Titel:
Neuherstellung einer Anlage, Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung
Normenketten:
KAG Art. 2 Abs. 1 S. 1
KAG Art. 5 Abs. 1
Schlagworte:
Neuherstellung einer Anlage, Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13950
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Herstellungsbeitragsbescheid für die Wasserversorgungsanlage der Beklagten.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens …, Fl.-Nrn. … und …, Gemarkung … Das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, ist mit einem Wohngebäude, das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, ist mit einem Carport teilweise über die Grundstücksgrenze zum Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, bebaut. Die Klägerin hat das Grundstück im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben. In dem Wertermittlungsgutachten zum Stichtag 18. Dezember 2003 (Bl. 39 ff. der Gerichtsakte) ist ausgeführt, dass zwar „zu den bereits geleisteten Zahlungen für den Anschluss an das Versorgungsnetz (…) keine Unterlagen gefunden werden“ konnten, “unbestätigte Schätzungen (…) gehen von einem einmalig angefallenen Betrag aus, der um das Jahr 1974 herum entstand und weniger als 1.000 DM betrug“. Die Gemeinde … hatte die Aufgabe zur Versorgung mit Trinkwasser u.a. für den Gemeindeteil … der … übertragen. Zum 1. Juli 2019 hat die … die Versorgungszuständigkeit u.a. für den genannten Gemeindeteil an die Stadt … zurückgegeben. Diese übertrug sie erstmalig zum 1. Juli 2019 auf die Beklagte, wobei diese ihr Versorgungsgebiet erweiterte.
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Die Beklagte setzte aufgrund der Beitrags- und Gebührensatzung – BGS – WAS der … Zweckverband Wasserversorgung vom 08.12.2011 in der Fassung vom 11.09.2015 (BGS – WAS) für das Grundstück Fl.-Nr. … in wirtschaftlicher Einheit mit Grundstück Fl.-Nr. … mit Bescheid vom 1. August 2019 einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage der Beklagten in Höhe von 3.159,28 EUR fest. Dabei wurde eine Grundstücksfläche von 791 m² sowie eine Geschossfläche von 384,86 m² zugrunde gelegt.
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Die Klägerin ließ mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2. September 2019 Widerspruch einlegen und begründete diesen mit weiterem Schriftsatz vom 20. Januar 2020 im Wesentlichen damit, dem Herstellungsbeitrag stehe der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Zusammenhang mit der Festsetzungsverjährung entgegen. Für das betreffende Grundstück sei im Jahr 1974 bereits einmalig ein Beitrag erhoben worden. Es treffe nicht zu, dass für … eine neue Wasserversorgung mit Millionenaufwand gebaut worden sei. Die alten Leitungen seien übernommen worden, es sei lediglich eine Fernleitung zum Anschluss der ehemaligen … gebaut worden. Auch seien das Wasserwerk, die Treibwerksanlage und die Grundstücke der … übernommen worden, weder in der Straße … noch im Ort seien neue Leitungen verlegt worden. Auch sei das Grundstück Fl. Nr. …, Gemarkung …, das lediglich mit einem Carport bebaut sei und bei dem keine Wasserversorgung erfolge, zu Unrecht in den Bescheid mit einbezogen worden. Vorliegend sei weder der Restbuchwert der in die Neuanlage einbezogenen Anlagenteile bei der Kalkulation der Beitragssätze berücksichtigt worden, noch sei für frühere Beitragsleistungen der Altanschließer ein Abschlag auf die neue Beitragsschuld gewährt worden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2020 wies das Landratsamt … den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung unterliege einer Reihe von Durchbrechungen. So sei eine mehrmalige Beitragspflicht bei Beiträgen nach Art. 5 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) möglich, wenn sich für das Grundstück neue Vorteile aus der öffentlichen Einrichtung ergeben, die durch eine etwaige erstmalige Beitragszahlung noch nicht abgegolten seien. Eine derartige Situation sei nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch bei einem Wechsel eines Einrichtungsträgers gegeben. Die früher geltend gemachten Abgabeforderungen des vormals zuständigen Zweckverbandes zur Wasserversorgung für dessen ehemalige Einrichtung würden die Beitragserhebung durch die Beklagte für seine und damit für eine andere Einrichtung nicht beeinflussen können. Das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, unterliege in wirtschaftlicher Einheit mit dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, der Beitragspflicht, da Eigentümeridentität, ein räumlicher Zusammenhang und eine die Grundstücksgrenzen überschreitende Nutzung des Garagengrundstücks mit dem Wohngrundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, bestehe. Die Gewährung eines Abschlags auf den Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung der Beklagten sei aufgrund der früheren Leistung eines Herstellungsbeitrags zur Wasserversorgungseinrichtung der … nicht angezeigt. Der Widerspruchsbescheid wurde mit Empfangsbekenntnis am 11. Dezember 2020 zugestellt.
