Titel:
Subjektiver Tatbestand bei Beihilfe durch Gewerbeanmeldung und Kontoeröffnung durch Strohleute
Normenketten:
StGB § 27, § 266a
StPO § 204
Leitsätze:
1. Allein aus der Gewerbeanmeldung und Kontoeröffnung durch Strohleute für einen als faktischen Leiter des Gewerbes agierenden und Steuern und Gesamtsozialversicherungsbeiträge verkürzenden Hintermann kann nicht auf deren Beihilfevorsatz geschlossen werden. (Rn. 10)
2. Auch bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts im Rahmen der §§ 203, 204 StPO sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf eine belastbare Beweis- und Tatsachengrundlage und nicht auf Vermutungen zu stützen. (Rn. 6)
3. Allein das Wissen von Strohleuten darum, nur deshalb als formelle Inhaber von Einzelfirmen eingesetzt worden zu sein, weil ein Familienangehöriger nicht (mehr) formeller Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens sein kann, rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme, die Strohleute hätten billigend in Kauf genommen, dass der Familienangehörige seinen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. (Rn. 12)
In Fällen, die sog. neutrale Handlungen betreffen, bedarf es einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung einzuordnen. In diesem Fall verliert sein Tun den Alltagscharakter. Dieses ist als Solidarisierung mit dem Täter zu deuten und dann nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, und hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
faktischer Geschäftsführer, Gewerbeanmeldung, Beihilfe, Gehilfenvorsatz, neutrale Handlung, Sozialversicherungsbeiträge
Fundstellen:
ZInsO 2024, 1497
BeckRS 2024, 13705
StV 2024, 721
FDStrafR 2024, 013705
wistra 2024, 479
Tenor
Hinsichtlich der Taten IV 1. a. Nrn. 1 bis 3 und IV 1. b. Nr. 13 der gegen A gerichteten Anklage 502 Js 2133/16 (Beitragsmonate Januar 2014 bis März 2014) wird die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen wegen Strafverfolgungsverjährung abgelehnt. Im Übrigen wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 10.10.2023 (Aktenzeichen: 502 Js 2133/16) zur Hauptverhandlung zugelassen und auf Antrag der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Angeklagten A das Hauptverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth – 18. Strafkammer als große Wirtschaftsstrafkammer – eröffnet (§§ 203, 207 StPO).
In der Hauptverhandlung ist die 18. Strafkammer mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt.
Hinsichtlich der gegen B, C, D und E erhobenen Anklage 502 Js 2487/21 wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt (§ 204 Abs. 1 StPO).
Soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten B, C, D und E der Staatskasse zur Last.
Gründe
1
Hinsichtlich A ist das Hauptverfahren, soweit keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist, zu eröffnen, weil insoweit für die angeklagten Taten hinreichender Tatverdacht besteht.
2
Hinsichtlich B, C, D und E ist die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abzulehnen, weil sie keiner – insbesondere nicht der angeklagten – Taten hinreichend verdächtig sind. Durch die verdachtsweise Betätigung als Strohleute für A in Form einer Gewerbeanmeldung mögen sie zwar (noch) dem A zu dessen verdachtsweise vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat Hilfe geleistet haben. Nach den gesamten, in den mit der Anklage dem Gericht vorgelegten Akten dokumentierten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens liegen aber keine Beweismittel für die Annahme eines dahingehenden hinreichenden Tatverdachts vor, sie hätten den erforderlichen Beihilfevorsatz gehabt. Weder der Bericht des Hauptzollamtes N. vom 10.07.2019 (EA Blatt 1894; soweit nicht anders angegeben, wird aus Vereinfachungsgründen im Folgenden nur noch das Verfahren 18 KLs 502 Js 2487/21 zitiert) noch die Anklage(n) nennen hierfür – insoweit folgerichtig – Beweismittel und befassen sich ausschließlich mit der (Beweis-) Frage der Verantwortlichkeit des A, und nicht damit, ob und inwieweit beweisbar sein könnte, ob B, C, D und E einen auf die Haupttat(en) bezogenen Vorsatz gehabt haben könnten, der die Verwirklichung hinreichend konkretisierter Taten des A und die Förderung dieser Taten durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfasst hätte.
3
Die Anklage vom 12.10.2021 (18 KLs 502 Js 2487/21) führt auf Seite 60 insoweit lediglich aus:
„Die Angeschuldigten wussten zumindest aufgrund der Gewerbeanmeldungen, dass sie formal ein Gewerbe betrieben, für das regelmäßig Arbeitnehmer notwendig sind. Weiterhin wussten sie, dass sie dem anderweitig Verfolgten A ihre Firma und ihre Geschäftskonten zur Verfügung stellten, womit dieser seine tatsächliche Verantwortlichkeit für die Unternehmen verschleierte. Zudem überließen sie dem anderweitig Verfolgten A völlig freie Hand und kümmerten sich insbesondere nicht um die Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Pflichten. Aufgrund der Kenntnis dieser Umstände nahmen sie daher zumindest billigend in Kauf, dass der anderweitig Verfolgte A die sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllte.“
4
Den Ausführungen unter „4. Rechtliche Würdigung a) Beihilfe“ im Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage 502 Js 2487/21 auf Seite 66 ist lediglich zu entnehmen, B, C, D und E seien als Gehilfen zu qualifizieren, da es sich bei § 266a StGB um ein Sonderdelikt handele.
5
Allein aus den Umständen, dass sie vom Betrieb eines Gewerbes wussten, in dem Arbeitnehmer beschäftigt wurden, dass sie dem A Zugang zu Geschäftskonten eröffneten und sich selbst nicht mit der Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Pflichten befassten, ist nicht zu folgern, es liege ihrerseits ein auf die Haupttaten bezogener Vorsatz vor, der sowohl die Verwirklichung der hinreichend konkretisierten Taten des A als auch die Förderung dieser Taten durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfasste. Es ist insbesondere nichts Dahingehendes ermittelt, sie hätten Anhaltspunkte für dessen verdachtsweises Fehlverhalten gehabt und nichts unternommen. Derartiges ist auch nicht mehr ermittelbar.
6
Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind auf eine belastbare Tatsachengrundlage zu stützen und dürfen nicht in Spekulationen über die innere Tatseite verharren, was auch für die Annahme eines insoweit bestehenden hinreichenden Tatverdachts gilt. Es ist nicht Sache des Tatgerichts, insoweit ohne eine sich aus den Akten ergebende Beweisgrundlage das Hauptverfahren zu eröffnen und den Nachweis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu überlassen.
