Titel:
Zur Mitwirkungsobliegenheit des Veranstalters im Verfahren der Zuerkennung von Fortbildungspunkten
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5
BayVwVfG Art. 26 Abs. 2 S. 1, S. 2
Fortbildungsordnung (FO) 2013 § 8 Abs. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Zuerkennung von Fortbildungspunkten zusteht, ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. (Rn. 24) (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bestehen aus der Perspektive der Behörde hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Inhalte einer Fortbildungsveranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind, besteht für den Veranstalter eine Mitwirkungsobliegenheit, die Inhalte der Veranstaltung näher darzulegen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entscheidungserheblicher Zeitpunkt, Fortbildungsveranstaltung, Pharmazeutische Industrie, Zuerkennung von Fortbildungspunkten, Wirtschaftliche Interessen, Mitwirkungsobliegenheit, Fortbildungspunkte, Wirtschaftliches Interesse, Fortbildungszertifikat, Landesärztekammer
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.06.2021 – M 27 K 19.5022
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13859
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 17. Juni 2021 aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Bei der Klägerin handelt es sich um ein auf Hormonprodukte spezialisiertes Pharmaunternehmen, welches für ein im Mai 2019 abgehaltenes Symposium von der Beklagten die Zuerkennung von Fortbildungspunkten begehrt.
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Am 15. März 2019 beantragte die Klägerin online über ein dafür vorgesehenes Portal bei der Beklagten die Zuerkennung von Fortbildungspunkten für die Fortbildungsveranstaltung „… … …“. Dabei übermittelte sie neben den erforderlichen Angaben einschließlich der Benennung der einzelnen Kursteile einen Flyer des Programms, auf dessen erster Seite unten mittig das Logo der Klägerin und im weiteren Verlauf unter dem Punkt „Anmeldung-Veranstaltungsmanagement“ deren Kontaktdaten aufgedruckt waren. Auf der letzten Seite befand sich sowohl das Logo der Klägerin als auch deren Kontaktdaten mit einem Hinweis auf die Homepage des Unternehmens. Als ärztlicher Kursleiter der Veranstaltung wurde Herr Prof. Dr. … benannt.
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Mit E-Mail vom 9. April 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Veranstaltung keine Fortbildungspunkte zuerkannt werden könnten, da deren Inhalt nicht frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter und von kommerziellen Einflüssen sei. In einer E-Mail vom 16. April 2019 wird dies dahingehend erläutert, dass man auf der Grundlage der entsprechenden Regelungen der Fortbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer (Fortbildungsordnung) und der BLÄK-Vorstands-Richtlinie (Richtlinie) zur Bewertung von Fortbildungsmaßnahmen, welche Transparenz und Neutralität fordern würden, die ablehnende Entscheidung getroffen habe. Auf dem Programmflyer befinde sich die Wort-Bild-Marke der Klägerin und es sei ein Link auf deren Homepage ersichtlich. Folge man dem Link, so finde man die Startseite mit mehreren Produkten der Klägerin, welche auf die Fortbildungsinhalte zutreffen würden. Es bestünde im Übrigen auch die Gefahr, dass die teilnehmenden Ärzte gegen berufsrechtliche Regelungen verstoßen würden. Als Ärztlicher Leiter oder als Referent habe der Arzt die ärztliche Unabhängigkeit sicherzustellen und eine finanzielle Unterstützung offenzulegen. Auch die Richtlinie zur Bewertung von Fortbildungsmaßnahmen fordere, dass bei einer Einflussnahme von finanziellen Förderern bzw. Sponsoren auf fachliche Inhalte und / oder Gestaltung der Präsentationen einer Fortbildungsveranstaltung keine Fortbildungspunkte zuerkannt werden dürften. Eine entsprechende Einflussnahme der Veranstalterin könne nicht ausgeschlossen werden. Im Zuge weiteren Schriftwechsels wies die Klägerin unter anderem darauf hin, dass die Inhalte der einzelnen Vorträge keinen Produktbezug aufweisen würden, keine missbräuchliche Verwendung von Marketinginstrumenten stattgefunden habe und bereits in der Vergangenheit entsprechende Veranstaltungen anstandslos zertifiziert worden seien.
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Vom 10. bis zum 12. Mai 2019 wurde die Fortführungsveranstaltung durchgeführt. Zum 6. Juni 2019 bestellte sich der Bevollmächtigte für die Klägerin und wandte sich außergerichtlich mit der Bitte um Überdenkung der Entscheidung, keine Fortbildungspunkte zuzuerkennen, an die Beklagte, welche jedoch an ihrem bisherigen Standpunkt festhielt und auf die erteilte Begründung verwies.
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Mit ihrer Klage vom 2. Oktober 2019 beantragte die Klägerin die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 9. April 2019 sowie der diesen bestätigenden E-Mail vom 16. April 2019 sowie Schreiben vom 14. Mai 2019 und vom 3. Juli 2019 zu verpflichten gemäß dem Antrag der Klägerin vom 15. März 2019 das „… … …“, stattgefunden vom 10. Mai 2019 bis 12. Mai 2019 (… …) im … … in … …, mit 16 Punkten für das Fortbildungszertifikat der Bayerischen Landesärztekammer anzuerkennen.
