Inhalt

VG München, Beschluss v. 02.01.2024 – M 26b S 23.5250
Titel:

Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes für Schulbesuch - hier Nachweis der Kontraindikation 

Normenketten:
IfSG § 12 Abs. 12 S. 1 Nr. 1 , § 20 Abs. 9 S. 1 Nr. 2
VwGO § 94
Leitsatz:
Ein ärztliches Zeugnisses über eine Kontraindikation muss wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag, Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises über einen ausreichenden Maserschutz bei einer Schülerin, Kontraindikation während der Corona-Pandemie aufgrund der Gefahr einer möglicherweise bestehenden asymptomatischen Corona-Infektion nicht plausibel., Masernschutz, Corona-Pandemie, Verfahrensaussetzung, Impfung, Kontraindikation, Schule, ärztliches Zeugnis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 136

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Pflicht der Antragsteller, einen ausreichenden Masernschutz für ihre Tochter nachzuweisen.
2
Bei den Antragstellern handelt es sich um die Eltern der am … Juli 2010 geborenen Gymnasiastin M* … W* … Der Antragsteller zu 2 teilte dem Gymnasium der Tochter mit Schreiben vom … Mai 2020 mit, dass es infolge einer medizinischen Kontraindikation nicht möglich sei, seine Tochter gegen Masern impfen zu lassen. Am 22. Mai 2020 wurde das Gesundheitsamt des Landratsamtes T* … (nachfolgend Gesundheitsamt) hierüber informiert.
3
Die Antragsteller legten dem Gesundheitsamt im weiteren Verlauf mehrere ärztliche Bescheinigungen des Facharztes für Kinder und Jugendmedizin S* … K* … vom … Februar 2020 sowie vom … Juli 2021 vor, wonach bei der Tochter der Antragsteller eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich Impfungen bestehe, die voraussichtlich bis mindestens … Dezember 2021 anhalten werde. Weitere Informationen oder eine Begründung enthalten die Schreiben nicht (Bl. 4 f. d. Behördenakte).
4
Mit Schreiben vom 25. November 2022 (Bl. 6 ff. d. Behördenakte) wies das Gesundheitsamt die Antragsteller auf ihre Verpflichtung zum Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes ihrer Tochter auf Grundlage von § 20 Abs. 9 bis Abs. 13 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) hin. Zugleich forderte das Gesundheitsamt die Antragsteller dazu auf, bis zum 23. Dezember 2022 einen den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Nachweis vorzulegen.
5
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2022 übersendete der Antragsteller zu 2 dem Gesundheitsamt eine weitere ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Kinder und Jugendmedizin S* … K* …, demzufolge bei der Schülerin aktuell eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich Impfungen bestehe. Diese werde bis mindestens … Mai 2023 anhalten (Bl. 12 d. Behördenakte). Anschließend werde eine erneute Beurteilung stattfinden. Zur Begründung ist ausgeführt, während der COVID-Pandemie und bei den aktuellen Inzidenzen sei es hochproblematisch, das Kind mit einem sogenannten Lebendimpfstoff zu impfen. Gerade bei Kindern seien asymptomatische COVID-Verläufe häufig, sodass eine Mehrfach-Lebendimpfung in eine (unerkannte) COVID-Infektion hinein überdurchschnittlich groß sei. Mögliche Komplikationen durch die Vermehrung der geimpften Virusstämme während der COVID-Infektion seien unkalkulierbar. Die Befristung des Attests resultiere aus der im Augenblick überschaubaren Dauer der COVID-Pandemie. Am 3. Januar 2023 bat das Gesundheitsamt um Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bis zum 31. Januar 2023 über Tag und Ort der persönlichen Untersuchung, eine vollumfängliche Angabe der diagnostizierten Kontraindikation und eine nachvollziehbare Begründung für eine daraus resultierende Kontraindikation hinsichtlich der Masern-Impfung. Die Antragsteller reagierten hierauf nicht.