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I. 1. Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Grundlage für die Entscheidung, ob hinreichender Tatverdacht besteht, sind die Ergebnisse des vorbereitenden Verfahrens, also die gesamten, in den mit der Anklage dem Gericht vorzulegenden Akten dokumentierten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, nicht nur die in der Anklageschrift bezeichneten Tatsachen und Beweismittel, ggf. einschließlich der Ergebnisse nach § 202 StPO vorgenommenen Ermittlungen sowie der Ausführungen des Angeschuldigten in seiner Stellungnahme zur Anklageschrift (Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 203 Rn. 5; BeckOK StPO/Ritscher, 50. Ed. 01.01.2024, StPO § 203 Rn. 1). Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn nach vorläufiger Bewertung des sich aus dem gesamten Akteninhalt ergebenen Sachverhalts und der Beweisergebnisse eine Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist, also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht. Die Eröffnungsentscheidung soll nur erkennbar aussichtslose Fälle ausfiltern, der Hauptverhandlung ansonsten aber nicht vorgreifen (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2021 – StB 31 + 32/21; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. August 2019 – 1 Ws 22/19; OLG Hamm, Beschluss vom 21. November 2013 – 5 Ws 438/13). „Hinreichender Tatverdacht“ im Sinne des § 203 StPO ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Tatgericht einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum eröffnet (OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. August 2010 – 1 Ws 464/10). Aufgabe des strafprozessualen Zwischenverfahrens ist es, im Wege der „antizipierten Beweiswürdigung“ eine Prognoseentscheidung zur Verurteilungswahrscheinlichkeit zu treffen und dabei gerade auch die voraussichtliche Beweisbarkeit aller zur Verurteilung notwendigen (äußeren wie inneren) Tatsachen mit den in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehenden Beweismitteln in den Blick zu nehmen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 05. Mai 2017 – 1 Ws 481/16). Der hinreichende Tatverdacht ist mehr als die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichende Möglichkeit einer Verurteilung. Ein Freispruch in der Hauptverhandlung muss zwar nicht völlig auszuschließen sein; die Gründe, die eine Verurteilung erwarten lassen, müssen demgegenüber aber stärker bzw. gewichtiger sein, so dass grundsätzlich das „schlichte“ Überwiegen der Verurteilungswahrscheinlichkeit als Grundlage für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts ausreicht. Zweifelhafte Tatfragen hindern insoweit die Eröffnung nicht, wenn es bei ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung notwendig erscheint, die besseren Erkenntnismöglichkeiten der Hauptverhandlung für die Sachaufklärung in Anspruch zu nehmen und diese zu einer die Verurteilung tragenden tatsächlichen Grundlage führen können (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Februar 2023 – 2 Ws 112/22 m. w. N.).
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4. Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat (§ 27 Abs. 1 StGB).
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a) Ein solches Hilfe leisten kann in objektiver Hinsicht als physische Beihilfe (auch Tathilfe) oder als psychische Beihilfe geleistet werden. Die konkreten Mittel der Beihilfe sind also generell unbegrenzt und können grundsätzlich durchaus auch in Verhaltensweisen liegen, die als solche (in einem anderen Kontext) sozial unauffällig wären (vgl. BeckOK StGB/Kudlich, 60. Ed. 1.2.2024, StGB § 27 Rn. 3). Bei der Beihilfe muss eine für den Täter vorteilhafte Veränderung der (Tat-)Bedingungen geschaffen werden; auf das Gewicht des Beitrages kommt es nicht an (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Hoffmann-Holland/Singelnstein, 3. Aufl. 2024, StGB § 27 Rn. 2a) m. w. N.). Das Hilfeleisten kann auch durch eine bloß mentale bzw. geistige Unterstützung des Täters erfolgen. Psychische Beihilfe liegt i. d. R. vor, wenn der Täter bei der Tatausführung beraten wird, sofern es sich um konkrete („technische“) Ratschläge handelt, die sich in der Tat auswirken (Graf/Jäger/Wittig/Hoffmann-Holland/Singelnstein, 3. Aufl. 2024, StGB § 27 Rn. 7 a) m. w. N.). Eine Förderung der Handlungen des Haupttäters ist ausreichend und eine Ursächlichkeit des Gehilfenbeitrags für die Haupttat selbst ist nicht erforderlich. Beihilfe erfordert demnach eine tatsächliche Förderung der Haupttat, indem diese ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert wird (vgl. Schönke/Schröder/Heine/Weißer, 30. Aufl. 2019, StGB § 27 Rn. 4 m. w. N.).
10
b) Aus dem Umstand, dass eine Person sich als Strohmann für eine andere Person (Hintermann) betätigt und ein Gewerbe auf den eigenen Namen anmeldet, kann nicht sofort und ohne weiteren Beleg gefolgert werden, die so als Beihelferin anzusehende Person habe jedwede Vorgehensweise und strafbare Handlungen jener anderen Person (Hintermann) „vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen“. Auch der hinreichenden Tatverdacht ist auf eine belastbare Tatsachengrundlage zu stützen und nicht auf Spekulationen. Die gedachte Annahme, wer sich als Strohmann betätige werde, „wohl schon wissen“, dass die Person, für die er sich in dieser Weise zur Verfügung stelle, nichts anderes als Straftaten vorhabe, weil dieses einfach jedem einleuchte, begründet keinen Beihilfevorsatz.
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Die Rechtsprechung bietet hierzu folgendes Meinungsbild: Hinsichtlich der subjektiven Tatseite muss sich der Vorsatz des Gehilfen auf die Haupttat beziehen und sowohl die Verwirklichung der hinreichend konkretisierten Tat des anderen als auch die Förderung dieser Tat durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfassen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Teilnehmer nicht zu kennen; indes muss er jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2022 – 2 StR 302/21; BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – 1 StR 454/14) bzw. für möglich halten und billigen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10). Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Es reicht, daß die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß. Unter dieser Voraussetzung ist der Vorsatz selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er mißbillige die Haupttat (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 1 StR 56/17). Der Vorsatz eines Teilnehmers – sei er Anstifter oder Gehilfe – muss sich auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten. Dem Bestimmtheitserfordernis des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, dass nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kennt. Für den Vorsatz des Teilnehmers sind diejenigen Tatumstände als wesentlich anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden lässt. Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters. Während der Anstifter eine bestimmte Tat, insbesondere einen bestimmten Taterfolg vor Augen hat, erbringt der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Er strebt diese nicht notwendigerweise an, weiß aber oder hält es für möglich und nimmt jedenfalls billigend in Kauf, dass sich sein Handeln als unterstützender Bestandteil einer Straftat manifestieren kann. Beihilfe kann deshalb schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2017 – 3 StR 430/16). Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe erkennt und billigend in Kauf nimmt, dass sich sein Beitrag als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2016 – 1 StR 245/16). Der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 – 3 StR 435/11; BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 3 StR 310/11; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10).
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c) Allein das Wissen bspw. eines Steuerpflichtigen, dass er nur deshalb als formeller Inhaber einer Einzelfirma eingesetzt worden war, weil sein Familienangehöriger nicht (mehr) formeller Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens sein konnte, rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss, dass der Steuerpflichtige billigend in Kauf nahm, dass sein Familienangehöriger als von ihm mit Generalvollmacht versehener (faktischer) Geschäftsführer seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind auf eine belastbare Tatsachengrundlage zu stützen und dürfen nicht in Spekulationen über die innere Tatseite verharren. In solchen Fällen ist überdies eine eventuelle familiäre Vertrauensbeziehung mit einzubeziehen, die ein Vertrauen des Steuerpflichtigen, sein Familienangehöriger werde Steuererklärungen einreichen und nicht etwa ihn für Straftaten missbrauchen, möglich erscheinen ließ. Entscheidend ist auch, ob der Steuerpflichtige davon ausgegangen sein könnte, ein von seinem Familienangehörigen eingesetzter Steuerberater stelle die fristgemäße Einreichung inhaltlich richtiger Steuererklärungen sicher. Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge gerade nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit deren Eintreten in der Weise einverstanden ist, dass er sie billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 − 1 StR 119/19).