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Mit Urteil vom 17. Juni 2021 verpflichtete das Verwaltungsgericht München die Beklagte unter Aufhebung der Mitteilung vom 9. April 2019, das „… … …“ mit 15 Punkten für das Fortbildungszertifikat der Bayerischen Landesärztekammer anzuerkennen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Klägerin einen Rechtsanspruch gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 FO 2020 habe. Die Vermutungsregelung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 FO 2020, wonach bei Fortbildungsmaßnahmen von Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, Medizinprodukteherstellern, Unternehmen vergleichbarer Art oder einer Vereinigung solcher Unternehmen vermutet werde, dass deren Inhalte nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind, sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.
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Der Senat ließ die Berufung der Beklagten mit Beschluss vom 18. Dezember 2023 zu.
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Die Beklagte begründet ihre Berufung damit, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 FO i.V.m. § 8 Abs. 1 FO eine Anerkennung der Fortbildungsmaßnahme selbst vor ihrer Durchführung voraussetze. Eine Klage nach Durchführung der Veranstaltung könne sich nicht in Übereinstimmung mit § 42 Abs. 2 VwGO auf eine potenzielle Anspruchsgrundlage stützen. Daran vermöge auch ein etwaiges wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Anerkennung der Veranstaltung nichts zu ändern. Das Verpflichtungsklagebegehren der Klägerin habe sich nach Durchführung der Veranstaltung erledigt. Eine Verpflichtungsklage sei unstatthaft. Denn die Anerkennung der Fortbildungsmaßnahme habe gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 FO vor der Durchführung der Veranstaltung zu erfolgen. Die bereits vom Wortlaut ausgedrückte strikte Frist, bis zu der eine Fortbildungsmaßnahme anerkannt werden könne, entspreche auch Sinn und Zweck der Regelung. Denn auf diese Weise wüssten Ärzte bereits vor der Veranstaltung, ob sie hierdurch einen Teil ihrer Fortbildungsverpflichtung erfüllen könnten oder nicht. Aufgrund der Regelung des § 95 d Abs. 3 Satz 3 SGB V sähen sie sich anderenfalls auch der Gefahr von Honorarkürzungen ausgesetzt. Ob es vielleicht wirtschaftlich für die Klägerin doch interessant wäre, entgegen der Fristbestimmung in der materiellen Anspruchsgrundlage auch später eine Anerkennung der Veranstaltung zu erhalten, sei wegen der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens unerheblich. Die Erledigung sei nämlich objektiv zu bestimmen, auf das Klägerinteresse komme es nicht an. Indem das Verwaltungsgericht aus einem etwaigen Interesse der Ärzte, auch nach Durchführung einer nicht anerkannten Fortbildungsmaßnahme innerhalb des Fünfjahreszeitraums dieses noch für ihr Fortbildungszertifikat verwenden zu können, ein Rechtsschutzinteresse auch der Klägerin herleite, komme dies einer Prozessstandschaft der Klägerin für Ärzte gleich, die der VwGO fremd sei.
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Die Klage sei auch unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der Veranstaltung habe. Die Inhalte der Veranstaltung seien nicht frei von wirtschaftlichen Interessen. Die Klägerin habe eine Veranstaltung beworben und diese durchgeführt, die den Kern dessen ausmache, mit dem sie sich als pharmazeutisches Unternehmen auf ihrer Homepage rühme. Sie gebe auf der Veranstaltung den teilnehmenden Ärzten Empfehlungen, wie die Patienten mit Hormonen vital gehalten werden könnten. Dafür bediene sich die Klägerin zweier Referenten, die eine langjährige Verbindung zur Klägerin aufwiesen. Ein weiterer Beleg für das Anliegen der Klägerin, positiv im Sinn eines Werbeeffektes im Gedächtnis der teilnehmenden Ärzte zu bleiben, sei die extrem geringe Teilnahmegebühr von 270,00 EUR für die dreitägige Veranstaltung unter Leitung zweier Professoren inklusive zweier Übernachtungen und Verpflegung. Da die Veranstaltung ausschließlich endokrinologische Themen beinhalte und die Klägerin ausschließlich Hormonpräparate herstelle, liege allein deswegen auch ein Produktbezug vor, auch wenn Produktnamen im Veranstaltungsflyer noch nicht genannt würden. Die Klägerin sei allen Ärzten als führender Hersteller von Hormonpräparaten bekannt.
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Die Beklagte beantragt,
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Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juni 2021, Az. M 27 K 19.5022 wird aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
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sowie im Wege der Anschlussberufung
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die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juni 2021, Az. M 27 K 19.5022 sowie unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 9. April 2019 zu verpflichten, die ärztliche Fortbildungsveranstaltung „… … …“, stattgefunden vom 10. Mai 2019 bis 12. Mai 2019 (… …) im … … in … …, gemäß dem Antrag der Klägerin vom 15. März 2019 mit 16 Punkten für das Fortbildungszertifikat der Bayerischen Landesärztekammer anzuerkennen.
