Titel:
Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht bei Antrag auf Härteausgleich für Straßenausbaubeiträge
Normenketten:
BayKAG Art. 19a Abs. 6 S. 3, Abs. 7 S. 5
BayVwVfG Art. 24 Abs. 1, Abs. 2, Art. 25 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Der Nachweis des zu versteuernden Einkommens nach Art. 19a Abs. 7 S. 5 KAG ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährung eines Härteausgleichs. Die bloße Vorlage von Teilen des Einkommensteuerbescheids genügt idR nicht der erforderlichen Nachweispflicht. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Hinblick auf die Regelung in Art. 19a Abs. 6 S. 3 KAG ist die Härtefallkommission nicht verpflichtet, einen Antragsteller in allen Einzelheiten über die erforderlichen Unterlagen zu informieren, wenn die Anforderungen klar und eindeutig formuliert sind. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Umfang der behördlichen Betreuungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei auch die enorme Anzahl zu bewältigender Anträge innerhalb kürzester Frist herangezogen werden kann. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Härteausgleich für Straßenausbaubeiträge, Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht, unvollständige Übersendung des Einkommensteuerbescheids, Straßenausbaubeiträge, Härteausgleich, Härtefallkommission, Mitwirkungspflicht, Einkommensteuerbescheid, Gleichheitsgrundsatz
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.05.2024 – 6 ZB 24.565
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13863
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Härteausgleichs für die Festsetzung von Straßenausbaubeiträgen.
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Mit Bescheiden vom 22. November 2016 setzte die Stadt … gegenüber der Klägerin Straßenausbaubeiträge hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … in Höhe von 3.403,39 EUR und 3.672,44 EUR sowie in Bezug auf das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … in Höhe von 317,79 EUR fest.
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Die Klägerin beantragte unter dem 5. August 2019, eingegangen beim Beklagten am 8. November 2019, die Gewährung eines Härteausgleichs nach Art. 19a des Kommunalabgabengesetzes (KAG) bezüglich dieser Straßenausbaubeiträge. Dem Antrag fügte sie u.a. einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 bei.
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Mit Schreiben vom 4. November 2020 wies die Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge (Härtefallkommission) die Klägerin darauf hin, dass u.a. geeignete Unterlagen zum Nachweis über das zu versteuernde Einkommen für das Jahr 2016, z.B. Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2016, fehlen und setzte eine Frist zum Nachreichen der Unterlagen bis zum 9. Dezember 2020. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass der Antrag gemäß Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG ohne weitere Prüfung abgelehnt werde, wenn mit Ablauf der Frist kein vollständiger Antrag mit allen angeforderten Nachweisen vorliege. Daraufhin übersandte die Klägerin unter der E-Mail-Adresse ihres Sohnes am 30. November 2020 bzw. 2. Dezember 2020 mehrere Unterlagen, wobei nur die Seiten 1, 3 und 4 des Einkommensteuerbescheids 2016 als Anlage beigefügt waren.
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Am 2. Dezember 2020 wandte sich der Sohn der Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks der Geschäftsstelle der Härtefallkommission vom selben Tag telefonisch an diese und fragte an, ob es in Ordnung sei, dass er die Unterlagen per E-Mail eingereicht habe. Zudem fragte er, ob diese angekommen seien. Die zuständige Mitarbeiterin erklärte, dass in dem Verfahren keine Eingangsbestätigungen vorgesehen seien. Alle erforderlichen Informationen seien in ihrem Schreiben abschließend gelistet.
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Mit drei Bescheiden vom 21. März 2022 lehnte die Härtefallkommission die Anträge auf Gewährung eines Härteausgleichs für die Grundstücke FlNr. … und … ab. Zur Begründung wurde bezüglich der das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … betreffenden zwei Bescheide ausgeführt, es sei zwar ein formwirksamer Antrag gestellt worden, die Klägerin sei jedoch nicht antragsbefugt im Sinne des Art. 19a Abs. 7 KAG. Sie habe keine Nachweise vorgelegt, aus denen das zu versteuernde Einkommen im Jahr des Bescheiderlasses bzw. in einem Zeitraum von drei Jahren bis zum Jahr des Bescheiderlasses eindeutig hervorgehe (Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3, Satz 7 KAG). Die Klägerin sei der Mitwirkungsaufforderung der Härtefallkommission trotz Fristsetzung und Belehrung über die Folgen einer unentschuldigten Fristversäumung entsprechend den Vorgaben des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen. Gründe für eine Wiedereinsetzung (Art. 32 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG) seien weder vorgetragen noch von Amts wegen ersichtlich. Bezüglich des das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … betreffenden Bescheids wurde darauf verwiesen, dass keine Straßenausbaubeiträge, entsprechende Vorauszahlungen oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000,00 EUR abzüglich Erstattung oder Erlass festgesetzt worden seien (Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG). Ein Zustellungsnachweis für den Bescheid ist aus der Behördenakte nicht ersichtlich.
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Mit Schriftsatz vom 22. April 2022, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob die Klägerin Klage und beantragte,
- 1.
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Die drei Bescheide der Härtefallkommission vom 21. März 2022, Az.: …, für die Grundstücke mit den FlNr. … und … werden aufgehoben.
- 2.
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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.393,62 EUR abzüglich der Eigenbelastung in Höhe von 2.000,00 EUR, mithin insgesamt 5.393,62 EUR zu zahlen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Härtefallkommission habe übersehen, dass die Klägerin tatsächlich einen Betrag von über 2.000,00 EUR für das Anwesen …, … habe zahlen müssen. Der Gesamtbetrag ergebe sich aus den Teilbeträgen für die einzelnen Flurnummern. Trotz der drei Flurnummern stelle das Grundstück eine wirtschaftliche Einheit dar und werde alleine von der Klägerin bewohnt. Auch habe die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2020 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 nachgereicht, bei dem sich das zu versteuernde Einkommen bereits aus der Seite 1 ergebe. Die mittlerweile 96-jährige Klägerin sei am 15. Juni 1925 geboren. Sie habe lediglich geringe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie eine geringe Rente. Im Jahr 2016 habe ihr zu versteuerndes Einkommen -1.729,00 EUR betragen. Der Härtefallkommission habe auch der Bescheid aus dem Jahr 2018 vorgelegen, aus dem sich ebenso nur eine Summe der Einkünfte von knapp 7.801,00 EUR im Jahr ergebe. Die zu zahlenden Straßenausbaubeiträge stellten für die Klägerin allein schon aufgrund ihres Alters, der Höhe der Beiträge und ihres geringen Einkommens eine besondere Belastung dar.
