Titel:
Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit eines Lehrers
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
BeamtVG § 31 Abs. 3 S. 1
BKV Anl. 1 Nr. 3101
SGB VII § 9 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Covid-19-Erkrankung eines Lehrers ist kein Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1 S. 1 BayBeamtVG, wenn Ort und Zeit der Infektion nicht bestimmbar sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der für das Vorliegen einer Berufskrankheit iSd Art. 46 Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG entscheidenden Frage, ob der Beamte der Gefahr, an Covid-19 zu erkranken, besonders ausgesetzt war, ist nicht auf die Tätigkeit als Lehrkraft, sondern auf die konkrete „dienstliche Verrichtung“ abzustellen (hier: bejaht für Tätigkeiten während des Präsenzunterrichts an einer staatlichen Wirtschaftsschule bei hoher Durchseuchung). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anerkennung als Dienstunfall, Covid-19 Erkrankung als Berufskrankheit eines Lehrers, Studiendirektor an einer staatlichen Wirtschaftsschule, besondere Infektionsgefahr, Unterschreitung des Mindestabstands von 1, 5 m aus zwingenden pädagogisch-didaktischen Gründen, hoher Grad der Durchseuchung des Arbeitsumfeldes und hohe Übertragungsgefahr, 10 von 30 Lehrkräften innerhalb von vier Tagen erkrankt, 19 von 23 Schülern bzw. 7 von 23 Schülern einer Klasse erkrankt unmittelbarer Kontakt zu drei Dutzend infizierten oder später erkrankten Personen, Anordnung von Distanzunterricht infolge der hohen Infektionszahlen an der Schule, Corona, Covid-19, Dienstunfall, Berufskrankheit, Lehrer, Infektionsgefahr, Durchseuchung, Präsenzunterricht, Mindestabstand
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 26.10.2021 – W 1 K 21.536
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13698
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger ist als Studiendirektor Lehrer an einer staatlichen Wirtschaftsschule und begehrt die Anerkennung einer Coronavirus-Disease-2019 (Covid-19) Erkrankung als Dienstunfall.
2
Im Zeitraum von Ende November bis Anfang Dezember 2020 wurden an der Schule des Klägers sowohl zahlreiche Schülerinnen und Schüler als auch Lehrerinnen und Lehrer positiv auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus getestet. Der Kläger hatte diese Schülerinnen und Schüler teilweise unterrichtet (am 30.11.2020 von 7:45 Uhr bis 9:45 Uhr in der Klasse 8b und am 1.12.2020 von 12:10 Uhr bis 13:55 Uhr in der Klasse 8a). In der von ihm unterrichteten Klasse 8b sind 19 von 23 Schülern an Covid-19 erkrankt gewesen, in der Klasse 8a sieben von 23 Schülern und in der Klasse 9a weitere drei Schüler. Zwischen dem 30. November und 3. Dezember 2020 wurden 10 von 30 Lehrkräften (davon 15 Teilzeitkräfte) positiv auf Covid-19 getestet. Zu vier Kollegen hatte er über einen längeren Zeitraum hinweg Gesprächskontakt. Infolge der Vielzahl der aufgetretenen Erkrankungsfälle wurde die Schule am 2. Dezember 2020 geschlossen und auf Distanzunterricht umgestellt. Der Kläger trug vor, er habe sich an diesem Tag freiwillig in häusliche Isolation begeben. Seitdem habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt. Seine sozialen Kontakte habe er bereits seit dem 23. November 2020 – außerhalb seiner Arbeit an der staatlichen Wirtschaftsschule – allein auf seine Frau und seinen Sohn begrenzt. Seit dem 24. November 2020 habe er auch keine Einkäufe mehr getätigt. Am 5. Dezember 2020 wurde der Kläger bei einem Antigen-Schnelltest positiv auf das Coronavirus getestet, was durch ein positives PCR-Testergebnis am 7. Dezember 2020 bestätigt wurde. Die Tests seiner Ehefrau und seines Sohnes waren hingegen negativ. Die Infektion mit dem SARS-Cov-2-Virus führte beim Kläger zu Erkältungssymptomen und Rückenschmerzen.
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Seinen Antrag vom 10. Dezember 2020 auf Anerkennung der Infektionserkrankung als Dienstunfall lehnte das Landesamt für Finanzen (Landesamt) mit Bescheid vom 25. Januar 2021 und Widerspruchsbescheid vom 19. März 2021 ab.
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Auf die am 19. April 2021 vom Kläger erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Oktober 2021 den Beklagten, unter Aufhebung der ergangenen Bescheide, die am 5. Dezember 2020 diagnostizierte Erkrankung des Klägers an SARS-CoV-2 bzw. Covid-19 gemäß Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG in Verbindung mit Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) als Dienstunfall anzuerkennen. Gegenüber den bereits generell hohen Infektionszahlen im Bundesgebiet habe die Schule im genannten Zeitraum ein massiv erhöhtes Infektionsgeschehen aufgewiesen. Angesichts einer so großen Anzahl infizierter Personen, die sich über den Zeitraum einer Unterrichtseinheit hinweg in einem Klassenzimmer befanden, müsse daher selbst bei regelmäßigem Lüften von einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko ausgegangen werden.