6
Mit Schreiben vom 14. März 2023 forderte das Gesundheitsamt die Antragsteller erneut zur Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 IfSG bis zum 24. April 2023 auf. Zugleich hörte das Gesundheitsamt die Antragsteller zum Erlass einer gebührenpflichtigen Anordnung an, sollten die Antragsteller ihrer Nachweisverpflichtung nicht fristgerecht nachkommen.
7
Mit Schreiben vom … April 2023 bat der Antragsteller zu 2 das Gesundheitsamt um Anerkennung des Vorliegens einer medizinischen Kontraindikation der Impfung der Tochter. Die Antragsteller seien keine generellen Impfverweigerer, allerdings sei die gemeinsame Tochter als Frühgeborene mit Atemwegssyndrom sowie Sauerstoffsättigungsstörung geboren worden, weshalb sie eine lange Zeit auf der Kinderintensivstation behandelt werden musste. Die gemeinsame Tochter reagiere nach Wahrnehmung der Antragsteller auf die Einnahme von Medikamenten. Eine Impfunverträglichkeit konnte ärztlicherseits bislang jedoch noch nicht nachgewiesen werden. Die Tochter sei mittlerweile völlig normal entwickelt. Vor diesem Hintergrund wolle man nicht das Risiko einer Impfnebenwirkung eingehen. Zweck der „gesetzlichen Impfpflicht“ sei der Schutz derjenigen Personen gewesen, die sich nicht bzw. nur mit hohem Risiko impfen lassen könnten was er für seine Tochter beantrage. Zugleich werde ein Ruhen des Verfahrens beantragt, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Schulkontext entschieden habe.
8
Mit Schreiben vom 23. August 2023 (Bl. 29 ff. d. Behördenakte) teilte das Gesundheitsamt den Antragstellern mit, dass die vorgelegten Atteste vom … Juli 2021 und vom … November 2022 die Voraussetzungen eines Nachweises i.S.d. Masernschutzgesetzes nicht erfüllen und deshalb nicht akzeptiert werden könnten. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 wies das Gesundheitsamt in Reaktion auf das Schreiben des Antragstellers zu 2 vom … April 2023 darauf hin, dass es Aufgabe des Betroffenen sei, einen ausreichenden Nachweis im Sinne des § 20 IfSG vorzulegen. Ferner wurde letztmalig Gelegenheit zur Vorlage eines Nachweises bis zum 16. Oktober 2023 gesetzt.
9
Mit an beide Antragsteller adressiertem Bescheid vom 16. Oktober 2023, zugestellt am 18. Oktober 2023, forderte das Gesundheitsamt die Antragsteller dazu auf, dem Landratsamt T* …, SG …, für ihre am … Juli 2010 geborene Tochter innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheids einen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 IfSG vorzulegen. Insoweit werde auch der Antrag auf Ruhen des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung führt es aus, dass die Antragsteller als Eltern eines in einer Schule als Gemeinschaftseinrichtung betreuten minderjährigen Kindes die Nachweisverpflichtung im Sinne des § 20 IfSG treffe, welcher sie bislang noch nicht nachgekommen seien. Insbesondere sei auch eine medizinische Kontraindikation nicht nachgewiesen worden. Die vorgelegten Atteste des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin S* … K* … erfüllten die Anforderungen des § 20 Abs. 9 IfSG an ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation nicht. Diese wiederholten lediglich sinngemäß den Gesetzeswortlaut, weshalb sie keiner Plausibilitätskontrolle zugänglich seien. Sie enthielten keine Angaben, die individualisiert nachvollziehbare medizinische Kontraindikationen bei der Tochter der Antragsteller erkennen ließen. Richtigerweise müsse ein ärztliches Zeugnis zumindest Angaben über die Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzt, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität zu überprüfen. Darüber hinaus verweist das Gesundheitsamt darauf, dass eine Corona-Infektion nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts keine medizinische Kontraindikation i.S.d. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG darstelle. Ferner erklärt das Gesundheitsamt, dass ihm wortlautgleiche Atteste des Facharztes S* … K* … bereits in anderen Verfahren vorgelegt worden seien.