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Die Härtefallkommission erwiderte hierzu mit Schriftsatz vom 1. August 2022 und beantragte,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf vollständige Erstattung der festgesetzten Straßenausbaubeiträge bestehe nach Art. 19a KAG ebenso wenig wie ein Anspruch auf Bewilligung eines Härteausgleichs. Die Gewährung eines Härteausgleichs stelle eine freiwillige Leistung des Beklagten dar, auf die nach Art. 19a Abs. 8 Satz 2 KAG kein Rechtsanspruch bestehe. Die auf die FlNr. … der Gemarkung … bezogenen Bescheide seien wegen eines Verstoßes gegen die Mitwirkungsobliegenheit abzulehnen gewesen. Bei dem von der Klägerin nachgereichten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 habe die zweite Seite gefehlt. Gerade das zu versteuernde Einkommen sei damit der Unterlage nicht zu entnehmen. Dieser Nachweis sei allerdings gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG unabdingbar zur Begründung der Antragsbefugnis. Der das Grundstück mit der FlNr. … betreffende Antrag sei abgelehnt worden, da es insoweit an den Voraussetzungen des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG gefehlt habe, der eine Festsetzung von mindestens 2.000,00 EUR erfordere. Anders als von der Klägerin angenommen, sei diese Bagatellgrenze nicht personenbezogen, sondern richte sich nach der jeweiligen Beitragspflicht, die sich wiederum aus dem Dreiklang aus Adressat des Beitragsbescheides, Flurnummer und Maßnahme zusammensetze.
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Unter dem 29. August 2022 replizierte die Klägerin, soweit erinnerlich habe dem Schreiben vom 30. November 2020 der komplette Einkommensteuerbescheid 2016 beigelegen. Das Schreiben habe der Sohn der Klägerin für diese abgeschickt. Die Einkünfte der Klägerin ergäben sich aber auch schon aus der Seite 1 des Einkommensteuerbescheids. Demnach habe die Klägerin allein negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehabt. Auf der vermeintlich fehlenden Seite 2 sei nur noch die Rente der Klägerin als sonstige Einkünfte benannt. Ferner ergebe sich deshalb auf Seite 1 auch eine festzusetzende Einkommensteuer von 0 EUR. Sich alleine auf das Fehlen von Unterlagen zu berufen, erscheine verfehlt. Dem Beklagten hätten ausreichende Informationen vorgelegen, um zu ersehen, dass sie zum damaligen Zeitpunkt nur geringste Einkünfte aufgrund einer minimalen Rente gehabt habe. Weiter hätte die fehlende Seite 2 aufgrund eines – auch telefonischen – Hinweises des Beklagten schnell und ohne großen Aufwand nachgereicht werden können. Immerhin habe die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2020 bereits weitere Unterlagen nachgereicht und gezeigt, dass sie zur Übermittlung der Unterlagen bereit und gewillt sei. Bei einem solch offensichtlichen Fehler wie einer fehlenden Seite hätte ein Hinweis sogar erfolgen müssen. Eine Verzögerung wäre nicht zu erwarten gewesen. Die Stellungnahme des Beklagten bleibe auch insofern nicht nachvollziehbar, soweit sie sich darauf beziehe, dass die Leistung freiwillig sei und ein Anspruch nicht bestehe. Denn immerhin habe sich der Beklagte durch die Ausübung seines Beurteilungsspielraums selbst gebunden. So habe der Beklagte Herrn H. eine Rückerstattung in Höhe von rund 23.000,00 EUR gewährt. Er sei wie die Klägerin im Jahr 2016 ebenfalls im Jahr 2016 von der Stadt … zu einer Zahlung von rund 27.000,00 EUR verpflichtet worden. Herr H. sei Rentner und erhalte aus dem Grundstück monatliche Pachteinnahmen im fünfstelligen Bereich. Weshalb Herr H. eine Rückerstattung erhalten habe und die Klägerin nicht, sei nicht nachvollziehbar und erscheine willkürlich.
