Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 02.05.2024 – B 4 E 24.349
Titel:

Nutzungsanspruch einer öffentlichen Einrichtung als Vorstufe eines Anspruchs auf, Auskunftserteilung, Widmungsbeschränkung durch Gemeinderatsbeschluss bei vorheriger Festlegung des Widmungszwecks durch Satzung

Normenketten:
VwGO § 123
GO Art. 21
Schlagworte:
Nutzungsanspruch einer öffentlichen Einrichtung als Vorstufe eines Anspruchs auf, Auskunftserteilung, Widmungsbeschränkung durch Gemeinderatsbeschluss bei vorheriger Festlegung des Widmungszwecks durch Satzung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13957

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, an welchen Wochenenden in den Monaten Mai, Juni, September, Oktober und November im Jahr 2024, jeweils von Freitag bis einschließlich Sonntag, das Gemeindezentrum im Zeitpunkt der Auskunftserteilung zur Nutzung zur Verfügung steht.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Auskunft darüber, wann das Gemeindezentrum des Antragsgegners zur Nutzung zur Verfügung steht.
2
Der Antragsteller ist Kreisrat für die Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Kreistag des Landkreises …, stellvertretender Kreisvorsitzender des AfD Kreisverbandes … und Vorsitzender des AfD Ortsverbandes …; er hat seinen Wohnsitz in … Im Gemeindegebiet des Antragsgegners stehen mehrere gemeindliche Räume zur Verfügung, u.a. das Gemeindezentrum und die Gemeindehalle. Für das am 5. August 2023 eröffnete Gemeindezentrum wurde die Nutzung mit der „Satzung für die Benutzung des Gemeindezentrums des Marktes …“ vom 26. Mai 2023 (Satzung), veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises … vom 1. Juni 2023, geregelt. Die Satzung enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 2 Nr. 1: Das Gemeindezentrum des Marktes … kann auf Antrag allen Gemeindeangehörigen, Vereinen, Gruppen sowie dem Kindergarten, der Grundschule und der Volkshochschule für interne und öffentliche Veranstaltungen und sonstige Anlässe zur Verfügung gestellt werden.
§ 2 Nr. 9: Von der Überlassung ausgeschlossen sind Veranstaltungen, die rechtswidrige oder verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Dies gilt auch für Parteien, die von Verfassungsschutzorganen beobachtet werden."
3
Mit Beschluss vom 13. März 2024 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth den Eilantrag des Antragstellers auf Nutzung des Gemeindezentrums am 15. März 2024 um 18.00 Uhr für die Veranstaltung „AfD: Bürgerinformation „Neues aus dem Landkreis/tag“ ab (Az. B 4 E 24.156). Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
4
In der Sitzung vom 21. März 2024 fasste der Marktgemeinderat des Antragsgegners mit 10:0 bzw. 0:10 Stimmen folgende Beschlüsse:
„1. Definition einer politischen Veranstaltung:
„Als politisch motivierte Veranstaltung gelten Veranstaltungen unter der Verantwortlichkeit von politischen Parteien, politischen Vereinen und Wählergruppen jeglicher Art, z.B.: für Wahlveranstaltungen, Parteitage, Jubiläen, politische Unterhaltung bzw. Konzerte usw.“
2. Die Inanspruchnahme gemeindlicher Gebäude und Anwesen, wie z.B. Gemeindezentrum und Gemeindehalle, ohne öffentliche Nutzung für politische Veranstaltung und Wahlwerbung ist möglich.
3. Die Inanspruchnahme gemeindlicher Gebäude und Anwesen mit öffentlicher Nutzung wie Rathaus, FFW-Gerätehäuser usw. für politische Veranstaltungen und Wahlwerbung ist möglich (Für Wahlwerbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen gelten die allgemeinen Gesetze, Satzungen und Verordnungen und sind von dieser Regelung ausgenommen).
4. Die Inanspruchnahme gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen, wie z.B. Bücherei, Schule, Turnhalle usw. für politische Veranstaltungen und Wahlwerbung ist möglich.
Damit ist bei negativer Abstimmung der Punkte 2 bis 4 die Nutzung sämtlicher Gebäude des Marktes … für politische Veranstaltungen und Wahlwerbung nicht zugelassen.“
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Mit E-Mail vom 22. März 2024 beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Antragsgegner Auskunft darüber, an welchen Wochenenden im Jahr 2024 (jeweils von Freitag bis einschließlich Sonntag) das Gemeindezentrum und die Gemeindehalle nach derzeitigem Stand noch nicht anderweitig belegt seien. Insbesondere seien die freien Tage an den Wochenenden im Mai, Juni, September, Oktober und November mitzuteilen.