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Der formelle Geschäftsführer einer GmbH, der einen faktischen neben sich gewähren lässt, ist wie ein Delegierender zu behandeln. Hinsichtlich des die operativen Unternehmensaufgaben wahrnehmenden faktischen Geschäftsführers treffen ihn infolgedessen Überwachungspflichten, die er insbesondere dann verletzt, wenn er Anhaltspunkte für dessen Fehlverhalten hatte und nichts unternimmt, wobei sich diese Verdachtsmomente nicht unmittelbar auf die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten zu beziehen brauchen. Dies begründet seinen Vorsatz (BGH, Beschluss vom 3. März 2020 – 5 StR 595/19; Urteil vom 8. Januar 2020 – 5 StR 122/19).
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d) In Fällen, die sogenannte neutrale Handlungen betreffen, bedarf es einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung einzuordnen. In diesem Fall verliert sein Tun den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, und hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko der Begehung einer Straftat durch den von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Urteil vom 30. September 2020 – 3 StR 511/19; Beschluss vom 26. Januar 2017 – 1 StR 636/16; Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12; Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12; Beschluss vom 20. September 1999 – 5 StR 729/98).
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II. 1. a) A soll Personen gegen Entgelt beschäftigt, deren Löhne ganz oder zum Teil bar ausgezahlt und diese nicht oder nicht in zutreffender Weise zur Sozialversicherung und zur Lohnsteuer angemeldet haben. Zur Verschleierung der für die Lohnzahlung aufgewendeten Barmittel soll er vorgebliche Eingangsrechnungen von Subunternehmen in der Buchhaltung der vier von ihm betriebenen Einzelunternehmen eingebucht haben. Diesen Rechnungen sollen keine tatsächlich erbrachten Leistungen der jeweiligen Rechnungssteller zu Grunde gelegen haben. Sie sollten lediglich dem Zweck gedient haben, die Ausgaben der Unternehmen für Schwarzlohnzahlungen ”abzudecken“. A habe dem von ihm beauftragten Buchhalter [ ] für jeden Beitragsmonat im Zeitraum Februar 2012 bis November 2017 zu geringe oder gar keine Löhne der Beschäftigten der vier faktisch von ihm betriebenen Einzelunternehmen übermittelt, welcher – gutgläubig – den zuständigen Einzugsstellen entsprechend den ihm gemeldeten Lohnsummen anschließend unrichtige oder gar keine Beitragsnachweise zugeleitet haben soll.
16
b) Hinsichtlich der Taten IV 1. a. Nrn. 1 bis 3 und IV 1. b. Nr. 13 der gegen A gerichteten Anklage 502 Js 2133/16 (Beitragsmonate Januar 2014 bis März 2014) war die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen wegen Strafverfolgungsverjährung abzulehnen. Die letzte Unterbrechungshandlung wäre zwar die Erhebung der Anklage (§ 170 Abs. StPO) mit Verfügung vom 10.10.2023. Das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist ist jedoch hinsichtlich dieser Taten verstrichen, unabhängig davon, ob falsche oder gar keine Beitragsnachweise eingereicht worden sind.
17
c) Im Übrigen ist der hinreichende Tatverdacht zu bejahen.
18
aa) Nach den obigen Vorgaben wäre A im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts als Arbeitgeber anzusehen, weil er faktisch die Leitung des Unternehmens übernommen und rechtsgeschäftliche Handlungen des Unternehmens in maßgeblicher Weise, und zwar auch für Außenstehende erkennbar, übernommen hätte, ohne formaler Betriebsinhaber zu sein. Dieses ergibt sich bereits aus den Ausführungen und den dort in Bezug genommenen Beweismitteln im Bericht des HZA vom 10.07.2019 auf Seite 41 ff. (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 1934 ff.). Umgekehrt hat keiner der schriftlich angehörten Zeugen oder vernommenen Personen jemand anderen als den A als verantwortlich in diesem Sinne beschrieben.
19
bb) Die Ermittlungen haben im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts ergeben, dass die Aufzeichnungspflichten in den betreffenden Zeiträumen nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sein könnten und die Befugnis zur Schätzung eröffnet wäre: Die – ermittelten – für die Auftragsbearbeitung benötigten Mindestarbeitsstunden könnten die aufgezeichneten Arbeitsstunden überschritten haben und Subunternehmer könnten nicht in dem Umfange wie aufgezeichnet und erfasst tätig geworden sein (vgl. Bericht vom 10.07.2019 Seiten 57 ff.; 18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 1950 ff.).
20
cc) Die Durchführung der Schätzung erscheint jedenfalls bei Prüfung des hinreichenden Tatverdachts tragfähig (vgl. Bericht vom 10.07.2019 Seiten 110 ff.; 18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 2003 ff.).
21
2. a) Der B liegt zur Last, den A betreffend Abrechnungszeiträume Februar 2012 bis Dezember 2014 dadurch unterstützt zu haben, dass sie bei der Stadt [ ] ein Gewerbe mit Betriebsbeginn 24.08.2011 anmeldete, mittels dessen der A in die Lage versetzt worden sein soll, Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von [ ] zu verkürzen. Ihr wird „Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 35 Fällen gemäß §§ 266a Abs. 1, 2 Nr. 1, 27, 28 Abs. 1 StGB“ zur Last gelegt. B sei „am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung“ nicht beteiligt gewesen.
22
b) Hinsichtlich der Taten gemäß Anhang zum Anklagesatz I 1 der Anklage 502 Js 2487/21 (Fallnummern 1 bis 26 Beitragsmonate Februar 2012 bis März 2014) war die Eröffnung des Hauptverfahrens bereits aus rechtlichen Gründen wegen Strafverfolgungsverjährung abzulehnen. Die letzte Unterbrechungshandlung wäre zwar die Erhebung der Anklage (§ 170 Abs. StPO) mit Verfügung vom 12.10.2021. Das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist ist jedoch hinsichtlich dieser Taten verstrichen, unabhängig davon, ob falsche oder gar keine Beitragsnachweise eingereicht wurden.
23
c) Unabhängig hiervon besteht hinsichtlich der vorgenannten und der übrigen gegen B erhobenen Vorwürfe kein hinreichender Tatverdacht für einen Beihilfevorsatz.
24
aa) B bestreitet diesen Vorwurf (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 2310 ff.): Sie habe von den geschäftlichen Vorgängen innerhalb der Firma B Eisenflechterei keinerlei Kenntnis. Mit den Geschäften der Eisenflechterei habe sie keine Berührungspunkte gehabt. Hierzu fehle ihr zudem jegliche Fachkenntnis. Sie habe generell keinerlei Geschäftserfahrung. Sie sei erst 2004 aus dem [ ] nach Deutschland gekommen. Sie verfüge über einen Hauptschulabschluss, erworben im [ ], einen Beruf habe sie nie gelernt. Sie sei Hausfrau und habe zwei kleine Töchter im Alter von zwei und vier Jahren, die von ihr versorgt würden. Ihr Ehemann sei ebenfalls ungelernt und arbeite in einer Gaststätte. Tatsächlicher bzw. faktischer Geschäftsführer der Eisenflechterei sei ihr Schwager A gewesen. Dieser habe sich um sämtliche geschäftliche Abläufe innerhalb der Firma gekümmert, von denen sie keine Kenntnis gehabt habe. Sie habe lediglich wichtige Rechnungen an AOK sowie an das Finanzamt und an die Baugenossenschaft überwiesen und sei A quasi als Geschäftsinhaberin „vorgeschoben“ worden. Sie habe ihrem Schwager vertraut, da er zur Familie gehöre, innerhalb der kosovarischen Gemeinschaft hohes Ansehen genieße und eine Respektsperson darstelle. Er habe ihr gesagt, es sei normal und gar kein Problem, wenn die Firma auf ihren Namen laufe. Sie sei zuvor noch nie Inhaberin einer Firma gewesen, ihr sei nicht bewusst, welche Risiken hiermit verbunden seien.