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Mit Schriftsatz der Härtefallkommission vom 13. Dezember 2022 entgegnete der Beklagte, der Antrag der Klägerin sei hinsichtlich der beiden Beitragsbescheide betreffend das Grundstück FlNr. … ohne weitere Prüfung abzulehnen, da sie ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei, vgl. Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG: Bei dieser Entscheidung komme der Härtefallkommission kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu. Auf das Nachforderungsschreiben vom 4. November 2020 hin sei der vollständige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 nicht übermittelt worden. Rein vorsorglich sei der E-Mail-Eingang beim Beklagten erneut überprüft worden. Die Unterlagen seien per E-Mail am 30. November 2020 – wohl über das E-Mail-Postfach des Sohnes der Klägerin – eingereicht worden. Dieselben Unterlagen seien erneut mit E-Mail vom 2. Dezember 2020 – ebenfalls wohl über das E-Mail-Postfach des Sohnes der Klägerin – übermittelt worden. Darunter hätten sich auch die Seiten 1 (doppelt gescannt), 3 und 4 des Einkommensteuerbescheides von 2016 befunden. Die Seite 2 des Einkommensteuerbescheides von 2016 habe bei beiden E-Mails gefehlt. Das Risiko der fristgerechten Übermittlung der notwendigen Unterlagen trage die Klägerin. Sie hätte sich versichern können, ob die Unterlagen vollständig an den Beklagten verschickt worden seien. Dies wäre ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen. Mangels Übersendung vollständiger Unterlagen zum Nachweis des zu versteuernden Einkommens hätten die für die Prüfung des Antrags erforderlichen Informationen nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin könnten aus dem vorgelegten Steuerbescheid aus dem Jahr 2018 keine Rückschlüsse auf das maßgebliche zu versteuernde Einkommen im Jahr 2016 gezogen werden. Aus der unvollständigen Vorlage des Steuerbescheids aus dem Jahr 2016 ergäben sich weder die vollständigen Einkünfte noch das relevante zu versteuernde Einkommen. Unabhängig von der Frage, ob anhand der auf Seite 1 des Steuerbescheids ersichtlichen festgesetzten Einkommensteuer auf ein Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags geschlossen werden könne oder nicht, sei gemäß Art. 19a Abs. 7 und 9 KAG das zu versteuernde Einkommen nachzuweisen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Höhe des zu versteuernden Einkommens nicht nur für die Frage der Antragsbefugnis von Relevanz, sondern auch bei der Beurteilung der durch die Festsetzung des Straßenausbaubeitrags entstandenen Härte maßgeblich sei. Eine solche Beurteilung im Verhältnis zu anderen Antragsparteien könne aber nur in Kenntnis der Höhe des zu versteuernden Einkommens erfolgen. Festzuhalten sei, dass die Seite 2 des Einkommensteuerbescheids 2016 wiederholt nicht vorgelegt worden sei. Die Nachreichung im Rahmen des Klageverfahrens sei jedenfalls verspätet und könne wegen der gesetzlichen Vorgaben nicht berücksichtigt werden. Denn der Antrag sei bezüglich der beiden das Grundstück FlNr. … betreffenden Beitragsbescheide wegen fehlender Mitwirkung ohne weitere Prüfung abzulehnen gewesen, Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG. Ein weiterer Hinweis der Härtefallkommission oder eine erneute Fristsetzung zur Nachbesserung habe nicht als erforderlich erachtet werden müssen, da bereits im Nachforderungsschreiben mit Setzen der Ausschlussfrist darauf hingewiesen worden sei, dass eine weitere Prüfung auch bei andauernder Unvollständigkeit des Antrags nicht mehr stattfinden werde. Auch der Antrag der Klägerin hinsichtlich des Beitragsbescheids betreffend das Grundstück FlNr. … sei bereits deshalb abzulehnen gewesen, da die Klägerin auf das Nachforderungsschreiben des Beklagten vom 4. November 2020 den vollständigen Einkommensteuerbescheid 2016 nicht übermittelt habe. Insoweit werde vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen. Ungeachtet dessen, dass die Härtefallkommission bei jedem Antrag das Vorliegen und das Gewicht der ausgleichsfähigen Härte im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung mit dem ihr zustehenden freien Beurteilungsspielraum ermittelt habe, sei hinsichtlich des von der Klägerin in Bezug genommenen Antragstellers festgehalten, dass es sich aus Sicht des Beklagten um keinen vergleichbaren Fall handle.
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Unter dem 16. Januar 2023 zeigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine Vertretung an. Auf den richterlichen Hinweis vom 20. Dezember 2022 erwiderte er mit Schriftsatz vom 8. Februar 2023, entgegen dem Hinweis hätten der Härtefallkommission sämtliche Informationen vorgelegen, um eine Antragsbefugnis und einen besonderen Härtefall der Klägerin anzuerkennen. Die Klägerin sei im Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits 91 Jahre alt gewesen. Auch sei anhand der Informationen aus den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2016 und 2018 zu ersehen gewesen, dass die Klägerin ein zu versteuerndes Einkommen gehabt habe, das unter dem Grundfreibetrag und demnach unter dem steuergesetzlich bestimmten Existenzminimum gelegen habe. Es habe daher keine festzusetzende Steuer und keine Solidaritätszuschläge gegeben. Ihrem Schreiben vom 30. November 2020 habe die Klägerin auch den Kontoauszug vom 2. Februar 2017 beigefügt. Diesem sei zu entnehmen gewesen, dass der Kontostand am 5. Januar 2017 lediglich 5.476,61 EUR betragen habe. Ungeachtet dessen habe die Härtefallkommission gegen Art. 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG verstoßen. Sie habe den Amtsermittlungsgrundsatz missachtet und gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verstoßen. Der Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG liege darin, dass die Härtefallkommission entscheidungserhebliche Umstände schlicht unberücksichtigt gelassen und sich nur auf einen Fristablauf zur Hereingabe von Unterlagen berufen habe, den sie selbst mitverursacht hätte. Ein Anspruch der Klägerin lasse sich jedoch bereits anhand der im Verwaltungsverfahren vorhandenen Informationen begründen. Außerdem sei offenkundig, dass die Härtefallkommission den Pflichten aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht genügt habe. Mit den Schreiben vom 30. November 2020 und 2. Dezember 2020 habe die Klägerin die mit Schreiben der Härtefallkommission vom 4. November 2020 angeforderten Unterlagen eingereicht. Lediglich die Seite 2 des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2016 sei vergessen und stattdessen die Seite 1 aus Versehen doppelt eingereicht worden. Am 2. Dezember 2020 habe sich der Sohn der Klägerin sogar telefonisch erkundigt, ob die vorgenannten Schreiben samt Anlagen bei der Härtefallkommission angekommen seien. Daher habe ein offensichtliches Versehen vorgelegen. Für jedermann und so erst recht für einen durchschnittlichen Beamten sei dieses ohne Weiteres erkennbar gewesen. Ein kurzer Hinweis – telefonisch oder per E-Mail – hätte Abhilfe schaffen können. Hierzu wäre die Härtefallkommission ohne Weiteres und im Rahmen des Zumutbaren in der Lage gewesen. Die Kontaktdaten hätten vorgelegen. Bei frühzeitigem Hinweis hätte die Klägerin die Seite 2 sogar noch innerhalb der gesetzten Frist nachreichen können. Jedenfalls wäre eine Hereingabe der fehlenden Seite nach erfolgtem Hinweis noch vor der Entscheidung der Härtefallkommission möglich gewesen. Die Klägerin hätte sich auch nie gegen eine Hereingabe von Informationen und erst recht nicht beharrlich geweigert gehabt. Im Gegenteil sei sie stets gewillt und bemüht gewesen, die benötigten und angeforderten Informationen einzureichen. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass es sich um ein etwaiges Massenverfahren gehandelt habe. Behörden unterlägen auch im Massenverfahren grundsätzlich den Aufklärungs- und Belehrungspflichten aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG und demnach einer Verpflichtung, bei Antragstellern auf eine korrekte Antragstellung, etwa durch die Vorlage ergänzender Unterlagen, hinzuwirken. Allerdings richte sich der Umfang dieser Beratungs- bzw. Aufklärungs- und Belehrungspflicht nach den Umständen des Einzelfalls. Neben Aspekten wie etwa Schwierigkeit des Verfahrensgegenstandes, zu vermutender Kenntnisstand des Beteiligten, seine eventuelle Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden und seine Fürsorgebedürftigkeit erachte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) auch die enorme Anzahl innerhalb kürzester Zeit zu bewältigender Anträge als geeignetes und erhebliches Kriterium zur Bestimmung des Umfangs der Beratungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG. Wenn der BayVGH im Rahmen der Gewährung von Corona-Soforthilfen – einem zeitkritischen Verfahren zur Bewilligung von staatlichen Zuwendungen bei einer Vielzahl von Antragstellern – eine Verpflichtung nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vorsehe, müsse dies erst recht für das Verfahren der Härtefallkommission gelten. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aufgrund der in Art. 19a Abs. 6 Satz 1 KAG i.V.m. Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG geregelten Mitwirkungsobliegenheit. Trotz der Mitwirkungsobliegenheit hätte die Härtefallkommission ihrer Aufklärungspflicht genügen müssen, was unterblieben sei. Mit dem Spannungsverhältnis zwischen behördlicher Aufklärungspflicht und der Mitwirkungspflicht von Verfahrensbeteiligten habe sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2020 (9 BN 2/19 – juris) zu § 86 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auseinandergesetzt. Demnach könnten die Anforderungen an die Ermittlungspflicht herabgesetzt sein. Ein gänzlicher Wegfall der Amtsermittlung wie im vorliegenden Fall sei jedoch gerade nicht zu rechtfertigen. Die Härtefallkommission hätte ihrem Untersuchungsgrundsatz Rechnung tragen und einen Hinweis nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG geben müssen. Vor diesem Hintergrund verbiete sich auch eine strikte Ablehnung des Antrags nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG. Eine strikte Anwendung würde einen Verstoß gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip sowie das Kooperationsprinzip darstellen. Auch läge ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Zwar habe die Klägerin der Mitwirkungsobliegenheit aus einem offensichtlichen Versehen nicht genügt. Die Härtefallkommission habe jedoch einen zwingend zu erteilenden Hinweise unterlassen. Demnach sei auch der ausbleibende Hinweis (mit) kausal für die Fristsäumnis gewesen. Das schlichte Berufen auf einen Fristlauf sei daher mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar. Abgesehen davon werde ein im Verfahren angelegter Ausschluss materiell-rechtlicher Positionen für das folgende verwaltungsgerichtliche Verfahren in der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Zweifel gezogen. Eine solche Beschränkung stehe nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Rechtsanspruch auf gerichtliche Kontrolle der Exekutive. Infolgedessen müsse das Verwaltungsgericht erstmals vor Gericht vorgebrachte Tatsachen oder Sachverhalte auch dann bei seiner Entscheidung berücksichtigen, wenn diese aus taktischen Gründen im Verwaltungsverfahren zurückgehalten worden seien. Wenn jedoch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Informationen zu berücksichtigen seien, die aus taktischen Gründen im Verwaltungsverfahren zurückgehalten worden seien, dann müsse dies erst recht für Informationen gelten, die aus Versehen nicht eingereicht worden seien. Die Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und die Hinweispflicht stellten entscheidungserhebliche Verfahrensmängel dar.
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Der Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 31. März 2023 nochmals dahingehend Stellung, dass die mit Nachforderungsschreiben vom 4. November 2020 geforderten Unterlagen zum Nachweis des zu versteuernden Einkommens für das Jahr 2016 gerade nicht vollständig fristgerecht vorgelegt worden seien. Anders als von der Klägerin angenommen, komme es auf den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 mit Blick auf die betroffenen Festsetzungen aus dem Jahr 2016 schon nicht an, vgl. Art. 19a Abs. 7 Satz 5 KAG. Dem für das Jahr 2016 nur unvollständig eingereichten Beleg ermangele es an den erforderlichen Informationen. Gemäß Art. 19a Abs. 7 und 9 KAG sei das zu versteuernde Einkommen nachzuweisen. Dem Beklagten erschließe sich nicht, welche diesbezüglichen Erkenntnisse ein Kontoauszug bzw. Kontostand zu geben vermöge; zumal es der Klägerin freistehe, mehrere Konten zu führen, worüber der Beklagte keine Kenntnis habe. Ungeachtet dessen sei es auch nicht Aufgabe der Härtefallkommission gewesen, einen Datenabgleich vorzunehmen. Dies sei in einem Massenverfahren wie dem vorliegenden weder zumutbar noch möglich, weshalb Art. 19a Abs. 6 Satz 1 KAG gerade auch vorsehe, dass die geforderten Unterlagen und Nachweise von der Antragspartei beizubringen seien. Wegen der klaren gesetzgeberischen Vorgaben könne das Alter der Klägerin für die vorliegende Entscheidung nicht von Relevanz sein. Im Übrigen sei angemerkt, dass sie ausweislich der Behördenakte im Antragsverfahren und insbesondere bei der Nachreichung der Unterlagen von Herrn S. unterstützt worden sei. Da der Antrag bereits wegen fehlender Mitwirkung