6
Mit Schreiben vom 28. März 2024 teilte der Antragsgegner mit, dass der Gemeinderat am 21. März 2024 beschlossen habe, politische Veranstaltungen und Wahlwerbung in sämtlichen gemeindlichen Anwesen nicht mehr zuzulassen. Damit habe sich die Anfrage von freien Terminen im Gemeindezentrum und in der Gemeindehalle erledigt. Eine Nutzung von kommunalen Räumen für die vom Antragsteller geplante Veranstaltung sei damit ausgeschlossen.
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Mit E-Mail vom 4. April 2024 beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Antragsgegner die Übersendung des Beschlusses des Marktgemeinderates vom 21. März 2024. Die Anfrage zur Mitteilung der freien Termine habe sich nicht erledigt, sodass nochmals unter Fristsetzung zur Auskunftserteilung aufgefordert werde.
8
Mit E-Mail vom 8. April 2024 übersandte der Antragsgegner den Beschluss des Marktgemeinderats und wies nochmals daraufhin, dass sich die Anfrage bezüglich der freien Termine erledigt habe, weil sämtliche politische Veranstaltungen in kommunalen Räumen ausgeschlossen seien.
9
Mit Schriftsatz vom 26. April 2024 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth durch seine Prozessbevollmächtigte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
„Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, an welchen Wochenenden in den Monaten Mai, Juni, September, Oktober und November im Jahr 2024, jeweils von Freitag bis einschließlich Sonntag, das Gemeindezentrum nach derzeitigem Stand zur Nutzung zur Verfügung steht.“
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Anordnungsanspruch auf Auskunftserteilung ergebe sich aus Art. 21 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung. Bei dem Gemeindezentrum des Antragsgegners handele es sich um eine öffentliche Einrichtung; der grundsätzliche Zulassungsanspruch umfasse auch das Recht auf Auskunft, ob das Gemeindezentrum an bestimmten Terminen noch allgemein zur Verfügung steht oder bereits anderweitig vergeben ist. Der Antragsteller benötige die Auskunft im Rahmen eines Antrags auf Überlassung der öffentlichen Einrichtung für eine Veranstaltung. Der Antragsteller bemühe sich seit längerem vergeblich um die Nutzung einer gemeindlichen Einrichtung, um eine Veranstaltung zu Bürgerinformationen über Neuigkeiten aus dem Kreisrat durchzuführen. Ohne Kenntnis der allgemeinen Verfügbarkeit sei der Antragsteller jedoch nicht in der Lage, seinen grundsätzlich bestehenden Zulassungsanspruch in einem effektiven Verwaltungs- und gegebenenfalls Gerichtsverfahren in zumutbarer Weise zu verwirklichen. Er wäre gezwungen, in seinem Antrag gleichsam blind selbst eine mehr oder weniger breite Terminauswahl in der Gefahr zu treffen, erst im weiteren Verfahrensverlauf – wie bereits geschehen – zu erfahren, dass der Saal bereits anderweitig vergeben und das Zulassungsbegehren deshalb von vornherein aussichtslos gewesen sei. Auf diese Weise könne die eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten, nämlich ob zweifellos vorhandene freie Kapazitäten des Gemeindezentrums von dem Antragsteller für eine politische Veranstaltung genutzt werden dürfen, nicht in sachgerechter Weise und vor allem angemessener Zeit geklärt werden. Der gesetzlich verbürgte Zulassungsanspruch des Antragstellers wäre faktisch entwertet. Dieser Auskunftsanspruch scheitere auch nicht an der durch den Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 vorgenommenen Widmungsbeschränkung. Für die Nutzung des Gemeindezentrums, für die eine Nutzungssatzung existiert, habe die Widmung nicht durch einen bloßen Marktgemeinderatsbeschluss beschränkt werden können. Aus den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ergebenden Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit folge, dass es zur Aufhebung einer Rechtsnorm eines „actus contrarius“ in derselben Form und desselben Ranges in der Rechtsakthierarchie bedürfe. Der Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 verstoße zudem gegen höherrangiges Recht, weil der Ausschluss sämtlicher politischer Parteien nur ein vorgeschobener Grund sei, die parteipolitischen Veranstaltungen des Antragstellers zukünftig untersagen zu können. Dem Anspruch könne auch nicht § 2 Nr. 9 der Satzung entgegengehalten werden, da auch diese Regelung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Widmungsbeschränkung verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG, verletze die Meinungsfreiheit des Antragstellers aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG und beeinträchtige den Antragsteller in der Ausübung seines Mandates als gewählter Gemeinderat, sodass auch ein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG anzunehmen sei. Letztlich verstoße die Widmungsbeschränkung auch gegen Art. 21 GG, worauf sich auch der Antragsteller als Funktionsträger berufen könne. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor; dem Antragsteller sei ein Abwarten auf die Hauptsache nicht zumutbar, weil die von ihm geplanten Veranstaltungen bereits im Mai und im Herbst dieses Jahres stattfinden sollten. Um eine erneut vorgeschobene Kapazitätsauslastung seitens des Antragsgegners zu vermeiden, seien die konkreten Termine bisher nicht genannt worden. Die mit dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung verbundene Vorwegnahme der Hauptsache sei im Interesse effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG geboten, da dem Antragsteller die Durchführung der Veranstaltungen ohne die beantragte Auskunftserteilung irreparabel unmöglich gemacht werde.