10
Mit Schriftsatz vom 2. November 2023 ließen die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom 16. Oktober 2023 erheben, die unter dem Aktenzeichen M 26b K 23.5249 geführt wird. Zugleich beantragen sie:
11
„II. Die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Ziff. 1 des Bescheides der Beklagten vom 16. Oktober 2023 Aktenzeichen … wird angeordnet.
(…)
12
V. Die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Impfnachweispflicht von Schülern und Schülerinnen über die Verfassungsmäßigkeit des Masernschutzgesetzes, auch im Hinblick auf den aktuellen Besuch von Schulen zur Erfüllung der Schulpflicht im Sinne der Landesschulgesetze, Az: 1 BvR 469/20; 1 BvR 470/20, 1 BvR 2700/20, 1 BvR 438/21 u.a.“
13
Klage und Antrag wurden mit Schriftsätzen vom … November 2023 und zuletzt vom … Dezember 2023 umfangreich begründet. Auf die Ausführungen der Bevollmächtigten der Antragsteller in diesen Schriftsätzen wird Bezug genommen. Diese trägt in ihren Schriftsätzen insbesondere vor: Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage für den behördenseitig aufgebauten Druck. § 20 IfSG sei keine taugliche Rechtsgrundlage. Auch handle es sich beim verfahrensgegenständlichen Bescheid nicht um einen Verwaltungsakt. Es fehle im Übrigen an einer den Eingriff in die Rechte der Antragsteller rechtfertigenden Gefahrenlage, da die Impfquote gegen Masern innerhalb der Bevölkerung deutlich höher sei als z.B. die Quote der Impfungen innerhalb der Bevölkerung gegen SARS-CoV 2. Der Eingriff in die Elternrechte erfolge vorliegend allein zu dem Zweck, einen Beitrag für das Erreichen der von der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der WHO erklärten Ziele zu leisten. Ferner fehle es an der erforderlichen Gefährdungslage auch deshalb, weil im Landkreis T* … keine Todesfälle oder schwere Krankheitsverläufe mit Klinikaufenthalten in Zusammenhang mit Masern bekannt seien. Es sei sinngemäß ferner allgemein bekannt und bedürfe deshalb keiner ärztlichen weiteren Bekundung, dass Bedenken gegen die Impfung von als Frühchen zur Welt gekommenen Menschen bestünden, da sie während ihres gesamten Lebens an zentralsten Mangellagen litten. Ihr Immunsystem sei fragil. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass die Antragsteller hier kein Risiko eingehen wollten. Angesichts der Gefahr von Nebenwirkungen handle es sich bei der Anordnung um einen unverhältnismäßigen Eingriff. Eine STIKO-Empfehlung sei nicht ausreichend dafür, dass das Gesundheitsamt auf eigene Untersuchungen verzichten dürfe. Die Unabhängigkeit der STIKO sei nicht sichergestellt. Das Gesundheitsamt müsse sich selbst ein Bild vom Gesundheitsstatus des zu impfenden Kindes machen. Aus dem Gesetz ergäben sich schließlich keine Anforderungen, wie die medizinische Kontraindikation zu begründen sei. Ärzte würden sich aus Angst vor Verfolgung weigern, Kinder auf das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zu untersuchen. Darüber hinaus könnten die Antragsteller für sich und ihr Kind beanspruchen, den behandelnden Arzt selbst wählen zu dürfen. Diese Wahlfreiheit werde dadurch eingeschränkt, dass bestimmte Anforderungen an den Inhalt des ärztlichen Attestes über die medizinische Kontraindikation gestellt würden. Darüber hinaus sei nicht gesichert, dass die Impfung gegen Masern nicht schädlich sei. Ebenso wie bei der Impfung gegen SARS-CoV 2 bestünden Bedenken, dass einzelne Chargen der Impfdosen verunreinigt sein könnten.