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Die Klägerin ließ mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11. Januar 2021 beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erheben und beantragen,
Der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 01.08.2019, Bescheidnummer: …, HHSt.: …, für das Anwesen …, Flur-Nr. …, … der Gemarkung …, in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 09.12.2020, Aktenzeichen …, wird aufgehoben.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Herstellungsbetrag sei bereits erhoben worden, darüber hinaus sei die Festsetzungsfrist längst abgelaufen. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für die Gebühren- (wohl Beitrags-) Erhebung. Vorliegend sei keine Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung durch die Beklagte gegeben. Für die Klägerin habe bereits eine Wasserversorgung bestanden, es habe keine solche mehr hergestellt werden müssen. Auch liege keine Verbesserung vor. Der Wechsel des Wasserversorgers biete keine besonderen Vorteile für die Klägerin. Diese solle zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden, der in keinem Verhältnis zu den (nicht vorhandenen) Vorteilen durch den Wasserversorgerwechsel stehe. Auch könne der durch eine Verbesserung entstandene Aufwand auf die sogenannten Altanschließer nicht mehr über Herstellungsbeiträge umgelegt werden. Es könne nur eine Umlegung über selbstständig zu kalkulierende Verbesserungsbeiträge erfolgen. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Äquivalenzprinzip zwischen Alt- und Neuanschließern. Die Beitrags- und Gebührensatzung, auf der der Bescheid beruhe, stelle jedoch auf die Herstellung und nicht auf eine Verbesserung ab. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Übernahme der vormaligen Wasserversorgungseinrichtung zu einer neuen Einrichtung i.S.d. Art. 5 KAG geführt hätte, was bestritten werde, seien das Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung und die Grundsätze der Gleichbehandlung sowie des Äquivalenzprinzips zwischen Alt- und Neuanschließenden verletzt worden, da die Beklagte bei der Höhe des Beitrags nicht die Weiterverwendung der alten Anlage der …, für die bereits Beiträge geleistet worden seien, berücksichtigt habe.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. März 2022,
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Zur Begründung wurde vorgetragen, da das Gebiet vorher die Wasserversorgung durch den Zweckverband … erhalten habe und nunmehr zum Versorgungsgebiet der Beklagten hinzugezogen worden sei, sei eine (rechtliche) Neuherstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bezogen auf dieses Gebiet erfolgt. Eine Anrechnung von ca. 1974 bereits erhobenen Herstellungsbeiträgen durch den Zweckverband … sei nicht erfolgt, da eine zeitliche Nähe von Herstellungsbeiträgen der Altanlage und Herstellungsbeiträgen für die Neuherstellung einer Anlage fehle. Die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit aus den Grundstücken Fl.-Nrn. … und … sei veranlasst, da das Grundstück Fl.-Nr. … mit einer Grundstücksgröße von nur 87 m² nicht eigenständig bebaubar sei.
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Mit Schreiben vom 1. September 2022 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Gericht nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung davon ausgehe, dass bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers das Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung durchbrochen werde. Früher geltend gemachte Abgabeforderungen des Zweckverbandes … könnten die Beitragserhebung durch die Beklagte für ihre und damit für eine andere Einrichtung nicht beeinflussen. Jedoch seien auch in diesen Fällen die Anforderungen des Gleichheitssatzes, des Äquivalenzprinzips und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zu beachten.
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Mit Schriftsätzen vom 27. Februar 2023 teilten die Bevollmächtigen mit, dass mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung Einverständnis bestehe.
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Der Klägerbevollmächtigte trug mit Schriftsatz vom 27. Februar 2023 vor, durch die sukzessive Aufnahme des vormals durch den Zweckverband … versorgten Gebietes in die Wasserversorgung durch die Beklagte möge unabhängig von etwaigen Neubaumaßnahmen oder dem Wechsel des Einrichtungsträgers eine andere Anlage entstanden sein, für die grundsätzlich ein Herstellungsbeitrag erhoben werden könne. Die erforderliche Abgeltung und Anrechnung früherer Beiträge sei jedoch vorliegend nicht erfolgt. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch in Fällen anwendbar, in denen eine bestehende Abwasseranlage auf einen neuen Einrichtungsträger übergehe und dieser auf der Grundlage seiner Herstellungsbeitragssatzung für die mit dem Trägerwechsel entstandene neue öffentliche Einrichtungen Beiträge erhebe.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 29. März 2023 trug der Klägerbevollmächtigte vor, das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verpflichte den Gesetzgeber, für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, Verjährungsregelungen zu treffen bzw. sicherzustellen, dass diese Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Gerade der zeitliche Abstand zu den bereits im Jahr 1974 erhobenen Herstellungsbeiträgen schaffe ein schutzwürdiges Vertrauen des Grundstückseigentümers, in Zukunft nicht mehr mit entsprechenden Belastungen rechnen zu müssen. Der frühere Herstellungsbeitrag der Klägerin sei daher wegen des Grundsatzes der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen.