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Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten. Das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R) außer Acht gelassen. Danach sei zunächst (in einem ersten Schritt) zu prüfen, ob der Tätigkeitsbereich des Beamten seiner Art nach mit einer abstrakten Gefahrenlage verbunden und mit derjenigen der anderen drei Regelungsalternativen der Nr. 3101 Anlage 1 zur BKV (Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege, Laboratorium) vergleichbar sei. Zudem sei der Maßstab des Verwaltungsgerichts unzutreffend, weil es auf einen Vergleich der Infektionsgefahr des Klägers mit der Infektionsgefahr der Beschäftigten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium und nicht der (gesamten) übrigen Bevölkerung ankomme. Bei den in Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV aufgeführten Tätigkeitsbereichen sei die „Konzentration“ von Kranken besonders ausgeprägt. Eine damit vergleichbare abstrakte Gefährdung könne aber von vornherein nicht angenommen werden, wenn der Betreffende – wie hier – in einer Einrichtung tätig ist, in der vorwiegend gesunde Menschen zusammenkommen. Auf eine geringere Infektionsgefahr deute auch eine erste Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK für den Betrachtungszeitraum März bis Dezember 2020 hin (www.wido.de). Danach befänden sich angestellte Lehrer der Sekundarstufe mit 1.497 nachweislich Erkrankten je 100.000 Mitglieder im Mittelfeld der von Covid-19 betroffenen Berufe (Platz 31), während Tätigkeiten im Gesundheitsdienst und im Bereich der Wohlfahrtspflege mit 2.000 bis 3.000 nachweislich Erkrankten je 100.000 Mitglieder das Feld anführten. Es lägen keinerlei Erkenntnisse vor, dass demgegenüber für Lehrer im Beamtenstatus ein höheres Infektionsrisiko bestehe. Unabhängig davon fehle es an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen über besonders gefährdete Berufsgruppen (vgl. BT-Drs. 19/24982 S. 4 [Antwort auf Frage 4 bis 4b]; BT-Drs. 19/31260 S. 2; BMAS v. 24.11.2021). Die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung führe im Ergebnis zur völligen Entgrenzung der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Denn sie habe zur Folge, dass damit jeder abstrakt-generelle Bezug zu Tätigkeitsart und Arbeitsumfeld – mithin jeder gruppenspezifische Risikobezug – verloren gehe. Das Verwaltungsgericht vergleiche letztlich nicht Tätigkeitsarten miteinander, sondern lediglich eine vorübergehende, konkret-individuelle Risikosituation des Klägers einerseits mit der Ansteckungsgefahr der gesamten übrigen Bevölkerung andererseits. Das Verwaltungsgericht lasse es bereits genügen, dass beim Kläger für nur kurze Zeit eine besondere „Arbeitssituation“ herrsche, in der vorübergehend ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden habe. In der Konsequenz der verwaltungsgerichtlichen Rechtsauffassung müsste jedes lokale Ausbruchsgeschehen („Superspreading-Ereignis“) unter entsprechenden Bedingungen wie beim Kläger zu einer Dienstunfallanerkennung als Berufskrankheit führen. Entsprechende Situationen gebe es (nicht nur, aber auch) im öffentlichen Dienst viele. Man denke beispielsweise an die Kfz-Zulassungsstellen der Kreisverwaltungsbehörden, in denen nicht nur reger Parteiverkehr herrsche, sondern die Mitarbeiter oftmals (in der Art eines Großraumbüros) in einem einzigen großen Raum untergebracht seien, in dem mehrere Bedienstete an mehreren Schaltern gleichzeitig die Anliegen der Bürger bearbeiteten, wobei sich die Bediensteten mitunter bei ungewöhnlichen Sachverhaltskonstellationen untereinander austauschten. Zum Teil befänden sich dabei die Wartebereiche für die Bürger in demselben Raum. Letztlich gelten die Erwägungen, die das Verwaltungsgericht im Fall des Klägers angestellt habe, für jedes Großraumbüro gleichermaßen, ebenso wie für jede Behörde oder Organisationseinheit, deren Arbeitsweise es bedinge, dass sich die Bediensteten regelmäßig persönlich miteinander besprechen, sodass eine Infektion reihum von einem Bediensteten zum anderen „springen“ könne. Insofern sei die Situation, die der Kläger Ende November/Anfang Dezember 2020 an seiner Schule erlebt habe, nicht außergewöhnlich, sondern trete unter den Bedingungen der Coronavirus-Pandemie regelmäßig auf. Denn das Coronavirus sei – neben Übertragungen im privaten, häuslichen Umfeld – gerade dadurch epidemisch bzw. pandemisch geworden, dass sich im Rahmen solcher Ausbruchsgeschehen – wie an der Schule des Klägers – an einem Ort binnen kurzer Zeit mutmaßlich mehrere Personen haben anstecken können. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2015 (OVG 4 N 36.14 – nicht veröffentlicht) stütze die in der Berufungsbegründung vertretene Rechtsauffassung.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auf Nachfrage des Senats zum gewöhnlichen und konkreten Ablauf des Präsenzunterrichts an der staatlichen Wirtschaftsschule nahmen die Beteiligten ausführlich Stellung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Januar 2021 und Widerspruchsbescheids vom 19. März 2021 verpflichtet, die Covid-19 Erkrankung des Klägers als Dienstunfall anzuerkennen. Es hat im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG verneint (I.), diejenigen des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG hingegen bejaht (II.).
13
I. Ein Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG liegt mangels örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignisses, das zu der COVID-19 Erkrankung des Klägers geführt hat, nicht vor. Auch wenn viel dafürspricht, dass sich der Kläger zwischen Ende November bis Anfang Dezember 2020 an der Schule, an der er damals unterrichtete, infiziert hat, lässt sich der genaue Zeitpunkt der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Vielmehr ist es mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit möglich, dass sich der Kläger außerhalb des Dienstes bei irgendeiner anderen Person angesteckt hat. Am 5. Dezember 2020 wurde der Kläger mittels eines Antigen-Schnelltests positiv auf das Coronavirus getestet, was durch ein positives PCR-Testergebnis am 7. Dezember 2020 bestätigt wurde. Entsprechend kann er sich in der Zeit vom 17. November bis zum 3. Dezember 2020 infiziert haben. Denn die Infektion kann frühestens 18 Tage, spätestens 2 Tage, wahrscheinlich 6 Tage vor dem 5. Dezember 2020 stattgefunden haben. Die Inkubationszeit (die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung) ist bei Covid-19 sehr volatil. Die kürzeste belegte Inkubationszeit beträgt 1,8 Tage, die längste 18,87 Tage (aerzteblatt.de/nachrichten/136846/Kuerzere-Inkubationszeit-Omikron-fuehrt-schneller-zur-Erkrankung-als-fruehere-Varianten v. 23.8.2022, abgerufen am 5.6.2024). Es ist unwahrscheinlich (aber möglich), dass sich der Kläger vor dem 23. November 2020 angesteckt hat, denn die 95-Prozent-Perzentile für die Inkubationszeit der im Jahr 2020 zirkulierten Viren (sog. Wildtyp) wurde mit 11,7 Tagen angegeben (95 Prozent Konfidenzintervall 9,7-14,2 Tage; RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Kapitel 5: Inkubationszeit und serielles Intervall, Stand November 2021, rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 5.6.2024 m.w.N.). Dass sich der Kläger noch am 3. Dezember 2020 angesteckt hat, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich aber möglich, weil dies nur zwei Tage vor Erkrankungsbeginn liegt. Wahrscheinlich hat er sich am bzw. um den 29. November 2020 herum infiziert. Denn die Inkubationszeit wurde im Mittel mit 5,8 Tage (95 Prozent Konfidenzintervall 5,0 – 6,7 Tage) berechnet (RKI, a.a.O.). Als mögliche Indexpersonen wurden durch den Kläger Schüler der Klassen 8a und 8b sowie Lehrerkollegen benannt, die zwischen Ende November und Anfang Dezember erkrankt sind. Die Schüler unterrichtete er am 30. November 2020 und mit vier Lehrern hatte er über einen längeren Zeitraum hinweg Gesprächskontakt. Genauso gut könnte sich der Kläger jedoch unbemerkt am Sonntag, den 29. November 2020 oder bereits früher im privaten Bereich angesteckt haben. Auch wenn gewichtige Gründe dafürsprechen, dass sich der Kläger bei der – als wahr unterstellten – Beschränkung seiner sozialen Kontakte auf seine gesund gebliebene Familie in der Schule infiziert hat, hält es der Senat nach alledem für nicht aufklärbar, ob sich der Kläger während seines Dienstes oder außerdienstlich im privaten Bereich mit dem Covid19-Virus angesteckt hat. Denn für die zeitliche Bestimmbarkeit genügt es nicht, dass sich ein über mehrere Tage erstreckender Zeitraum nach Anfangs- und Schlusstag eingrenzen lässt (BVerwG, B.v. 19.1.2006 – 2 B 46.05 – juris Rn. 6). Ebenso erfüllt eine abstrakte Bestimmung des möglichen Tages der Infektion durch Rückrechnung aufgrund der Inkubationszeit nicht das Erfordernis der konkreten zeitlichen Bestimmbarkeit (Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, September 2023, § 31 BeamtVG Rn. 37). Lassen sich Ort und Zeit einer Infektion nicht genau feststellen, so geht das zu Lasten des Beamten, der die materielle Beweislast trägt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 8). Dem Kläger ist auch keine Beweiserleichterung im Zusammenhang mit dem Kausalitätsnachweis in Form des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweis) einzuräumen. Denn ein Anscheinsbeweis greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 18). Der Anscheinsbeweis scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil im Hinblick auf die Inkubationszeit und die mannigfaltigen Möglichkeiten einer anderweitigen Infektion es nicht typischerweise oder geradezu zwangsläufig zu einer Infektion im dienstlichen Rahmen zum fraglichen Zeitraum gekommen sein muss.