14
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 22. November 2023,
15
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Ziffer „II.“ der Antrags- und Klageschrift), sowie auf Aussetzung des Verfahrens (Ziffer „V.“ der Antrags- und Klageschrift) abzulehnen.
16
Der Beklagte ist der Auffassung, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung des Gerichts zu berücksichtigen sei, dass sich der Gesetzgeber in § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG bewusst dazu entschieden habe, dass Klagen gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Masernnachweises keine aufschiebende Wirkung entfalten sollten. Insofern spreche bereits die gesetzgeberische Wertung dafür, dass das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragsteller grundsätzlich überwiegen würde. Ein Anlass zur Aussetzung des Verfahrens bestehe nicht. Als Verwaltungsbehörde sei das Gesundheitsamt zum Vollzug des geltenden Rechts verpflichtet. Bei der Nachweispflicht handle es sich gerade nicht um eine Impfpflicht, zumal keine Zwangsmittel angedroht worden seien, weshalb die Anordnung erforderlich und verhältnismäßig sei. Die Nachweispflicht sei bislang jedenfalls noch nicht erfüllt worden. Insbesondere seien die vorgelegten Atteste nicht zum Nachweis tauglich, da sie einer fachlichen Plausibilitätsprüfung nicht zugänglich seien und ihre Gültigkeit mit Ablauf der Befristung ohnehin zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses verloren hätten. Ein ärztliches Zeugnis dürfe sich nicht damit begnügen, lediglich den Gesetzeswortlaut zum Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zu wiederholen. Ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz liege nicht vor, da die Verpflichtung zur Vorlage des Nachweises vorliegend die Antragsteller treffe.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des Klageverfahrens sowie des Eilverfahrens, insbesondere die Schriftsätze der Parteien, sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
18
Die von den Antragstellern gestellten Anträge bleiben ohne Erfolg.
19
1. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den von der Bevollmächtigten der Antragspartei in der Antragsschrift genannten Verfahren wird nicht entsprochen.
20
Nach § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Dabei steht die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens im Ermessen des Gerichts.
21
Unabhängig von der Frage, ob die Aussetzung eines Verfahrens im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt zulässig ist (so Eyermann/Wöckel, 16. Aufl. 2022, VwGO § 94 Rn. 2; HK-VerwR/Winfred Porz, 5. Aufl. 2021, VwGO § 94 Rn. 2; NK-VwGO/Wilfried Peters/Katrin Schwarzburg, 5. Aufl. 2018, VwGO § 94 Rn. 4; a.A.: BeckOK VwGO/Garloff, 67. Ed. 1.7.2023, VwGO § 94 Rn. 7 m.w.N.; Schoch/Schneider/Rudisile, 44. EL März 2023, VwGO § 94 Rn. 12 m.w.N.; OVG Münster, B.v. 08.10.2021 – 13 B 1129/21 – juris Rn. 27 m.w.N.), übt das erkennende Gericht das ihm zustehende Ermessen hinsichtlich einer Aussetzungsentscheidung dahingehend aus, von dieser Möglichkeit vorliegend keinen Gebrauch zu machen. Hierfür ist maßgeblich, dass Sinn und Zweck der Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes einer Aussetzung zuwiderlaufen würden und auch Gründe der Prozessökonomie nicht dafür streiten, das Verfahren auszusetzen (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 07.09.2021 – 6 C 21.2079 – juris Rn. 17). Vor dem Hintergrund, dass mit einer Entscheidung des BVerfG in den noch offenen Verfahren nicht in absehbarer Zeit gerechnet werden kann, würde das Verfahren durch eine Aussetzung wesentlich verzögert.
22
Das Gericht weist lediglich ergänzend darauf hin, dass es bereits an einem substantiierten Vortrag hinsichtlich einer etwaigen Relevanz der zitierten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht für das streitige Verfahren mangelt, zumal in den Verfahren 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20 bereits Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorliegen, weshalb ein Aussetzungsantrag gestützt auf diese Verfahren bereits ins Leere geht.