25
bb) Aus den Akten ergeben sich folgende Erkenntnisse:
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Am 24.08.2011 meldete B bei der Stadt [ ] mit Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit am gleichen Tage ein Gewerbe mit der Bezeichnung „Eisenflechter“ und „Abbrucharbeiten“ mit Betriebsstätte „[ ]“ an (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 5 Band 1 9 ff.). Im Zeitraum 01.10.2011 bis zum 31.12.2014 sollen mittels der Girokarten, die für B ausgestellt worden sein sollen, in 395 Fällen Barabhebungen vom Konto mit der Nummer [ ] mit einem Gesamtbetrag in Höhe von € 491.910,00 vorgenommen worden sein, die für B ausgestellt waren (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 7 Band 1 15b).
27
Im Ermittlungsbericht vom 10.07.2019 ist insbesondere ausgeführt (18 KLs 502 Js 2487/21 Blatt 1934), sämtliche Auftraggeber hätten angegeben, dass kein Kontakt zu der formellen Inhaberin der Firma bestanden habe. Die Telefonnummer des A sei auf einem Schreiben vom 27.01.2015 und auf dem Firmenstempel angegeben gewesen.
28
cc) Diese Beweismittel und Erkenntnisse reichen nach den obigen Vorgaben nicht aus, um den von der Anklage behaupteten hinreichenden Tatverdacht zu belegen. Nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens und dem Inhalt der gesamten mit der Anklage dem Gericht vorgelegten Akten dokumentierten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung der B.
29
In der zitierten Gewerbeanmeldung mag eine taugliche, aber hier auch die einzige Beihilfehandlung, gesehen werden können, weil diese die Durchführung der durch A verdachtsweise begangenen Straftaten nach § 266a StGB zumindest erleichtert haben könnte. Die beschriebenen verdachtsweisen Barabhebungen hingegen stellen vor diesem Hintergrund keine Teilnahmehandlung dar.
30
Allerdings ergeben sich aus den Akten keinerlei Erkenntnisse dahingehend, B habe „den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung“ einer Haupttat des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zumindest erfasst und für möglich gehalten, bzw. gewusst hierdurch eine derartige Haupttat zu fördern oder zu erleichtern. Nach den oben zur Steuerhinterziehung entwickelten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 − 1 StR 119/19) würde – auch aus Gründen des Handelns im Familienverbund – selbst das Wissen der B darum, sie sei als formelle Inhaberin einer Einzelfirma eingesetzt worden, weil A nicht nach außen habe in Erscheinung treten wollen, nicht den Schluss rechtfertigen, sie habe auch die Möglichkeit gesehen, durch A würden Gesamtsozialversicherungsbeiträge verkürzt. Die Akten enthalten keinerlei Beweismittel, mittels derer die in der Anklage verwendete Formulierung „wie von der Angeschuldigten B vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen“ belegbar wäre. Vielmehr behauptet die Anklage selbst: „Die Angeschuldigten als formale Firmeninhaber waren am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung der jeweiligen Unternehmen jedoch nicht beteiligt.“ Wenn dem jedoch so gewesen sein soll, kann B von der Vorgehensweise des A auch nichts gewusst haben.
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3. a) Dem C liegt zur Last, den A betreffend Abrechnungszeiträume März 2014 bis April 2016 dadurch unterstützt zu heben, dass er bei der Stadt [ ] ein Gewerbe mit Betriebsbeginn 12.02.2014 anmeldete, mittels dessen der A in die Lage versetzt worden sein soll, Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von [ ] zu verkürzen. Ihm wird „Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in tatmehrheitlichen 26 Fällen, davon zwei Fälle in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in weiteren drei tateinheitlichen Fällen davon zwei Fälle in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in weiteren zwei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 266a Abs. 1, 2 Nr. 1, 2, 27, 28 Abs. 1 StGB.“ zur Last gelegt. C sei „am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung“ des unter der Bezeichnung „[ ]“ betriebenen Unternehmens nicht beteiligt gewesen.
32
b) Hinsichtlich der Taten gemäß Anhang zum Anklagesatz I 2 der Anklage 502 Js 2487/21 (Fallnummer 42, Beitragsmonat März 2014) war die Eröffnung des Hauptverfahrens bereits aus rechtlichen Gründen wegen Strafverfolgungsverjährung abzulehnen. Die letzte Unterbrechungshandlung wäre zwar die Erhebung der Anklage (§ 170 Abs. StPO) mit Verfügung vom 12.10.2021. Das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist ist jedoch hinsichtlich dieser Taten verstrichen, unabhängig davon, ob falsche oder gar keine Beitragsnachweise eingereicht wurden.
33
c) Unabhängig hiervon besteht für die vorgenannten gegen C erhobenen Vorwürfe und die übrigen Taten kein hinreichender Tatverdacht für einen Beihilfevorsatz.
34
aa) C hat sich bislang nicht zur Sache eingelassen.
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bb) Aus den Akten ergeben sich folgende Erkenntnisse:
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(A) Den nachfolgenden Erkenntnissen lässt sich nichts Dahingehendes entnehmen, C habe den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der von A verdachtsweise in der beschriebenen Art begangenen Haupttaten erfasst:
37
Am 12.02.2014 meldete C bei der Stadt [ ] mit Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit am 12.02.2014 ein unter der Anschrift „[ ]“ betriebenes Gewerbe mit der Bezeichnung „Eisenflechterei“ an (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 1 Band 1 Blatt 90). Am 08.04.2016 gab er das Gewerbe wieder auf (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 1 Band 1 Blatt 91). Am 12.02.2014 erteilte er dem A eine Vollmacht (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 1 Band 1 Blatt 2). Am 12.02.2014 eröffnete C bei der Postbank ein Konto mit der Kontonummer [ ] und erteilte dem A hierfür eine Vollmacht (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 8 Band 1 Blatt 5-16). [ ] erhielt zwei Girokarten, ebenso C (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 8 Band 1 Blatt 24). Mittels der für C ausgegebenen Girokarten wurden von diesem Konto [ ] in bar abgehoben (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 8 Band 1 Blatt 406). Im Ermittlungsbericht vom 10.07.2019 ist insbesondere ausgeführt (18 KLs 502 Js 2487/21 Blatt 1936 ff.), während einer Durchsuchungsmaßnahme habe der Zeuge [ ] geäußert, dass er die Person C nicht kennen würde. Bezüglich der Fa. H [ ] habe er nur mit A zu tun gehabt. Der Zeuge habe dieses später nochmals bestätigt. Auch die aufgefundenen Zugangsdaten zum Online-Verfahren der SOKA-Bau seien ein weiterer Hinweis auf die Verantwortlichkeit des A Als Benutzername sei die E-Mailadresse angegeben: Fa. [ ]. Als Passwort sei dort „[ ]“ vermerkt. Die Telefonnummer des A sei auf dem Firmenstempel vermerkt. [ ], Geschäftsführer der Firma [ ] mbH, habe geäußert, dass er nie Kontakt mit dem formellen Inhaber der Firma [ ] gehabt habe. Sein Hauptansprechpartner sei immer A gewesen. Zahlreiche Arbeitnehmer hätten A als „Chef“ angesehen.