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Der Senat sieht zudem keine Veranlassung, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann, eine quasi Beweislastumkehr über die Heranziehung des Anscheinsbeweises zu Gunsten der Beamten zu begründen. Denn der Gesetzgeber hat der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV, die grundsätzlich auch die Erkrankung an Covid-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen soll der Dienstherr nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 12.12.2022 – 23 K 8281/21 – juris Rn. 55; OVG NW, B.v. 13.10.2010 – 1 A 3299/08 – juris Rn. 21; Günther/Michaelis, COVuR 2022, S. 46 (47); BVerwG, U.v. 11.2.1965 – II C 11/62 – ZBR 1965, 244).
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II. Nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG gilt als Dienstunfall auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 zur BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit, wenn der Beamte oder die Beamtin nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war (1.), es sei denn, dass der Beamte oder die Beamtin sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat (2.).
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Der Kläger ist unstreitig an Covid-19 erkrankt, da er an Erkältungssymptomen und Rückenschmerzen litt. Seine Erkrankung hatte er rechtzeitig seinem Dienstvorgesetzten (hier am 8.12.2020) gemeldet (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG).
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1. Gemäß Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV i.V.m. § 1 BKV sind Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten erfasst, wenn der Versicherte (hier der Beamte/die Beamtin) im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
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Da die Covid-19 Erkrankung des Klägers durch die Infektion (Ansteckung) mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht wird und daher eine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit ist (vgl. dazu den unter „Infektionskrankheiten A-Z“ aufgeführten Steckbrief des Robert-Koch-Instituts unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/InfAZ_marginal_node.html; BVerfG, B.v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 3), wird sie von Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV grundsätzlich erfasst.
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Der Kläger ist weder im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig (gewesen). Die damit allein in Betracht kommende Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur BKV fordert eine der betreffenden Tätigkeit innewohnende besondere, den übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 11). Sowohl Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 der BKV als auch Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG enthalten das Tatbestandsmerkmal, der Erkrankungs- bzw. Infektionsgefahr besonders ausgesetzt gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es im Zusammenhang mit der in Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG geforderten besonderen Dienstbezogenheit der Erkrankung („nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung“) zu prüfen.
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Für das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG, für die besondere Erkrankungsgefahr und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung trägt der Beamte die materielle Beweislast, wenn das Gericht die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann. In diesem Rahmen können dem Beamten auch allgemein anerkannte Beweiserleichterungen wie der Beweis des ersten Anscheins oder eine Umkehr der Beweislast zu Gute kommen, wenn die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gegeben sind (BVerwG, B.v. 11.3.1997 – 2 B 127.96 – juris). Lässt sich bei Vorliegen der beiden erstgenannten Voraussetzungen hingegen lediglich nicht klären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit hinsichtlich dieser Voraussetzung der Dienstherr (vgl. Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG: „es sei denn“; BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 13; vgl. hierzu unter 2.).
21
Zur Beurteilung der Frage, ob der Beamte der Gefahr der Erkrankung bzw. Infektion besonders ausgesetzt war, gelten die vom Bundesverwaltungsgericht (1.1) entwickelten Maßstäbe. Für den insoweit anzusetzenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab können auch die von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 3101 der Anlage 1 BKV ergänzend herangezogen werden (1.2). Daran gemessen war der Kläger nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung (Präsenzunterricht an einer staatlichen Wirtschaftsschule) der Gefahr, an Covid-19 zu erkranken, besonders ausgesetzt (1.3.)
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1.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats gilt im Sinne des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG bzw. hierzu inhaltsgleichen § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.V.m. der Anlage 1 der BKV die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 29.6.1998 – 3 B 95.3890 – juris Rn. 11; B.v. 27.8.1998 – 3 ZB 98.568 – juris Rn. 2; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Dezember 2021, § 31 BeamtVG Rn. 187). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG setzt nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet; vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris Rn. 6). Dabei kommt es nicht auf die individuelle Veranlagung des Beamten an (BayVGH, B.v. 29.6.1998 – 3 B 95.3890 – juris Rn. 11; U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20). Die besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein (BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20). Entscheidend für die Beurteilung, ob es sich um ein derart erhöhtes Ansteckungsrisiko handelt, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, B.v. 15.5.1996 a.a.O.; VGH BW, U.v. 21.1.1986 – 4 S 2468/85 – ZBR 1986, 277). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG soll insofern nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17).
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Maßgeblich ist, dass die Gefährdung aus der konkreten Tätigkeit selbst herrührt. Denn der Gesetzgeber hat sich in Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG dafür entschieden, auf die Art der jeweiligen Tätigkeit abzustellen und nicht auf sonstige dienstliche Bedingungen, wie insbesondere die Beschaffenheit der Diensträume (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 und 3 B 94.3113 – juris; U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3182 – BeckRS 1995, 13966 nachfolgend BVerwG B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.1999 – 3 ZB 98.3140 – n.v.; B.v. 16.3.1998 – 3 ZB 98.718 – n.v.; OVG RhP, U.v. 16.2.1996 – 2 A 11573/95 – NVwZ-RR 1997, 45). Die generelle Ansteckungsgefahr, der ein Beamter ausgesetzt sein kann, wenn er im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, genügt nicht (vgl. so auch VG Sigmaringen, U.v. 2.2.2022 – 5 K 1819/21 – juris).
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Nach alldem führen die durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zu einer völligen Entgrenzung der Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur BKV ohne jeden gruppenspezifischen Risikobezug. Die aufgezeigten Anforderungen beugen gerade vor, dass die letzte Alternative von Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV nicht zu einer Art Auffangtatbestand für all jene Fälle wird, die nicht unter die Einrichtungen einer der drei anderen Alternativen einzuordnen sind.
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1.2 Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten können für den anzusetzenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab aufgrund der dynamischen Blankettverweisung des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG die von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr gemäß Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV grundsätzlich ergänzend herangezogen werden.
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Bei der Frage, ob der Betroffene im Sinne der 4. Alternative der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“ sind auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung die vom Betroffenen konkret verrichteten Tätigkeiten zu berücksichtigen (zuletzt BSG, U.v. 22.6.2023 – B 2 U 9/21 R – juris Rn. 15 mit Verweis auf das vom Beklagten zitierte U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Ls. und Rn. 14 ff.). Bei der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV ist zunächst festzustellen, ob dem konkreten dienstlichen Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung innewohnt und sich die generelle Gefahr aufgrund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann (hierzu ausführlich BSG, U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Rn. 14 ff.). Ist unter Berücksichtigung der Art der dienstlichen Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfeldes eine generelle Gefährdung nicht denkbar, scheidet die Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV schon deshalb aus. Insoweit ist zunächst entscheidend, ob die im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes mit einer abstrakten Gefahrenlage einhergehen (BSG, U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Rn. 17).