23
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Er ist statthaft, weil es sich bei der in Ziffer 1 des Bescheides getroffenen Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG um einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt handelt (BayVGH, B. v. 14.11.2023 – 20 CS 23.1937 – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 21.09.2023 – 20 CS 23.1432 – juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 07.07.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 9). Dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Anordnung um einen Verwaltungsakt handelt, folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber in § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnung zur Beibringung eines Nachweises angeordnet hat und die sofortige Vollziehbarkeit nur bei Verwaltungsakten in Betracht kommt.
24
3. Der Antrag ist unbegründet.
25
3.1 Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage – wie hier – entgegen dem in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthaltenen Grundsatz keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Das Gericht trifft dabei im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens.
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Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
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3.2 Im vorliegenden Fall war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die streitgegenständlichen Bescheide erweisen sich aller Voraussicht nach als rechtmäßig und verletzen die Antragsteller nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28
3.2.1 Die in Ziffer 1 des Bescheids vom 16. Oktober 2023 getroffene Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 12 Abs. 13 Satz 1 IfSG.
29
Gemäß § 12 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 12 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Gemäß § 33 Nr. 3 IfSG zählen zu den Gemeinschaftseinrichtungen in diesem Sinne insbesondere Schulen. Trifft diese Verpflichtung wie im vorliegenden Fall eine minderjährige Person, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person treffenden Verpflichtungen gemäß § 20 Abs. 9 bis Abs. 12 IfSG zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Hierbei handelt es sich um eine vollständige Übertragung der Verpflichtung und nicht um eine bloße Vertretungsregelung des Kindes (BayVGH, B. v. 06.10.2021 – 25 CE 21.2383 – juris Rn. 8.). Bei der entsprechenden Aufforderung handelt es sich wie oben bereits ausgeführt um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG (BayVGH, B. v. 14.11.2023 – 20 CS 23.1937 – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 21.09.2023 – 20 CS 23.1432, juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 07.07.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 9).
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3.2.2 Das Gericht geht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass die Regelungen in § 20 Abs. 8 bis 14 IfSG nicht derart offensichtlich verfassungswidrig sind, dass ihre Nichtanwendung im Eilverfahren in Betracht käme (vgl. BayVGH, B.v. 07.07.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 10).
31
Das Bundesverfassungsgericht hat die Nachweispflicht eines Masernschutzes für Kinder in Kindertageseinrichtungen im Vorschulalter für verfassungsgemäß befunden (B.v. 21.07. 2022 – 1 BvR 470/20 – juris). Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber durch die Nachweispflicht einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck verfolge, nämlich den Schutz vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung. Die Annahme des Gesetzgebers, dass von Personen, die keinen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufwiesen, Gefahren für das Leben und die Gesundheit insbesondere von Personen ausgehe, die sich selbst nicht durch eine Impfung vor einer Masernerkrankung zu schützen vermögen, beruhe auf zuverlässigen Grundlagen und halte auch der strengen verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Zwar sei die Entscheidung über die Vornahme von Impfungen ein wesentliches Element der elterlichen Gesundheitssorge (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), jedoch seien die Eltern bei der Ausübung der am Kindeswohl zu orientierenden Gesundheitssorge für ihr Kind weniger frei, sich gegen Standards medizinischer Vernünftigkeit zu wenden, als sie es kraft ihres Selbstbestimmungsrechts über ihre eigene Integrität wären. Da der Gesetzgeber keine mit Zwang durchzusetzende Impfpflicht gegen Masern statuiert habe, sondern den Eltern die Entscheidung weitgehend habe belassen wollen, sei es konsequent, den Vorrang der Schulpflicht vor der Nachweispflicht klarzustellen. Dies wird auch nicht durch den Verweis der Bevollmächtigten der Antragsteller auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 (Az. 2 BvR 309/15, BVerfGE 149, 293-345 – Fixierung bei öffentlich-rechtlicher Unterbringung) in Frage gestellt.
