Titel:
Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Kfz-Betrieb
Normenketten:
BayBO Art. 68 Abs. 5
BauGB § 34
Leitsätze:
1. Die Bauaufsichtsbehörde ist verpflichtet, zugunsten eines Nachbarn mittels einer konkreten Betriebsbeschreibung, durch Auflagen in der Baugenehmigung oder durch Ähnliches sicherzustellen, dass der Nachbar vor unzumutbaren Immissionen ausreichend geschützt wird. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein privates Geh- und Fahrtrecht Dritter begründet grundsätzlich kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung, wenn es nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kfz-Betrieb in Gemengelage, Keine unzumutbaren Schallemissionen, keine unzumutbaren Schallemissionen, Lärmgutachten, Geh- und Fahrtrecht, Erschließung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.12.2021 – M 8 K 20.1250
Fundstelle:
BeckRS 2024, 1375
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 40.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
2
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinem ernstlichen Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung zum Neubau eines Automobilschauraums und dem Anbau einer Werkstatt auf dem Nachbargrundstück, die jedoch keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt.
3
Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zu Recht darlegt, hat die Bauaufsichtsbehörde bei der Prüfung, ob und inwieweit von einer geplanten Nutzung Immissionen ausgehen können, der Reichweite der Immissionen nachzugehen. Sie muss insbesondere prüfen, in welchem Umkreis die Immissionen noch zumutbar sind. Sie ist daher verpflichtet, zugunsten eines Nachbarn mittels einer konkreten Betriebsbeschreibung, durch Auflagen in der Baugenehmigung oder durch Ähnliches sicherzustellen, dass der Nachbar vor unzumutbaren Immissionen ausreichend geschützt wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 5). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht es dabei, wenn es um die Lösung einer Immissionskonfliktlage geht, sowohl im Hinblick auf die Anforderungen der Bestimmtheit der Baugenehmigung als auch des Rücksichtnahmegebots in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 5.11.1968 – I C 29.67 – juris). Demgegenüber meint die Zulassungsbegründung, dass in einem solchen Regelfall stets eine entsprechende Lärmermittlung (Schallprognose) erstellt werden müsse und bezieht sich hierfür auf den oben zitierten Beschluss des Senats vom 2. Oktober 2012 (Az. 2 ZB 12.1898 – juris). Dieser Beschluss gibt für diese in der Zulassungsbegründung geäußerte Rechtsmeinung jedoch nichts her. In ihm wird zunächst der eben beschriebene Regelfall angenommen. Weiter lag ihm, soweit er eine Ausnahme von diesem Regelfall annimmt, eine Sachverhaltsgestaltung zu Grunde, in dem konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die festgesetzten Richtwerte nicht eingehalten werden können, da es in der Vergangenheit bereits zu zahlreichen Beschwerden wegen nicht hinzunehmenden Lärmbelästigungen gekommen war. So verhält es sich im hier zu entscheidenden Fall gerade nicht. Obwohl das beklagte Vorhaben bereits seit geraumer Zeit in Betrieb genommen wurde, vermag die Zulassungsbegründung keinen einzigen konkreten Fall zu benennen, in dem es zu einer Überschreitung der festgesetzten Richtwerte gekommen wäre. Stattdessen gibt die Zulassungsbegründung unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens weitgehend unsubstantiierte Befürchtungen wieder, dass die Festsetzung der Richtwerte nicht ausreichen könnte. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass eine solche Überschreitung bereits aufgrund des Umstands, dass für die Festsetzung der einschlägigen Richtwerte das Schutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets zugrunde gelegt wurde, auszuschließen ist, da – was zweitinstanzlich auch nicht mehr infrage gestellt wird – sich sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Klägerin in einer Gemengelage befinden, in der ein deutlich niedrigeres Schutzniveau gilt.
4
Wie das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats weiter ausführt, scheidet eine Verletzung von subjektiven Rechten aufgrund der Baugenehmigung auch aus, soweit sich die Klägerin auf eine Beeinträchtigung ihres Geh- und Fahrtrechts beruft, und zwar bereits deshalb, weil die Vereinbarkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens mit einem (auch dinglich gesicherten) Geh- und Fahrtrecht Dritter nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung ist. Dies ergibt sich auch aus Art. 68 Abs. 4 BayBO in der bis 31. Januar 2021 geltenden Fassung sowie Art. 68 Abs. 5 BayBO in der seit 1. Februar 2021 geltenden Fassung, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird. Das bedeutet, dass über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter – wie vorliegend eines Geh- und Fahrtrechts auf dem Baugrundstück – mit dem Bauvorhaben im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. Die Baugenehmigung sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie nicht belastend bzw. unzumutbar aus. Daher begründet ein solches privates Recht grundsätzlich auch kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung, sondern muss zivilrechtlich vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2013 – 2 CS 13.2267 – juris Rn. 3). Dagegen kann nicht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 1998 (Az. 4 B 45.98 – juris) ins Feld geführt werden. Dort ging es um die Abwehr eines Notwegerechts, das gerade aus der möglicherweise rechtswidrigen Baugenehmigung entstehen sollte, während sich die Klägerin im hier zu entscheidenden Fall auf ein eigenes Geh- und Fahrtrecht, das unabhängig von der streitgegenständlichen Baugenehmigung besteht, beruft.
5
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Klägerin sieht Schwierigkeiten bei der Klärung der Frage, ob auf ihr Grundstück unzumutbare Schallemissionen einwirken und meint, dass insoweit ein Schallgutachten erstellt werden muss. Wie oben unter 1. ausgeführt, ist dies jedoch gerade nicht der Fall.
6
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – BayVBl 2002, 378). Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung in der ersten Instanz.
7
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).