gemäß Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG ohne weitere Prüfung abzulehnen gewesen sei, sei das Vorliegen einer ausgleichsfähigen Härte im Sinne des Art. 19 Abs. 9 KAG entgegen den klägerischen Ausführungen nicht mehr zu prüfen. Der erst im Rahmen des Klageverfahrens vorgelegte vollständige Einkommensteuerbescheid 2016 könne wegen der klaren gesetzgeberischen Vorgabe in Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führen. Soweit das von der Klägerin in Bezug genommene Urteil des EuGH vom 15. Oktober 2015 (C-137/14 – juris) auf den vorliegenden Sachverhalt überhaupt in irgendeiner Weise anwendbar sein sollte, so handele es sich bei Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG jedenfalls um eine dort explizit vorgesehene spezifische Verfahrensvorschrift. Die Klägerin rüge nunmehr verschiedene Verfahrensfehler, die allesamt jedoch nicht einschlägig seien. Eine Verletzung von Art. 24 BayVwVfG sei nicht gegeben. Vorliegend sei die Klägerin der Mitwirkungsaufforderung des Beklagten trotz Fristsetzung und Belehrung über die Folgen einer unentschuldigten Fristversäumung entsprechend den Vorgaben des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen und habe insofern gegen die spezialgesetzlichen Mitwirkungsobliegenheiten verstoßen. Bei dieser Entscheidung komme der Härtefallkommission gerade kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu. Auch Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sei demnach im Lichte dieses Verfahrens und insbesondere der spezialgesetzlichen Regelung des Art. 19a Abs. 6 KAG zu betrachten. Welche konkreten Pflichten die Behörde träfen, hänge von den Umständen des Verfahrens ab. Bei einem Massenverfahren würde eine individuelle Prüfung jedes einzelnen Antrags regelmäßig die Kapazitäten der Verwaltung überfordern, weshalb in derartigen Fällen eine Vorabprüfung auf Vollständigkeit nicht in jedem Einzelfall erwartet werden könne. Gleichwohl sei im vorliegenden Verfahren mit der Nachforderung Gelegenheit gegeben worden, den Antrag bzw. die zur Prüfung erforderlichen Nachweise zu vervollständigen. Unbestritten seien die nachgereichten Unterlagen von der E-Mail-Adresse des Herrn … verschickt worden, der die Klägerin im Antragsverfahren unterstützt habe. Der Beklagte gehe davon aus, dass, bevor derart wichtige Unterlagen verschickt würden, die Anhänge auf Fehler noch einmal geprüft würden. Dass gegen diese zumutbaren Sorgfaltspflichten scheinbar vorliegend verstoßen worden sei, könne nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Das Risiko der fristgerechten Übermittlung der notwendigen Unterlagen habe hingegen die Klägerin zu tragen. Die Ausführungen zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben überzeugten daher vorliegend ebenfalls nicht. Vielmehr lasse sich der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hierzu entnehmen, dass Antragsteller in einem Verfahren der Leistungsverwaltung, wie dem vorliegenden, nicht zuletzt wegen § 246 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) erhöhte Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben träfen. Entsprechenden Belehrungs- und Aufklärungspflichten sei der Beklagte bereits im Antragsformular nachgekommen. Zudem sei angemerkt, dass das vorliegende Verfahren nicht mit Corona-Soforthilfen verglichen werden könne. Zunächst existiere vorliegend mit Art. 19a Abs. 6 KAG gerade eine Spezialregelung zu Mitwirkungspflichten der Antragspartei. Außerdem diene die Corona-Soforthilfe laut dem genannten Beschluss der Vermeidung existenzbedrohender Liquiditätsengpässe. Der vorliegende Härteausgleich möchte hingegen, als freiwillige Leistung des Beklagten, anteilige Härten ausgleichen, die sich im Zusammenhang mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ergeben hätten. Unter Verweis auf die vorherigen Ausführungen sei für den Beklagten nicht ersichtlich, wie die Klägerin zu der Annahme eines „gänzlichen Wegfalls der Ermittlungspflichten“ komme. Auf die Gelegenheit, im Rahmen der Nachforderung Unterlagen nachzureichen, werde nochmals hingewiesen. Ein erneuter Hinweis oder eine weitere Fristsetzung zur Nachbesserung sei gerade nicht veranlasst gewesen. Bei dem vorliegenden Verfahren handle es sich um ein mit eigenen Zugangsvoraussetzungen versehenes Leistungsverfahren. Der Klägerin oblägen nach dem Willen des Gesetzgebers erhöhte Mitwirkungsanforderungen.
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Mit Schriftsatz vom 14. April 2023 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiter aus, die Ausführungen des Beklagten belegten, dass ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip vorläge. Die Hinweise des Beklagten zur Beweislast blieben irrelevant. Soweit der Beklagte weiterhin am Begriff des „zu versteuernden Einkommens“ festhalte, verkenne er, dass eine Antragsbefugnis und ein Härtefall offenkundig vorgelegen hätten bzw. vorlägen. Diese ergäben sich aus den im Verwaltungsverfahren vorliegenden Unterlagen und Informationen. Die exakte Höhe des zu versteuernden Einkommens sei nicht relevant. Die Klägerin habe ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags gehabt, weshalb keine Steuer festzusetzen gewesen sei. Der Beklagte habe naheliegende Überlegungen nicht angestellt. Stattdessen habe er sich mit dem Fehlen einer Seite schlicht auf unvollständig eingereichte Unterlagen insgesamt berufen, ohne den Informationsgehalt der vorliegenden Unterlagen auszuwerten. Soweit der Beklagte vortrage, das Alter sei für die Bewertung eines Härtefalls ebenso wenig ausschlaggebend wie ein Kontoauszug, verkenne er die Regelung des Art. 19a Abs. 9 Satz 1 KAG, die auch auf die Einkommensverhältnisse abstelle. Es bleibe demnach im Grunde auch nicht entscheidend, ob ein vermeintliches „Massenverfahren“ vorgelegen habe und ob es dem Beklagten zumutbar gewesen sei, Bescheide in jedem Einzelfall zu prüfen. Das Vorliegen eines solchen Verfahrens und die nicht vorhandenen bzw. zumutbaren personellen und zeitlichen Möglichkeiten zur Einzelfallprüfung habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Februar 2023 bestritten. Ein zeitkritisches Moment habe offensichtlich nicht vorgelegen. Der Beklagte habe erst zweieinhalb Jahre nach Ablauf der Frist zum 31. Dezember 2019 aus Art. 19a Abs. 5 Satz 1 KAG entschieden. Im vorliegenden Fall wäre noch ausreichend Zeit und Gelegenheit vorhanden gewesen, die aufgrund eines offensichtlichen Versehens fehlende Seite 2 des Einkommensteuerbescheids nachzufordern. Abgesehen davon würde eine etwaige personelle Unterbesetzung und eine hieraus folgende ungenaue, dem Gesetzeszweck widersprechende Bearbeitung der Anträge gegen den Vorrang des Gesetzes und somit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen.
