Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 06.05.2024 – M 31 K 23.339
Titel:

Bescheid, Gerichtsbescheid, Wiedereinsetzung, Kostenentscheidung, Aufhebung, Klageverfahren, Verschulden, Nutzung, Steuerberater, Klage, Verfahrensrecht, Verpflichtung, Telefax, Form, Kosten des Verfahrens, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, keine Wiedereinsetzung

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV)
VwGO § 55d
Schlagworte:
Bescheid, Gerichtsbescheid, Wiedereinsetzung, Kostenentscheidung, Aufhebung, Klageverfahren, Verschulden, Nutzung, Steuerberater, Klage, Verfahrensrecht, Verpflichtung, Telefax, Form, Kosten des Verfahrens, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, keine Wiedereinsetzung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14242

Tenor

  I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger, der nach seinen Angaben im Zuwendungsverfahren in der Branche Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter tätig ist, begehrt unter Aufhebung eines Ablehnungsbescheids der Beklagten, den diese im Vollzug der Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV) erlassen hat, deren Verpflichtung zur Zuwendungsgewährung.
2
Unter dem 15. Juni 2022 beantragte der Kläger die Gewährung einer Neustarthilfe 2022 i.H.v. 4.750.- EUR. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. Dezember 2022, elektronisch übermittelt am selben Tag, lehnte die Beklagte den Antrag ab.
3
Hiergegen richtet sich die am 23. Januar 2023 per Telefax durch die Klägerbevollmächtigte erhobene Klage. Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2022 zu verpflichten, die beantragte Überbrückungshilfe IV in Gestalt der Neustarthilfe 2022 antragsgemäß zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Sie verteidigt den streitbefangenen Bescheid mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 13. April 2023.
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Mit Beschluss vom 3. Mai 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, ist unzulässig. Im Übrigen wäre sie auch unbegründet.
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1. Die am 23. Januar 2023 per Telefax erhobene Klage ist bereits unzulässig.
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1.1 Nach § 55d VwGO sind den Verwaltungsgerichten insbesondere auch bestimmende Schriftsätze (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 253 Abs. 4 VwGO) als elektronische Dokumente zu übermitteln. Für Steuerberater steht seit dem 1. Januar 2023 (vgl. §§ 86d, 157e StBerG) ein sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Verfügung, zu dessen Nutzung sie nach § 55d Satz 2 VwGO verpflichtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2023 – 22 CS 23.1040 – juris Rn. 11; VG München, U.v. 28.11.2023 – M 31 K 23.1446 – juris Rn. 16 f.; aktuell zur Parallelvorschrift § 52d FGO BFH, B.v. 2.2.2024 – VI S 23/23 – juris Rn. 6). Eine herkömmliche Einreichung von Schriftsätzen ist seither bei Steuerberatern wie der Klägerbevollmächtigten, die vorliegend gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO vertretungsbefugt ist, prozessual unwirksam.
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Damit fehlt es an der notwendigen Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Klageerhebung i.S.d. § 81 Abs. 1 VwGO, die im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von Amts wegen zu beachten ist und nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten steht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 – juris Rn. 7 m.w.N.).
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1.2 Dem Kläger ist ferner auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren.
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Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Kläger schon nicht gestellt. Eine gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dies setzt voraus, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt wird und die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen offenkundig sind. An beidem fehlt es vorliegend.
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Der Kläger hat sich im Klageverfahren – von der Klageerhebung per Telefax durch seine Bevollmächtigte abgesehen – nicht geäußert; insbesondere blieb das richterliche Hinweisschreiben vom 17. April 2024 unbeantwortet. Auch könnte sich die Klägerbevollmächtigte – und damit auch der Kläger gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO – nicht darauf berufen, dass sie aufgrund EDVtechnischer Umstände oder tatsächlicher Unkenntnis bzw. rechtlichen Irrtums über die Pflicht zur elektronischen Einreichung ohne Verschulden verhindert war, die nach § 55d Satz 2 VwGO notwendige Form zu wahren. Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen das Verfahrensrecht grundsätzlich kennen (vgl. im hier relevanten Zusammenhang der verpflichtenden Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs [beSt] z.B. BFH, B.v. 31.10.2023 – IV B 77/22 – juris Rn. 14). Dies gilt insbesondere für die sich aus § 55d Satz 2 VwGO ergebende Verpflichtung der Steuerberater, ab dem 1. Januar 2023 Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronische Dokumente i.S.d. § 55a Abs. 4 VwGO zu übermitteln. Eine tatsächliche Unkenntnis oder ein Rechtsirrtum eines Prozessbevollmächtigten hierüber ist nicht entschuldbar (vgl. VG München, U.v. 28.11.2023 – M 31 K 23.1446 – juris Rn. 22; zur Parallelvorschrift § 52d FGO aktuell z.B. BFH, B.v. 23.1.2024 – IV B 46/23 – juris Rn. 17).