27
Liegt hingegen eine mit der dienstlichen Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Beamte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war, die sich dann nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet (BSG, U.v. 22.6.2023 a.a.O. Rn. 13 ff.; U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Rn. 16). Der Grad der Durchseuchung ist sowohl hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der dienstlichen Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Betroffenen verrichteten gefährdenden Handlungen (BSG, U.v. 15.9.2011 – B 2 U 22/10 R – juris Rn. 16). Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist (BSG, U.v. 30.3.2023 – B 2 U 2/21 R – juris Rn. 17; U.v. 15.9.2011 – B 2 U 22/10 R – juris Rn. 17 m.w.N.). Auch in der höchstrichterlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird regelmäßig zwischen gehäuftem, „seuchenhaften“ auftretenden Krankheitsfällen einerseits und Einzelfällen andererseits unterschieden (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.1960 – VI C 144.58; U.v. 4.9.1969 – II C 106.67 – juris; offen gelassen in U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 21.1.1986 – 4 S 2468/85 – DÖD 1986, 176; SaarOVG, U.v. 17.6.1993 – 1 R 74/90 – juris Rn. 39 „Kleinseuche“; Günther/Fischer, NWVBl. 2020, S. 309 ff.).
28
Das Bundesverwaltungsgericht hatte – soweit ersichtlich – bislang noch keine Gelegenheit, sich mit der für den Bereich des Sozialversicherungsrechts fortentwickelten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Rahmen seiner Jurisdiktion zum beamtenrechtlichen Dienstunfallrecht auseinanderzusetzen. Nach Auffassung des Senats war dies aber auch nicht erforderlich, da die Rechtsprechung der beiden Bundesgerichte inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmt. Denn auch das Bundesverwaltungsgericht verlangt, dass die konkrete dienstliche Tätigkeit ihrer Art nach „erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen“ eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser Erkrankung in sich bergen muss und „die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich“ ist. Gingen die im Rahmen der versicherten Tätigkeit verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes nicht mit einer abstrakten Gefahrenlage einher, käme auch nach den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anerkennung der Covid-19 Erkrankung als Berufskrankheit nicht in Betracht. Einer wörtlichen Übernahme der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedarf es insoweit nicht. Von diesem Standpunkt scheint auch das vom Beklagten zitierte Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (B.v. 18.12.2015 – OVG 4 N 36.14 – BA S. 4 – n.v.) auszugehen, wenn es ausführt, dass sich auch das Bundesverwaltungsgericht (etwa U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 12, 15) von den Grundsätzen des Bundessozialgerichts (U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33.07 R – juris Rn. 16) „leiten“ lasse.
29
Hinsichtlich der Frage, ob der Beamte der Gefahr, an Covid-19 zu erkranken, besonders ausgesetzt war, ist nicht auf die Tätigkeit als Lehrkraft, sondern auf die konkrete „dienstliche Verrichtung“ (Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG), mithin auf die Tätigkeiten des Klägers während des Präsenzunterrichts an einer staatlichen Wirtschaftsschule abzustellen. Denn Voraussetzung ist nicht die generelle Gefährdung einer Berufsgruppe (hier Lehrkraft), sondern die individuelle Gefährdung des jeweiligen Beamten aufgrund seiner konkret ausgeübten dienstlichen Verrichtung (so auch BSG, U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Rn. 14 f., 17 „konkret verrichteten Tätigkeiten“; Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, Stand 1.9.2021, § 9 Rn. 50). Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur BKV setzt die vergleichende Prüfung voraus, ob die im Rahmen der versicherten Tätigkeit verrichteten Arbeiten – nicht das Berufsbild als solches – nach Art der Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfelds eine abstrakt generelle Gefahrenlage bedingen, die derjenigen in den drei anderen Regelungsalternativen der BK 3101 entspricht (Molkentin, SGb 2022, 335). Damit bedarf es hier keiner gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, ob Lehrkräfte im Allgemeinen der Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus in ähnlichem Maße im Sinne von Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur BKV besonders ausgesetzt sind.
30
Vor diesem Hintergrund geht die Kritik des Beklagten fehl, das Verwaltungsgericht sei angesichts des Urteils des Bundessozialgerichts (U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Ls. und Rn. 14 ff.) rechtsfehlerhaft der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris Rn. 6 zu § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG; U.v. 9.11.1960 – VI C 144.58 – VerwRspr 1961, 557 zur Vorgängerregelung des § 135 Abs. 3 BBG a.F.) gefolgt, wonach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG nicht voraussetzt, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten des Beamten anhaftet. Denn auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verlangt nicht ein generell erhöhtes Infektionsrisiko für eine bestimmte Berufsgruppe, sondern prüft vielmehr, ob die im Rahmen der versicherten Tätigkeit verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes mit einer abstrakten Gefahrenlage einhergehen (BSG, U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Rn. 17). Durch diese (erste) Prüfungsstufe sollen lediglich solche Fallkonstellationen ausgeschlossen werden, in denen unter Berücksichtigung der Art der dienstlichen Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfeldes eine generelle Gefährdung „nicht denkbar“ ist (BSG, U.v. 2.4.2009 a.a.O. Rn. 16; U.v. 30.3.2023 – B 2 U 2/21 R – juris Rn. 15). Entsprechend ließ es das Bundessozialgericht in seinem Urteil (U.v. 30.3.2023 a.a.O. Rn. 16) für die Annahme einer abstrakten Infektionsgefahr bereits ausreichen, dass die Übertragung des Hepatitis-B-Virus durch Kontakt verletzter Haut – auch durch Mikrotraumata – mit kontaminiertem Blut und anderen Körperflüssigkeiten möglich ist und sich der dortige Kläger im Rahmen seiner konkreten Tätigkeit, insbesondere bei der Bergrettung, in der besonderen Gefahrensituation befunden hat, weil er in unwegsamen Gelände Verunglückte auf Tragen transportieren und teilweise unmittelbar am eigenen Körper sichern musste, wobei es unvermeidbar zu Kontakten mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten (Blut, Schweiß, Tränen sowie Erbrochenem) kommen konnte. Auch in seinem weiteren Urteil (v. 2.4.2009 a.a.O. Rn. 18) lässt es das Bundessozialgericht im Fall eines Mitarbeiters der Stadtreinigung, der für das Entleeren öffentlicher Abfallbehälter und Zusammenpressen von Müllbeuteln in Ortsbereichen zuständig ist, in denen Drogenabhängige sich gehäuft zum Drogenkonsum aufhalten und die von ihnen benutzten Spritzen entsorgen, für die Annahme einer abstrakten Infektionsgefahr (Hepatitis C-Virus – HCV) bereits ausreichen, dass innerhalb der Gruppe der Drogenabhängigen die Durchseuchung mit HCV überdurchschnittlich hoch und eine Nadelstichverletzung ein geeigneter Übertragungsweg ist. Eine weitergehende Einengung des Anwendungsbereichs der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV durch das Kriterium der „abstrakten Infektionsgefahr“ lässt sich der sozialgerichtlichen Rechtsprechung hingegen nicht entnehmen. Die Ansicht des Beklagten, es müsse sich um eine Tätigkeit handeln, der eine besondere Infektionsgefahr generell, d.h. an sich und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls – anhafte, trifft weder nach Wortlaut noch Sinn der rechtlichen Regelung zu (VGH BW, U.v. 21.1.1986 – 4 S 2468/85 – ZBR 1986, 277).
