Titel:
Vergleichsmehrwert – Zeugnis – Gesamtbeurteilung gut – Schlussformel
Normenkette:
GKG § 63, § 68
Leitsätze:
Die im Vergleich übernommene Verpflichtung, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit dem Gesamtprädikat "gut" und den üblichen Schlussformulierungen zu erteilen, rechtfertigt keine Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, der Kläger hätte befürchten müssen, ein nur durchschnittliches Arbeitszeugnis ohne die üblichen Schlussformulierungen zu erhalten (LAG Nürnberg 30.07.2019 – 4 Ta 78/19). (Rn. 12)
Es ist für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht von Ausschlag, „worauf“ sich die Parteien im Rahmen ihrer Vergleichsverhandlungen verständigt haben, sondern „worüber“ eine Einigung erzielt werden konnte. Dies setzt eine auf konkreten Tatsachen beruhende Ungewissheit einer Partei voraus (hier verneint für den Arbeitnehmer über den Inhalt des zu erteilenden qualifizierten Arbeitszeugnisses). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergleichsmehrwert, Werterhöhung, qualifiziertes Arbeitszeugnis
Vorinstanz:
ArbG Würzburg, Beschluss vom 27.02.2024 – 2 Ca 1178/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 14117
Tenor
Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 27.02.2024, Az. 2 Ca 1178/23, wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Die Parteien stritten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer Kündigung vom 11.12.2023 und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.03.2024 hinaus (Klageanträge zu 1 und 2). Das monatliche Einkommen der Klägerin betrug zuletzt 1.714,00 Euro. Das Verfahren endete durch am 12.02.2024 gerichtlich festgestellten Vergleich. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2024, auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit guter Leistungs- und Führungsbeurteilung und einer Schlussformel (Dank, Bedauern, gute Wünsche) zum Beendigungszeitpunkt sowie auf die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, sollte die Klägerin ein solches wünschen.
2
Mit Beschluss vom 27.02.2024 setzte das Arbeitsgericht den Streitwert für das Verfahren und den Vergleich auf 5.142,00 Euro für den Klageantrag zu 1 (Kündigungsschutzantrag) fest. Der Beschluss vom 27.02.2024 wurde dem Klägervertreter am 27.02.2024 über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zugestellt.
3
Mit seiner am 07.03.2024 bei Gericht eingegangenen Beschwerde macht der Klägervertreter geltend, für die Einigung über die Erteilung des Zeugnisses in Ziffer 6 des Vergleichs vom 12.02.2024 sei ein Mehrwert iHv. 1.714,00 Euro, d.h. ein Wert in Höhe eines Bruttomonatsgehalts, festzusetzen. Das Arbeitszeugnis wirke sich streitwerterhöhend aus, sodass dies im Vergleichswert mit einem Bruttomonatsgehalt anzusetzen sei. Der Streitwert für den Vergleich belaufe sich daher auf 6.856,00 Euro, berechnet aus dem vierfachen Bruttomonatsgehalt von 1.714,00 Euro.
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Das Arbeitsgericht half nach ausführlichem Hinweis der Beschwerde mit ausführlich begründetem Beschluss vom 26.03.2024 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Es seien keinerlei Tatsachen ersichtlich, die die Ungewissheit der Durchsetzung der Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses und eines Endzeugnisses begründeten und die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts rechtfertigen würden.
5
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 29.04.2024. Der Klägervertreter wies in seiner Stellungnahme vom 16.04.2024 darauf hin, dass im Vergleich auch Angaben zum Inhalt des Zeugnisses vereinbart wurden mit einer Gesamtbewertung gut.
6
Die Beschwerde ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch bei der Beendigung des Verfahrens durch Vergleich und auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 – 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 – 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägerinvertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
7
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat ausführlich und völlig zutreffend begründet, dass im vorliegenden Fall ein Vergleichsmehrwert für die Vereinbarung über die Erteilung eines Zeugnisses mit der Gesamtbewertung „gut“ nicht festzusetzen ist. Das Landesarbeitsgericht schließt sich den Ausführungen in den Gründen des Nichtabhilfebeschlusses ausdrücklich an. Auch das Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer anderen Entscheidung.
