Titel:
Mitwirkungspflichten nach dem Unterhaltsvorschussgesetz
Normenketten:
UVG § 1 Abs. 3
SGB X § 45, § 48
BGB § 1712
Leitsätze:
1. Die Mitwirkungspflicht der Kindesmutter und Antragstellerin aus § 1 Abs. 3 UVG umfasst nicht zugleich auch, dass aufgrund ihrer Angaben der Kindsvater tatsächlich ermittelt und die Vaterschaft festgestellt werden kann. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Kindesmutter genügt ihrer Mitwirkungslast aus § 1 Abs. 3 UVG, wenn sie das Jugendamt gem. § 1712 BGB zum Beistand bestellte und mit den erforderlichen Angaben über die Person des mutmaßlichen Vaters versieht. Ein zusätzliches, eigenständiges Betreiben des gerichtlichen Feststellungsverfahrens ist nicht erforderlich, denn es ist gerade der Sinn der Beistandschaft, die Mutter von eigenen Schritten bei der rechtlichen Klärung der Vaterschaft zu entlasten und diese Aufgabe in fachkundige Hände zu legen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die bloße nachträgliche Neubewertung eines Vorgangs durch die Behörde rechtfertigt die Anwendung von § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterhaltsvorschussgesetz, Inhalt und Umfang der Mitwirkungspflicht aus § 1 Abs. 3 UVG, maßgeblicher Zeitpunkt, Antragstellung, Unterhaltsvorschuss, Feststellung der Vaterschaft, Mitwirkungspflichten, Beistandschaft
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 17.04.2024 – M 15 S 24.1133
Fundstellen:
FamRZ 2024, 1787
LSK 2024, 13839
BeckRS 2024, 13839
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. April 2024 – 15 S 24.1133 – wird aufgehoben.
II. Das Verfahren wird zu erneuter Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten, womit zugleich auch eine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Beschwerdeverfahren entfällt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde, mit der die Antragstellerin sich anlässlich der mit der Anordnung des Sofortvollzuges verbundenen Aufhebung eines Bewilligungsbescheids über Unterhaltsvorschuss gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Eilverfahren wendet, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Das Verwaltungsgericht verkennt in – aktenwidriger – Weise, dass die Kindesmutter die Beistandschaft zur Feststellung der Vaterschaft ihrer Tochter selbst nach der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin bereits am 25. Mai 2022 hat einleiten lassen (vgl. hierzu deren Stellungnahme gegenüber der Regierung von Oberbayern vom 6. März 2024, Bl. 1 der Behördenakte, unter Verweis auf das entsprechende Schreiben vom 25. Mai 2022, Bl. 66 der Behördenakte) und darüber hinaus mittlerweile auch die vollständige Adresse des Kindsvaters vorlag (vgl. Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 6. März 2024, Bl. 1 der Behördenakte, und Randnotiz auf dem Schreiben an die Antragstellerin vom 26. April 2022, Bl. 67 der Behördenakte).
3
Damit hatte die Antragstellerin – wenn auch spät – ihrer Mitwirkungslast aus § 1 Abs. 3 UVG genügt (vgl. hierzu 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL, Stand 12/2022) mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss (nunmehr) vorlagen und der Bewilligungsbescheid vom 13. Juli 2022 (vgl. Bl. 72 ff. der Behördenakte) – anders als die Antragsgegnerin glauben machen möchte – zu Recht ergangen ist. Insoweit genügte, dass die Kindsmutter das Jugendamt – wie geschehen – gemäß § 1712 BGB zum Beistand bestellte und mit den erforderlichen Angaben über die Person des mutmaßlichen Vaters versah (vgl. Ziffer 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL, Stand 12/2022). Ein (zusätzliches, eigenständiges) Betreiben des gerichtlichen Feststellungsverfahrens ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 27. Mai 2024 (S. 2) nicht erforderlich (vgl. auch Ziffer 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL – „oder“); denn es ist gerade der Sinn der Beistandschaft, die Mutter von eigenen Schritten bei der rechtlichen Klärung der Vaterschaft zu entlasten und diese Aufgabe in fachkundige (behördliche) Hände zu legen (siehe näher Knittel, JAmt 2019, 183 [187]). Mit Bescheid vom 25. Juli 2022 (vgl. Bl. 78 ff. der Behördenakte) wurde nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Weitergewährung von Unterhaltsvorschuss auch fürderhin vorliegen (vgl. Bl. 79 der Behördenakte). Mit Bescheid vom 3. Januar 2023 (vgl. Bl. 83 der Behördenakte) wurden die Leistungen zudem erhöht.