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Die Klägerin könne sich hinsichtlich der Klagebefugnis mindestens auf § 12 GG berufen. Außerdem ergebe sich die Klagebefugnis einfachgesetzlich aus §§ 9 Abs. 2 i.V.m. 8 Abs. 1 FO. Die Klägerin sei ihres Anspruchs nicht dadurch verlustig gegangen, dass sie die Veranstaltung durchgeführt habe. Es handle sich bei § 7 Abs. 1 Satz 1 FO um eine reine Verfahrensvorschrift, die für die materielle Rechtsposition der Klägerin keine Bedeutung habe. Dem Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der Veranstaltung stehe nicht entgegen, dass die Inhalte der Veranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen im Sinn von § 8 Abs. 1 Nr. 3 FO gewesen seien. Mit den Inhalten der Veranstaltung habe sich die Beklagte mit keinem Wort auseinandergesetzt. Im Übrigen existiere kein empirischer Beleg für die Annahme, dass industriell durchgeführte oder finanzierte Fortbildungsmaßnahmen inhaltlich eher einer Voreingenommenheit bzw. Verzerrung unterlägen als industriefreie Fortbildung. Die Beklagte habe nicht den Nachweis für den von ihr herangezogenen Versagungsgrund in § 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 FO geführt, wonach die Inhalte der Veranstaltung frei von wirtschaftlichen Interessen sein müssen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liege bei der Beklagten. Berührungspunkte zwischen dem Fortbildungsthema und den Forschungsgebieten des pharmazeutischen Veranstalters seien unschädlich. Industrielles Engagement in der ärztlichen Fortbildung erfahre nur dort eine innere Rechtfertigung, wo fachliche Berührungspunkte zwischen der forschenden Industrie einerseits und den in der einschlägigen Versorgung tätigen Ärzten andererseits bestünden, welche nach einem fachlichen Austausch zwischen Forschung und Versorgungsrealität verlangten. Zudem könne die pharmazeutische Industrie nur in Bereichen, in denen sie auch forschend tätig sei, ihre Expertise einbringen.
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Die Anschlussberufung der Klägerin sei begründet, weil es sich bei dem Programmpunkt „… … … … … … … … …“ nicht um eine Vorstellungsrunde gehandelt habe, sondern um einen interaktiven Erfahrungsaustausch zur ärztlichen Praxis der Teilnehmer, der durch den wissenschaftlichen Leiter moderiert worden sei.
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Die Beklagte beantragt,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Die Klage sei insgesamt unbegründet. Daher könne auch kein weiterer Punkt für das Fortbildungszertifikat zuerkannt werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behördenakten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist begründet (1.), die Anschlussberufung der Klägerin unbegründet (2.).
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1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung des „… … …“ (…) mit Fortbildungspunkten für das Fortbildungszertifikat der Bayerischen Landesärztekammer.
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a) Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Erstgerichts nicht, dass für die Beurteilung der Rechtslage auf die Fortbildungsordnung 2020 abzustellen sei. Die Beklagte erließ am 13. Oktober 2013 (In-Kraft-Treten am 1.1. 2014) eine Fortbildungsordnung (FO). Diese wurde am 13. Oktober 2019 (In-Kraft-Treten am 1.1.2020) und am 10. Oktober 2020 (In-Kraft-Treten am 1.1.2021) geändert. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf Zuerkennung von Fortbildungspunkten zusteht, ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also der 9. April 2019. Es ist auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage, mithin auf die Fortbildungsordnung 2013, abzustellen.
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Nach § 113 Abs. 5 VwGO darf einer Verpflichtungsklage nur stattgegeben werden, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf den mit der Klage begehrten Verwaltungsakt hat. Ob der Anspruch besteht, ergibt sich aus dem materiellen Recht. Die materiell rechtliche Prüfung, ob bei einer Verpflichtungsklage ein den Klageantrag deckender Anspruch besteht, hat grundsätzlich bei der Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung anzusetzen, die für die Begründetheit in der Regel maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.07.2015 – 7 C 10/13 – BVerwGE 152, 319 Rn. 34). Der Grund für diese Regel liegt in der Natur der Verpflichtungsklage als Leistungsklage. Im Vordergrund steht der Schutz subjektiver Rechte. Wenn sich die Sach- und Rechtslage zugunsten des Klägers ändert, muss das Gericht dem Rechnung tragen.
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Aus dieser primären Funktion der Verpflichtungsklage subjektive Rechte zu schützen folgt jedoch auch, dass von dem Grundsatz des Abstellens auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine Ausnahme zu machen ist, wenn es das materielle Recht gebietet. Dies ist hier sowohl mit Blick darauf, dass es sich um einen zeitgebundenen Anspruch handelt (s. aa), als auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (s. bb) der Fall.