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Mit Schriftsatz vom 16. September 2021 ergänzte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der Beklagte irre in der Annahme, das Verwaltungsverfahren sei ordnungsgemäß abgelaufen, die Härtefallkommission könne sich auf Ausschlussfristen berufen und der Antrag der Klägerin sei zutreffend verbeschieden worden. Wie bereits vorgetragen, habe der Beklagte gegen die Verpflichtung aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG verstoßen, die auch in einem sog. Massenverfahren zu berücksichtigen sei. Der Beklagte könne sich daher nicht auf die Ausschlussfrist des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG berufen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – juris) verpflichte § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) die Behörde zwar nicht zu einer generellen Vorprüfung der Antragsunterlagen, die vor Ablauf der Antragsfrist eingegangen seien. Stelle sie jedoch bei kursorischer Durchsicht der Antragsunterlagen fest, dass der Antrag offensichtlich fehlerhaft sei, habe sie Antragsteller regelmäßig auf ein solches Defizit und die Beseitigung des Fehlers hinzuweisen. Laut Behördenakte sei der Beklagte diesem Erfordernis nicht nachgekommen. Die E-Mail vom 30. November 2020 sei bei der Speicherung durch die Behörde im Betreff mit „unvollständig“ bezeichnet worden. Trotz Kenntnis des Beklagten von der Unvollständigkeit sei ein dahingehender Hinweis unterblieben, obwohl sich Herr … nach dem Eingang nach der Vollständigkeit der Unterlagen erkundigt hätte. Bei entsprechendem Hinweis im Telefonat vom 2. Dezember 2020 wäre es ihm und der Klägerin möglich gewesen, die fehlende Seite 2 nachzureichen. Vor diesem Hintergrund bleibe dem Beklagten ein Berufen auf die Ausschlussfrist verwehrt. Immerhin habe der Beklagte die Klägerin bewusst, sehenden Auges und ohne Hinweis in die Ausschlussfrist laufen lassen.
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Der Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2023 hierzu dahingehend Stellung, dass es sich bei dem Zusatz „unvollständig“ leidglich um einen internen Bearbeitungshinweis der Geschäftsstelle handle, der zudem erst nach Ablauf der Ausschlussfirst hinzugefügt worden sei. Die Regelung des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sei zudem im Lichte des Verfahrens und insbesondere der spezialgesetzlichen Regelung des Art. 19a Abs. 6 KAG zu betrachten. Eine individuelle Vorabprüfung jedes einzelnen Antrags auf dessen Vollständigkeit habe im Rahmen des Massenverfahrens nicht durchgeführt werden können und sei auch nicht durchgeführt worden. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass sich der Vertreter der Klägerin telefonisch nach der Vollständigkeit der Unterlagen erkundigt hätte. Eine derartige Bestätigung der Vollständigkeit sei in einer Vielzahl von Verfahren seitens der Antragsparteien erbeten worden. Die Erteilung einer solchen Bestätigung hätte eine verbindliche inhaltliche Vorabprüfung und -entscheidung erforderlich gemacht, die zu einer sachgrundlosen Besserstellung gegenüber anderen Antragsparteien geführt hätte, die keine weitere Gelegenheit der Vervollständigung erhalten hätten und deren Antrag nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG abgelehnt worden sei. Im Übrigen hätten inhaltliche Entscheidungen aufgrund der Besonderheiten des Härteausgleichverfahrens nur durch die unabhängige und an fachliche Weisungen nicht gebundene Härtefallkommission getroffen werden können und nicht im Rahmen einer Vorabprüfung durch ihre Geschäftsstelle.
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Mit Schriftsätzen vom 10. Dezember 2023 bzw. 22. Dezember 2023 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
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Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer solchen formwirksam verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
21
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat wegen Verstoßes gegen die Mitwirkungspflicht gemäß Art. 19a Abs. 6 Satz 1 bis 3 KAG keinen Anspruch auf Gewährung eines Härteausgleichs; die streitgegenständlichen Bescheide vom 21. März 2022 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
22
Der Bayerische Gesetzgeber hat sich im Jahr 2019 dazu entschieden, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen rückwirkend zum 1. Januar 2018 abzuschaffen. Um mit der stichtagsgebundenen Abschaffung einhergehende Härten abzufedern, hat er flankierend freiwillige Ausgleichszahlungen für besondere Härtefälle bestimmt und einen entsprechenden Härtefallfonds eingerichtet. Die Gewährung eines solchen Härteausgleichs hat er in Art. 19a KAG an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. So hat er in Art. 19a Abs. 6 Satz 1 bis 3 KAG eine Mitwirkungspflicht statuiert. Danach hat jeder Antragsteller bei der Ermittlung des Sachverhalts sowohl im Rahmen der Bewilligung als auch im Rahmen einer etwaigen späteren Überprüfung mitzuwirken und geforderte Unterlagen oder Nachweise beizubringen (Satz 1). Die Kommission kann für die Mitwirkung jeweils angemessene Fristen setzen (Satz 2). Ein Antrag wird ohne weitere Prüfung abgelehnt oder eine bereits erteilte Bewilligung widerrufen oder zurückgenommen, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nach Satz 1 und 2 nicht fristgerecht nachkommt und auf Verlangen der Kommission nicht unverzüglich glaubhaft macht, dass die Verspätung nicht auf seinem Verschulden beruht; hierauf ist der Antragsteller bei der Fristsetzung hinzuweisen (Satz 3).