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Die auf ausdrückliches Anraten der Antragsgegnerin (!) erfolgte Aufhebung der Beistandschaft am 9. August 2023 (vgl. Bl. 85 der Behördenakte) wegen kriegsbedingter Unmöglichkeit der gerichtlichen Klärung der Vaterschaft in der Ukraine wurzelt nicht (mehr) im Verantwortungsbereich der Antragstellerin und lässt die Anspruchsvoraussetzungen unberührt. Die Mitwirkungspflicht der Kindesmutter und Antragstellerin aus § 1 Abs. 3 UVG umfasst nicht zugleich auch, dass aufgrund ihrer Angaben der Kindsvater tatsächlich ermittelt und die Vaterschaft festgestellt werden kann (vgl. OVG Bautzen, U.v. 24.05.2023 – 5 A 350/22 –, NJW 2023, 3250 – juris, Rn. 33 m.w.N.). Auf Ziffer 1.11.8 UVG-RL, wonach der Anspruch ausgeschlossen ist, wenn die Kindsmutter den Antrag auf Bestellung eines Beistands nicht stellt und die für die Vaterschaftsfeststellung erforderlichen Schritte nicht selbst unternimmt, darf sich die Behörde vorliegend nicht berufen, da die Beistandschaft auf ihr ausdrückliches Anraten hin (!) aufgehoben wurde – alles andere wäre in hohem Maße treuwidrig (§ 242 BGB analog).
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Ungeachtet dessen kann die Verfahrensweise der Antragsgegnerin nur befremden. Allein das Vorausahnen etwaiger prozessualer Schwierigkeiten, bei womöglich gleichzeitig geringer Aussicht auf ein Gelingen des Rückgriffs, ist kein Grund, von vornherein von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abzusehen. Damit wird die Absicht des Gesetzgebers unterlaufen, grundsätzlich und schematisch einen Rückgriff für die im Voraus gezahlten Unterhaltsleistungen vorzusehen und zu betreiben. Eine Vorabwürdigung, ob dies im Einzelfall überhaupt gelingen und die Anstrengungen sich lohnen werden, ist der Verwaltung nicht zugestanden (so ausdrücklich Knittel, JAmt 2019, 183 [188]). Regt die Behörde in einem solchen Fall gleichwohl die Aufhebung der Beistandschaft an, so kann eine weitere Mitwirkung der Kindsmutter regelmäßig nicht erwartet werden (vgl. hierzu Knittel, JAmt 2019, 183 [188]).
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Für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 13. Juli 2022 unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkungspflichtverletzung (vgl. hierzu näher BayVGH, B.v. 18.04.2019 – 12 C 18.1893 – juris, Rn. 28 m.w.N.) mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. Februar 2024 (vgl. Bl. 87 ff. der Behördenakte) ist deshalb kein Raum. Die von der Antragsgegnerin herangezogene Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erlaubt die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung für die Zukunft nur, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche liegt – ungeachtet des Umstandes, dass sich das Verwaltungsgericht jeder Subsumtion unter die von der Antragsgegnerin herangezogene Vorschrift enthalten und deren Auffassung ohne nähere Auseinandersetzung mit dem materiellen Recht und den in Rechtsprechung und Literatur zahlreich vertretenen Gegenpositionen kritiklos übernommen hat – nicht vor. Die Antragstellerin hatte ihrer Mitwirkungspflicht aus § 1 Abs. 3 UVG bereits genügt. Eine bloße nachträgliche Änderung der rechtlichen Bewertung eines Vorgangs durch die Behörde begründet noch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X (vgl. K. Lang/Waschull, in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 48 Rn. 25; Schütze, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 48 Rn. 13). Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2022 sind daher – ungeachtet aller weiteren Erwägungen – von vornherein nicht gegeben.