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aa) Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen zeitgebundenen Anspruch. Damit sind solche Ansprüche gemeint, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen oder die sich auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen, so dass sich der zeitliche Bezugspunkt aus dem Gesetz ergibt (vgl. dazu Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 129). Die Zeitgebundenheit des Anspruchs ergibt sich daraus, dass nach der Fortbildungsordnung der Beklagten die Anerkennung vor Durchführung der Veranstaltung erfolgen muss (§ 7 Abs. 1 Satz 1 FO 2013) und eine nachträgliche Anerkennung nicht möglich ist. Damit ist die Zuerkennung von Fortbildungspunkten als begünstigender Verwaltungsakt mit dem Vorliegen von materiellen Voraussetzungen an einen bestimmten Zeitpunkt verknüpft. Die Situation ist insofern dem Normalfall einer Anfechtungsklage vergleichbar, wo der zeitliche Wirkungsrahmen der (begehrten) Regelung begrenzt ist. Deshalb muss bei einer vergangenheitsbezogenen Verpflichtungsklage der Behördenentscheidungszeitpunkt maßgeblich sein (Schenke/Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 113 Rn. 221; Polzin in JuS 2004, 211 214.).
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Der Vorgang muss mithin nach den Maßstäben bewertet werden, die zu dem betreffenden Zeitpunkt gelten. Eine Veränderung der Rechtslage zum Nachteil der Klägerin scheidet aus. Anderenfalls hätte es die Beklagte in der Hand durch eine Veränderung der Rechtslage entstandenen Ansprüchen nachträglich die Grundlage zu entziehen. Es liegt für den Senat auf der Hand, dass dies mit rechtstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren wäre. Dies gilt vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass die beteiligten Ärzte abschätzen können müssen, ob sie für den Besuch der Fortbildungsveranstaltung Fortbildungspunkte erhalten.
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bb) Mit Blick auf den subjektiven Rechtsschutz ist in der vorliegenden Fallgestaltung auch der Gleichbehandlungsgrundsatz berührt. Die Situation ist vergleichbar mit der Zulassung zum Studium (vgl. sinngemäß BVerwG U.v. 9.12.1983 – 7 C 100/82 – juris Rn.7) oder zu Berufen (vgl. bereits BVerwG U.v.14.3.1961 – I C 48.57 – juris Rn.8), wo ebenfalls auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abgestellt wird. Allein im Berichtszeitraum 2019/2020 wurden von der Beklagten 66.305 Fortbildungsveranstaltungen zertifiziert. Wie in den oben genannten Zulassungskonstellationen besteht bei der Veranstaltung von Fortbildungen eine gewisse Konkurrenzsituation. Würden zwei Veranstalter eine ähnliche Fortbildungsveranstaltung zum gleichen Zeitpunkt anbieten und der eine Veranstalter die Anerkennung bekommen und der andere (zunächst) rechtswidriger Weise nicht, wäre es unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht nachvollziehbar, wenn eine rechtswidrige Entscheidung dadurch „geheilt“ würde, dass die Rechtslage nachträglich geändert wird.
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b) Die Klage ist zulässig.
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aa) Die Klägerin ist klagebefugt. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage zulässig, wenn der Kläger geltend macht durch die Ablehnung des Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Dazu muss die Klägerin Tatsachen vortragen, nach denen eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 112). Sie behauptet einen Anspruch aus § 9 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 FO 2013. Nach diesen Vorschriften erfolgt die Anerkennung auf Antrag des Veranstalters wenn die Anerkennungsvoraussetzungen einer Fortbildungsmaßnahme erfüllt sind. Die Klägerin hat für die Zulässigkeitsprüfung hinreichend dargelegt, dass sie möglicherweise die Tatbestandsvoraussetzungen der Fortbildungsordnung für die Anerkennung von Fortbildungspunkten für ihre Veranstaltung erfüllt. Dabei hat die Durchführung der Veranstaltung entgegen dem Vortrag der Beklagten für die Klagebefugnis keine Relevanz. Denn es kam vor der Durchführung der Fortbildungsmaßnahme zu einer ablehnenden Entscheidung der Beklagten. Wenn eine Fortbildungsveranstaltung vor ihrer Durchführung für das Fortbildungszertifikat anerkannt werden würde, müsste eine Klagebefugnis schon deshalb ausscheiden, weil dem Antrag entsprochen worden wäre. Wird sie nicht anerkannt, wie im vorliegenden Fall mit der Versagung der Anerkennung der Veranstaltung am 9. April 2019, muss hinsichtlich der Fortbildungsmaßnahme, die vom 10. Mai bis 12. Mai 2019 stattfand, auch die Klagebefugnis gegeben sein, weil sie möglicherweise in ihrem Recht auf Anerkennung ihrer Veranstaltung mit Fortbildungspunkten für das Fortbildungszertifikat der Beklagten aus § 9 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 FO 2013 verletzt ist.