11
Mit Schriftsatz vom 30. April 2024 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsgegner verfüge über einen sog. internen, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen „Vergissmeinnicht-Veranstaltungskalender“. Hierbei handele es ich um eine Agenda, in der sämtliche beantragte Veranstaltungen ohne Angaben von Orten, an denen diese stattfinden, aufgenommen würden. Der Antragsteller beantrage die Nutzung des Gemeindezentrums nach § 3 Punkt 8 der Satzung, wonach der Antrag zwingend den Namen des Vereins bzw. der Gruppe oder des volljährigen Verantwortlichen, den bzw. die gewünschten Räume, die voraussichtliche Personenzahl und die Zwecke der Veranstaltung enthalten müsse. Es sei keinesfalls gerechtfertigt, für den beantragten Zeitraum von mehreren Monaten sämtliche freien Wochenenden zur Bekanntgabe zu fordern, ohne jeglichen Hintergrund anzugeben. Vielmehr müsse der Antragsteller einen entsprechenden Antrag stellen, über den der Marktgemeinderat entscheide. Dies sei hier nicht erfolgt, es liege lediglich eine Anfrage vor. Allein die Überlassung bzw. Bekanntgabe der freien Termine habe zudem keinen Sinn, zumal immer nur ad hoc, ab Antragstellung entschieden werden könne; die Information sei möglicherweise am gleichen Tag nicht mehr aktuell, falls ein anderweitiger ordnungsgemäßer Antrag eingehe. Ein Blocken bzw. eine Reservierung sämtlicher freier Termine bis zur Entscheidung des Antragstellers sei verständlicherweise nicht möglich, zumal es sich um Wochenenden und Feiertage handele. Es liege keine Auskunftsverweigerung vor; dem Antragsteller stehe es frei, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Es liege keine Eilbedürftigkeit vor, weil der Antragsteller nur einen ordnungsgemäßen Antrag stellen müsse. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Bekanntgabe von freien Terminen über einen Zeitraum von fünf Monaten dringlich und erforderlich sei, um die Durchführung von Veranstaltungen zu gewährleisten.
13
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
14
Der Antrag ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
15
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
16
Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist es dem Gericht nur möglich, eine vorläufige Regelung hinsichtlich des Streitgegenstandes zu treffen. Unter Beachtung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, eine abschließende und endgültige Entscheidung zu treffen, wie sie nur im Hauptsacheverfahren nach Klageerhebung zu erreichen wäre. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dies jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 123 Rn. 66a). Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes darf in jedem Fall nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechtes, den so genannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den so genannten Anordnungsgrund, glaubhaft macht, § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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a. Der Antragsteller hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Antragsgegner zusteht, an welchen Wochenenden in den Monaten Mai, Juni, September, Oktober und November im Jahr 2024, jeweils von Freitag bis einschließlich Sonntag, das Gemeindezentrum nach derzeitigem Stand zur Nutzung zur Verfügung steht. Denn der Antragsteller hat einen Anspruch auf Nutzung des Gemeindezentrums (dazu unter aa.), der nicht durch die Satzung oder den Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 ausgeschlossen ist (dazu unter bb.). Aus dem grundsätzlich bestehenden Nutzungsanspruch folgt als notwendige Vorstufe ein Anspruch auf Auskunftserteilung, wann eine Nutzung allgemein möglich ist (dazu unter cc.).