31
Auch die sozialgerichtliche Rechtsprechung knüpft als Vergleichsmaßstab im Übrigen an die Bevölkerung an und verlangt, dass sich aus dem beruflichen Umfeld des Beamten eine besondere berufliche Exposition für eine Infektion ergibt, die höher ist als diejenige in der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik (BSG, U.v. 22.6.2023 – B 2 U 9/21 R – juris Rn. 23; U.v. 30.3.2023 – B 2 U 2/21 R – juris Rn. 22; Jaritz, jurisPR-SozR 2/2010 Anm. 4). Zwar muss der Beamte durch seine konkrete dienstliche Verrichtung der Infektionsgefahr „in ähnlichem Maße“ wie in den in Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV aufgezählten Bereichen (Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege oder Laboratorium) ausgesetzt gewesen sein, als Anhaltspunkt hierzu dient jedoch gerade die Infektionsgefahr der Gesamtbevölkerung.
32
1.3 Daran gemessen war der Kläger nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung (Präsenzunterricht an einer staatlichen Wirtschaftsschule) der Gefahr, an Covid-19 zu erkranken, besonders ausgesetzt. Die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit barg erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit in sich, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu infizieren und an Covid-19 zu erkranken.
33
1.3.1 Die abstrakte Gefährdungslage ergibt sich daher in der Gesamtschau der Übertragungswege der Covid-19 Infektionen (1.3.1.1) und dem typischen Ablauf des Präsenzunterrichtes an einer staatlichen Wirtschaftsschule (1.3.1.2).
34
1.3.1.1 Nach dem epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19 des RKI (vgl. unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html?nn=13490888#doc13776792bodyText2; RKI, Infektionsschutzmaßnahmen, Stand unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste _Infektionsschutz.html) ist der der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen. Beim Atmen und Sprechen, aber noch stärker beim Schreien und Singen, werden Aerosole ausgeschieden; beim Husten und Niesen entstehen zusätzlich deutlich vermehrt größere Partikel. Neben einer steigenden Lautstärke können auch individuelle Unterschiede zu einer verstärkten Freisetzung beitragen. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Partikeln jeglicher Größe im Umkreis von 1 bis 2 m um eine infektiöse Person herum erhöht. Beim Aufenthalt in Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 m erhöhen, insbesondere wenn der Raum klein und schlecht belüftet ist. Längere Aufenthaltszeiten und besonders tiefes oder häufiges Einatmen durch die exponierten Personen erhöhen die Inhalationsdosis. Durch die Anreicherung und Verteilung der Aerosole im Raum ist das Einhalten des Mindestabstandes zur Infektionsprävention ggf. nicht mehr ausreichend. Auch schwere körperliche Arbeit bei mangelnder Lüftung hat, beispielsweise in fleischverarbeitenden Betrieben, zu hohen Infektionsraten geführt.
35
Tätigkeiten „am Menschen“ mit einem unmittelbaren Körperkontakt oder eine gesichtsnahe Tätigkeit in Innenräumen sind daher in der Regel mit einer besonderen (abstrakten) Gefahr verbunden, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.
36
1.3.1.2 Vor diesem Hintergrund ergibt sich unter Berücksichtigung des allgemeinen Inhalts und typischen Ablaufs des Präsenzunterrichtes an einer staatlichen Wirtschaftsschule eine entsprechende abstrakte Gefahrenlage.
37
Denn für den Präsenzunterricht einer Lehrkraft an einer staatlichen Wirtschaftsschule ist typisch, dass er über mehrere Schulstunden pro Tag in unterschiedlichen Klassengemeinschaften verschiedener Jahrgangsstufen von durchschnittlich 20,4 Schülerinnen und Schülern (vgl. KMS v. 9.8.2023 – Az. VI.7 – BP 9060 S – 7b.66859) in Innenräumen stattfindet. Die Klassen umfassen die Jahrgangsstufen sechs (vierstufige Wirtschaftsschule) bis elf (zweistufige Wirtschaftsschule; vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BayEUG). Im Rahmen des Unterrichts findet ein kommunikativer Austausch zwischen Lehrern und den Schülerinnen und Schülern, aber auch unter den Schülerinnen und Schülern selbst statt. Tätigkeiten der Lehrkräfte „am Menschen“ mit einem unmittelbaren Körperkontakt oder eine gesichtsnahe Tätigkeit sind typisch und auch regelmäßig – wenn auch nicht sehr häufig – notwendig. Denn während des Unterrichts dürfen (vgl. Nr. 5.2 des Rahmenhygieneplans des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – Rahmenhygieneplan Schulen – v. 5.10.2020 mit Berichtigung v. 6.10.2020 und Änderung v. 16.11.2020 – BayMBl Nr. 564, Nr. 565, Nr. 640) und müssen Lehrkräfte in bestimmten Situationen aus zwingenden pädagogisch-didaktischen Gründen den Mindestabstand von 1,5 m zu Schülern unterschreiten, um ihnen beispielsweise Unterrichtsmaterialien oder Prüfungsaufgaben auszuhändigen, Fragen zu erläutern, Hefteinträge zu kontrollieren, Korrekturhinweise zu erteilen, Unterschleif oder Störungen des Unterrichts zu unterbinden oder bei (verbalen oder physischen) Konflikten – gegebenenfalls sogar körperlich – einzuschreiten. Dabei lassen sich gesichtsnahe Tätigkeiten oder unmittelbarer Körperkontakt zwangsläufig nicht immer vermeiden. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftsschule eine berufsvorbereitende Schule ist, die gemäß Art. 14 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) zu den beruflichen Schulen (Berufsfachschule) zählt, im Sekundarbereich I angesiedelt ist und eine allgemeine Bildung und eine berufliche Grundbildung im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung vermittelt (vgl. dazu https://www.km.bayern.de/eltern/schularten/wirtschaftsschule.html, abgerufen am 5.6.2024). Neben der theoretischen Bildung ist in einem besonderen Umfang auch die praktische Anwendung des Gelernten Ziel des Unterrichts. Nach Mitteilung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (vgl. KMS v. 9.8.2023 – Az. VI.7 – BP 9060 S – 7b.66859) vollziehen die Schülerinnen und Schüler in schuleigenen Übungsunternehmen möglichst praxisnah die Tätigkeiten kaufmännischer Sachbearbeitung anhand konkreter Geschäftsfälle nach, die das Lernen steuern. Auch im Rahmen dieser praxisnahen Tätigkeiten ließen sich körpernahe Kontakte nicht zuverlässig vermeiden. Im Fach Übungsunternehmen werde ein modernes Unternehmen simuliert. Die einzelnen Arbeitsplätze des Übungsunternehmens orientierten sich dabei an einer typischen Aufbau- bzw. Ablauforganisation eines Großhandelsbetriebes. Schülerinnen und Schüler arbeiteten überwiegend eigenständig in ihrer Rolle als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer am PC. Die Lehrkraft agiere als Geschäftsführer/in und berate in einzelnen Fällen die Lernenden bzw. kontrolliere die Arbeitsergebnisse. Hierzu könne es notwendig sein, dass die Lehrkraft gemeinsam mit der Schülerin/dem Schüler Arbeitsergebnisse am PC betrachte. In solchen Fällen könne der Mindestabstand von 1,5 m unterschritten werden.