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bb) Der Klägerin fehlt nicht deshalb das erforderliche Rechtschutzbedürfnis, weil die in Streit stehende Fortbildungsveranstaltung, deren Anerkennung als Fortbildungsmaßnahme sie begehrt, bereits stattgefunden hat. Denn eine nachträgliche Zertifizierung ist für die Teilnehmer von Interesse. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 FO 2013 wird ein Fortbildungszertifikat erteilt, wenn „der Arzt innerhalb eines der Antragstellung vorausgehenden Zeitraums von 5 Jahren Fortbildungsmaßnahmen abgeschlossen hat, welche in ihrer Summe die nach den Bestimmungen des § 6 ermittelte Mindestbewertung von 250 Punkten erreichen“. Da die streitgegenständliche Veranstaltung im Mai 2019 stattgefunden hat, wäre ihre – auf dem Rechtsweg durchgesetzte – Anerkennung und Zertifizierung für teilnehmende Ärzte im Hinblick auf ein von diesen bis zum Mai 2024 beantragtes Fortbildungszertifikat noch immer von Nutzen (vgl. OVG NRW, B.v. 17.6.2013 – 13 A 889/11 – juris Rn. 11). Solange eine nachträgliche Anerkennung einer Veranstaltung für die teilnehmenden Ärzte noch von Nutzen ist, hat auch der für die jeweilige Zertifizierung antragsberechtigte Veranstalter wegen der damit für ihn verbundenen Werbewirkung noch ein Rechtschutzinteresse an der gerichtlichen Durchsetzung eines etwaigen Anspruchs auf Zertifizierung. Auch wenn die Durchführung von Vortragsveranstaltungen nicht zum Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin gehört, kann sie doch durch eine nachträgliche Zertifizierung ihr Ansehen bei den fortbildungswilligen bzw. – verpflichteten Ärzten verbessern und hierdurch den von ihr erhobenen Qualitätsanspruch an die eigenen Veranstaltungen unterstreichen (vgl. OVG NRW a.a.O.).
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b) Die Klage ist unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat als Veranstalterin keinen Rechtsanspruch auf die begehrte Anerkennung der streitgegenständlichen Veranstaltung für das Fortbildungszertifikat der Beklagten. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 Hs 1 FO 2013 setzt die Anerkennung einer Fortbildungsmaßnahme voraus, dass die Inhalte frei von wirtschaftlichen Interessen sind. Bei dieser Anerkennungsvoraussetzung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Der Inhalt des unbestimmten Rechtsbegriffs ist durch eine an seinem Sinn und Zweck ausgerichtete Auslegung zu bestimmen.
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§ 8 Abs. 1 Nr. 3 Hs 1 FO 2013 hat zum Ziel, dass im Rahmen der Anerkennung einzelner Veranstaltungen als Fortbildungsmaßnahmen das von § 1 FO 2013 festgelegte Ziel der Fortbildung dadurch gewährleistet wird, dass Fortbildungsinhalte ökonomischen Interessen nicht unter- oder nachgeordnet werden. Nach § 1 FO 2013 dient die Fortbildung dem Erhalt und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der beruflichen Kompetenz zur Gewährleistung einer hochwertigen Patientenversorgung und zur Sicherung der Qualität ärztlicher Berufsausübung. Die satzungsmäßigen Anforderungen an den Inhalt der Fortbildung stellt § 2 FO 2013 auf: danach vermittelt die Fortbildung unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und medizinischer Verfahren das zum Erhalt und zur Weiterbildung der beruflichen Kompetenz notwendige Wissen in der Medizin und der medizinischen Technologie. Sie soll sowohl fachspezifische als auch interdisziplinäre und fachübergreifende Kenntnisse, die Einübung von klinisch-praktischen Fähigkeiten sowie die Verbesserung kommunikativer sozialer Kompetenzen umfassen. Mit § 8 Abs. 1 Nr. 3 Hs 1 FO 2013 soll die praktische Umsetzung der in der Fortbildungsordnung normierten Fortbildungsziele und Fortbildungsinhalte gewährleistet werden. Hierdurch wird ein wichtiger Beitrag zur Wahrung und Verbesserung der ärztlichen Handlungskompetenz und damit der guten ärztlichen Versorgung der Bevölkerung erbracht. Ärzte haben ihren Beruf gewissenhaft auszuüben (Art. 17 HKaG, § 2 Abs. 2 Satz 1 BO). Eine gewissenhafte Ausübung des Berufs erfordert insbesondere die notwendige fachliche Qualifikation und die Beachtung der anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 3 BO). Die Ärzte, die ihren Beruf ausüben, haben daher die Pflicht, sich im fachlichen Rahmen ihrer Berufsausbildung fortzubilden (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HKaG, § 4 Abs. 1 BO). Diese Zwecke erfordern es, dass eine Fortbildungsmaßnahme inhaltlich ausschließlich an den Kategorien der fachlichen Richtigkeit und Relevanz orientiert ist. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Fortbildungsinhalte nicht durch ökonomische Interessen (Dritter) beeinträchtigt oder ihnen gar nachgeordnet werden dürfen.
