September 2012 gestützte Exmatrikulation des Klägers ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen hierfür, das endgültige Nichtbestehen des Studiengangs, nicht vorliegen (s. oben).
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2. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil unterliegt, werden die Kosten der Beklagten auferlegt (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Berücksichtigt wird dabei, dass das Unterliegen des Klägers in Bezug auf den Erstversuchs nur von untergeordneter Bedeutung ist gegenüber seinem Obsiegen in Bezug auf den Zweit- und Drittversuch, das endgültige Nichtbestehen des Moduls und der Masterprüfung sowie auf die Exmatrikulation.
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Vorliegend war die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Notwendig ist die Zuziehung dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 29). Diese Voraussetzungen liegen hier vor; die hier vorzunehmende rechtliche Überprüfung der Prüfungsbescheide ist aufwändig und setzt Kenntnisse des Prozess- und Prüfungsrechts voraus, über die der Kläger nicht verfügte.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.