38
Dass eine entsprechende Unterschreitung des Mindestabstandes im Fach „Übungsunternehmen“ gehäuft auftreten oder gar dadurch den Unterricht prägen muss, dass sie während des überwiegenden Teils der Unterrichtszeit dieses Faches stattfindet, ist entgegen der Auffassung des Beklagten für eine abstrakte Infektionsgefahr nicht erforderlich.
39
Auch die für die staatliche Wirtschaftsschule verpflichtend vorgeschriebenen und bestehenden Schutz- und Hygienekonzepte (vgl. Rahmenhygieneplan Schulen; § 18 Abs. 1 Satz 2 der bis zum 30.11.2020 gültigen Achten – BayMBl Nr. 616 und der vom 1. bis 8.12.2020 gültigen Neunten – BayMBl. Nr. 683 – Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung – 8./9.BayIfSMV) führen nicht zu der Annahme, dass diese abstrakte Gefahrenlage für Lehrkräfte ausgeschlossen werden konnte. Denn – wie aufgezeigt – waren sowohl für die Einhaltung des Mindestabstandes als auch der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 der 8. und 9. BayIfSMV) eine Reihe von Ausnahmen vorgesehen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2 Nr. 2 der 8./9. BayIfSMV), die zu einer besonderen (abstrakten) Infektionsgefahr beitragen.
40
Der Beklagte nimmt zwar zu Recht an, dass nach Einschätzung des RKI vor allem Mindestabstandsunterschreitungen, die länger als 15 Minuten andauerten, infektiologisch problematisch seien (vgl. Seiten 5 und 25 der Fall-Kontroll-Studie des RKI zu Risiko- und Schutzfaktoren für sporadische symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen im Alltagsleben in Deutschland [CoViRiS-Studie] vom 26.7.2023 [im Internet abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/CoViRiS-Bericht.pdf? blob=publicationFile]), eine Lehrkraft im Unterrichtsalltag jedoch typischerweise nicht die Zeit habe, sich 15 Minuten oder länger einem einzelnen Schüler zu widmen. Dies stellt aber die abstrakte Infektionsgefahr nicht in Frage, da diese nicht nur von der Länge der Zeitdauer der Unterschreitung des Mindestabstands, sondern von verschiedenen weiteren Faktoren abhängt, u.a. der Anzahl der infizierten Personen in unmittelbarer Nähe, eines ordnungsgemäßen Maskengebrauchs, der Luftbewegung, der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Belüftung des Raumes. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Partikeln jeglicher Größe im Umkreis von 1 bis 2 m um eine infektiöse Person herum (auch bei kurzer Dauer) erhöht. Längere Aufenthaltszeiten und besonders tiefes oder häufiges Einatmen durch die exponierten Personen erhöhen jedoch die Inhalationsdosis (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand 26.11.2021, unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888#doc13776792bodyText3, abgerufen am 5.6.2024).
41
Der Präsenzunterricht einer Lehrkraft an einer staatlichen Wirtschaftsschule ist – wie aufgezeigt – entgegen der Ansicht des Beklagten aus infektiologischer Sicht auch nicht mit vielen Situationen im öffentlichen Dienst, bei denen reger Parteiverkehr herrscht, uneingeschränkt vergleichbar. Dies und das Vorliegen einer abstrakten Gefährdungslage hängt immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Die typische Situation beispielsweise in den Kfz-Zulassungsstellen unterscheidet sich typischerweise sowohl hinsichtlich der regelmäßig einhaltbaren Mindestabstände, der anwendbaren Infektionsschutzmaßnahmen (Plexiglaswände, Online-Besprechungen, restriktive Terminvergaben) und deren konsequenten und ordnungsgemäßer Anwendung (insbesondere hinsichtlich der Nutzung von Masken) erheblich von dem Tätigkeitsumfeld einer Lehrkraft während des Präsenzunterrichtes an einer Wirtschaftsschule mit überwiegend minderjährigen Schülerinnen und Schülern.
42
Für die Annahme einer abstrakten Gefährdung in Schulen zum Zeitpunkt des Infektionsgeschehens spricht zudem, dass die Bayerische Staatsregierung insbesondere den Präsenzunterricht an Schulen in ihrer damals entwickelten sog. „Hotspot-Strategie“ berücksichtigte. Danach war ab 1. Dezember 2020 in Hotspots mit einer 7-Tage-Inzidenz größer als 200 u.a. an allen Schulen mit Ausnahme der Schulen zur sonderpädagogischen Förderung sowie der Abschlussklassen ab Jahrgangsstufe acht durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Wechselunterricht sicherzustellen, dass auch im Unterricht zwischen allen Schülern und Lehrkräften ein Mindestabstand von 1,5 m durchgehend eingehalten werden konnte (§ 25 Satz 1 Nr. 2 der 9. BayIfSMV v. 30.11.2020 – BayMBl. Nr. 683). Ab 9. Dezember 2020 wurde sodann bayernweit u.a. an Wirtschaftsschulen ab der Jahrgangsstufe acht mit Ausnahme der letzten Jahrgangsstufe Wechselunterricht angeordnet (§ 18 Abs. 1 Satz 3 der 10. BayIfSMV v. 8.12.2020 – BayMBl. Nr. 711). In sog. Hotspots mit einer 7-Tage-Inzidenz größer 200 wurde an diesen Schulen der Unterricht in Präsenzform sogar untersagt (§ 25 Satz 1 Nr. 3 der 10. BayIfSMV).
43
Der Annahme einer abstrakten Gefahrenlage steht insbesondere nicht entgegen, dass in einer Wirtschaftsschule vorwiegend gesunde Menschen zusammenkommen. Denn unter Pandemiebedingungen kann angesichts der hohen allgemeinen Übertragungsgefahr des SARS-Cov-2 Virus gerade nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei der Durchführung eines Präsenzunterrichts in mehreren Klassen unter den bis zu 30 Schülerinnen und Schülern vorwiegend gesunde Menschen befinden.
