Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.01.2024 – 9 ZB 23.677
Titel:

Darlegung von Zulassungsgründen für Berufung

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4, § 124a Abs. 4 S. 4
BauNVO § 6 Abs. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Das Zulassungsvorbringen erfüllt nicht die Anforderungen für den Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 WvGO, da kein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils isoliert und einem vergleichbaren Rechtssatz eines anderen Gerichts mit einer Erklärung der Abweichung gegenüberstellt (BVerwG BeckRS 2016, 49484). Es genügt nicht, wenn lediglich das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt wird. (Rn. 6 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Kläger hat keinen Gebietserhaltungsanspruch, wenn ein Lokal im zentrumsnahen Mischgebiet als allgemein zulässige Speisewirtschaft (gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) betrieben wird und kein rücksichtsloser Lärm von einer Vergnügungsstätte ausgeht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten, Speiselokal mit Musikdarbietung, faktisches Mischgebiet, Darlegung von Zulassungsgründen., Divergenz, Zulassungsgrund, Berufung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 24.01.2023 – W 4 K 22.174
Fundstelle:
BeckRS 2024, 1402

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein in der Nachbarschaft seines Grundstücks betriebenes Lokal des Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage abgewiesen. Obwohl in dem streitgegenständlichen Lokal auch Musik abgespielt werde, handele es sich um eine Speisewirtschaft, die in einem (faktischen) Mischgebiet allgemein zulässig sei und weder den Gebietserhaltungsanspruch des Klägers, noch das Gebot der Rücksichtnahme verletze.
2
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sei unrichtig, die Rechtssache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf und das Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ab. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
3
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie des vorgelegten Behördenakts verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt sind und im Übrigen auch nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Anspruch auf das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten seitens der Beklagten hat, weil der Betrieb des ordnungsgemäß und unter Auflagen genehmigten Lokals keine auch seinem Schutz dienenden Rechte verletzt. Vor dem Hintergrund des vor Ort durchgeführten Augenscheins ist es mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gekommen, dem Kläger stehe kein Gebietserhaltungsanspruch zur Seite, weil das streitgegenständliche Lokal eine im hier vorliegenden, zentrumsnahen Mischgebiet allgemein zulässige Speisewirtschaft (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) und keine Vergnügungsstätte ist, von der auch kein rücksichtsloser Lärm ausgeht. Der Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf diese zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen folgendes zu bemerken:
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Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich bei dem streitgegenständlichen Lokal tatsächlich nicht um eine in einem Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässige Speisewirtschaft. Man könne dort zwar essen, der Aufenthalt werde aber von „Musik, welche in einer kleinen Räumlichkeit mit einer Lautstärke von 80 dB (A) ausgestrahlt wird“, dominiert. Mit diesem Vortrag legt er keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in der gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Weise dar. Vielmehr wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen, ohne sich mit den diesbezüglichen, nachvollziehbar begründeten Ausführungen des Verwaltungsgerichts substantiiert auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere für dessen Erwägungen betreffend die Einrichtung, das Speisenangebot und die Betriebszeiten des Lokals, welche für eine Speisegaststätte sprächen.
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Das gilt aber auch für den Hinweis des Gerichts auf die von einem Ingenieurbüro durchgeführte Verträglichkeitsprüfung zum Schallimmissionsschutz sowie die im Zusammenhang mit der einschlägigen Genehmigung angeordneten Schallschutzauflagen.
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2. Auch der weitere Einwand des Klägers, seine Klage sei „trotz eindeutig zu seinen Gunsten gelagerter Rechtslage“ vom Verwaltungsgericht zu Unrecht abgewiesen worden und nachdem er dessen Urteil zur Kenntnis genommen habe, müsse er nun „davon ausgehen, dass die Rechtssache möglicherweise doch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweist“, legt die Voraussetzungen einer möglichen Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht plausibel dar. Der Sachverhalt des streitgegenständlichen Falles ist jedenfalls geklärt und die einschlägigen Rechtsfragen sind bereits vom Verwaltungsgericht überzeugend beantwortet.
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3. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor. Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenüberstellt, nicht gerecht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert und damit keinem Prozessrisiko ausgesetzt. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 9.7.1 und 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).