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aa. Dem Antragsteller steht grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzung des Gemeindezentrums des Antragsgegners zu.
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1) Das Gemeindezentrum des Antragsgegners ist eine öffentliche Einrichtung i.S.d. Art. 21 Abs. 1 GO. Eine solche besteht in einer Einrichtung, die von der Gemeinde durch Widmungsakt der allgemeinen Nutzung in erster Linie durch ihre Gemeindeangehörigen und die niedergelassenen Vereinigungen zugänglich gemacht und von ihr im öffentlichen Interesse unterhalten wird (Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Juli 2023, Art. 21 GO Rn. 4 m.w.N.). Gemäß § 1 Nr. 1 Satz 1 der Satzung bezeichnet das Gemeindezentrum … die Gesamtheit aller Räume, die nicht aufgrund anderer rechtlicher Regelungen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Das Gemeindezentrum des Marktes … kann nach § 2 Nr. 1 der Satzung auf Antrag allen Gemeindeangehörigen, Vereinen, Gruppen sowie dem Kindergarten, der Grundschule und der Volkshochschule für interne und öffentliche Veranstaltungen und sonstige Anlässe zur Verfügung gestellt werden.
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2) Der Anspruch auf Nutzung einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung steht gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO allen Gemeindeangehörigen i.S.d. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 GO zu. Der Antragsteller hat seinen Wohnsitz in …
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3) Ein Anspruch auf Benutzung einer öffentlichen Einrichtung besteht nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO grundsätzlich nur, soweit sich die beabsichtigte Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung der Einrichtung hält, wie sie sich aus deren Widmung ergibt. An den Widmungsakt sind nach ständiger Rechtsprechung keine förmlichen Voraussetzungen zu stellen. Die Widmung kann sich sowohl durch ausdrücklichen Verwaltungsakt oder durch Satzung als auch konkludent durch die andauernde Überlassungs- und Nutzungspraxis ergeben (st. Rspr., vgl. nur BayVGH, B.v. 6.8.2008 – 4 CE 08.2070 – juris Rn. 15, B.v. 10.10.2013 – 4 CE 13.2125 – juris Rn. 10 – je m.w.N.). Der Widmungszweck ist hier ausdrücklich in § 2 der Satzung geregelt. Gemäß § 2 Nr. 1 der Satzung kann das Gemeindezentrum für interne und öffentliche Veranstaltungen und sonstige Anlässe, gemäß § 2 Nr. 2 der Satzung für standesamtliche Trauungen der Verwaltungsgemeinschaft … sowie gemäß § 2 Nr. 3 1. HS der Satzung für Familienfeste genutzt werden. Der Antragsteller möchte Veranstaltungen zu Bürgerinformationen über Neuigkeiten aus dem Kreisrat, in dem er als Mandatsträger der AfD vertreten ist, abhalten. Dabei handelt es sich um öffentliche Veranstaltungen, die sich im Rahmen des Widmungszwecks bewegen.
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bb. Der Anspruch des Antragstellers auf Zulassung zum Gemeindezentrum ist weder durch eine entsprechende Regelung in der Satzung, noch durch den Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 ausgeschlossen.
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1) Ausdrücklich ausgeschlossen sind nach § 2 Nr. 3 2. HS der Satzung gewerbliche Veranstaltungen und nach § 2 Nr. 9 der Satzung Veranstaltungen, die rechtswidrige oder verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Dies gilt auch für Parteien, die von Verfassungsschutzorganen beobachtet werden. Dafür, dass der Antragsteller gewerbliche Veranstaltungen im Gemeindezentrum durchführen möchte, wurde nichts vorgetragen und bestehen auch keine Anhaltspunkte. Die Regelung in § 2 Nr. 9 der Satzung ist rechtswidrig und deshalb unwirksam. Bei Ausübung seines Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hat der Antragsgegner den durch Art. 3 GG i.V.m. Art. 21 und 38 GG gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien zu beachten (OVG Lüneburg, B.v. 14.4.2011 – 10 ME 47/11 – juris Rn. 30). Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind in § 5 Abs. 1 des Parteiengesetzes (PartG) umgesetzt, der bestimmt, dass bei der Gestattung der Nutzung öffentlicher Einrichtungen alle politischen Parteien gleichbehandelt werden sollen (BVerfG, B.v. 3.4.2019 – 2 BvQ 28/19 – juris Rn. 7; B.v. 7.3.2007 – 2 BvR 447/07 – juris Rn. 3). Das Recht auf Chancengleichheit ist verletzt, wenn – wie vorliegend – ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat (BVerfG, B.v. 3.4.2019 – 2 BvQ 28/19 – juris Rn. 7; B.v. 7.3.2007 – 2 BvR 447/07 – juris Rn. 3). Das Parteiverbot bleibt dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Die Beobachtung einer Partei durch Verfassungsschutzorgane ist insoweit kein taugliches Differenzierungskriterium, auf dessen Grundlage eine Ungleichbehandlung von Parteien gerechtfertigt werden könnte. Eine solche Einschränkung liefe vielmehr auf einen Ausschluss wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen hinaus (vgl. dazu BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358 – juris Rn 52 ff.).