44
Für eine abstrakte Gefährdungslage im Sinne der Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur BKV ist zudem nicht erforderlich, dass der Beamte zwingend in einer Einrichtung tätig ist, in der bereits infizierte Personen medizinisch versorgt werden (vgl. z.B. BSG, U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Rn. 18: Stadtteil mit gehäuftem Drogenkonsum). Bereits der Wortlaut „durch eine andere Tätigkeit“ macht deutlich, dass keine Beschränkung auf den Bereich Gesundheit oder bestimmte Berufe oder vergleichbare Tätigkeiten erfolgt. Sowohl die „Wohlfahrtspflege“ als auch die „andere Tätigkeit“ treten in der Aufzählung der Nr. 3101 Anlage zu § 1 BKV neben den Gesundheitsdienst und die Tätigkeit in einem Laboratorium; für diese Bereiche ist daher auf die tätigkeitsbedingt besondere Infektionsgefahr und nicht darauf abzustellen, ob die berufliche Tätigkeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung erbracht wird, die der Versorgung oder Betreuung kranker Menschen dient, in der typischerweise und ständig in besonderem Maße infektiöse Krankheitserreger vorhanden sind, also typischerweise oder überwiegend erkrankte Menschen zusammenkommen, oder die Tätigkeit im Umgang gerade mit infektiösem Material besteht. Eine derartige Beschränkung vernachlässigte die selbständige Bedeutung der Aufnahme der „Wohlfahrtspflege“ und der „anderen Tätigkeit“ und ist auch sonst nicht zur Eingrenzung von „Berufskrankheiten“ erforderlich, weil es maßgeblich auch darauf ankommt, dass durch die konkrete berufliche Tätigkeit eine besondere, überdurchschnittliche Gefahr in Bezug auf die jeweils in Rede stehende Infektion bestehen muss. Ergibt sich bei einer beruflichen Tätigkeit indes, dass eine Person durch diese andere Tätigkeit einer Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt ist, besteht kein Anlass, diese besondere Gefährdung deswegen unberücksichtigt zu lassen, weil die Tätigkeit nicht durch den ständigen Umgang mit erkrankten Personen oder infektiösem Material geprägt ist (BVerwG, U.v. 26.4.2005 – 5 C 11.04 – juris Rn. 12).
45
1.3.2 Diese, dem Präsenzunterricht an einer staatlichen Wirtschaftsschule innewohnende, abstrakte Infektionsgefahr hat sich anhand der hohen Durchseuchung des Tätigkeitsumfelds des Klägers konkretisiert bzw. durch dessen eigene Infektion schließlich auch tatsächlich realisiert.
46
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, U.v 15. 9. 2011 – B 2 U 22/10 R – juris Rn. 17; U.v. 2.4.2009 – B 2 U 30/07 R – juris Rn. 22 ff.; übernommen von VG Bayreuth, U.v. 4.10.2022 – B 5 K 21.909 – juris Rn. 28; VG Sigmaringen, U.v. 2.2.2022 – 5 K 1819/21 – juris Rn. 31; VG Karlsruhe, U.v. 22.1.2014 – 4 K 1742/11 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 12.12.2022 – 23 K 8281/21 – juris Rn. 76; Günther/Fischer, NWVBl. 2020, 309) ist – wie dargestellt – der Grad der Durchseuchung hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Das weitere Kriterium der mit der konkreten dienstlichen Verrichtung verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten (Beamten) verrichteten gefährdenden Handlungen (vgl. BSG, U.v. 2.4.2009 – B 2 U 30/07 R – juris Rn. 24 f.).
47
Zu Recht bedarf jedoch zu Zeiten einer Pandemie das Kriterium der Durchseuchung vor dem Hintergrund der stets gegebenen Möglichkeit einer zufälligen Infektion außerhalb des Dienstes einer kritischen Betrachtung (vgl. VG Regensburg, U.v. 29.11.2022 – RN 12 K 20.3147 – juris Rn. 57). Denn unter Pandemiebedingungen kann eine Kleinepidemie eine zufällige, voneinander unabhängige Infektion nicht mit dem Maß an Sicherheit ausschließen, wie das bei Krankheiten der Fall ist, die nicht pandemisch verbreitet waren bzw. sind. Daher reicht auch ein hoher Grad an Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes bei einer pandemisch verbreiteten Krankheit grundsätzlich nicht aus, um eine besondere Infektionsgefahr zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr immer eine im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besondere mit der konkreten dienstlichen Verrichtung verbundene Übertragungsgefahr. Hierfür genügt nicht eine Infektionsgefahr, die aus der bloßen Zusammenarbeit mit anderen Menschen herrührt. Denn die bloße Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist gerade nicht einer konkreten dienstlichen Tätigkeit eigentümlich, sie ist vielmehr generell in einer Beschäftigung im Arbeitsleben und nicht nur im Beamtentum und der konkreten dienstlichen Verrichtung angelegt. Es bedarf daher besonderer, für die dienstliche Verrichtung typischer Umstände, die zu einer im Vergleich zur übrigen Bevölkerung höheren Übertragungsgefahr geführt haben. Hierunter fällt es insbesondere, wenn die dienstliche Verrichtung das Außerachtlassen empfohlener und üblicherweise vorgesehener Infektionsschutzmaßnahmen (Abstand, Masken, Testpflichten, Hygieneschutzkonzepte) bedingt.
48
Erst bei Vorliegen dieser besonderen Umstände ist ein Beamter bei einer pandemisch verbreiteten Krankheit und der Durchseuchung seines Arbeitsplatzes grundsätzlich der Infektionsgefahr besonders, also in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt. Die Pandemie als solche bedeutet gerade für jede und jeden eine besondere – realistische und nicht nur rein theoretische – Gefahr der Infektion und Erkrankung. Für eine so leicht übertragbare Infektion wie den Coronavirus SARS-CoV-2 gilt das besonders.
49
Dies entspricht auch dem dienstunfallrechtlichen Grundgedanken, dem Beamten besonderen Schutz bei Unfällen zu gewähren, die sich außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der dienstlichen Sphäre ereignen. Das ist der Fall, wenn der Beamte den Unfall bei einer Tätigkeit erleidet, die im engen natürlichen Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben oder dienstlichen notwendigen Verrichtungen oder dem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis steht, bei der also der Beamte gewissermaßen „im Banne“ des Dienstes steht (BVerwG, U.v. 13.8.1973 – VI C 26.70 – juris Rn. 24; VG Regensburg, U.v. 29.11.2022 – RN 12 K 20.3147 – juris Rn. 58). Der Gesetzgeber ist von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, dass die Folgen schicksalsmäßiger – d.h. von niemandem verschuldeter – schädlicher Einwirkungen von dem Geschädigten selbst zu tragen sind, also regelmäßig nicht auf einen schuldlosen Dritten – hier den Dienstherrn – abgewälzt werden können; und er hat den öffentlich-rechtlichen Dienstherren in Abweichung von diesem Grundsatz das (wirtschaftliche) Risiko für eine von einem Beamten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit erlittenen Infektion nur ausnahmsweise auferlegt (vgl. BVerwG, U.v. 11.02.1965 – II C 11.62 – BeckRS 1965, 31317469). Die Durchseuchung einer Dienststelle bzw. des konkreten Tätigkeitsbereichs eines Beamten allein kann jedoch bei einer pandemisch verbreiteten Krankheit nicht mehr der rein dienstlichen Sphäre zugeordnet werden und steht auch nicht im engen natürlichen Zusammenhang zu eigentlichen Dienstaufgaben.
50
Gemessen daran hat sich vorliegend nach der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls die aufgrund der Art der Tätigkeit des Klägers bestehende abstrakte Gefährdungslage zu einer konkreten Gefährdungslage verdichtet.