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Eine Freiheit von wirtschaftlichen Interessen im Sinn des § 8 Abs. 1 Nr. 3 Hs 1 FO 2013 kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich die Inhalte der Fortbildung nicht an fachlicher Richtigkeit und Relevanz, sondern an den wirtschaftlichen Interessen Dritter orientieren oder diese zu ihrer Grundlage machen. Dies ist nicht nur bei reinen Werbeveranstaltungen der Fall – für die wohl ohnehin kaum jemals Fortbildungspunkte beantragt werden dürften – sondern kann auch dann vorliegen, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass die Veranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen ist. Dabei ist im Einzelfall der spezifische Verfahrensablauf sowie die jeweilige Darlegungslast in den Blick zu nehmen. Es darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass es sich hinsichtlich der Freiheit der Inhalte von wirtschaftlichen Interessen für die Beklagte um eine prognostische Entscheidung handelt, da nach der Fortbildungsordnung der Beklagten die Anerkennung zwingend vor der Durchführung der Veranstaltung erfolgen muss. Ausnahmen für eine Anerkennung auch noch nach Durchführung der Veranstaltung sind in der Fortbildungsordnung nicht vorgesehen und nicht geboten.
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lagen für die Beklagte zunächst hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Inhalte der streitgegenständlichen Veranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen im Sinn des § 8 Abs. 1 Nr. 3 Hs 1 FO 2013 sind (s. aa). Im gerichtlichen Verfahren wurden weitere Gesichtspunkte dargelegt, die diese Einschätzung erhärten (s. bb). Schließlich – und das ist hier entscheidend – wurde von der Klägerin bis zum Beginn der Veranstaltung nicht hinreichend dargelegt, dass die Inhalte der Veranstaltung frei von wirtschaftlichen Interessen sind (s. cc).
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aa) Nach der Richtlinie zur Bewertung von Fortbildungsmaßnahmen vom 10. September 2016 in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 2018 übermittelt der Veranstalter der Beklagten vorab im Rahmen der Online-Anmeldung zur Prüfung ein aktuelles, detailliertes Veranstaltungsprogramm, aus dem die einzelnen Fortbildungsinhalte, Veranstaltungsdatum, bindende Beginn- und Endzeiten sowie Pausenzeiten, Veranstaltungsort, ärztlicher Leiter, der Veranstalter sowie gegebenenfalls finanzielle Förderung Dritter (Sponsoren) zu erkennen sind. Im vorliegenden Fall meldete die Klägerin ihre Veranstaltung online unter Vorlage des Veranstaltungsflyers an. Ausgehend von den vorliegenden Unterlagen stützte die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung zunächst darauf, dass in dem Programmflyer, welcher dem Antrag beigefügt gewesen sei, die Wort-Bild-Marke der Klägerin abgebildet und darüber hinaus der Link zu deren Webseite ersichtlich gewesen sei. Rufe man den Link auf, so finde man gleich auf der Startseite mehrere Produkte der Klägerin, welche auf die Fortbildungsinhalte zutreffen würden. Zusammenfassend könnten für die Veranstaltung keine Fortbildungspunkte erteilt werden, wenn deren Inhalte nicht frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter und frei von kommerziellen Einflüssen auf Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis seien.
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Diese Einschätzung ist vor dem Hintergrund, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren nichts außer ihrem Programmflyer vorgelegt hat, nicht zu beanstanden. Eine nähere inhaltliche Beschreibung der Vorträge findet sich im Programmflyer nicht. Vielmehr sind lediglich Kurzüberschriften enthalten, die überwiegend ohne medizinische Fachtermini auskommen und teils sehr allgemeinen Charakter haben. Als Beispiele mögen hier dienen: „… … … … … … … … … … … … …“, „… … … … … … … … … … … … …“ oder „… … … … … … … … … … … … … … …“. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass der Beklagten eine nähere Auseinandersetzung mit den Inhalten der Veranstaltung allein anhand der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht möglich ist.
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bb) Die Einschätzung, dass die Inhalte der Fortbildungsveranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind, hat die Beklagte im gerichtlichen Verfahren durch Darlegung weiterer Umstände erhärtet.
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Die Klägerin ist ein Unternehmen der pharmazeutischen Industrie. Sie bezeichnet sich als „… … …“, „… … … … … … … … … …“ und „… … … …“. Die wichtigsten Produkte der Klägerin im Bereich der Hormongesundheit sind … … … … … … … … sowie die verschiedenen Darreichungsformen von … … Ausweislich des Flyers bewarb die Klägerin eine Veranstaltung, mit der auf die aktuelle Situation in der Hormonersatztherapie eingegangen werden sollte. Den Teilnehmern sollten für die tägliche Praxis Empfehlungen gegeben werden, wie die Patientinnen auch mit Hormonen in der zweiten Lebenshälfte vital gehalten werden könnten. Ebenso wurden Informationen zur Hormonersatztherapie geboten. Die Klägerin bewarb eine Veranstaltung, die den Kernbereich ihrer unternehmerischen Betätigung als pharmazeutisches Unternehmen ausmachte. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass ein Unternehmen, das eine Veranstaltung zu den Kerninhalten der eigenen wirtschaftlichen Betätigung ausrichtet und die eigene Wort-Bild-Marke im Flyerabdruck angibt, sich zumindest auch wirtschaftliche Vorteile aus den Inhalten der Veranstaltung in Form von Absatzsteigerungen, Imagepflege und Steigerung des Bekanntheitsgrades verspricht.