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Die Bevollmächtigte der Antragsteller vermag daher mit ihrer gegen die Zielsetzung des Gesetzgebers gerichteten Ausführungen nicht durchzudringen. Auch sonst wurden keine weiteren neuen Argumente vorgetragen, die dazu geeignet wären, evidente Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Vorschriften zu begründen.
33
3.2.3 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids ist der Zeitpunkt seines Erlasses (BayVGH, B.v. 07.07.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung eines Verwaltungsaktes sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht richtet (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 55 m.w.N. zur stRspr.). Den hier maßgeblichen § 20 Abs. 9 bis 14 IfSG lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass es für die gerichtliche Beurteilung einer Aufforderung im Sinne von § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG, einen Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen, auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ankäme. Vielmehr deutet das von § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG vorgesehene Verfahren für den Fall, dass ein Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist nicht vorgelegt wird oder sich aus dem Nachweis ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann, darauf hin, dass ein nach Aufforderung vorgelegter Nachweis die Rechtmäßigkeit der entsprechenden ursprünglichen Aufforderung durch das Gesundheitsamt zwar die weitere Vorgehensweise des Gesundheitsamts bestimmt, die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Aufforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG aber unberührt lässt.
34
3.2.4 Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
35
3.2.4.1 Die maßgeblichen Verfahrensvorschriften wurden eingehalten. Insbesondere wurden die Antragsteller vor Erlass des Bescheides ordnungsgemäß gemäß Art. 28 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) angehört. Mit Schreiben vom 14. März 2023 forderte das Gesundheitsamt die Antragsteller erneut zur Vorlage des geforderten Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 IfSG auf. Zugleich wies das Gesundheitsamt für den Fall, dass die Antragsteller der Aufforderung nicht nachkommen sollten darauf hin, dass der Erlass einer gebührenpflichtigen Anordnung geplant sei. In diesem Zusammenhang wurde den Antragstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu alledem bis zum 24. April 2023 gegeben. Der Antragsteller zu 2 machte mittels Schreiben vom … April 2023 von der Gelegenheit zur Stellungnahme Gebrauch.
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3.2.4.2 Den von der Bevollmächtigten der Antragsteller behaupteten Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz wegen mangelhafter Amtsermittlung vermag das Gericht nicht zu erkennen.
37
Aus § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 12 Satz 1 Nr. 1, Abs. 13 Satz 1 IfSG ergibt sich, dass die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses den Antragstellern obliegt (BayVGH, B. v. 21.09.2023 – 20 CS 23.1432 – juris Rn. 4.). Vor diesem Hintergrund ist der Antragsgegner nicht gehalten, selbst Ermittlungen über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation anzustellen (ebenso BayVGH, B. v. 14.11.2023 – 20 CS 23.1937 – juris Rn. 2). § 20 IfSG ist somit lex specialis zum allgemeinen Untersuchungsgrundsatz gemäß Art. 24 BayVwVfG. Gleiches gilt im Hinblick auf § 25 IfSG. Schon aus dessen Wortlaut ergibt sich, dass § 25 IfSG andere Sachverhaltskonstellationen als die hier vorliegende zu regeln beabsichtigt.
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Die von der Bevollmächtigten der Antragsteller zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 (Az. 3 C 16/11) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Entscheidung betrifft eine vom vorliegenden Fall abweichende Sachverhaltskonstellation, da sie die Frage der Rechtmäßigkeit einer Anordnung gemäß §§ 28 ff. IfSG gegenüber Ansteckungsverdächtigen zum Gegenstand hat. Hiervon unterscheidet sich die Verpflichtung zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses, welche durch den Gesetzgeber in § 20 Abs. 12, Abs. 13 IfSG speziell geregelt wurde.