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2) Auch der Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 führt nicht zu einem Ausschluss des Antragstellers von der Nutzung des Gemeindezentrums. Grundsätzlich gelten für nachträgliche Erweiterungen oder Einschränkungen der Widmung – wie für den Widmungsakt an sich – keine Formvorschriften. So kann etwa der durch Vergabepraxis gegenüber einem Gemeinderatsbeschluss erweiterte Widmungsumfang einer öffentlichen Einrichtung durch Änderung der Vergabepraxis auf den ursprünglichen Widmungszweck zurückgeführt werden (BayVGH, B.v. 10.10.2013 – 4 CE 13.2125 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch Stepanek in BeckOK Kommunalrecht Bayern, 21. Edition 1.2.2024, Art. 21 GO Rn. 8). Widmungsbeschränkungen sind zulässig, soweit sie nicht den allgemeinen Zulassungsanspruch von Gemeindeangehörigen beeinträchtigen oder zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung führen (Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, EL Juli 2013, Art. 21 GO Rn. 14). Gleichwohl muss die Widmungsänderung ebenso wie die Widmung vom zuständigen Organ der Gemeinde autorisiert sein (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 33. EL April 2023, Art. 21 Rn. 19a).
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Auch unter Berücksichtigung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG des Antragsgegners hält die Kammer die vorliegend durch Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 vorgenommene Widmungsbeschränkung für unwirksam. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz des gemeindlichen Handels für die Gemeindebürger scheint es – nach der im Eilverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung – inkonsequent, den Widmungszweck des Gemeindezentrums per Satzung festzulegen, um zu einem späteren Zeitpunkt eine Widmungsbeschränkung per Gemeinderatsbeschluss zu erwirken. Während die Satzung abstrakt-generelle Regelungen für die Benutzung des Gemeindezentrums regelt, handelt es sich bei dem einschränkenden Marktgemeinderatsbeschluss vom 21. März 2024 um ein reines Verwaltungsinternum (dazu etwa Müller in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Werkstand 33. EL April 2023, Art. 18a Rn. 47). Aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, der eine spezielle Ausprägung des Gleichheitsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, folgt, dass die Verwaltung, so sie bei der Behandlung vergleichbarer Fälle gleichbleibend nach einem System verfährt, im Einzelfall nicht nach Belieben abweichen kann, ohne dadurch (objektiv) willkürlich zu handeln und damit gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (Geis in Schoch/Schneider, VwVfG, 4. EL November 2023, § 40 Rn. 74 f m.w.N.). Diesem Rechtsgedanken ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin mit Festlegung des Widmungszwecks in der Satzung gegenüber den Gemeindebürgern einen Vertrauensschutz dahingehend geschaffen hat, diesen Widmungszweck in der gleichen Rechtsform zu erweitern oder zu beschränken. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Satzungserlass im Gegensatz zum Gemeinderatsbeschluss strengen Formvorschriften unterliegt und sich auch die Rechtsschutzmöglichkeiten unterscheiden (die Problematik offen lassend OVG LSA, B.v. 10.10.2011 – 4 M 179/11 – juris Rn. 5; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358 – juris Rn. 37).
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cc. Aus dem damit grundsätzlich bestehenden Nutzungsanspruch des Antragstellers folgt als notwendige Vorstufe ein Anspruch auf Auskunftserteilung, wann eine Nutzung allgemein möglich ist. Der Auskunftsanspruch ist als Minus im Nutzungsanspruch enthalten (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2008 – 4 CE 08.60 – juris Rn. 5).