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Soweit das Verwaltungsgericht unter Übernahme der Rechtsansicht der Antragsgegnerin gleichwohl meint, die Antragstellerin sei bereits unmittelbar nach der Schwangerschaft in der Ukraine verpflichtet gewesen, die Vaterschaftsfeststellung zu betreiben, weshalb ihr nunmehr – gleichsam retrospektiv von Anfang an – eine (weitere) Mitwirkungspflichtverletzung zur Last falle, findet dies in § 1 Abs. 3 UVG keine Grundlage (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 12.07.2022 – 2 LA 362/21 – juris, Rn. 19; siehe auch Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 95a m.w.N.: „Maßgeblichkeit der Antragstellung“). Die Vorschrift legt für die Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung keinen bestimmten Zeitpunkt fest, insbesondere nicht einen solchen bereits vor Antragstellung (verkannt von OVG NRW, B.v. 01.02.2023 – 12 E 573/22 – juris, Rn. 14 ff.). Letzteres müsste entgegen dem intendierten Schutz- und Regelungszweck des Unterhaltsvorschussgesetzes einen weitreichenden Anspruchsausschluss bewirken (siehe auch Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 95a). Es kann jedoch sehr wohl achtenswerte Gründe geben, weshalb eine Kindsmutter den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss erst Jahre nach der Geburt des Kindes geltend macht, vor allem dann, wenn der ihr bekannte, zunächst auch ohne vorherige gerichtliche Feststellung der Vaterschaft „kooperative“ Kindsvater seine „freiwilligen“ Unterhaltszahlungen plötzlich einstellt und einfach „abtaucht“ (verkannt von Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 143).
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Mit der Begründung, die Kindsmutter habe die prekäre Erziehungs- und Feststellungslage durch ihr Verhalten unmittelbar nach der Geburt selbst herbeigeführt, kann der Anspruch nicht ausgeschlossen werden (insoweit zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 135). § 1 Abs. 3 UVG sanktioniert nur die Mitwirkungsverweigerung, begründet aber keine „Haftung“ für mangelnde Erfolgsaussichten der Vaterschaftsfeststellung (vgl. auch OVG Bautzen, U.v. 24.05.2023 – 5 A 350/22 –, NJW 2023, 3250 – juris, Rn. 33; Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 92 u. 96; verkannt von OVG NRW, B.v. 01.02.2023 – 12 E 573/22 – juris, Rn. 19). Nicht einmal der Umstand, dass ein Verhalten der Kindsmutter den Rückgriff gegen den anderen Elternteil im Einzelfall unmöglich macht, könnte einen Anspruchsausschluss rechtfertigen (so zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 135). Die Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur anonymen Samenspende (vgl. U.v. 16.05.2013 – 5 C 28/12 –, NJW 2013, 2775 – juris, Rn. 24), der alleinerziehende Elternteil dürfe nicht „durch ein bewusstes und gewolltes Verhalten vor der Geburt des Kindes eine Situation (schaffen), in der die Feststellung der Vaterschaft (…) von vornherein aussichtslos ist“, ist ausschließlich auf die anonyme Samenspende bezogen und auf andere relevante Fallgestaltungen nicht übertragbar (so zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 147; Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 95b). Auch bei wiederholter Antragstellung (nach vorheriger Ablehnung wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft) ist der Mutter daher grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, die Mitwirkung nachzuholen, indem sie nunmehr hinreichende Auskünfte erteilt oder sonst alles Gebotene veranlasst, damit die Behörde den Vater ermitteln kann (so zutreffend Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 96).