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Der Beklagtenbevollmächtigte verwies mit Schriftsatz vom 14. April 2023 auf den bisherigen Vortrag und führte aus, es sei eine rechtliche Neuherstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage gegeben. Das von der Gegenseite zitierte Urteil sei auf diese Konstellation nicht übertragbar.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 21. April 2023 wurde die Beklagte aufgefordert, weiter darzulegen, ob eine beitragsfähige Herstellung einer neuen Einrichtung entsprechend der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vorliege.
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Der Beklagtenbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2023 aus, das von der … übernommene Gebiet nehme hinsichtlich des Versorgungsbedarfs einen Anteil von 0,378% am gesamten Versorgungsauftrag der Beklagten ein. Für die technische Umsetzung des Anschlusses der vormals durch die … versorgten Gebiete sei eine Auflassung von vorhandenen Quellen und einer Zuleitung von diesen Quellen zum Ortsnetz sowie der Neubau einer Zuleitung von … nach … erfolgt. Das bisherige Trinkwasserbehältnis und die bisherigen Versorgungsstrukturen der übernommenen Anlage seien außer Betrieb genommen worden. Es sei eine volumengroße Erneuerung der Ortsnetzleitung und nahezu die gesamte Erneuerung der Hausanschlussschieber erfolgt. Dadurch sei eine komplett neue Versorgung über drei leistungsfähige Brunnen und Trinkwasserbehälter mit einem Gesamtspeichervolumen von 3.900 m3 erreicht worden. Die durch den Anschluss an das Versorgungsgebiet der Beklagten erfolgten Neuerungen hätten gegenüber den noch genutzten Teilen der Altanlage ein erhebliches Übergewicht. Es würden nur noch wenige innerörtliche Leitungen weiter verwendet, die sukzessive erneuert werden müssten. Die Gesamtkosten für den Anschluss hätten 772.279,72 EUR betragen. Da die Voraussetzungen für eine technische Neuherstellung bezogen auf die Altanlage erreicht seien, sei eine Abrechnung über einen Neuherstellungsbeitrag in den neu angeschlossenen Ortsteilen erfolgt. Die angeschlossenen Gebiete seien somit entsprechend der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wie ein Neubaugebiet, das erstmals erschlossen werde, behandelt worden. Da mit der Beklagten ein neuer Rechtsträger der Anlage vorgelegen habe und der Grundsatz der Einrichtungseinheit bei unterschiedlichen Rechtsträgern nicht anwendbar sei, sei kein Aufwand für die alte Einrichtung in den Herstellungsaufwand einbezogen und bei den Neuherstellungsbeiträgen berücksichtigt worden. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2023 stellte der Beklagtenbevollmächtigte klar, alle Angaben würden sich auf die Wasserversorgung für den Ort … beziehen.
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Der Klägerbevollmächtigte bestritt mit Schriftsatz vom 5. Juli 2023 die Behauptung der Beklagten, wonach die „durch den Anschluss an das Versorgungsgebiet der Beklagten erfolgten technischen Neuerungen (…) ein erhebliches Übergewicht gegenüber den noch genutzten Teilen der Altanlage“ hätten. Die Beklagte habe lediglich eine neue Zuleitung verlegt. In … befänden sich nach wie vor die alten Leitungen der … Diese seien auch nicht – wie die Beklagte vortrage – als verbraucht anzusehen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juli 2023 erging der richterliche Hinweis, dass bezüglich der Tatsache, dass bereits ein Herstellungsbeitrag erhoben und beglichen wurde, die materielle Beweislast bei der Klägerin liege.
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Der Klägerbevollmächtigte erwiderte mit Schriftsatz vom 15. August 2023, der diesbezügliche, aus dem Wertermittlungsgutachten des … vom 15. Januar 2004 entnommene Vortrag der Klägerin sei durch die Beklagte nicht bestritten worden. Dieser habe vielmehr mit Schriftsätzen vom 14. und vom 30. März 2023 selber vorgetragen, dass ca. 1974 Herstellungsbeiträge durch den damaligen Zweckverband der … erhoben worden seien. Mit Schriftsätzen vom 16. Oktober 2023 und vom 25. Oktober 2023 legte der Klägerbevollmächtigte einen Baugenehmigungsbescheid vom 17. August 1970 für die
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Fl.-Nr. … der (damaligen) Gemarkung … sowie die Abschrift eines Kaufvertrags vom 8. Juni 1972 zwischen der Gemeinde … und dem vormaligen Erwerber von einem zum klägerischen Grundstück benachbarten Grundstück vor. Laut Seite 5 f. dieses Vertrages soll der Kaufpreis, der nicht genannt ist, mit Leistungen anlässlich des Wasserleitungsbaus verrechnet werden. Vorgelegt wurde auch der Auszug eines Grundstückskaufvertrags des Voreigentümers des Nachbarn der Klägerin. In diesem Vertrag ist der Passus enthalten, die Erschließungskosten seien nach Angabe des Verkäufers vollständig bezahlt und im Kaufpreis enthalten. Vorgelegt wurde ferner ein Bescheid über die Festsetzung und Erhebung von Gebühren und Kosten zum Anschluss an die Wasserversorgung vom 31. August 1984, ebenfalls adressiert an den Voreigentümer des Nachbarn der Klägerin. Mit Schriftsätzen vom 16. November 2023 und vom 27. November 2023 legte der Klägerbevollmächtigte bezüglich des klägerischen Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung …, einen Kaufvertrag zwischen der Gemeinde und den Eheleuten … vom 8. Juni 1972, einen Grundbuchauszug sowie einen Kaufvertrag zwischen den Eheleuten … und den Eheleuten …, den Voreigentümern der Klägerin, vom 10. November 1973 vor. In letzterem Vertrag ist auf Seite 4 der handschriftliche Passus enthalten, dass der Käufer auch die bisher angefallenen Erschließungskosten zu tragen habe.