38
Diesen Erkenntnissen lässt sich zur Aufklärung des subjektiven Tatbestandes überhaupt nichts entnehmen. Insbesondere eine bloße Gewerbeanmeldung als solche und – im Übrigen bezüglich der Person C – nicht belegte Geldabhebungen tragen keinerlei für C erkennbaren Informationsgehalt des Inhaltes, A gehe in der beschriebenen Weise strafrechtlich relevant vor.
39
(B)(I) Zwar ergibt sich aus den dem Gericht vorgelegten Akten, dass C – anders als B – möglicherweise gegenüber Mitarbeitern und Auftraggebern nach außen in Erscheinung getreten sein könnte:
40
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 Blatt 2251 ff.), er kenne den C als Gast im „[ ]“. Er sei auch „in dem Büro“ gewesen, was er dort gemacht habe, wisse er aber nicht. Wenn er einen Teil seines Lohnes in bar erhalten habe, habe ihm diesen C im Lokal ausgezahlt. Er sei nach Stunden bezahlt worden. Die Stundenaufzeichnungen habe er selbst aufgeschrieben. Das sei auch kein spezieller Vordruck für die Stunden, sondern ein ganz normaler Zettel gewesen. Die Aufzeichnungen habe er dann entweder dem C oder dem A im Café übergeben.
41
[ ] hat schriftlich angegeben (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 1 248 ff.), er habe mit C Kontakt gehabt, der „öfter mit Hr. A dabei“ gewesen sei.
42
[ ] (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 1 265 ff.) hat bekundet, bei „[ ]“ habe er gearbeitet, da sei C der „Chef“ gewesen. Auf die Frage, wer sein Vorgesetzter gewesen sei, stellte er die Gegenfrage „Ist C nicht der Chef von [ ]? C war auch dabei, als die Arbeiter eingeteilt wurden. A war wieder Bauleiter und auch eingeteilt.“
43
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 1 Blatt 396 ff.), sein Ansprechpartner sei C gewesen, der ihn auch eingestellt habe. A sei nur sein Polier gewesen, C sein Vorgesetzter. Anweisungen habe er aber von A erhalten.
44
[ ] (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 103 ff.) hat ausgesagt, „C“ habe gesagt, er kümmere sich um alles und melde ihn an, wenn er ihm die Papiere gebe. Wie „C“ mit Nachnamen heiße, wisse er nicht genau, er glaube C oder so.
45
[ ] hat ausgesagt (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 238 ff.), 2014 habe er nicht gearbeitet. Er habe sich beworben und als er ein positives Feedback bekommen habe, habe er dann im Februar oder März 2015 angefangen zu arbeiten. Der Chef dieser Firma sei ein C oder C gewesen. Er wisse es nicht mehr genau. Am [ ] gebe ja es zwei albanische Clubs, so etwas wie ein Cafe oder eine Bar. Sein Bruder habe dort diesen C oder C gefragt. So sei der Kontakt zustande gekommen. Er selbst habe ihn kontaktiert und habe gesagt, er wolle arbeiten, und er habe gesagt, wenn er ihm die Papiere bringe, würde er ihm die Papiere, dass er arbeiten dürfe, besorgen. Er habe ihn ein bis zwei Mal gesehen. Er habe mit ihm so gut wie nichts zu gehabt. Sein Kontakt, was das Arbeiten angegangen sei, sei A gewesen. Den Arbeitsvertrag habe er in Anwesenheit des C unterschrieben.
46
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 197 ff.), A habe vielen Leuten angeboten, dass sie eine Firma aufmachen sollten und er sich um alles kümmere. C habe er nur einmal gesehen, als er im Biergarten der Kneipe gesessen habe. Das habe ihm seine Freundin gesagt, als sie dort bedient habe, dass das der C sei.
47
[ ] hat im Rahmen einer schriftlichen Zeugenaussage (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 Blatt 263 ff.) ausgeführt, „Hr. C“ habe sich an einer Baustelle vor Ort vorgestellt. Die Preise seien besprochen worden, er sei auch Ansprechpartner gewesen.
48
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 Blatt 295 ff.), C heiße der Chef. Er habe mit ihm in einem Café am [ ] gesprochen. Das Café habe einen italienischen Namen. Das sei direkt am [ ], direkt nebenan sei der alte [ ]. Der Chef habe ihn gefragt, ob er schon mal als Eisenflechter tätig gewesen sei. Er habe gesagt, dass er in Bulgarien zehn Jahre lang schon als Eisenflechter tätig gewesen sei. Er habe ihn auch gefragt, warum er den jetzigen Job aufgeben und bei ihm anfangen wolle und was er beim alten Job verdiene. Er habe dann gesagt, dass er die 14,00 Euro pro Stunde auch bei ihm bekomme. C habe gesagt, dass bald ein großes Projekt in S. anstehe und er dort eingesetzt werde. C sei mittelgroß, so 1,75 Meter, habe grau-weiße Haare und einen Schnurrbart. Er sei dünn und zwischen 50 und 60 Jahre alt. Als er begonnen habe zu arbeiten, habe er ihn öfters gesehen. Wenn er in der [ ] in den [ ] zum Kaffeetrinken nach der Arbeit gegangen sei, habe er ihn gesehen. Manchmal sei der C auch auf die Baustellen gekommen.
49
[ ] hat im Rahmen einer schriftlichen Zeugenaussage (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 4 9 ff.) ausgeführt, Ansprechpartner sei „Herr C“ gewesen.
50
Ähnlich führte dieses [ ] schriftlich aus (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 4 Blatt 116 ff.).
51
(II) Die vorstehend geschilderten Erkenntnisse belegen jedoch lediglich, dass C – im Übrigen entgegen der in der Anklage aufgestellten Behauptung „Die Angeschuldigten als formale Firmeninhaber waren am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung der jeweiligen Unternehmen jedoch nicht beteiligt.“ – gleichwohl Aufgaben nach außen hin übernommen haben könnte. Bei keiner Vernehmung jedoch wurde mit den Zeugen eine Wahllichtbildvorlage durchgeführt, die die Feststellung ermöglicht hätte, ob die Zeugen C auch als solchen erkannten oder vielmehr A für diesen hielten. Den Vernehmungen lassen sich in einer Gesamtschau – eingedenk des vorstehend Gesagten – neben bloßer Anwesenheit Tätigkeiten der Lohnauszahlung, auf dem Bau, der Entgegennahme von Papieren, der Vermittlung von Arbeitnehmern und der Auftragsentgegennahme entnehmen. Selbst wenn dieses Auftreten des C tatsächlich so stattgefunden hätte, ließen sich daraus keine Rückschlüsse darauf ziehen, C habe auch die oben beschriebene Vorgehensweise des A und die insoweit wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne eines bedingten Vorsatzes zumindest für möglich gehalten und gebilligt. Beweismittel die den Schluss zuließen, C habe jemals auch nur davon erfahren, A habe gezahlte Löhne nicht korrekt in seinen Aufzeichnungen erfasst und Abdeckrechnungen verwendet, sind nicht vorhanden. Mit der Lohnbuchhaltung war C nicht befasst. Im Übrigen wären diese verdachtsweisen Tätigkeiten als neutrale Handlungen im Sinne der obigen Darlegungen anzusehen. Hinsichtlich der Barabhebungen ist lediglich feststellbar, mittels welcher Karten sie durchgeführt wurden, nicht aber wer sie durchgeführt hat. Im Übrigen ließe sich auch daraus nichts für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts auf der subjektiven Tatseite herleiten. Keiner der vorgenannten Zeugen hat irgendetwas dazu ausgesagt, ob – und ggf. welche Erkenntnisse – sie dazu gehabt haben könnten, ob C die verdachtsweise Vorgehensweise des A bekannt gewesen sein könnte. Der Inhalt der Aussagen lässt auch nicht den Schluss zu, C sei mit Umständen in Berührung gekommen, die für ihn (nur) den Schluss hierauf hätten zulassen müssen.