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Der Zulassungsanspruch ist begrenzt durch die tatsächliche Kapazität der öffentlichen Einrichtung. Ein Anspruch auf Schaffung zusätzlicher Kapazitäten oder Umorganisation besteht nicht. Der Anspruch stößt also an seine Grenzen, soweit die öffentliche Einrichtung bereits anderweitig vergeben ist (BayVGH, B.v. 21.1.1988 – 4 CE 87.03883 – NJW 1989, 2491, 2492) oder aus anderen Gründen eine Nutzung für jeden Bewerber ausgeschlossen ist (BayVGH, B.v. 14.9.2007 – 4 CE 07.2292 – juris Rn. 11). Es erscheint für den Antragsteller unzumutbar, den Anspruch auf Zulassung ohne vorherige Kenntnis der generellen Verfügbarkeit des Gemeindezentrums an einem ins Auge gefassten Termin geltend zu machen und gegebenenfalls zu versuchen, diesen gerichtlich durchzusetzen, obwohl ein Zulassungsanspruch möglicherweise schon wegen einer anderweitigen Belegung ausscheidet. Der damit verbundene Aufwand hinsichtlich Vorbereitung und Planung einer Veranstaltung, die deshalb regelmäßig auch eine gewisse terminliche Fixierung voraussetzt, steht in keinem Verhältnis zur Belastung des Antragsgegners durch die Veranlassung zur entsprechenden Auskunftserteilung (zum Ganzen: VG Bayreuth, B.v. 13.12.2007 – B 2 E 07.1119 – juris Rn. 39). Der Einwand des Antragsgegners, dass seitens des Antragstellers mittels Antrag i.S.d. Satzung angefragte konkrete Termine möglicherweise aufgrund zwischenzeitlicher anderweitiger Belegung nicht mehr verfügbar sind, ist das Risiko des Antragstellers und berührt den Zulassungsanspruch nicht.
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b. Der Antragsteller hat auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht.
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Ein Anordnungsgrund zur Regelung eines vorläufigen Zustandes besteht, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung, ob eine Regelung in diesem Sinne „nötig erscheint“, stellt der Methode nach eine Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und den Belangen des Antragsgegners dar (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, August 2022, § 123 VwGO Rn. 82 m.w.N.). Überwiegen dabei die Interessen des Antragstellers, so liegt ein Anordnungsgrund vor. Droht ohne einstweilige Anordnung der völlige Verlust oder die weitgehende Entwertung des Rechts, so ist der Anordnungsgrund regelmäßig gegeben. Häufig wird eine weitgehende Entwertung eines Rechts gerade dadurch eintreten, dass die Realisierung sich um die Dauer eines Hauptsacheverfahrens verzögert (BayVGH, B.v. 26.1.2007 – 24 CE 06.2853 – juris Rn. 24).
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Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers liegt eine entsprechende Eilbedürftigkeit vor. Es ist davon auszugehen, dass bis zur Entscheidung in der Hauptsache die in diesem Jahr geplanten Termine bereits verstrichen wären. Der Zulassungsanspruch ist ausgeschlossen, soweit die öffentliche Einrichtung bereits anderweitig vergeben oder aus anderen Gründen eine Nutzung für jeden Bewerber ausgeschlossen ist. Allein durch die Verzögerung der Auskunft kann also der Nutzungsanspruch insoweit vereitelt werden, als die Termine, die bis zur Auskunftserteilung zwischenzeitlich anderweitig vergeben wurden, für den Antragsteller nicht mehr zur Verfügung stehen. Insoweit besteht die Gefahr, dass bei einem Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache der grundsätzlich bestehende Nutzungsanspruch des Antragstellers weitgehend entwertet würde (so bereits VG Bayreuth, B.v. 13.12.2007 – B 2 E 07.1119 – juris Rn. 42).
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2. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO steht es im freien Ermessen des Gerichts, welche Regelungen es „zur Erreichung des Zweckes“, also zur Regelung des Rechts i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO trifft. Zwar kann das Gericht nicht mehr als das Recht gewähren, ein Minus, also eine Einschränkung, ist jedoch möglich (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 64). Die getroffene Anordnung hält sich im Rahmen dessen, was der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – in Anlehnung an die Ziffern 1.5 und 22.3 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach kann in Verfahren bezüglich der Benutzung einer gemeindlichen Einrichtung als Streitwert das wirtschaftliche Interesse, sonst der Auffangwert festgesetzt werden. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Benutzung der Einrichtung selbst, sondern lediglich um eine Auskunft, die die spätere Benutzung ermöglichen soll. Für das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers bestehen keine Anhaltspunkte. Daher erscheint es angemessen, für den Auskunftsanspruch den halben Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen. Dieser ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht nochmals zu halbieren, da das Eilverfahren die Entscheidung in der Sache vorwegnimmt, vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.