Titel:
Offensichtlich unbegründeter Asylantrag eines syrisch-armenischen Doppelstaatsangehörigen
Normenkette:
AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 2, § 36 Abs. 4
Leitsätze:
1. Nach § 36 Abs. 4 AsylG darf in Verfahren, in denen der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird, die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, namentlich des Ausspruchs der offensichtlichen Unbegründetheit bestehen. (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Der Asylantrag eines syrischen Staatsangehörigen, der zugleich auch die armenische Staatsangehörigkeit besitzt, kann schon aufgrund der mit der doppelten Staatsangehörigkeit einhergehenden in Armenien bestehenden Schutzmöglichkeit als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden (BVerwG BeckRS 2019, 37866). (Rn. 13) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
doppelte Staatsangehörigkeit, Täuschung über Staatsangehörigkeit, offensichtliche Unbegründetheit bei Schutzmöglichkeit durch Staat der weiteren, Staatsangehörigkeit, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, syrischer Asylbewerber, Doppelstaatsangehörigkeit, interner Schutz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13942
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht nach Armenien abgeschoben zu werden.
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Er ist nach seinen Angaben am … in Syrien geboren, reiste auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22.02.2023 einen förmlichen Asylantrag.
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Den Akten des Bundesamtes ist eine Syrische ID-Karte zu entnehmen. Weiterhin ergab ein Abgleich mit dem Europäischen Visa-Informationssystem, dass der Antragsteller bei der griechischen Botschaft in Yerevan (Armenien) mit einem armenischen Pass ein Schengen Visum erhalten hat.
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Zu seinem Asylantrag wurde der Antragsteller am …10.2023 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) angehört. Dabei gab er an, neben der syrischen keine anderen Staatsangehörigkeiten zu haben. Darauf angesprochen, dass dem Bundesamt laut VIS-Auszug (Europäischen Visa-Informationssystem) ein Hinweis vorliegt, dass er auch die armenische Staatsangehörigkeit besitze, fragte er zunächst, ob er die Wahrheit sagen müsse. Dann erklärte er, sein Vater sei armenischer Volkszugehörigkeit und besitze auch einen armenischen Pass. Er selbst habe die armenische Staatsangehörigkeit nicht. Darauf angesprochen, dass er laut VIS-Auszug armenischer Staatsangehöriger sei, erklärte er, er habe in Syrien durch einen armenischen Reisepass ein Visum beantragt. Auf die Frage, wo sich der armenische Reisepass befinde erklärte er, der Schleuser habe den Reisepass noch. Die armenische Staatsangehörigkeit könne man immer beantragen, wenn man von der Volkszugehörigkeit Armenier sei. Auf die Frage, ob er sich überlegt habe nach Armenien zu reisen, erklärte er, dort gebe es kein Asylsystem. Wenn man an die Zukunft denke, dann sei Deutschland besser als Armenien. Gegen eine Rückkehr nach Armenien spreche, dass dies ein kleines schwaches Land sei, das viele Probleme mit Aserbaidschan habe.
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Mit Bescheid vom 29.11.2023, der dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 16.12.2023 zuging, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab. Die Flüchtlingseigenschaft, sowie der subsidiäre Schutz wurden als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen und der Antragsteller – unter Androhung der Abschiebung nach Armenien – aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
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Der Antragsteller habe gesichert auch die armenische Staatsangehörigkeit. Dort sei er nicht vorverfolgt ausgereist und es gebe auch keine Anhaltspunkte für eine drohende Gefährdung dort. Auf die ausführliche Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
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Mit Schriftsätzen vom 18.12.2023 und 22.12.2023 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragt im letzten Schriftsatz zusätzlich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung führt seine Bevollmächtigte an, der Kläger solle angegeben haben, aus Syrien zu stammen und – zumindest auch – die syrische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Im Zuge des Krieges habe er sich als armenischer Christ offenbar auch in Armenien einbürgern lassen. Besitze jemand mehrere Nationalitäten, so sei hinsichtlich des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitze, aber aus dem er nicht stamme, die Frage des „externen Schutzes“ zu klären. Es stelle sich die verallgemeinerungsfähige Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden darf, wenn für den Herkunftsstaat das Vorliegen der Voraussetzungen des internationalen Schutzes anzunehmen sei, aber externer Schutz in Betracht kommt – wovon die Beklagte ausgehe. Nach Ihrer Auffassung sei dies aus systematischen Erwägungen im Hinblick auf die Figur des „internen Schutzes“ nicht möglich.
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Für die Beklagte hat das Bundesamt zuletzt mit Schriftsatz vom 28.12.2023 beantragt,
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Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zumindest im Ergebnis zutreffende Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 29.11.2023 verwiesen; sie wird zum Gegenstand der Begründung dieses Beschlusses gemacht (§§ 77 AsylG, 122, 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sind folgende Ausführungen veranlasst.
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Nach § 36 Abs. 4 AsylG darf in Verfahren, in denen der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird, die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, namentlich des Ausspruches der offensichtlichen Unbegründetheit bestehen (BeckOK AuslR/Pietzsch, 39. Ed. 01.01.2023, AsylG § 36 Rn. 39). Solche ernstlichen Zweifel hat die erkennende Einzelrichterin nicht.
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Auch wenn geringe Zweifel bestehen, ob die armenische Staatsangehörigkeit tatsächlich mit der VIS-Anfrage und den Angaben des Klägers als geklärt angesehen und der Antrag schon allein aufgrund der mit doppelten Staatsangehörigkeit einhergehenden in Armenien bestehenden Schutzmöglichkeit als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann (VG Würzburg B.v. 22.08.2019 – W 8 S 19.31544, BeckRS 2019, 21744; OVG NW B.v. 29.06.2020 – 19 A 1420/19.A – juris; BVerwG, B.v. 18.12.2019 – 1 C 2.19 – juris, Rn. 13), so kann nach überschlägiger Prüfung als Rechtsgrundlage für den Ausspruch der offensichtlichen Unbegründetheit § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG herangezogen werden. Demnach ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert. Der Antragsteller hat während des gesamten Verfahrensverlaufs widersprüchliche Angaben zu einer armenischen Staatsangehörigkeit gemacht. Er hat zunächst bei der Datenerfassung angegeben, die syrische Staatsangehörigkeit zu haben. Auf mehrfache Nachfragen in der Anhörung hat er schließlich angegeben, mit einem armenischen Pass ein Visum beantragt zu haben. Weiter hat er angegeben, die armenische Staatsangehörigkeit sei leicht zu beantragen. Dennoch habe er aber nur die syrische Staatsangehörigkeit. Dies alleine ist schon widersprüchlich. Es ist bei lebensnaher Betrachtung nicht einsichtig, warum der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben mit einem armenischen Pass ein Visum beantragt haben soll, ohne auch die armenische Staatsangehörigkeit zu besitzen, wenn diese für ihn nach seinen eigenen Angaben auch leicht zu erreichen ist. Gänzlich widersprüchlich wird der Vortrag schließlich, wenn man auch das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren in die Betrachtung einstellt. Hier räumt die Bevollmächtigte des Antragstellers schließlich selbst ein, dieser habe offenbar auch die armenische Staatsangehörigkeit. Nach alledem ist wegen der Täuschung über die Staatsangehörigkeit die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach summarischer Prüfung gerechtfertigt.
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Der Antrag ist daher abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.
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Diese Entscheidung ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.