39
Darüber hinaus erfordern § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 12 Satz 1 Nr. 1, Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht, dass das Gesundheitsamt vor Erlass einer Anordnung das Bestehen einer vor Ort gegebenen konkreten Gefahr eines Masernausbruchs ermitteln und darlegen müsste.
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3.2.5 Der Bescheid ist aller Voraussicht nach auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anforderung eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 IfSG sind vorliegend erfüllt.
41
3.2.5.1 Die minderjährige Tochter der sorgeberechtigten Antragsteller besucht ein Gymnasium in T* … und wird daher in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 3 IfSG (Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen) im Bezirk des Antragsgegners betreut. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung zur Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG.
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3.2.5.2 Auf einen konkreten Ansteckungsverdacht vor Ort in der konkreten Gemeinschaftseinrichtung bzw. des jeweiligen Bezirks in dem sich die Einrichtung befindet, kommt es entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Antragsteller nicht an.
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3.2.5.3 Die Antragsteller haben die Nachweisverpflichtung vor Erlass der verfahrensgegenständlichen Anordnung im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG nicht erfüllt. Insbesondere haben sie kein den Anforderungen des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG genügendes ärztliches Zeugnis darüber, dass ihre Tochter aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden könne, vorgelegt.
44
Die Anforderungen an den Inhalt eines ärztlichen Zeugnisses über eine Kontraindikation ergeben sich aus der Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere aus der Regelungssystematik und dem Sinn und Zweck von § 20 IfSG. Gemäß § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG kann das Gesundheitsamt bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises unter anderem eine ärztliche Untersuchung im Hinblick auf die medizinische Kontraindikation anordnen. Das Attest muss daher wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen. Nicht ausreichend ist ein ärztliches Attest, das lediglich den Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG wiederholt und sich insoweit auf die bloße Behauptung beschränkt, dass eine medizinische Kontraindikation vorliege (vgl. BayVGH, B.v. 07.07.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 14 mit Verweis auf SächsOVG, B.v. 05.05.2021 – 3 B 411/20 – juris Rn. 21 ff.; VG Meiningen, B.v. 10.11.2020 – 2 E 1144/20 – juris Rn. 26 f.; ebenso VG Regensburg, B. v. 19.07.2023 – RN 5 S 23.1198 – juris Rn.32; VG Ansbach, B. v. 28.05.2021 – AN 18 S 21.00932 – juris Rn. 22; Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 50; Aligbe in Eckart/Winkelmüller, BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG § 20 Rn. 222a). Ein inhaltlich unrichtiges oder nicht plausibles Attest erfüllt daher die Vorlagepflicht nicht.
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Anders als die Bevollmächtigte der Antragsteller meint, ergibt sich auch nichts Anderes aus den Veröffentlichungen des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales. Richtig ist, dass dieses in seinem 321. Newsletter Ausführungen zum Nachweis einer medizinischen Kontraindikation enthält. Anzumerken ist jedoch, dass diese Veröffentlichung keinerlei bindende Wirkung entfaltet. Hinzukommt, dass die darin enthaltene Aussage im Übrigen durch eine Richtigstellung im 418. Newsletter mittlerweile ohnehin überholt ist (VG Ansbach, B. v. 28.05.2021 – AN 18 S 21.00932 – juris Rn. 22.).
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Diesen Anforderungen werden die bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorgelegten ärztlichen Atteste des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin S* … K* … vom … Februar 2020, … Juli 2021 und vom … November 2022 nicht gerecht. Der ärztlich bescheinigten Kontraindikation liegt die Erwägung zugrunde, dass eine Masernschutzimpfung mit einem sogenannten Lebendimpfstoff während der Dauer der COVID-19-Pandemie/Epidemie generell die Gefahr in sich berge, dass in eine bestehende, aber asymptomatische COVID-19-Infektion hineingeimpft werde, was hoch problematisch und mit einem unkalkulierten Risiko für Komplikationen verbunden sei.