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1. Die Klägerin wurde hier in ausreichender Weise sowohl auf ihre nach Art. 19a Abs. 6 Satz 1 KAG bestehende Mitwirkungspflicht als auch auf die – nach dem Gesetzeswortlaut zwingende – Rechtsfolge eines Verstoßes gegen diese Mitwirkungspflicht nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG belehrt. Mit Schreiben der Härtefallkommission vom 4. November 2020 wurde sie aufgefordert, bis spätestens 9. Dezember 2020 unter anderem geeignete Unterlagen zum Nachweis über das zu versteuernde Einkommen für das Jahr 2016, z.B. Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2016, vorzulegen. Hieraus müsse der Steuerschuldner, der Veranlagungszeitraum und das zu versteuernde Einkommen erkennbar sein. Außerdem wurde sie darauf hingewiesen, dass ihr Antrag ohne weitere Prüfung abgelehnt werde, wenn bis Fristablauf kein vollständiger Antrag mit allen angeforderten Nachweisen vorliege, es sei denn, die Fristversäumnis wäre unverschuldet, was die Klägerin unverzüglich glaubhaft zu machen habe.
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2. Die von der Klägerin mit E-Mail ihres Sohnes vom 30. November 2020 vorgelegten Seiten 1, 3 und 4 des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2016 genügten jedoch nicht, den erforderlichen Nachweis für die Antragsbefugnis nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG zu erbringen. Nach dieser Vorschrift setzt die Antragsbefugnis für den hier streitgegenständlichen Härteausgleich unter anderem voraus, dass der Antragsteller im Jahr der Festsetzung der Belastung über ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 100.000 EUR verfügte. Nach Art. 19a Abs. 7 Satz 5 KAG richtet sich das zu versteuernde Einkommen nach Wahl der Antragsteller entweder nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Steuerbescheid des Jahres des Bescheiderlasses oder nach dem Mittelwert der durch im Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Steuerbescheide belegten Einkommen aus einem Dreijahreszeitraum, dessen letztes Jahr dem Jahr des Bescheiderlasses entspricht.
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Schon aus der Formulierung in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG ergibt sich, dass auf das zu versteuernde Einkommen abzustellen ist. Auch mit dem Schreiben der Härtefallkommission vom 14. November 2020 wurden ausdrücklich „geeignete Unterlagen zum Nachweis über das zu versteuernde Einkommen für das Jahr 2016, z.B. Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2016 (…)“ gefordert. Ebenso war im von der Klägerin ausgefüllten Antragsformular ausdrücklich nach dem zu versteuernden Einkommen im Jahr des Bescheiderlasses gefragt. Darüber hinaus enthielt das Formular einen ausführlichen Hinweis zum zu versteuernden Jahreseinkommen, wonach sich das zu versteuernde Jahreseinkommen entweder nach dem Steuerbescheid des relevanten Jahres oder als Mittelwert der Einkommen aus einem Dreijahreszeitraum bestimmt. Auch ohne Kenntnis des Gesetzeswortlautes in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG war vor diesem Hintergrund klar und eindeutig erkennbar, dass es sich bei dem verlangten Nachweis um einen Nachweis des zu versteuernden Einkommens handeln musste.
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Den von der Klägerin vorgelegten Seiten 1, 3 und 4 des Einkommensteuerbescheids für 2016 sind die festgesetzte Einkommensteuer und der festgesetzte Solidaritätszuschlag zu entnehmen. Außerdem sind auf der Seite 1 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung genannt. Seite 3 enthält die Erläuterungen zur Festsetzung und Seite 4 die Rechtsbehelfsbelehrung. Das zu versteuernde Einkommen ist jedoch auf der – nunmehr unstreitig – nicht vorgelegten Seite 2 des Einkommensteuerbescheids für 2016 aufgeführt. Es berechnet sich aus der Summe der Einkünfte abzüglich der Versicherungsbeiträge sowie der Sonderausgaben- und Behinderten-Pauschbeträge und wurde mit -1.347 EUR beziffert. Eine direkte Ableitung des zu versteuernden Einkommens aus der festgesetzten Einkommensteuer oder aus den übrigen auf den übersandten Seiten enthaltenen Angaben ist nicht möglich.
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3. Eine Nachfrage nach der Vollständigkeit der Unterlagen von Seiten der Klägerin bzw. ihres Sohnes erfolgte entgegen der Behauptung der Klägerin ebenso wenig wie eine dahingehende Bestätigung von Seiten der Geschäftsstelle der Härtefallkommission. Laut Aktenvermerk vom 2. Dezember 2020 fragte der Sohn der Klägerin bei seinem Anruf bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission am selben Tag lediglich, ob es in Ordnung sei, dass er die Unterlagen per E-Mail eingereicht habe und ob diese angekommen seien. Wie ebenfalls aus dem Aktenvermerk ersichtlich ist, wurde der Sohn der Klägerin aber informiert, dass im Verfahren keine Eingangsbestätigungen vorgesehen sind. Alle erforderlichen Informationen seien im Schreiben der Härtefallkommission abschließend aufgelistet.
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Im Hinblick auf die Regelung in Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG, auf die die Klägerin hingewiesen worden war, bestand insoweit auch kein Anlass für die Härtefallkommission, sich nochmals an die Klägerin zu wenden und nach dem zu versteuernden Einkommen der Klägerin zu forschen. Entgegen der Ansicht der Klägerin musste also weder ein Anruf noch ein anderer Hinweis von Seiten des Beklagten erfolgen, um es ihr zu ermöglichen, die geforderten Unterlagen nachzureichen. Auch war die Härtefallkommission nicht verpflichtet, sich das zu versteuernde Einkommen der Klägerin aus den weiter vorliegenden Unterlagen bzw. Daten, wie beispielsweise dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 oder dem Alter der Klägerin, zu erschließen. Hiergegen spricht schon, dass es sich dabei um eine bloße Schätzung hätte handeln können. Eindeutige Rückschlüsse auf das zu versteuernde Einkommen hätten – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht aus dem von ihr vorgelegten Kontoauszug, der die erfolgte Zahlung der Straßenausbaubeiträge belegen sollte, gezogen werden können.