52
4. a) Der D liegt zur Last, den A betreffend Abrechnungszeiträume Januar 2016 bis November 2017 dadurch unterstützt zu haben, dass sie bei der Stadt [ ] zum 04.01.2016 ein Gewerbe anmeldete, mittels dessen der A in die Lage versetzt worden sein soll, Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von [ ], Lohnsteuer in Höhe von [ ] und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von [ ] zu verkürzen. Ihr wird „Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 23 tatmehrheitlichen Fällen, davon drei Fälle in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in weiteren drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung, davon zehn Fälle in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in weiteren zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung, davon vier Fälle in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung, davon sechs Fälle in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AO, 35 AO, 38, 39b, 41, 41a EStG, 1, 2, 4 LStDV, 1, 2, 3, 4 SolZG, § 266a Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 StGB, 27, 28 Abs. 1 StGB“ zur Last gelegt. D sei „am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung“ des unter der Bezeichnung „[ ]“ betriebenen Unternehmens nicht beteiligt gewesen.
53
b) aa) D hat sich bislang nicht zur Sache eingelassen.
54
bb) Aus den Akten ergeben sich folgende Erkenntnisse:
55
(A) Den nachfolgenden Erkenntnissen allein lässt sich nichts Dahingehendes entnehmen, D habe den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der von A verdachtsweise in der beschriebenen Art begangenen Haupttaten erfasst:
56
Sie meldete bei der Stadt [ ]ein am 04.01.2016 unter der Anschrift „[ ]“ begonnenes Gewerbe mit der Bezeichnung „Eisenflechterei“ und „Abbrucharbeiten“ an (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 2 Band 1 Blatt 46). Mit Betriebsaufgabe am 11.05.2016 meldete sie dieses Gewerbe wieder ab (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 2 Band 1 Blatt 49) und am selben Tag im gleichen Umfang wieder an (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 2 Band 1 Blatt 47). Mit Datum des Beginns der Änderung am 07.06.2016 meldete sie bei der Stadt [ ] die Erweiterung des bestehenden Gewerbes um „Estrichverleger“ an (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 2 Band 1 Blatt 48). Am 11.01.2016 unterzeichnete sie einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung (18 KLs 502 Js 2487/21 EA 272-275). Am 21.12.2015 wurde auf ihren Namen ein Konto bei der ... AG mit der IBAN [ ] auf ihren Namen eröffnet und A Verfügungsberechtigung erteilt (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 308; 18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 9 Band 1 Blatt 7 ff.).
57
Ausweislich eines Berichts vom 23.11.2016 (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 311 ff. (316)) war D als geringfügig Beschäftigte im Pflegebereich und vom 01.08.2012 bis 31.08.2012 als Servicekraft in der Gaststätte [ ], beschäftigt.
58
Anlässlich der am 13.07.2017 in ihren Räumlichkeiten W.Straße 502, 9... F. durchgeführten Durchsuchung äußerte [ ] (der Sohn der D) Folgendes (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 477/478): [ ], der Bruder von A und B, sei schon seit längerer Zeit der Partner von D. Sie habe ihn abends beim Ausgehen getroffen und durch ihn auch A kennen gelernt. A habe vorerst ihn gefragt, ob er in seinem Namen ein Gewerbe anmelden würde, dafür bekomme er monatlich 1000 Euro. Zwei Jahre sei das Gewerbe dann über ihn gelaufen bis A ihm mitgeteilt habe, dass er ihm zu jung und unzuverlässig sei. Später habe A D als lnhaberin eines Gewerbes eingesetzt. Über die Frage, warum A jemanden als Inhaber eines Gewerbes benötigen und dies nicht selbst übernehmen würde, habe sich seine Mutter keine Gedanken gemacht. A sei der Chef des ganzen Konstrukts. D bringe lediglich die Post der Firma, die teilweise an die Wohnanschrift der Familie geschickt werde, ins Büro, also in die Gaststätte „[ ]“. Sonst habe sie mit der Firma nichts zu tun. Sie arbeite in Vollzeit als Altenpflegerin und kenne sich im Eisenflechtergewerbe definitiv nicht aus, habe auch noch nie etwas Vergleichbares gearbeitet.
59
Am 04.01.2016 erteilte D dem A Vollmacht (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 556).
60
Für das oben bezeichnete Konto wurden zwei Karten ausgegeben, eine für D und eine für A. Mittels der für D ausgestellten Karte wurde im Zeitraum vom 25.02.2016 bis zum 06.07.2017 in 13 Fällen Geld abgehoben (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 842 und 1928; 18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 9 Band 1 Blatt 29).
61
In einem Bericht vom 21.02.2018 (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 844) ist festgehalten, dass dem Zeuge [ ] am 20.02.2018 u. a. Lichtbilder der Person D vorgelegt wurden. Der Zeuge gab zu Protokoll, dass er keine dieser Personen kenne. Die Tatsache, dass der Zeuge die D auf den vorgelegten Lichtbildern nicht erkannt habe, lasse darauf schließen, dass diese keinerlei Tätigkeiten als Geschäftsführer oder Vorgesetzter gegenüber ihren Mitarbeitern in den Betrieben wahrgenommen habe.
62
In einem Vermerk vom 29.03.2018 (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 1275) ist ausgeführt, [ ] habe am 28.03.2018 ausgeführt, bei der Firma [ ], bei der D als formelle Inhaberin fungiert habe, sei sie selbst bei der Lohnauszahlung nie anwesend gewesen.
63
Im Ermittlungsbericht vom 10.07.2019 (18 KLs 502 Js 2487/21 Blatt 1894(1940/1941)) heißt es, zur Person der formellen Inhaberin D lasse sich anführen, dass diese während des Bestehens der Firma mehrere Beschäftigungen ausgeübt habe. Im Zeitraum September 2015 bis August 2016 sei sie bei der [ ] als geringfügig Beschäftigte zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Eine weitere Beschäftigung habe sie im Zeitraum 26.06.2017 bis lfd. gehabt. In dieser Zeit habe sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der [ ] ausgeübt. Zusätzlich zu diesen Beschäftigungen noch eine Firma mit ca. 30 zur Sozialversicherung gemeldeten Arbeitnehmern zu führen, sei aus Sicht der Ermittlungsbehörde als unwahrscheinlich einzustufen. D habe gemäß ihrem Versicherungsverlauf vor Eröffnung der Firma [ ] keinen Kontakt zum Baugewerbe gehabt. Im Jahr 2012 sei sie als versicherungspflichtige Arbeitnehmerin in der Gaststätte „[ ]“ zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. [ ] Geschäftsführer der [ ] GmbH, habe bei einem Gespräch während der Durchsuchungsmaßnahme am 13.07.2017 angegeben, dass er die Person D gar nicht kenne. Er habe bezüglich der Firma [ ] nur mit A zu tun gehabt. Des Weiteren habe [ ], Geschäftsführer der [ ] mbH, angegeben, dass der Hauptansprechpartner immer A gewesen sei. Kontakt zu den formellen Inhabern der Firma [ ] habe er nie gehabt. Wie auch bei den Vorgängerfirmen, finde sich die Handynummer des A auf verschiedenen Schreiben und Anträgen der Firma [ ] als Kontaktnummer wieder, so auch auf dem Firmenstempel.