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Zunächst ist festzustellen, dass die bescheinigte Kontraindikation ihrem Wortlaut nach zeitlich auf die Dauer der Pandemie befristet war. Da die Pandemie jedoch bereits am 5. Mai 2023 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für beendet erklärt worden ist und zum Zeitpunkt der Vorlageaufforderung auch ein Infektionsgeschehen im Sinne einer Epidemie nicht ersichtlich war, war die bescheinigte Kontraindikation zeitlich nicht mehr einschlägig.
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Das Attest erscheint unter Berücksichtigung der fachlichen Einschätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) nicht plausibel. Laut RKI besteht eine Kontraindikation hinsichtlich der Masernschutzimpfung u.a. bei akutem Fieber über 38,5 °C oder einer akuten schweren Erkrankung, nicht jedoch bei banalen Infekten, auch wenn sie mit subfebrilen Temperaturen unter 38,5 °C einhergehen, und auch nicht bei erhöhter Infektanfälligkeit (Robert-Koch-Institut, Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikation, Stand 4.6.2020, Unterpunkt: Wer sollte die MMR-Impfung nicht erhalten? Welche medizinischen Kontraindikationen gibt…, abrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/Masernimpfung
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/FAQ-Liste_Masernimpfung.html, Abruf am 27.12.2023).
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Die im Attest aufgestellte Hypothese einer Überforderung des kindlichen Immunsystems durch das Aufeinandertreffen von SARS-CoV-2-Virus und (mit der Masernschutzimpfung verabreichten) abgeschwächten Masernviren kann auf Basis der verfügbaren Informationen nicht nachvollzogen werden. Insbesondere leitet das RKI keine generelle medizinische Kontraindikation aus der Gefahr eines Aufeinandertreffens des SARS-CoV-2-Virus mit abgeschwächten Masernvieren ab. Eine Ausnahme gilt lediglich für Kinder mit seltenen Immundefektsyndromen oder Personen mit medikamentöser Immunsuppression (VG München, B.v. 26.9.2023 – M 26b S 23.4094 – juris Rn. 44, s. hierzu ferner auch https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Kontraindi/faq_impfen_Kontraindi_ges.html Abruf am 27.12.2023).
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Dass letzteres bei der Tochter der Antragsteller der Fall wäre, ergibt sich aus den vorgelegten Nachweisen nicht. Insbesondere enthalten die von den Antragstellern zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses beigebrachten ärztlichen Atteste keine Aussagen des Facharztes darüber, dass bei der Tochter der Antragsteller tatsächlich ein solches Immundefektsyndrom besteht oder eine medikamentöse Immunsuppression vorliegt. Zwar trägt der Antragsteller zu 2 im Schreiben vom … April 2023 vor, dass er nach eigenen Angaben beobachten habe können, dass seine Tochter zu Reaktionen nach der Einnahme von Medikamenten neige. Zugleich weist er jedoch selbst darauf hin, dass eine Impfunverträglichkeit ärztlicherseits bislang nicht nachgewiesen werden konnte.
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Ergänzend dazu ist zu berücksichtigen, dass der Sorge, in eine unerkannte asymptomatische SARS-CoV-Infektion „hineinzuimpfen“, durch die vorherige Durchführung eines PCR-Tests bzw. Schnelltests begegnet werden könnte.
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Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Antragsteller stellt nach Auffassung des RKI allein der Umstand, dass ein Mensch als sog. „Frühgeborenes“ zur Welt gekommen sei, keine medizinische Kontraindikation dar. Nach Auffassung des RKI sollten auch Frühgeborene unabhängig von ihrem Geburtsgewicht entsprechend dem empfohlenen Impfalter geimpft werden (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Kontraindi/faq_impfen_Kontraindi_ges.html, Abruf am 27.12.2023).
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Nach alledem fehlte es zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses an einem plausiblen Attest über eine bestehende Kontraindikation bei der Tochter der Antragsteller.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 159 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3, Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.