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Der Beklagtenbevollmächtigte erwiderte mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2023, die Klägerseite werde an ihre prozessuale Wahrheitspflicht erinnert. Die Klägerin möge es unterlassen, beispielsweise zu behaupten, die Beklagte würde Pumpwerke oder Trinkwasserbehälter des Zweckverbandes Wasserversorgung … verwenden. Die Beklagte gehe nach wie vor von einer beitragsfähigen Herstellung einer neuen Einrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG aus. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 16. und 19. Juni 2023 werde Bezug genommen. Die Beklagte habe, um den Ort … zukünftig mit einer qualitativ ausreichenden, den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Wasserversorgung auszustatten, eine neue Wasserbezugsquelle – Tiefbrunnenversorgung neu geschaffen, eine Verbindungsleitung nach … baulich erstellt und einen ausreichenden Wasserdruck erzeugt. Als Anlage werde ein Plan vorgelegt (Bl. 268 der Gerichtsakte), in dem die Beklagte – in Ergänzung zu dem mit Schriftsatz vom 16. Juni 2023 vorgelegten Plan (Bl. 165 der Gerichtsakte) – den Erneuerungsaufwand planerisch dargestellt habe. Die Entfernungsmeter neu verlegter Leitungen, die Anzahl neuer Zentralschieber, neuer Ober- und Unterflurhydranten sowie der erneuerten Hausanschlussschieber seien der Legende des Plans zu entnehmen. Da bei der Wasserversorgung durch den Zweckverband Wasserversorgung … die gemäß DVGW W400-1 (A), technische Regeln in Wasserverteilungsanlagen (TRWV); Teil 1: Planung, Stand Februar 2015 Ziff. 7 vorgegebenen Versorgungsdrücke an den jeweiligen Leitungszuführungen zu den Objekten nicht ausreichend gewesen seien, hätten etliche Objektbesitzer während der Versorgung durch den Zweckverband Wasserversorgung … hauseigene Druckpumpwerke installieren müssen. Erst durch die seitens der Beklagten neu geschaffene Versorgung seien regelkonforme und damit ausreichende Druckverhältnisse im kompletten Ortsnetz … geschaffen worden. Die seitens der Beklagten vorgenommen Erneuerungen innerhalb der Versorgung des Ortes … hätten ein Volumen erreicht, dass nunmehr eine andere Einrichtung bzw. eine Neuerrichtung gegeben sei. Auf die Frage, ob zu einem früheren Zeitpunkt durch den Zweckverband Wasserversorgung … Herstellungsbeiträge erhoben worden seien, komme es nicht an. Die Beklagte könne diese offene Frage trotz entsprechender Nachforschungen nicht beantworten. Die Klägerseite bleibe diesbezüglich einen Beweis schuldig, aus den vorgelegten früheren Urkunden ließen sich diesbezüglich keine belastbaren Schlüsse ziehen.
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Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 1. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 9. Dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Beitrags für die Herstellung der Wasserversorgungsanlage der Beklagten ist Art. 2 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 des KAG i.V.m. Art. 22 Abs. 2 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG).
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Danach können die Gemeinden und Landkreise aufgrund einer besonderen Abgabensatzung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Eigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
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Die Beklagte hat gemäß Art. 22 Abs. 2 KommZG als Zweckverband von der Ermächtigung des Art. 5 Abs. 1 KAG Gebrauch gemacht. Sie hat in § 1 BGS – WAS bestimmt, dass sie zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung einen Beitrag erhebt. Gemäß § 2 Abs. 1 BGS – WAS wird der Beitrag für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare Grundstücke, wenn für sie nach § 4 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung (Wasserabgabesatzung – WAS) der … Zweckverband Wasserversorgung vom 08.12.2011 in der Fassung vom 18.06.2019 (WAS) ein Recht zum Anschluss an die Wasserversorgung besteht (Ziffer 1) oder für tatsächlich angeschlossene Grundstücke (Ziffer 2) erhoben.