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Ungeachtet dessen dürfte eine Vaterschaftsfeststellung bereits unmittelbar nach der Geburt regelmäßig dann als unzumutbar (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.05.2013 – 5 C 28/12 –, NJW 2013, 2775 – juris, Rn.11; BayVGH, B.v. 18.04.2019 – 12 C 18.1893 – juris, Rn. 28) anzusehen sein, wenn der Kindsmutter – wie vorliegend – Name und Anschrift des Erzeugers des Kindes bekannt sind und sie darüber hinaus auch die Bestellung einer Beistandschaft durch das Jugendamt unter Mitteilung von Namen und Adresse des Kindsvaters beantragt hat (vgl. Ziffer 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL, Stand 12/2022). Eine Weigerung, vorhandenes zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes erforderliches Wissen mitzuteilen (§ 1 Abs. 3 UVG), liegt dann nämlich nicht (mehr) vor (vgl. Knittel, JAmt 2019, 183 [186; 187]). Vielmehr hat die Kindsmutter mit der Einrichtung einer Beistandschaft und der glaubwürdigen Benennung mindestens eines plausiblen Putativvaters regelmäßig alles Notwendige und Zumutbare getan, um ihrer Mitwirkungspflicht zu genügen (so zutreffend Knittel, JAmt 2019, 183 [187]; verkannt von OVG NRW, B.v. 01.02.2023 – 12 E 573/22 – juris, Rn. 14 ff., dessen Auffassung den Umfang der gesetzlichen Mitwirkungspflicht jedenfalls dann contra legem überschreitet, wenn der Kindsmutter – anders als in den sog. „One-Night-Stand“-Fällen – Name und Anschrift des Erzeugers bekannt sind und [nunmehr] Bereitschaft zur Einrichtung einer Beistandschaft durch das Jugendamt zum Zwecke der Vaterschaftsfeststellung besteht). Eine „Haftung“ für den Eintritt eines Feststellungserfolgs legt § 1 Abs. 3 UVG der Kindsmutter nicht auf (so zutreffend auch Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 92 u. 96). Ebenso wenig begründet die Vorschrift eine Feststellungslast, wie die Antragsgegnerin rechtsirrig meint (vgl. Stellungnahme vom 27. Mai 2024, S. 3); sie statuiert lediglich eine Mitwirkungspflicht (vgl. Knittel, JAmt 2019, 183 [186 ff.]; Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 127 ff.), der die Antragstellerin vorliegend nachgekommen ist.
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Infolgedessen liegt es im Risikobereich der Antragsgegnerin, dass sie mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Kindsvater bis zu einer Beendigung des Krieges in der Ukraine – vorübergehend – ausfällt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.05.2013 – 5 C 28/12 –, NJW 2013, 2775 – juris, Rn. 14). Die dem Handeln der Antragsgegnerin offenbar innewohnende Vorstellung, die Gewährung von Unterhaltsvorschuss nach § 1 Abs. 1 UVG setze voraus, dass ihr in jedem Einzelfall die potentielle Möglichkeit eröffnet sein müsse, ihre Aufwendungen – sofort – von dem anderen Elternteil erstattet zu erhalten, ist ohne Grundlage (vgl. auch bereits BVerwG, U.v. 16.05.2013 – 5 C 28/12 –, NJW 2013, 2775 – juris, Rn. 14). Vielmehr hat die Antragstellerin ihrer Mitwirkungslast aus § 1 Abs. 3 UVG durch Benennung von Name und Anschrift des Kindsvaters sowie der Einleitung der Beistandschaft in vollem Umfang genügt (vgl. nur Ziffer 1.11.4 UVG-RL, Stand:12/2022). Hierauf hat nicht zuletzt auch der Bevollmächtigte der Antragstellerin mehrfach hingewiesen.