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Vielmehr hätte es der Klägerin oblegen, innerhalb der ihr gesetzten Frist einen hinreichenden Nachweis für ihr zu versteuerndes Einkommen zu erbringen. Da sie dies nicht getan hat, entfiel ihre Antragsbefugnis (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2023 – 6 ZB 23.533 – juris Rn. 4). Insoweit ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2022 – 6 C 21.2701 – juris Rn. 10; B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 15; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 113 VwGO Rn. 268; eingehend auch VG Bayreuth, G.v. 9.11.2022 – B 8 K 22.390 – juris Rn. 54 ff. m.w.N.): Die Härtefallkommission hatte nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG Anträge ohne weitere Prüfung abzulehnen, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht fristgerecht nachgekommen ist, ohne unverzüglich glaubhaft zu machen, dass die Verspätung nicht auf seinem Verschulden beruht. Alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen oder erkennbar war, konnte und musste daher im Rahmen der Behördenentscheidung außer Acht gelassen werden. Es widerspräche damit der Intention des Gesetzgebers, wenn erst nach Bescheiderlass vorgelegte Unterlagen und Nachweise noch Berücksichtigung fänden.
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4. Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht führt nach der gesetzgeberischen Konstruktion zur zwingenden Ablehnung eines Antrags auf Härteausgleich (Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG: „wird“; LT-Drs. 18/1552, S. 4: „Erfolgt dies nicht, ist ein Härtefallausgleich zu versagen.“). Hierauf hat der Beklagte im Schreiben vom 4. November 2020 hingewiesen. Unter anderem mit Blick auf die klare gesetzliche Regelung sowie den Umstand, dass auf die Leistung kein Anspruch besteht (vgl. Art. 19a Abs. 8 KAG), ist die Ablehnung des streitgegenständlichen Härteausgleichsantrags daher nicht zu beanstanden. Darauf, ob der beantragte Härteausgleich betreffend das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … auch deshalb abzulehnen gewesen wäre, weil nicht Straßenausbaubeiträge in Höhe von mindestens 2.000,00 EUR festgesetzt wurden (vgl. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG), kommt es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an.
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5. Entgegen der vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragenen Ansicht liegen hier keine Verstöße gegen Art. 24 Abs. 1 und 2 oder Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vor. Gemäß Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Art. 24 Abs. 2 BayVwVfG regelt, dass die Behörde alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen hat. Die Sachverhaltsermittlungspflicht wird durch die verfahrensrechtliche Mitwirkungslast des Betroffenen eingeschränkt (Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs/, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 24 Rn. 28 m.w.N.). Eine solche ergibt sich aus Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG oder spezialgesetzlichen Regelungen. Die Mitwirkungsobliegenheit aus Art. 19a Abs. 6 Satz 1 und 2 KAG führte vorliegend dazu, dass die Klägerin die geforderten Unterlagen sowie Nachweise beizubringen hatte und es – bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen – nicht der Härtefallkommission zur Last gelegt werden kann, wenn dies nicht geschehen ist. Bei der von Klägerseite zur Aufklärungspflicht genannten Rechtsprechung des BVerwG (B.v. 27.2.2020 – 9 BN 2/19 – juris) ist überdies zu berücksichtigen, dass es dort nicht um die behördliche Sachverhaltsermittlungspflicht, sondern um die gerichtliche Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ging.
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Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Der Umfang dieser Betreuungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs/, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 25 Rn. 24 m.w.N). Zur Bestimmung des Umfangs der Beratungspflicht soll nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung auch die enorme Anzahl innerhalb kürzester Frist zu bewältigender Anträge herangezogen werden können (BayVGH, B.v. 20.7.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris). Hier hat die Härtefallkommission die Klägerin mit Schreiben vom 4. November 2020 nach erfolgter Antragstellung unter Setzung einer Frist u.a. zur Vorlage von geeigneten Unterlagen zum Nachweis des zu versteuernden Einkommens aufgefordert und einen Hinweis nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG erteilt. Damit hat sie den spezialgesetzlichen Anforderungen des Art. 19a Abs. 6 KAG Genüge getan. Eine weitergehende Betreuungspflicht, etwa in Form einer nochmaligen Fristsetzung oder Kontaktaufnahme kann ihr deshalb und auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Gewährung von Härteausgleich um ein sog. Massenverfahren handelt, nicht auferlegt werden. Dementsprechend kann auch die Rechtsprechung des BVerwG zur behördlichen Beratungspflicht (U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – juris Rn. 24), bei der keine spezialgesetzliche Mitwirkungsobliegenheit im Raum stand, nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Dies gilt gleichermaßen für die Rechtsprechung des EuGH (U.v. 15.10.2015 – C-137/14 – juris), zumal im vorliegenden Fall – wie oben dargestellt – geklärt ist, dass auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen ist.
33
6. Auch ist für das Gericht vorliegend angesichts der klaren spezialgesetzlichen Regelungen und deren Befolgung durch die Härtefallkommission sowie mangels besonders zu berücksichtigender Umstände des Einzelfalls kein Verstoß gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip, das Kooperationsprinzip oder den Grundsatz von Treu und Glauben zu erkennen.
34
Ebenso scheidet auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, die die Klägerseite mit einer Bezugnahme auf Herrn H., einen Nachbarn der Klägerin, zu belegen versucht, aus. Diesem sei eine Rückerstattung in Höhe von rund 23.000,00 EUR gewährt worden. Herr H. sei Rentner und erhalte aus dem Grundstück monatliche Pachteinnahmen im fünfstelligen Bereich. Weshalb Herr H. eine Rückerstattung erhalten habe und die Klägerin nicht, sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar und erscheine willkürlich. Dabei verkennt die Klägerin, dass der Ablehnung des von ihr beantragten Härteausgleichs keine weitere Prüfung zugrunde liegt, sondern sie lediglich auf einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 19a Abs. 6 Satz 1 und 2 KAG zurückzuführen ist. Dies folgt der klaren gesetzlichen Regelung aus Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG.
35
7. Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG ist gegenüber Art. 32 BayVwVfG spezieller und verdrängt das dort geregelte Rechtinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Im Übrigen handelt es sich vorliegend nicht um eine gesetzliche, sondern behördliche Frist, sodass Art. 32 BayVwVfG auch deshalb nicht einschlägig ist. Der behördliche Fristen betreffende Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG hilft wegen der vorrangigen Spezialregelung des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG ebenfalls nicht weiter. Zudem scheidet ab Bescheiderlass eine rückwirkende Fristverlängerung durch die Härtefallkommission aus.
36
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Verfahrenskosten zu tragen hat.
37
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).