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Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Wasserabgabesatzung und der Beitrags- und Gebührensatzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch materiell-rechtlich ist gegen die Regelungen der §§ 1 und 2 BGS – WAS und des § 4 WAS nichts einzuwenden. §§ 1 und 2 BGS – WAS sowie § 4 WAS entsprechen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 5 Abs. 1 KAG.
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2. Die Erhebung eines Herstellungsbeitrags für die Wasserversorgungsanlage der Beklagten mit Bescheid vom 1. August 2019 i.H.v. 3.159,28 EUR ist rechtmäßig. Es liegt insbesondere eine Neuherstellung der Wasserversorgungsanlage vor.
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a. Der Beitragstatbestand ist erfüllt, § 2 Abs. 1 BGS – WAS. Die Grundstücke Fl.-Nrn. … und …, Gemarkung … sind bebaut und zusammen als wirtschaftliche Einheit anzusehen.
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Grundstück im Sinne der Satzung ist gemäß § 2 Abs. 1 WAS jedes räumlich zusammenhängende und einem gemeinsamen Zweck dienende Grundeigentum desselben Eigentümers, das eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet, auch wenn es sich um mehrere Grundstücke oder Teile von Grundstücken im Sinn des Grundbuchrechts handelt. Rechtlich verbindliche planerische Festlegungen sind zu berücksichtigen.
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Trotz grundsätzlicher Akzeptanz des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs (vgl. BayVerfGH, E.v. 7.2.1985 – Vf. 22-VII-83 – BayVBl 1985, 493) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein ausreichender Grund für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit nur dann gegeben, wenn wegen verbindlicher planerischer Vorstellungen oder tatsächlicher Geländeverhältnisse ein Teil eines Grundstücks nur selbstständig baulich genutzt werden kann und deshalb einen eigenen Anschluss an die öffentliche Einrichtung erhalten muss oder wenn mehrere Grundstücke desselben Eigentümers (z.B. wegen der geringen Grundstücksgröße) oder wegen des Grundstückszuschnitts, nicht jeweils für sich, sondern nur zusammen baulich genutzt werden können und deshalb nur einen Anschluss benötigen. Ob mehrere Grundstücke zusammen oder Teile eines Grundstücks jeweils für sich eine wirtschaftliche Einheit bilden, hängt nicht von der tatsächlichen Nutzung ab und damit auch nicht von der sich aus ihr abgeleiteten und deshalb nur auf dem Willen des Eigentümers beruhenden Zusammengehörigkeit oder Selbständigkeit. Dies ist vielmehr ausschließlich nach bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen (st.Rspr., BayVGH, U.v. 15.5.2007 – 23 B 06.2127 – BeckRS 2007, 29792, Rn. 47; U.v. 19.1.2017 – 20 BV 15.817 – BeckRS 2017, 108000, Rn. 29; B.v. 27.6.2000 – 23 ZB 00.1626 – BeckRS 2000, 29216 m.w.N.; vgl. Thimet in: Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, September 2023, Teil III Frage 2 m.w.N.).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Grundstücke Fl.-Nr. … und …, Gemarkung …, als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Beide Grundstücke liegen im Außenbereich (§ 35 des Baugesetzbuchs – BauGB) und grenzen aneinander an. Die Klägerin ist Eigentümerin beider Grundstücke. Das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, hat eine Größe von 704 m², das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung … eine Größe von 87 m². Aufgrund der räumlichen Nähe beider Grundstücke sowie des Zuschnitts und der Größe des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung …, im Verhältnis zu dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, ist eine wirtschaftliche Einheit anzunehmen. Eine Bebauung der Fl.-Nr. …, Gemarkung …, ist bei einer Grundstücksgröße von 87 m² nicht möglich. Zusammen mit dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, ist die bauliche Nutzung möglich, was auch die tatsächliche Bebauung der Fl.-Nr. …, Gemarkung …, mit einem Carport zeigt. Dabei wurde auch über die Grundstücksgrenze gebaut. Beide Grundstücke benötigen als wirtschaftliche Einheit nur einen Anschluss. Das Vorbringen der Klägerin, der Carport auf der Fl.-Nr. …, Gemarkung …, benötige keinen Wasseranschluss ist insoweit unerheblich.
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b. Die Beklagte hat – auch wenn für das klägerische Grundstück die Wasserversorgung der … bereits bestand – eine Wasserversorgungseinrichtung (neu) hergestellt, § 1 BGS – WAS.