11
Ein sog. „One-Night-Stand“, bei dem die Kindsmutter den Erzeuger des Kindes (meist) nicht kennt und bei dem deshalb eine Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Vornahme entsprechender Mitwirkungshandlungen diskutiert wird (vgl. hierzu näher Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 136 ff.; siehe auch OVG Bautzen, U.v. 24.05.2023 – 5 A 350/22 –, NJW 2023, 3250 – juris, Rn. 32 ff; OVG NRW, B.v. 28.07.2021 – 12 A 468/20 – juris, Rn. 12 f.; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 24.09.2018 – 7 A 10300/18 – juris, Rn. 25 ff.), ist vorliegend gerade nicht gegeben. Ungeachtet dessen dürfte die mehrmalige vorbehaltlose (Weiter-) Bewilligung von Unterhaltsvorschuss in Kenntnis von Name und Adresse des Kindsvaters nebst Einleitung der Beistandschaft zur Vaterschaftsfeststellung durch die Antragstellerin zu einer Umkehr der Beweislast zum Nachteil der Behörde führen (so zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 132 a.E.).
12
Aufhebung und Zurückverweisung entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO geben dem Verwaltungsgericht Gelegenheit, seine bisherige Rechtsauffassung anhand der Aktenlage zu überprüfen und die Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nachzuholen. Das Verwaltungsgericht hat wesentlichen Verfahrensstoff – die im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 13. Juli 2022 auch nach der Auffassung der Antragsgegnerin bereits vorliegende Erfüllung der Mitwirkungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 UVG durch die Antragstellerin – nicht zur Kenntnis genommen und infolgedessen nicht zur Sache selbst entschieden. Die bloße nachträgliche Neubewertung eines Vorgangs durch die Behörde rechtfertigt die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB-X nicht (vgl. K. Lang/Waschull, in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 48 Rn. 25).
13
Nach derzeitigem Erkenntnisstand des Senats wird, sofern inzwischen nicht bereits prozessuale Überholung anzunehmen ist, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin für den Zeitraum bis zum Auslaufen des Bescheids vom 13. Juli 2022 am 11. April 2024 wiederherzustellen und für den Zeitraum ab 12. April 2024 auf einen entsprechenden Antrag des Bevollmächtigten der Antragstellerin hin die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss auf der Grundlage von § 123 VwGO anzuordnen sein, nachdem gegebenenfalls die neue Unterhaltsvorschussstelle in das Verfahren eingetreten ist (vgl. hierzu Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 78 Rn. 29 ff.). Die Gewährung von Leistungen nach dem SGB-II lässt den Anordnungsgrund für eine Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht entfallen (so zutreffend OVG Bautzen, B.v. 28.10.2020 – 3 D 42/20 – juris, Rn. 13). Beide Leistungen beruhen nicht auf demselben Geltungsgrund (verkannt von Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, Einl. Rn. 111).
14
Sinnvollerweise wird die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid vom 13. Februar 2024 aufheben und die Weiterbewilligung von Unterhaltsvorschuss im Einvernehmen mit der nunmehr zuständigen neuen Unterhaltsvorschussstelle über den 11. April 2024 hinaus anordnen. Selbst wenn man mit der Antragsgegnerin zu der (rechtsirrigen) Auffassung käme, die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, könnte eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Juli 2022 nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X, nicht aber unter denen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgen (vgl. hierzu Schütze, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 48 Rn. 13). Insoweit stünden jedoch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes (vgl. § 45 Abs. 2 SGB X) einer Aufhebung entgegen. Weder hat die Antragstellerin den Bewilligungsbescheid durch arglistige Täuschung erwirkt noch beruht der Bescheid auf Angaben, die die Antragstellerin vorsätzlich oder fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, noch musste sie die (vermeintliche) Rechtswidrigkeit des Bescheides kennen. Vielmehr durfte sie auf den Bestand des Bewilligungsbescheids vertrauen.
15
Das Vorgehen der Antragsgegnerin ist danach ohne Grundlage und harrt – unter Herstellung des Einvernehmens mit der nunmehr zuständigen Unterhaltsvorschussstelle – der Korrektur.
16
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).