Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.01.2024 – 9 ZB 23.501
Titel:

Baueinstellungsverfügung - Ablagern bzw. Aufhäufen von gefällten Bäumen etc

Normenketten:
BayBO Art. 55, Art. 75 Abs. 1 S. 1
GG Art. 14
VwGO § 101 Abs. 2
Leitsatz:
Der Verzicht auch die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung ist eine Prozesshandlung mit Dauerwirkung, die grundsätzlich unwiderruflich ist. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Prozesslage wesentlich geändert hat. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baueinstellungsverfügung, Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung., Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung, Anlage, Verzicht, unwiderrufliche Prozesshandlung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 10.11.2022 – W 5 K 21.1118
Fundstelle:
BeckRS 2024, 1405

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Baueinstellungsverfügung des Landratsamts vom 26. Juli 2021, mit der das Ablagern bzw. Aufhäufen von gefällten Bäumen, Baumstämmen, Astkronen, Ästen und Baumwurzeln an die bestehende Einfriedung, die aus Pfosten und den daran befestigten Stahlgittermatten und Maschendrahtzaun bestehen, eingestellt und zugleich die am 29. Juni 2021 fernmündlich verfügte Einstellung der Bauarbeiten bestätigt wurde (Nr. 1). Im Falle der Nichtbeachtung wurde unmittelbarer Zwang angedroht (Nr. 2).
2
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage ohne weitere mündliche Verhandlung abgewiesen. Der von der Klägerseite erklärte, entsprechende Verzicht sei eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung. Die nach diesem Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung erfolgten Ausführungen und Anträge gäben keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung, so dass es keinen Grund gebe, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Einstellungsverfügung sei auch rechtmäßig. Die errichtete Anlage („Benjeshecke“) sei mangels erforderlicher Genehmigung bereits formell rechtswidrig. Die Ermessensausübung des Landratsamtes sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da die Genehmigungsfähigkeit des im Außenbereich liegenden Vorhabens mangels Privilegierung nicht offensichtlich sei.
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Gegen dieses Urteil beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Zu Recht und mit ausführlicher und zutreffender Begründung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO gestützte Verfügung, die Bauarbeiten an einer ohne behördliche Genehmigung errichteten, sogenannten Benjeshecke einzustellen, rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Im Hinblick auf das klägerische Vorbringen im Zulassungsverfahren bleibt ergänzend Folgendes zu bemerken:
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a) Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, bei der Benjeshecke handle es sich nicht um eine bauliche Anlage, begründet dies schon deshalb keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend nicht auf bauliche Anlagen, sondern auf Anlagen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 BayBO abgestellt hat.
8
b) Der Vortrag des Klägers, die Baueinstellungsverfügung verstoße gegen sein Eigentumsrecht nach § 903 BGB und damit gegen Art. 14 GG, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts darzulegen. Insofern stellt der Kläger lediglich die Behauptung auf, dass eine Differenzierung der Zulässigkeit von Anlagen nach deren Lage im Innen- und Außenbereich mit dem Eigentumsrecht unvereinbar sei, ohne dies näher darzulegen. Er übersieht zudem, dass das Eigentumsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, sondern gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dessen Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt werden. Auch aus dem Einwand des Klägers, die Benjeshecke sei ein schützenswertes Biotop, ergeben sich keine Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, da der streitgegenständliche Bescheid in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. Oktober 2022 die bestehende Benjeshecke nicht mehr erfasst und diese erhalten bleibt.
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c) Soweit sich der Kläger auf eine Zwangsgeldandrohung bezieht, liegen seine Ausführungen neben der Sache; denn eine solche ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
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2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel – Nichtdurchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung – liegt nicht vor. Die Durchführung einer solchen war nicht veranlasst.
11
Das Verwaltungsgericht durfte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten wirksam auf die Durchführung einer solchen in der mündlichen Verhandlung am 22. September 2022 verzichtet haben. Die Einverständniserklärung ist eine Prozesshandlung mit Dauerwirkung, die grundsätzlich unwiderruflich ist (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.2006 – 7 B 90.05 – juris Rn. 13; U.v. 20.11.2008 – 4 C 8.07 – juris Rn. 11). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Prozesslage wesentlich geändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 29.12.1995 – 9 B 199.95 – juris Rn. 2 ff.; B.v. 14.2.2003 – 4 B 11.03 – juris Rn. 11). Dies ist anzunehmen, wenn der Partei ein Festhalten an der Einverständniserklärung nicht mehr zugemutet werden kann, weil sich seit der Erklärung der entscheidungserhebliche Sachverhalt oder die für die Urteilsfällung maßgebliche materielle Rechtslage wesentlich geändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.2003, a.a.O.).
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Soweit der Kläger vorträgt, in der teilweisen Rücknahme des – hier nicht streitgegenständlichen – Bescheids vom 12. September 2018 durch den Bescheid vom 24. Oktober 2022, mit dem seine Verpflichtung zur Beseitigung der Baumstämme, Astkronen, Äste und Baumwurzeln aufgehoben worden sei, liege eine wesentliche Änderung der Prozesslage, hat er in keiner Weise dargelegt noch ist es ersichtlich, dass die vorliegend angegriffene Baueinstellungsverfügung mit dieser teilweisen Aufhebung der Beseitigungsanordnung in Zusammenhang steht. Auswirkungen auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt und damit auf die hiesige Prozesslage hat die teilweise Rücknahme der Beseitigungsanordnung nicht. Folglich kann auch dahinstehen, ob ein entsprechendes Vorgehen von der Beklagtenseite überhaupt möglich war.
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3. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
14
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 9 ZB 19.793 – juris Rn. 15).
15
Gemessen hieran ist für die vom Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, „ob Belange des Natur- und Tierschutzes hinter Vorschriften des Baurechts zurücktreten müssen“, weder die Entscheidungserheblichkeit noch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dargelegt
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
17
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).