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Von einer beitragsfähigen Herstellung einer neuen Einrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist bei leitungsgebundenen Einrichtungen dann auszugehen, wenn die vorhandene Einrichtung durch die Baumaßnahmen grundlegend umgestaltet wird und diese nach der Verkehrsauffassung nunmehr als eine andere bzw. Neueinrichtung anzusehen ist. Demgegenüber ist eine bloße Verbesserung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG eine Investitionsmaßnahme, die die Einrichtung gegenüber ihrem letzten tatsächlichen Zustand vor der betreffenden Maßnahme verbessert, nicht aber grundlegend umgestaltet. Kennzeichnend ist sowohl für die Verbesserungsmaßnahmen als auch für die grundlegende Umgestaltung, dass sie den von der Einrichtung bereits erschlossenen Grundstücken einen zusätzlichen Vorteil bringen. Maßgebliches Unterscheidungsmerkmal zwischen einer Verbesserungsmaßnahme und einer grundlegenden Umgestaltung ist, ob nach der Verkehrsauffassung eine andere bzw. eine neue Einrichtung entstanden ist. Dabei kann auch die Umgestaltung veralteter Anlagen in ein System, das neuzeitlichen technischen und hygienischen Anforderungen entspricht, als erstmalige Herstellung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 KAG angesehen werden, auch wenn in der neuen Einrichtung Teile der bisherigen Anlage verwendet werden. Dabei kommt es maßgeblich auf den bisherigen Umfang und Zustand der alten Einrichtung an, etwa ob sie unter Beachtung neuzeitlicher Anforderungen unzureichend oder untragbar geworden ist, und auf Erfordernisse und Zwänge, die Anlass für die Umgestaltung sind. Weisen in der neuen Gesamteinrichtung die neuen Teile ein erhebliches Übergewicht auf, ist im Regelfall von einer neuen Einrichtung auszugehen. An der Neuherstellung ändert sich auch nichts dadurch, dass in der neuen Einrichtung Teile der alten Anlage weiterverwendet werden, für die bereits Beiträge geleistet worden sind. Es hindert nicht das Entstehen neuer Beitragspflichten, sondern wirkt sich allenfalls aufwandsmindernd aus. Soweit Altanlagenteile in die Neuanlage einbezogen werden, ist zweckmäßigerweise deren Restbuchwert bei der Kalkulation der Beitragssätze für die neu erstellte Anlage zu berücksichtigen. Frühere Beitragsleistungen der Altanschließer sind durch die Gewährung eines Abschlags auf die neue Beitragsschuld zu berücksichtigen, der sich an dem Verhältnis des Restbuchwertes zum Gesamtbuchwert zu orientieren hat (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.1996 – 23 CS 96.70 – BeckRS 1996, 17874; BayVGH, U.v. 5.3.2001 – 23 ZB 00.3372- BeckRS 2001, 25256; U.v. 27.11.2003 – 23 B 03.1250 – BeckRS 2003, 31487; U.v. 15.5.2007 – 23 B 06.2127 – BeckRS 2007, 29792; U.v. 16.2.2017 – 20 BV 16.90 – juris Rn. 22; vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand: September 2023, § 8 Rn. 749 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen wurden mit dem Anschluss des Ortsteils … an die bisherige Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten nach Überzeugung der Kammer nicht nur Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt, es wurde vielmehr eine neue Wasserversorgungseinrichtung hergestellt. Dass die Wasserversorgungseinrichtung der … sanierungsbedürftig war, wird bereits durch das von der Klägerin vorgelegte Wertermittlungsgutachten zum Stichtag 18. Dezember 2003 belegt. Dort ist unter Ziffer 2.1.2. ausgeführt, dass eine Erneuerung der (bisherigen) Anlage notwendig ist. Die Beklagte hat insbesondere mit dem Anschluss des Ortsteils … (und weiteren Gemeindeteilen der Stadt …*) die Wasserversorgung der … Zweckverband Wasserversorgung neu konzipiert. Diese Betrachtung wird dadurch bestätigt, dass – wie die Beklagte für das Gericht nachvollziehbar darlegt – im Zuge des Anschlusses des Ortsteils … an die Wasserversorgung der Beklagten grundlegende und umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt und zugleich wesentliche Teileinrichtungen der bereits vorhandenen Wasserversorgungseinrichtung aufgelassen wurden. Die Gesamtkosten für den Anschluss betrugen 772.279,72 EUR. Die Beklagte hat eine Zuleitung von … nach … neu gebaut. Die bis dahin vorhandenen Quellen und die Zuleitung von den bisherigen Quellen zum Ortsnetz wurden aufgelassen. Das bisherige Trinkwasserbehältnis, das nach den vorgelegten Fotos (Bl. 166 f. der Gerichtsakte) den Eindruck der Erneuerungsbedürftigkeit vermittelt, sowie die bisherigen Versorgungsstrukturen der vorherigen Anlage wurden außer Betrieb genommen. Es wurde mehr als die Hälfte (1.299 m) der gesamten Versorgungsleitung des Ortsnetzes (2.469 m) erneuert. Die wenigen innerörtlichen Leitungen, die noch weiterverwendet werden, werden sukzessive erneuert werden. Von den 56 vorhandenen Hausanschlussschiebern wurden 23 erneuert. Durch die neu geschaffene Versorgung wurden regelkonforme und damit ausreichende Druckverhältnisse im kompletten Ortsnetz … geschaffen. Bei der bisherigen Wasserversorgung durch die … waren die nach den technischen Regeln vorgegebenen Versorgungsdrücke an den jeweiligen Leistungszuführungen zu den Objekten nicht ausreichend. Etliche Eigentümer hatten aus diesem Grund hauseigene Druckpumpwerke installieren müssen. Es wurde eine neue Versorgung über drei leistungsfähige Brunnen und Trinkwasserbehälter mit einem Gesamtspeichervolumen von 3.900 m² geschaffen, so dass nach Überzeugung der Kammer eine neue Wasserversorgungseinrichtung hergestellt wurde.