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1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 01.02.2024, NZA 2024, 308). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
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2. Den Verfahrensstreitwert hat das Gericht zutreffend mit einem Vierteljahresverdienst bewertet (I.20 Streitwertkatalog). Dies ist auch nicht streitig.
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3. Ein Vergleichsmehrwert war nicht festzusetzen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Zeugnisregelung.
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a. Eine Einigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit fällt gem. Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages an, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder einen Rechtsanspruch beseitigt wird. Dem tragen die Regelungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert nur festzusetzen ist, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.
12
b. Tatsachen, die vorliegend die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für Ziffer 6 des Vergleichs rechtfertigten, sind nicht ersichtlich. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erteilung der Zeugnisse im Sinne der Ziffer 6 des Vergleichs zwischen den Parteien streitig oder ungewiss gewesen wäre. Hinsichtlich der Leistung und des Verhaltens der Klägerin sind keinerlei negative Tatsachen in das Verfahren eingeführt worden. Insoweit liegen keine ausreichenden Umstände für das Bestehen einer diesbezüglichen konkreten Ungewissheit im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vor (Ziffer I Nr. 25.1.3 des Streitwertkatalogs). Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Ziffer 6 des Vergleichs lediglich um eine übliche Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Der Umstand, dass durch jede Aufnahme bestimmter Rechte und Pflichten in den Vergleich für die Parteien eine diesbezügliche Gewissheit geschaffen wird, rechtfertigt nicht den Schluss, dies genüge für die Beseitigung einer Ungewissheit im Sinne der Ziffer I Nr. 25.1, 25.1.3 des Streitwertkatalogs. Dann müsste nämlich jede in den Vergleichstext einfließende Regelung zusätzlich bewertet werden. Es soll aber für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes gerade nicht von Ausschlag sein, „worauf“ sich die Parteien im Rahmen ihrer Vergleichsverhandlungen verständigt haben, sondern „worüber“ eine Einigung erzielt werden konnte. Dies setzt eine auf konkreten Tatsachen beruhende Ungewissheit einer Partei voraus, hier der Klägerin über den Inhalt der zu erteilenden qualifizierten Arbeitszeugnisse. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, mögen auch die Prozessbevollmächtigten der Parteien über das Thema Arbeitszeugnis vor Abschluss des Vergleichs Gespräche geführt haben. Es werden diesbezüglich keine Tatsachen dafür vorgetragen, hierbei seien bestimmte das Arbeitszeugnis betreffende Punkte in Streit gestanden. Dass die Kündigung aus verhaltens- oder leistungsbedingten Gründen ausgesprochen wurde (vgl Ziffer I. Nr.25.3 Streitwertkatalog), ist nicht erkennbar. Die im Vergleich übernommene Verpflichtung, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit dem Gesamtprädikat „gut“ und den üblichen Schlussformulierungen zu erteilen, rechtfertigt somit keine Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, der Kläger hätte befürchten müssen, ein nur durchschnittliches Arbeitszeugnis ohne die üblichen Schlussformulierungen zu erhalten (LAG Nürnberg 30.07.2019 – 4 Ta 78/19 – zu II 2 der Gründe).
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c. Es sind auch keinerlei Tatsachen ersichtlich, die die Ungewissheit der Durchsetzung der Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses und eines Endzeugnisses gemäß Ziffer 6 des Vergleichs begründeten und die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts nach Ziffer I Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs rechtfertigten. Ziffer I Nr. 29.3 des Streitwertkatalogs stellt lediglich klar, dass – im Hinblick auf den Verfahrensstreitwert – insgesamt nur eine Monatsvergütung festzusetzen ist in dem Fall, dass Zwischen- und Endzeugnis kumulativ oder hilfsweise verlangt werden.
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4. Auch die übrigen Regelungen im Vergleich rechtfertigen keine Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts. Dies ist ebenfalls außer Streit.
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Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
16
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.