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Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerbevollmächtigte zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits tatsächlich im Besitz eines funktionsfähigen beSt-Zugangs war. Im Rechtssinne stand ihr spätestens seit dem 1. Januar 2023 gemäß §§ 86d, 157e StBerG ein sicherer Übermittlungsweg „zur Verfügung“, zu dessen Nutzung sie nach § 55d Satz 2 VwGO verpflichtet war. Ob das beSt jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits tatsächlich technisch für sie verfügbar und insbesondere von der Bundessteuerberaterkammer auch freigeschaltet war, ist insoweit regelmäßig unerheblich (vgl. zur Parallelvorschrift § 52d FGO aktuell z.B. BFH, B.v. 16.1.2024 – VIII B 141/22 – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Klagepartei hat sich weder hierzu noch nach § 55d Satz 4 VwGO dazu geäußert, ob möglicherweise eine bloß vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung nach § 55d Satz 3 VwGO, die ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen noch eine Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften zulässt, vorgelegen hat.
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Zudem hätte für die Klägerbevollmächtigte jedenfalls die Möglichkeit der Nutzung des sicheren Übermittlungswegs nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VwGO bestanden; die Nutzung des sicheren Übermittlungswegs nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist für Berufseinreicher gerade nicht exklusiv. Ein Einreicher ist hinsichtlich der Wahl des elektronischen Übermittlungswegs im Rahmen der Einreichungspflicht nicht an die für seine (Berufs-)Gruppe speziell eingerichteten (sicheren) Übermittlungsweg gebunden. So genügt ein Rechtsanwalt oder Steuerberater der elektronischen Einreichungspflicht auch dann, wenn er statt seines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) oder beSt eine Klage mittels absenderbestätigter De-Mail einreicht (vgl. Ulrich in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 44. EL März 2023, § 55d VwGO Rn. 25; vgl. zur Parallelvorschrift § 52d FGO FG Baden-Württemberg, GB.v. 19.7.2023 – 4 K 409/23 – juris Rn. 57).
19
Die am 23. Januar 2023 per Telefax erhobene Klage ist nach alledem unzulässig.
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2. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet.
21
Der Kläger hat gegen die Beklagte den von ihm geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung zur Bewilligung einer Überbrückungshilfe IV in Gestalt der Neustarthilfe 2022 i.H.v. 4.750.- EUR, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO).
22
Nach der ständigen, allein maßgeblichen Vollzugspraxis der Beklagten zur Neustarthilfe 2022 besteht kein Anspruch auf eine Förderung. Es fehlt an dem notwendigen Nachweis der formellen Antragsberechtigung des Klägers.
23
Nach Nr. 8 Satz 2 lit. a, b, d und e der Zuwendungsrichtlinie zur Überbrückungshilfe IV (BayMBl. 2022, Nr. 278 vom 9.5.2022) und der darauf fußenden maßgeblichen ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten sind im Antrag Angaben zu Name, steuerlicher Identifikationsnummer bzw. Steuernummer des antragstellenden Unternehmens, zuständigen Finanzämtern und der IBAN einer der bei einem der angegebenen Finanzämter hinterlegten Kontoverbindungen zu machen; diese Angaben hat der Antragsteller auf Anforderung der Bewilligungsstelle durch geeignete Unterlagen zu belegen (Nr. 8 Satz 6 der Zuwendungsrichtlinie). Nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, die dem Kläger im Rahmen des behördlichen Verfahrens auch mehrfach ausdrücklich – zuletzt am 21. November 2022 – mitgeteilt wurde, kann als entsprechender Beleg insbesondere ein Kontoauszug über eine Buchung zwischen Antragsteller und Finanzamt, eine schriftliche Bestätigung des Finanzamts oder ein anderer amtlicher Nachweis dienen, soweit auf dem Nachweis die zutreffenden Angaben gemeinsam und vollständig sichtbar sind. Einen dieser ständigen Verwaltungspraxis entsprechenden Nachweis hatte der Kläger bis zum hier allein maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht erbracht (BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 C 23.1773 – juris Rn. 20 ff.). Der am 21. Oktober 2022 vorgelegte Bankauszug reicht dazu nicht aus, da sich diesem der Name des Klägers nicht entnehmen lässt. Die weiteren Nachfragen der Beklagten vom 21. Oktober 2022, 31. Oktober 2022, 11. November 2022 und 21. November 2022 blieben bis zum Bescheidserlass sämtlich unbeantwortet. Auf die erst im Klageverfahren – und damit nach dem hier allein maßgeblichen Zeitpunkt – vorgelegte vervollständigte Erklärung des Klägers kommt es nicht an.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge nach §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
25
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.