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c. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung wird nicht verletzt.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung für eine öffentliche Einrichtung dann nicht verletzt, wenn Beiträge für eine Neueinrichtung verlangt werden sollen. Denn für sie war eine früher erbrachte Leistung nicht bestimmt. Es liegt – wie unter b. ausgeführt – eine tatsächliche aber auch eine rechtliche Neueinrichtung vor. Die Beklagte ist dadurch, dass sie die Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung für den Ortsteil … übernommen hat, weder Gesamt- noch Sonderrechtsnachfolgerin des Zweckverbands … geworden. Die Beklagte hatte somit grundsätzlich die Möglichkeit, von der Klägerin den vollen Beitrag für die Herstellung der Wasserversorgungsanlage zu erheben (BayVGH, U.v. 15.12.1989 – 23 B 88.01025 – BeckRS 1989,110303; U.v. 13.2.1997 – 23 B 93.471 – BeckRS 1997, 24852; B.v. 5.3.2001 – 23 ZB 00.3372 – BeckRS 2001, 25256; U.v. 16.2.2017 – 20 BV 16.90 – BeckRS 2017, 105239).
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Im Übrigen kann die Tatsache, dass für das klägerische Grundstück in der Vergangenheit bereits ein Herstellungsbeitrag gezahlt worden ist, nicht geklärt werden. Die Unaufklärbarkeit dieser Tatsache geht zu Ungunsten der Klägerin.
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Wie oben ausgeführt, können nach der Rechtsprechung frühere Beitragsleistungen der Altanschließer durch die Gewährung eines Abschlags auf die neue Beitragsschuld berücksichtigt werden, der sich an dem Verhältnis des Restbuchwertes zum Gesamtbuchwert zu orientieren hat. Die Klägerin, die die materielle Beweislast trägt, kann den Nachweis einer früheren Beitragsleistung jedoch nicht führen.
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Unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes des § 86 Abs. Satz 1 HS 1 VwGO hat das Gericht zur Klärung eines streitigen Sachverhalts von sich aus die notwendigen Ermittlungen anzustellen. Die Bildung der richterlichen Überzeugung nach § 108 Abs. 1 VwGO setzt eine ausreichende Erforschung des Sachverhalts voraus, d.h. dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten einer Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet sein können, die für die Entscheidung erforderliche Überzeugung des Gerichts zu begründen (VG Augsburg, U.v. 13.10.2008 – Au 5 K 07.1682 – BeckRS 2008. 44694 m.w.N.). Bleibt danach eine bestimmte Tatsache unaufklärbar, entscheidet in erster Linie das materielle Recht, zu wessen Ungunsten die Unaufklärbarkeit geht. Fehlen ausdrückliche Regeln, gilt der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit zu Lasten des Beteiligten geht, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet. Wer das Bestehen eines Rechts behauptet, muss die Nichterweislichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen gegen sich gelten lassen (vgl. Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 86 Rn. 5).
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Das Gericht ist anhand der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht davon überzeugt, dass im Jahr 1974 tatsächlich ein Herstellungsbeitrag für das klägerische Grundstück bezahlt wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte selbst eingeräumt hat, im Jahr 1974 seien Herstellungsbeiträge bezahlt worden. Der Hinweis aus dem Wertermittlungsgutachten zum Stichtag 18.12.2003 (Bl. 39 ff. der Gerichtsakte), dass “unbestätigte Schätzungen (…) von einem einmalig angefallenen Betrag (…), der um das Jahr 1974 herum entstand (…)“ ausgehen, ist kein Beleg, dass tatsächlich ein Herstellungsbeitrag gezahlt wurde. Auch die Angaben aus dem Grundbuch und aus den vorgelegten Kaufverträgen geben keinen Aufschluss über die Zahlung eines Herstellungsbeitrags für das klägerische Grundstück. Dass in den jeweiligen Kaufverträgen geregelt wurde, dass mit dem Kaufpreis „Leistungen anlässlich des Wasserleitungsbaus“ (Bl. 212 f. der Gerichtsakte) verrechnet werden, belegt weder die Natur der Leistung noch deren Höhe. Auch die pauschale Angabe des Verkäufers über eine vollständige Bezahlung von Erschließungskosten (Bl. 205 der Gerichtsakte) ist kein Beweis, dass tatsächlich ein Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungseinrichtung geleistet wurde. Gleiches gilt für den Passus im Kaufvertrag, dass der Käufer auch die bisher angefallenen Erschließungskosten zu tragen habe (Bl. 240 der Gerichtsakte). Auch die Beklagte kann die Frage, ob für das klägerische Grundstück bereits ein Herstellungsbeitrag gezahlt wurde, trotz entsprechender Nachforschungen nicht beantworten. Der von der Klägerin erhobene Einwand einer etwaigen Anrechnung früherer Beiträge kann nicht greifen. Die Nichterweislichkeit dieser Tatsache geht zu Lasten der Klägerin, da diese aus der bereits erfolgten Bezahlung eines Herstellungsbeitrags eine für sie günstige Rechtsfolge ableiten kann.