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Hinzukommt, dass sich die Klägerin zweier Referenten bedient hat, die eine langjährige Verbindung zur Klägerin aufwiesen. So hatte die Beklagte dargelegt, dass Frau Prof. Dr. … bereits 2011 auf der Veranstaltung der Klägerin „… … …“ als Referentin aufgetreten ist. In einer entsprechenden Meldung würden als Produktbeispiele nur die Produkte der Klägerin, nämlich … und … genannt. 2017 hat sie ihre Interessenkonflikte in Bezug auf die Klägerin wie folgt angegeben: „… … … … … …“. Der Referent Prof. Dr. … sei bereits 2003 mit einem Interview über die Hormontherapie in der Menopause in der Zeitschrift … … … im Auftrag der Klägerin in Erscheinung getreten. Ab 2004 sei er als Kursleiter für Fortbildungsveranstaltungen der Klägerin bei der Beklagten gemeldet gewesen. 2008 habe er sich in einem Artikel der Klägerin im … … … … … … … … … zitieren lassen. Als einziges Produktbeispiel sei wieder das Produkt der Klägerin, …, hervorgehoben worden. Bei einer derartigen Beschränkung der Referentenauswahl auf Personen, die mit der Klägerin verbunden sind, verstärkt sich der Eindruck, dass die Veranstaltung der Klägerin nicht frei von wirtschaftlichen Interessen gewesen ist.
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Als weiterer Anhaltspunkt für das Anliegen der Klägerin, positiv im Sinn eines Werbeeffekts im Gedächtnis der teilnehmenden Ärzte zu bleiben, wurde von der Beklagten die extrem geringe Teilnahmegebühr von 270,00 EUR für eine dreitägige Veranstaltung unter Leitung zweier Professoren inklusive zweier Übernachtungen und Verpflegung genannt. Auch diese Bewertung ist für den Senat nicht abwegig.
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cc) In dieser Situation, in der aus der Perspektive der Beklagten hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Inhalte der Veranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind, besteht für die Klägerin eine Mitwirkungsobliegenheit, die Inhalte der Veranstaltung näher darzulegen. Von ihr wurden bis zum Beginn der Veranstaltung die Inhalte der Veranstaltung nicht hinreichend dargelegt. Die primäre Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung zur Frage, ob die Inhalte der Veranstaltung frei von wirtschaftlichen Interessen sind, trägt zwar grundsätzlich die Beklagte. Sie ist allerdings auf die Mitwirkung der Klägerin angewiesen. Dementsprechend ergibt sich aus Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG eine Mitwirkungsobliegenheit für die Klägerin. Nach dieser Vorschrift sollen die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken (Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen angeben (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BayVwVfG). Die Mitwirkungsobliegenheit des Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG belässt die Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung und die auf dieser Grundlage zu treffende Sachentscheidung bei der Beklagten und verlagert diese nicht auf die Klägerin, relativiert aber die Ermittlungspflichten der Behörden, indem sie eine gesetzgeberische Konkretisierung der Risikoverteilung vornimmt für die Beibringung solcher Tatsachen, die aus der Sphäre eines Beteiligten stammen (Engel/Pfau in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 26 Rn. 52).
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Die unterbliebene Mitwirkung kann mittelbar nachteilige Rechtsfolgen nach sich ziehen, indem die Beteiligten die aus einer Nichtmitwirkung entstehenden nachteiligen Folgen einer fehlerhaften oder unvollständigen Sachverhaltsaufklärung in Kauf nehmen müssen (Engel/Pfau, a.a.O. § 26 Rn.55; Ritgen in Knack/Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 26 Rn. 105; Heßhaus in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Aufl. 2016, § 24 Rn. 17). Soweit die Klägerin ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG geltend gemacht hat, ist darauf hinzuweisen, dass solche Mitwirkungsobliegenheiten auch dann zulässig sind, wenn ein Grundrecht in Anspruch genommen wird (vgl. BVerfG, U.v. 24.4.1985 – 2 BvF 2/83 – BVerfGE 69,1). Der Obliegenheit liegt die Annahme zugrunde, dass derjenige, der etwas für ihn Günstiges erreichen will, in aller Regel alles ihm Bekannte vortragen wird, um das von ihm gewünschte Ziel zu erreichen (Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 26 Rn. 47). Dies kann erst Recht von solchen Umständen erwartet werden, die aus der Sphäre oder dem spezifischen Erkenntnisbereich eines Beteiligten stammen (OVG Münster, U.v. 6.9.1993 – 11 A 694/90 – juris Rn. 57; BVerwG, U.v. 26.5.1971 – III C 66.69 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 81; Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 24 Rn. 55).