64
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 Blatt 2221 ff.), ihm sei vom Büro gesagt worden, auf welche Baustelle er müsse. Seine Anweisungen habe er von den Sekretärinnen bekommen oder von A. Von D habe er keine Anweisungen erhalten. Sie habe ihm auch keinen Lohn ausgezahlt.
65
[ ] (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 Blatt 197 ff.) hat ausgesagt, A habe vielen Leuten angeboten, dass sie eine Firma aufmachen sollten und er sich dann um alles kümmere. D zum Beispiel habe er nie gesehen, obwohl sie seine Chefin gewesen sei.
66
Mit keiner dieser Erkenntnisse bzw. keinem dieser Beweismittel lässt sich belegen, ob und inwieweit D einen Beihilfevorsatz in dem beschriebenen Sinne gehabt haben könnte.
67
(B)(I) Aus den dem Gericht vorgelegten Akten ergibt sich zwar, dass [ ] – anders als B – möglicherweise gegenüber Mitarbeitern und Auftraggebern nach außen in Erscheinung getreten sein könnte:
68
Anlässlich einer schriftlichen Aussage teilte [ ] mit (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 1237 ff.), Ansprechpartner bei der „[ ]“ sei D gewesen, Verträge habe er jedoch nur mit A abgeschlossen.
69
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 26 ff.), D sei „Inhaberin der Firma [ ]“, mit ihr habe er auch das Einstellungsgespräch geführt.
70
[ ] (Firma [) hat in einer schriftlichen Zeugenaussage behauptet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 258 ff.), D sei Ansprechpartnerin gewesen.
71
Die „[ ] GmbH & Co KG“ hat unter dem 09.02.2018 durch [ ] mitgeteilt (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 314 ff.), persönlich habe kein Kontakt zu D bestanden. Anders sei dieses bei einer Mitarbeiterin – einer gewissen [ ] – gewesen, die telefonischen Kontakt zu ihr gehabt habe.
72
[ ] hat bekundet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 Blatt 19 ff.), D sei die Chefin gewesen, aber die habe er nur ein bis zwei Mal gesehen. Sie sei Philippinin, was ihn angesichts der Albaner und Jugoslawen sehr gewundert habe. Alle hätten ihm gesagt, sie sei die Chefin.
73
[ ] hat auf die Frage, wer „Chef der Firma [ “ gewesen sei, geantwortet (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 Blatt 295 ff.), es sei eine kleine dicke Frau gewesen. Sie sei Asiatin gewesen, ihm falle aber der Name nicht ein. Er habe auch nie mit ihr gesprochen oder etwas gefragt. Als er sie das erste Mal gesehen habe, hätten die anderen auf seine entsprechende Frage gesagt, dass es die Chefin sei.
74
[ ] hat insoweit in einer schriftlichen Auskunft ausgeführt (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 4 Blatt 123 ff.), er habe sie nur einmal persönlich kennengelernt anlässlich eines halbstündigen Gespräches zur Arbeitsaufgabe.
75
(II) Die vorstehenden Erkenntnisse ließen aber lediglich den Schluss zu, D sei entgegen der in der Anklage aufgestellten Behauptung „Die Angeschuldigten als formale Firmeninhaber waren am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung der jeweiligen Unternehmen jedoch nicht beteiligt.“ nach außen aufgetreten. Angesichts ihrer oben beschriebenen Tätigkeiten im Pflegebereich wären wesentliche Tätigkeiten ihrerseits im Eisenflechterbereich, die ihr einen Einblick in das verdachtsweise Vorgehen des A gewährt haben könnten, tatsächlich mehr als unwahrscheinlich. Die Benutzung einer für sie ausgegebenen, auf das Geschäftskonto bezogenen Karte belegt nichts, weil nicht bewiesen werden kann, wer sie benutzte. Aus dem – auch vorstehend – Geschilderten ergibt sich nichts, mit dem im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts belegt werden könnte, D habe den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttaten „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ bzw. „Steuerhinterziehung“ erfassen können. Keine der nach außen getretenen Verhaltensweisen – so sie denn tatsächlich stattgefunden haben – hat einen Beweiswert des Inhaltes, D sei mit der verdachtsweisen Verhaltensweise des A vertraut gewesen. Keiner der Zeugen wird im Übrigen hierzu etwas bekunden können.
76
5. a) Dem E liegt zur Last, den A betreffend Abrechnungszeiträume März 2017 bis November 2017 dadurch unterstützt zu haben, dass er bei der Stadt [ ] ein Gewerbe zum 13.02.2017 anmeldete, mittels dessen der A in die Lage versetzt worden sein soll, Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von € [ ], Lohnsteuer in Höhe von € [ ] und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von € [ ] zu verkürzen. Ihm wird „Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 9 tatmehrheitlichen Fällen, davon ein Fall (Juni 2017) in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in weiteren drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung, davon ein Fall (Mai 2017) in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in weiteren zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung, davon ein Fall (April 2017) in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung, davon fünf Fälle (Juli bis November 2017) in Tateinheit mit vorsätzlicher Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AO, 35 AO, § 38, 39b, 41, 41a EStG, 1, 2, 4 LStDV, 1, 2, 3, 4 SolZG, § 266a Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 StGB, 370 Abs. 1 27, 28 Abs. 1 StGB.“ zur Last gelegt. E sei „am täglichen Geschäftsbetrieb und an der Leitung“ des unter der Bezeichnung „[ ]“ betriebenen Unternehmens nicht beteiligt gewesen.
77
b) aa) E hat sich am 08.07.2020 wie folgt zur Sache eingelassen (18 KLs 502 Js 2487/21 Blatt 2293 ff.):
78
Er habe sich selbst gemeldet. Er wolle die Wahrheit sage. Er habe mit der Sache gar nichts zu tun. Er habe einen Fehler gemacht. Er habe seinen Namen einem anderen gegeben. A habe er im Kosovo kennengelernt über einen Schwager von ihm. Er glaube, die seien verwandt. A habe ihm versprochen, ihn zu beschäftigen. Er sei davon ausgegangen, dass er in Deutschland als Arbeiter arbeiten werde. A habe er Silvester 2015 kennengelernt. Dann sei er Ende April Anfang Mai 2016 nach Deutschland gekommen. A habe keine Arbeit für ihn gehabt. Er sei dann woanders hin gewechselt und habe dort 3 bis 4 Monate gearbeitet. Danach habe er zur Firma [ ] gewechselt. Da sei eine andere Person der Inhaber gewesen, aber der A sei der Chef gewesen und habe ihn beauftragt bei der Firma [ ]. Sie hätten sich jeden Tag getroffen. Wenn sie abends fertig gewesen seien, hätten sie sich immer mit A in der Kneipe „[ ]“ getroffen, die der Familie von A gehöre und von einem Bruder des A betrieben werde. A habe dann gesagt, dass er nun Arbeit habe. Er sei dann zur Firma [ ] gewechselt. Dann habe er ihm im Januar 2017 ein dahingehendes Angebot gemacht und gesagt „Wenn Du weiterarbeiten willst, musst du das auf deinen Namen machen.“ Im Januar 2017 habe es wegen schlechten Wetters sowieso keine Arbeit gegeben. Er habe ihm dann vorgeschlagen „Wenn ihr weiterarbeiten wollt, dann musst Du mir Deinen Namen geben und dann auf deinen Namen weiterarbeiten.“ [ ] habe ihm versprochen, dass es keine Probleme geben werde, wenn er jetzt der Chef für diese Firma werde. Er sei dann einverstanden gewesen. Er habe dann seinen Schwager angerufen, ihm von dem Angebot erzählt und ihn gefragt, ob er das machen solle. Auch der habe ihm gesagt, dass er das machen solle. Sein Schwager lebe im Kosovo. Bei ihnen sei es so, wenn sie jemandem vertrauten, dann hörten sie auf den. Er habe seinem Schwager vertraut und außerdem habe er ihn mit A bekannt gemacht. Er habe A gesagt, dass er sich nicht auskenne. Er könne kein Deutsch sprechen oder lesen. A habe gesagt, dass er alles für ihn erledigen werde. Es habe mehrere Gespräche gegeben. Er habe erstmal ein Führungszeugnis beantragen müssen. Das habe dann schon mal einen Monat gedauert. Die Besprechungen seien immer im „[ ]“ gewesen. Er habe mehr gearbeitet als die anderen Mitarbeiter. Es habe auf den Baustellen einen Vorarbeiter gegeben. Er sei quasi nur ein Arbeitstier gewesen. Er habe nur seinen Namen hergegeben. Das, was er gearbeitet habe, habe er bezahlt bekommen. Wenn er nicht gearbeitet habe, habe er auch kein Geld bekommen. Er habe einmal sein Führungszeugnis abgeholt und sei einmal „mit [ ]“ beim Gewerbeamt gewesen. Das sei alles gewesen.
79
Aus dieser Einlassung ergibt sich zunächst nichts, aus dem im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts zu schließen wäre, E habe den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der verdachtsweisen Haupttaten des A erfasst und erkannt und billigend in Kauf genommen, dass sich sein Beitrag als unterstützender Bestandteil in Straftaten manifestieren würde.
80
bb) Aus den Akten ergeben sich folgende Erkenntnisse:
81
(A) Mit Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit am 13.02.2017 meldete E bei der Stadt [ ] ein unter der Anschrift „[ ]“ betriebenes Gewerbe mit der Bezeichnung „Eisenflechterei, Trockenbau, Estrichlegerarbeiten“ an (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 3 Band 1 Blatt 26). Am 26.05.2017 unterzeichnete er eine Urkunde, ausweislich derer er „die vollständige Übernahme der Firma [ ] mit allen Rechten und Pflichten gegenüber Hauptunternehmern sowie Behörden“ bestätigte (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 3 Band 1 Blatt 26). Am 19.07.2017 unterzeichnete er eine Vollmacht, derzufolge er [ ] bevollmächtigte, Datenträger „beim Zollamt“ abzuholen (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 468). Er wohnte – wohl – zur Untermiete in einer Wohnung in [ ], die die [ ] gemietet hatte (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 499/500).
82
[ ] hat ausgesagt (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 3 Blatt 84(87)), in der Firma [ ] habe auch A das Sagen. E sei bloß der Strohmann.
83
Hieraus lässt sich nichts für die Annahme eines Beihilfevorsatzes seitens E im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts schließen.
84
(B)(I) Auch bei E sind durchaus dahingehende Erkenntnisse vorhanden, E sei auch nach außen aufgetreten:
85
[ ] (Teamassistenz bei A) bekundete (18 KLs 502 Js 2487/21 EA Blatt 1729 (1733)), vormittags sei sie meistens alleine gewesen. Wenn, dann sei A meistens vormittags da gewesen. E sei mehr nachmittags im Büro gewesen. Er könne nur Kosovarisch, Jugoslawisch und Englisch.
86
[ ] antwortete auf die Frage, ob er das „Büro in der Kneipe“ beschreiben könne (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 1 Blatt 102 (109)), E sei ständig da und sitze auch da, wenn sie ihr Geld bekämen.
87
[ ] teilte im Rahmen einer schriftlichen Zeugenaussage (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 1, Blatt 248 (249)) mit: „Fa. [ ] war Hr. E der Ansprechpartner“.
88
[ ] ([ ]) führte (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 1 Blatt 416 (417)) bei der Frage „Wer war Ihr Ansprechpartner der Firma? (persönlich, telefonisch)?“ schriftlich aus: „Hr. A & Hr. E persönlich und telefonisch.“ und bei der Frage „Mit wem haben Sie die Verträge abgeschlossen? Wer war bei den Vertragsverhandlungen bzw. beim Vertragsabschluss anwesend?“: „Hr. E und Hr. A“.
89
[ ] bekundete (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 26(30)): Der Familienname vom Chef sei A.. Mehr wisse er nicht. Er habe auch schon mit ihm gesprochen und ihn gesehen.
90
[ ] (18 KLs 502 Js 2487/21 TEA 6 Band 2 Blatt 103 (108/109)) antwortete auf die Frage, an wen er sich innerhalb der Firma wende: „An den E, den Chef selber. Mit ihm kann ich Albanisch reden, der versteht mich also gut. Er zahlt mir mehr und hat mich überredet.“ Die Stunden habe er selbst aufgeschrieben und habe die Liste am Ende des Monats abgegeben. Anhand der Liste sei auch die Lohnabrechnung gefertigt worden. Die Liste sei ein kleiner Block in etwa so groß wie ein Reisepass. Da habe er seine Stunden aufgeschrieben und habe sie vorgelegt.
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(II) Das Vorstehende gibt aber keine Auskunft darüber, ob E gewusst oder es für möglich gehalten und es jedenfalls billigend in Kauf genommen haben könnte, A habe im Zeitraum Februar 2012 bis November 2017 dem [ ] zu geringe oder gar keine Löhne der Beschäftigten der „[ ]“ übermittelt, welcher – gutgläubig – den zuständigen Einzugsstellen entsprechend der ihm gemeldeten Lohnsummen anschließend unrichtige oder gar keine Beitragsnachweise zuleitete, und hernach Abdeckrechnungen einbuchte. Selbst wenn E an Vertragsverhandlungen mit Kunden teilgenommen und Stundenaufzeichnungen entgegengenommen haben sollte, lässt dieses nicht den Schluss zu, er habe die beschriebene subjektive Sichtweise gehabt. E war mit der Lohnbuchhaltung nicht befasst, insoweit hatte er auch aus Stundenaufzeichnungen keine Schlüsse auf Schwarzlohnzahlungen zu ziehen.
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Wegen der Nichteröffnung war nach § 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 StrEG die im Tenor genannte Entschädigungspflicht auszusprechen.
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Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich B, C, D und E auf den §§ 464 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.