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Auch der Vortrag der Klägerin, mit der Erhebung des Herstellungsbeitrags werde der Grundsatz der Gleichbehandlung sowie des Äquivalenzprinzips zwischen Alt- und Neuanschließenden verletzt, ist nicht mit Tatsachen belegt.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs genügt es nicht, wenn ein Kläger ohne jegliche substantiierte Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Diese besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Kläger die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe und ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben sollen. Solange sie dieser Pflicht nicht nachkommen, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. BayVGH, U.v. 23.4.1998 – 23 B 96.3585 – BayVBl 1998, 593). Dass es für die Kläger nicht ganz einfach ist, die von der Beklagten ermittelten und angegebenen Zahlenwerte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet sie nicht davon, sich im Rahmen der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht selbst durch Akteneinsicht sachkundig zu machen, notfalls mithilfe eines von ihr beauftragten Sachverständigen, dessen Kosten erstattungsfähig sein können (BayVGH, B.v. 2.12.2014 – 20 ZB 14.1744 – juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188). Um dieser Mitwirkungspflicht nachkommen zu können, ist dem Kläger in ständiger Rechtsprechung ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht in die Kalkulationsunterlagen eingeräumt (BayVGH, U.v. 5.9.1989 – 25 B 88. 01631 – BayVBl 1990, 622 f.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Vorbringen der Klägerin nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Gebührenfestsetzung zu verneinen oder zumindest derart in Frage zu stellen, dass sich dem Gericht weitere Ermittlungen aufdrängen würden. Die Klägerin hat trotz des richterlichen Hinweises vom 1. September 2022 die festgesetzten Beitragssätze nicht substantiiert in Frage gestellt (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2005 – 23 B 05.126 – BeckRS 2005, 39618). Sie hat lediglich vorgetragen, dass weder der Restbuchwert der in die Neuanlage einbezogenen Anlagenteile bei der Kalkulation der Beitragssätze berücksichtigt worden noch für frühere Beitragsleistungen der Altanschließer ein Abschlag auf die neue Beitragsschuld gewährt worden seien. Auch seien das Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Grundsätze der Gleichbehandlung sowie des Äquivalenzprinzips verletzt, die Festsetzungsfrist sei längst abgelaufen. Dieses Vorbringen stellt keine substantiierte Rüge dar, aufgrund derer sich das Gericht eingehender mit der Gesamtkalkulation und mit der Richtigkeit der gefundenen Beitragssätze auseinandersetzen müsste. Die Klägerin hat auch nichts dafür dargelegt, dass ihr von der Beklagten nicht hinreichend Gelegenheit gegeben worden sei, Akteneinsicht in die Kalkulationsunterlagen zu nehmen.
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Auch der Einwand der Klägerin, der Grundsatz des Vertrauensschutzes sei verletzt, da Festsetzungsverjährung eingetreten sei, kommt nicht zum Tragen. Handelt es sich – wie vorliegend – um eine Neuherstellung einer Wasserversorgungseinrichtung kommt es für das Entstehen der Vorteilslage und damit für die Berechnung des Laufes der Zwanzigjahresfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 1 KAG auf die Fertigstellung und die Benutzbarkeit der Neuanlage an (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 16.90 – juris Rn. 23). Im Zeitpunkt der Festsetzung des Beitrags waren seit der Fertigstellung und der Benutzbarkeit der Wasserversorgungseinrichtung noch keine 20 Jahre vergangen.
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d. Die Höhe des festgesetzten Herstellungsbeitrags ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS – WAS wird der Beitrag nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude berechnet. Die Grundstücksfläche der Fl.-Nrn. … und …, Gemarkung …, beträgt insgesamt 791 m², der Beitragssatz gemäß § 6 a) BGS – WAS 1,30 EUR. Die Geschossfläche beträgt laut Aufmaßblatt (Bl. 38 der Behördenakte) 384,86 m², der Beitragssatz gemäß § 6 b) BGS – WAS 5,00 EUR.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).