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Diese Grundsätze gelten umso mehr als das Verwaltungsverfahren, das zur Anerkennung von Fortbildungsveranstaltungen für Fortbildungspunkte führt, im weitesten Sinn der Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Hier kann ein höheres Maß an Mitwirkung verlangt werden, da der Klägerin ein gesteigertes Interesse an einer ihr günstigen Entscheidung und damit eine besondere Motivationslage unterstellt werden kann (vgl. Engels/Pfau, a.a.O. Rn. 56). Trägt der an einer positiven Entscheidung Interessierte nicht das in seiner Macht stehende dazu bei, die Voraussetzungen des andernfalls nicht erfüllten Begünstigungstatbestandes zu schaffen, nötigt die Rechtslage dazu, die Begünstigung zu versagen (Engel/Pfau, a.a.O. Rn. 56).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Klägerin ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen und die Nichtanerkennung der Veranstaltung ist nicht zu beanstanden. Was die Inhalte der Fortbildungsveranstaltung anlangt, so sind diese eindeutig der Sphäre der Klägerin zuzuordnen. Die Klägerin hat davon abgesehen bis zur Durchführung der Veranstaltung weitere Unterlagen einzureichen. Für anspruchsbegründende Tatsachen obliegt die Darlegungs- und gegebenenfalls die Beweislast regelmäßig demjenigen, der sich des betreffenden Anspruchs berühmt (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.1999 – 5 B 102/99 juris Rn. 6). Die Behörde kann im Rahmen ihrer Beweiswürdigung aus dem Verhalten des Beteiligten die entsprechenden für diesen nachteiligen Schlüsse ziehen (Hermann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 38; Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O, § 24 Rn. 29; OVG Münster, B.v. 23.3.2010 – 13 B 247/10 – juris Rn.37), soweit nicht ausnahmsweise die Mitwirkung im konkreten Einzelfall unzumutbar ist.
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Von einer Unzumutbarkeit wird man hier nicht ausgehen können. Mit der ablehnenden E-Mail vom 9. April 2019 war für die Klägerin ersichtlich, dass die Beklagte wegen der fehlenden Freiheit von wirtschaftlichen Interessen die Fortbildungsveranstaltung nicht anerkennt. Zwar sind nach der Richtlinie zur Bewertung von Fortbildungsmaßnahmen vom 10. September 2016 in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 2018 auf Nachfrage der Beklagten weitere Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem können Vorträge/Präsentationsunterlagen im Original angefordert werden. Wenn aber die Beklagte (wie hier bereits in der E-Mail vom 9.4.2019) ausdrücklich bemängelt, dass die Inhalte der Veranstaltung nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind, wäre es an der Klägerin dem substantiiert, etwa unter Vorlage der Vortragsunterlagen, entgegenzutreten. Weitergehende Hinweispflichten der Beklagten sieht der Senat angesichts ihrer eindeutigen Positionierung nicht. Es ist an der Klägerin in dieser Situation zunächst die Inhalte der Fortbildungsveranstaltung näher zu erläutern und somit in dieser Situation alles zu tun, um der Beklagten die Freiheit von wirtschaftlichen Interessen darzulegen. Es kann der Klägerin angesonnen werden von sich aus alle nötigen Schritte diesbezüglich einzuleiten. Auch vor dem Hintergrund, dass die beteiligten Ärzte wissen müssen, ob sie für die Teilnahme an der Veranstaltung Fortbildungspunkte bekommen oder nicht, hätte die Klägerin weitere Anstrengungen unternehmen müssen. Nicht ausreichend ist etwa das Schreiben der Klägerin vom 9. Mai 2019, das ohnehin nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen erst am 10. Mai 2019, als die Fortbildungsveranstaltung bereits begonnen hatte, bei der Beklagten eingegangen ist. Denn auch anhand dieses Schreibens lässt sich der Inhalt der Veranstaltung nicht beurteilen. Die Klägerin kann nicht darauf vertrauen, in einem nachfolgenden (Gerichts-) Verfahren nach Durchführung der Veranstaltung Defizite im Anerkennungsverfahren zu beheben.
48
Zusammenfassend hat damit die Beklagte hinreichend dargetan, dass die Klägerin als veranstaltendes Pharmaunternehmen, das in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgt, in die Durchführung einer bestimmten Fortbildungsveranstaltung gerade deshalb investiert, weil es zwischen den dort vermittelten Themen bzw. Inhalten und ihren ökonomischen Interessen einen Zusammenhang erkennt und die Durchführung der Veranstaltung aus diesem Grund als lohnend ansieht. Die Klägerin ist im vorliegenden Einzelfall ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht hinreichend nachgekommen. Von daher durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Fortbildungsinhalte im vorliegenden Fall durch ökonomische Interessen des Veranstalters beeinträchtigt werden.
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2. Die Anschlussberufung ist unbegründet, weil die Klage insgesamt bereits unbegründet ist. Die Veranstaltung kann insgesamt nicht mit Fortbildungspunkten für das Fortbildungszertifikat anerkannt werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.