51
1.3.2.1 Im Arbeitsumfeld des Klägers bestand ein hoher Grad der Durchseuchung. Denn er hatte unmittelbaren Kontakt zu einer beträchtlichen Anzahl an infizierten Personen. In der von ihm am 30. November 2020 von 7:45 Uhr bis 9:45 Uhr unterrichteten Klasse 8b sind 19 von 23 Schülern an Covid-19 erkrankt gewesen, in der von ihm am 1. Dezember 2020 von 12:10 Uhr bis 13:55 Uhr unterrichteten Klasse 8a waren 7 von 23 Schülern und in der Klasse 9a weitere drei Schüler erkrankt. Zwischen dem 30. November und 3. Dezember 2020 wurden 10 von 30 Lehrkräften (davon 15 Teilzeitkräfte) positiv auf Covid-19 getestet. Dies entspricht einem Durchseuchungsgrad von 30% (Lehrkräfte) bzw. über 80% (Klasse 8b).
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Der Massenausbruch an Covid-19 Erkrankungen an der Wirtschaftsschule führte vorliegend zu dem besonderen Umstand, dass die Schule ab dem 3. Dezember 2020 für den Präsenzunterricht von der Schulleitung in Absprache mit der Regierung von Unterfranken geschlossen und bis zu den Weihnachtsferien auf Distanzunterricht umgestellt wurde (vgl. KMS v. 9.8.2023, S. 3). Dies zeigt, dass auch die zuständigen Behörden bei der Fortsetzung des Präsenzunterrichts an der Wirtschaftsschule von einer besonderen (konkreten) Infektionsgefahr für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler an der Wirtschaftsschule ausgingen, die unter Berücksichtigung der damaligen pandemischen Lage erheblich höher war als in anderen bayerischen Schulen.
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1.3.2.2 Vor diesem Hintergrund genügt im Wege der Gesamtbetrachtung die vorliegende Übertragungsgefahr – gemessen an der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Kläger verrichteten gefährdenden Handlungen – für die Feststellung, dass die Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, für den Kläger erheblich gegenüber der Allgemeingefahr erhöht war. Denn je höher das Ausmaß der Durchseuchung ist, umso weniger müssen die konkreten Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sein.
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Dies gilt, obwohl an der Schule des Klägers während des Präsenzunterrichts umfangreiche Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen ergriffen wurden. Während des Unterrichts wurde nach Angaben des Klägers regelmäßig (mind. alle 15 Minuten) bis permanent gelüftet und auf die Einhaltung der Maskenpflicht geachtet. Zudem hatte der Kläger versucht, den Unterricht, soweit möglich, vom Lehrerpult aus zu halten und zu organisieren. Die Schüler und Lehrkräfte waren auch angehalten, das Gebot des Mindestabstandes einzuhalten. Um eine Vermischung der Schüler zu verhindern, wurde jede Klasse einzeln in eine bestimmte, markierte Zone des Pausenhofs geführt. Im Unterricht selbst bestand eine feste Sitzordnung. Vereinzelt wurden Klassen vollständig in Quarantäne geschickt. Der Kontakt zu anderen Lehrkräften beschränkte sich auf die Absprache einer über die Klassen einer Jahrgangsstufe hinweg koordiniert zu schreibenden Schulaufgabe.
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Gleichwohl war die Abhaltung des Präsenzunterrichts in der Wirtschaftsschule vor dem Hintergrund der an der Schule innerhalb nur weniger Tage außergewöhnlich häufig aufgetretenen Covid-19 Erkrankungen, die zur Einstellung des Präsenzunterrichts geführt haben, mit einem erheblichen Risiko der Infektion behaftet.
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Dabei stützt sich der Senat insbesondere auch auf die glaubhaften Angaben des Klägers. Den Eindruck des Beklagten, die „stark negativ überzeichneten Ausführungen im Schriftsatz vom 9.11.2023“ seien „im Wesentlichen prozesstaktisch motiviert“ teilt der Senat nicht. Vielmehr sind die klägerischen Schilderungen der konkreten Unterrichtssituationen nachvollziehbar und schlüssig. Danach habe der Mindestabstand von 1,5 m zu den ersten Sitzreihen aus pädagogisch-didaktischen Gründen nicht immer eingehalten werden können. Arbeitsblätter oder Leistungsnachweise seien auszuteilen und einzusammeln gewesen. Im Fach Übungsunternehmen habe der Unterricht einen häufigeren und näheren Kontakt zu jeder Schülerin bzw. jedem Schüler erfordert, um den jeweiligen individuellen Fall am Schüler-PC einsehen zu können. Zudem hätten einzelne Schülerinnen und Schüler der Anordnung zur Einhaltung des Mindestabstandes auf allen Begegnungsflächen des Schulgeländes nicht Folge geleistet. Insbesondere in den vom Kläger unterrichteten Klassen sei es häufig der Fall gewesen, dass Schülerinnen und Schüler ihre Masken nicht ordnungsgemäß getragen hätten. Beim Essen in den Pausen, ebenso beim Stoßlüften in den Klassenzimmern, in denen der Kläger unterrichtet habe, seien keine Masken getragen worden. Durch Ermahnungen und den Ausschluss einzelner Schüler vom Unterricht hätten die fortlaufenden Verstöße gegen die Anordnungen nicht verhindert werden können. Dies zeigt, dass sich Hygienekonzepte bei größeren Gruppen von Kindern und Jugendlichen schwieriger durchsetzen lassen als bei normalem Publikumsverkehr oder Arbeitskontakten.
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Vor diesem Gesamtkontext unterschied sich die Ansteckungsgefahr des Beamten wesentlich von der Ansteckungsgefahr, der die Beamtenschaft im Vergleich dazu ausgesetzt war (vgl. zum Kriterium: BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17). Wegen der Vielzahl der möglichen Infektionskontakte innerhalb des Tätigkeitsbereichs des Klägers und der kumulierten Risikosituationen war sie auch bei weitem höher als die generelle Ansteckungsgefahr, der eine Lehrkraft ausgesetzt sein kann, wenn sie Schülerinnen oder Schüler unterrichtet oder im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt. Inwieweit ein lokales Ausbruchsgeschehen („Superspreading-Ereignis“) allein zu einer Berufskrankheit führen kann, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Hier unterschied sich die Infektionsgefahr aufgrund der besonderen Übertragungsgefahr der konkret dienstlichen Verrichtung wesentlich von einem einfachen „Superspreading-Ereignis“ – auch unter Berücksichtigung des pandemischen Geschehens.
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2. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich die Krankheit auch innerhalb des Dienstes zugezogen hat, Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG. Zwar kann unter Berücksichtigung der Inkubationszeit und des zeitlichen Ablaufs eine Infektion im privaten Bereich nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Jedoch trägt der Beklagte hierfür die materielle Beweislast, so dass die Unaufklärbarkeit („non liquet“) zu seinen Lasten geht. Dabei ist unerheblich, dass es dem Beklagten unmöglich sein dürfte, einen solchen Beweis zu führen. Andere Beweiserleichterungen lassen sich der Vorschrift nicht entnehmen (BVerwG, U.v. 28.4.2011 − 2 C 55.09 – juris).
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Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG).