Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 21.05.2024 – Vf. 37-IVa-21
Titel:

Hausrechtliche Anordnung der Maskenpflicht im Landtag während der Corona-Pandemie rechtens

Normenketten:
BV Art. 13 Abs. 2, Art. 16a, Art. 20 Abs. 3, Art. 21 Abs. 1, Art. 64
BayVfGHG Art. 49 Abs. 1
Leitsätze:
1. Abgeordnete und Fraktionen des Bayerischen Landtags können Anordnungen der Landtagspräsidentin, die auf deren Hausrecht (Art. 21 Satz 1 Alt. 1 BV) - 2 - gestützt sind, (nur) im Organstreitverfahren nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG beanstanden (Bestätigung von VerfGH vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191).  (Rn. 25)
2. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Volksvertretung können auch hausrechtliche Anordnungen erlassen werden, die das freie Mandat der Abgeordneten (Art. 13 Abs. 2 BV) beschränken. Sitzungsbezogene Anordnungen auf dieser Grundlage dürfen nur ergehen, soweit das Parlament nicht bereits in Ausübung seiner Geschäftsordnungsautonomie (Art. 20 Abs. 3 BV) eigene Regelungen getroffen hat (Bestätigung von VerfGH vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191). (Rn. 45 – 47)
3. Bei der Wahrnehmung ihrer verfassungsunmittelbaren Befugnisse aus Art. 21 Abs. 1 Alt. 1 BV verfügt die Landtagspräsidentin über einen verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsspielraum (Bestätigung von VerfGH vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191). (Rn. 51)
4. Die zur Sicherstellung des Parlamentsbetriebs während der Corona-Pandemie getroffenen hausrechtlichen Anordnungen durften sich hinsichtlich der Risikobewertung und der Eignung der getroffenen Schutzmaßnahmen an den fortlaufend aktualisierten Erkenntnissen und Bewertungen des Robert Koch-Instituts zur Pandemielage orientieren (Bestätigung von VerfGH vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191). (Rn. 55)
Schlagworte:
Corona, Pandemie, Landtag, Hausrecht, Präsident, Maskenpflicht, freies Mandat, Organstreit
Fundstellen:
BayVBl 2024, 668
BeckRS 2024, 13517
DÖV 2024, 1069
LSK 2024, 13517

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Antragsteller zu 2 bis 5 waren in der 18. Wahlperiode Abgeordnete des Bayerischen Landtags und Mitglieder der Antragstellerin zu 1, der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Die Antragsteller zu 2 bis 4 gehören Fraktion und Landtag in der aktuellen Wahlperiode weiterhin an, der Antragsteller zu 5 ist im März 2022 aus der Fraktion ausgetreten und kein Mitglied des derzeitigen Landtags.
2
Die Antragsteller wenden sich in dem auch gegen den Bayerischen Landtag (Antragsgegner zu 2) gerichteten Organstreitverfahren gegen ein von ihnen als „Allgemeinverfügung“ bezeichnetes Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags (Antragsgegnerin zu 1) vom 14. April 2021 (Az. A III O-2081) und deren 3. Anordnung und Dienstanweisung „Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der durch die Ausbreitung des ‚Corona-Virus‘ bedingten besonderen Situation vom 25. März 2021, geändert am 14. April 2021“. Sie beanstanden darin enthaltene Bestimmungen, nach denen von den Abgeordneten bei Sitzungen nunmehr auch am Platz eine Mund-Nasen-Bedeckung (medizinische Gesichtsmaske) zu tragen ist, Abgeordneten, die vom Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind, der Zutritt zu Sitzungen nur noch gewährt wird, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 verfügen, sowie in mehrfach belegten Büros das Ablegen der Mund-Nasen-Bedeckung nur noch bei zeitlicher Entzerrung der Nutzung gestattet wird. Die Antragsteller zu 3 bis 5 waren zur Zeit der Geltung der beanstandeten 3. Anordnung und Dienstanweisung durch ärztliches Zeugnis von der Verpflichtung zum Tragen einer MundNasen-Bedeckung (Maskenpflicht) befreit.
3
Die 3. Anordnung und Dienstanweisung lautete in der Fassung der Änderungsverfügung vom 14. April 2021 auszugsweise wie folgt:
„1. Anwendungsbereich“
Die folgenden Bestimmungen gelten für alle Personen, die sich in den meinem Hausrecht unterstehenden Räumlichkeiten aufhalten. Diese sind neben dem Maximilianeum: … …
4. Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung a) Als Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne dieser Regelung gelten nur Masken der Schutzklasse FFP2 oder vergleichbare, wie KN95, und höherwertige Schutzklassen, wie FFP3. In parlamentarischen Sitzungen ist für Mitglieder des Landtags und sonstige dem parlamentarischen Bereich dienende Personen am Platz das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske ausreichend, sofern der Infektionsschutz durch geeignete Abtrennungen zwischen den Plätzen oder durch Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m gewährleistet wird. …
b) Ab Betreten eines Gebäudes ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Diese Pflicht gilt für alle Verkehrsflächen, insbesondere für die Sitzungssäle und Besprechungsräume, die Aufenthaltsbereiche vor Sitzungssälen, die Flure, die Sanitärräume, die Bibliothek, die Gaststätte und die Kantine, sowie in den Büros der Landtagsverwaltung.
c) Im Plenarsaal kann die Mund-Nasen-Bedeckung am Redepult sowie bei einem Wortbeitrag vom Platz, wie z. B. bei einer Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung im Sinne von § 111 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag, abgenommen werden, sofern der Infektionsschutz durch geeignete Abtrennungen zwischen den Plätzen oder durch Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern gewährleistet wird. … Im Präsidium, im Ältestenrat, in einer Ausschusssitzung sowie in einer sonstigen parlamentarischen Sitzung gilt für Redebeiträge Satz 1 und für die jeweilige Sitzungsleitung Satz 2 entsprechend.
Im eigenen Büro ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht verpflichtend, soweit es sich um ein Einzelbüro handelt oder der lnfektionsschutz in mehrfach belegten Büros durch eine zeitliche Entzerrung der Büronutzung gewährleistet wird.
d) Befreit vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sind
- …
Auf Antrag befreit sind:
- Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne des Buchstaben a) aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist. … Als Ersatz ist von diesen Personen eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung oder nachrangig ein Visier, sog. face shield, zu tragen, sofern nicht entsprechend Satz 2 glaubhaft gemacht wird, dass auch dies unmöglich oder unzumutbar ist.
Personen, die auf Antrag vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind, wird der Zutritt zu parlamentarischen Sitzungen nur gewährt, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verfügen und dieses auf Verlangen glaubhaft machen können. Eine dem Testergebnis zu Grunde liegende Testung mittels eines PCR-Tests darf höchstens 48 Stunden vor dem jeweiligen Sitzungsbeginn vorgenommen worden sein und muss die jeweils geltenden Anforderungen des Robert Koch-Instituts erfüllen. Wenn dem Testergebnis hingegen ein POC-Antigentest zu Grunde liegt, muss dieser von fachkundigem Personal am Tage der jeweiligen Sitzung vorgenommen worden sein und muss ebenfalls die jeweils geltenden Anforderungen des Robert Koch-Instituts erfüllen.
4
Die „Allgemeinverfügung vom 14. April 2021“, mit deren Ziffer I. die 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 in den beanstandeten Einzelpunkten geändert wurde, war auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht gemäß Art. 21 Abs. 1
BV und § 16 Abs. 2 der Hausordnung für den Bayerischen Landtag vom 15. April 2019 sowie auf die dienstrechtliche Fürsorgepflicht gestützt. Sie wurde von der Antragsgegnerin zu 1 im Einvernehmen mit dem Präsidium erlassen und trat nach ihrer Ziffer III. am 19. April 2021 in Kraft und mit Ablauf des 31. Mai 2021 außer Kraft. In Ziffer II. der Allgemeinverfügung wurde die sofortige Vollziehung der in Ziffer I. getroffenen Anordnungen angeordnet.
5
Das Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 14. April 2021 (Az. A III O-2081) wies unter Beifügung dieser Änderungsverfügung und einer Lesefassung der geänderten 3. Anordnung und Dienstanweisung auf die vorgenommenen Änderungen hin und enthielt Erläuterungen.
6
Am 1. Juni 2021 trat die 4. Anordnung und Dienstanweisung vom 20. Mai 2021 in Kraft. Mit dieser wurden die Maßnahmen inhaltlich unverändert bis zum 31. Juli 2021 aufrechterhalten.
II.
7
Mit Schriftsatz vom 15. April 2021 beantragen die Antragsteller festzustellen, dass „die Allgemeinverfügung vom 14.04.2021 sowie die Anordnung und Dienstanweisung vom 14.04.2021“ sie in ihren Rechten aus dem freien Mandat sowie in ihren organschaftlichen Rechten verletzt (Antrag Nr. 1). Weiter begehren sie die Feststellung, dass die Anordnungen der Antragsgegnerin zu 1, nach denen von den Abgeordneten medizinische Masken auch am Platz zu tragen sind, auch in den Abgeordnetenbüros Masken zu tragen sind sowie eine Testpflicht für vom Maskentragen befreite Abgeordnete gilt, je gegen höherrangiges Recht verstoßen (Anträge Nrn. 2 bis 4).
8
Die Antragsteller sind der Auffassung, „die Verfügung“ verletze das Recht des freien Mandats und die Fraktionsrechte in erheblicher Weise.
9
Die Annahmen der Antragsgegnerin zu 1 im Schreiben vom 14. April 2021, wonach die Corona-Infektionszahlen in Bayern und Deutschland weiterhin stetig anstiegen und sich der Anteil der noch ansteckenderen Corona-Mutationen auch in Bayern erhöhe, seien falsch oder jedenfalls grob irreführend. Es bestehe kein gesteigertes Epidemiegeschehen im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum. Die als Grundlage für die Feststellung einer Infektion dienenden PCR-Tests seien wenig aussagekräftig. Sie seien nicht hinreichend, um eine Infektion nachzuweisen; über das Kriterium, ob ein Mensch infektiös, also Ausscheider und ansteckungsfähig sei, träfen sie gar keine Aussage. Es könne zu Kontaminationen des Testkits, an Teststellen oder im Labor mit der Folge zahlreicher falsch positiver Ergebnisse kommen. Auch könne der PCR-Test nicht infektiöse Virusfragmente noch Wochen nach einer aktiven Infektion und vor allem Viren und Fragmente in Mengen nachweisen, die zu klein seien, um überhaupt infektiös zu sein. Vom Robert Koch-Institut (RKI) ausgewiesene Grafiken für Bayern stellten zudem nur absolute Zahlen positiver Testungen dar; bei Betrachtung der Positivrate ergebe sich ein differenziertes Bild, diese liege derzeit (April 2021) in Bayern ganz deutlich unter derjenigen der Bundesrepublik. Auch erhöhe die Variante B.1.1.7 nicht nachweislich ein Infektionsrisiko in der Bevölkerung. Die Annahme, dass diese „besorgniserregende“ Variante („britische Mutante“) deutlich gefährlicher sei als der Wildtyp, sei zwar auch Grundlage der Pandemiepolitik der Bundesregierung; ihr widersprächen aber aktuelle Untersuchungen aus Großbritannien erheblich. Den Antragstellern sei auch kein einziger Fall einer Corona-Infektion in den Räumlichkeiten des Bayerischen Landtags bekannt. Ob Masken in der Allgemeinbevölkerung für den Eigen- oder Fremdschutz wirksam seien und das Infektionsgeschehen eindämmten, sei nach internationaler Studienlage jedenfalls zweifelhaft; es mehrten sich Hinweise darauf, dass das Maskentragen das Infektionsgeschehen sogar negativ beeinflusse. Hinsichtlich der Gesamtrisikobewertung bestehe keine erhöhte Sterblichkeit, auch die Auslastung der Intensivstationen sei bundesweit und insbesondere in Bayern konstant.
10
Als Fraktion sei die Antragstellerin zu 1 Trägerin öffentlich-rechtlicher Statusrechte. Das zum Statuskern jedes Fraktionsmitglieds – der weiteren Antragsteller – gehörende freie Mandat sei verfassungsmäßig normiert und in der Rechtsprechung als wehrfähiges Innenrecht anerkannt. Aus diesem Grundsatz und dem organschaftlichen Status folge für die Fraktion und für den einzelnen Abgeordneten ein Abwehrrecht gegen andere Organe, die sie in ihrer Freiheit beeinträchtigten. Grundsätzlich stehe es dem einzelnen Abgeordneten frei, seinen parlamentarischen Alltag zu organisieren, wie er es für richtig empfinde. Ein Zutritt zum Parlamentsbetrieb dürfe dem Abgeordneten grundsätzlich nicht verwehrt oder an Bedingungen geknüpft werden. So liege es durch die neuen Anordnungen aber hier. Den Antragstellern werde bindend aufgetragen, den ganzen Tag über Masken zu tragen, eine Abwägung mit den damit verbundenen Gesundheitsgefahren fehle. Die von der Tragepflicht befreiten Antragsteller zu 3 bis 5 sollten aus dem Parlamentsbetrieb ausgeschlossen werden, sofern sie sich nicht testen ließen, ohne dass eine Grundrechtsabwägung insbesondere mit Art. 1 und 2 GG wegen eines solchen körperlichen Eingriffs stattfinde. Unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit sei auch höchst zweifelhaft, ob die Maßnahme noch geeignet sei, zumal nichts dafür dargetan sei, dass der parlamentarische Betrieb einen Infektionsherd darstelle. Grundsätzlich rechtfertige sich eine Verschärfung staatlicher Maßnahmen nur, wenn die bisherigen Maßnahmen erkennbar nicht ausreichend seien oder aber sich die Lage deutlich verschärfe, was nicht dargetan sei. Hierbei dürfe nicht verkannt werden, dass die Maske mehr als eine „bloße Lästigkeit“ sei. Neben den sozialen und psychischen Auswirkungen unterziehe sich der einzelne Abgeordnete damit auch einer medizinisch nachteiligen Maßnahme, die über ein bloßes „Berufsrisiko“ hinausgehe. Darüber hinaus erwachse aus der Maske zugleich eine politische Dimension, die über lediglich neutrale Regelungen der Hausordnung hinausrage.
11
Für die maskenbefreiten Antragsteller sei zusätzlich nicht zumutbar, sich einem Test zu unterziehen, um Zugang zur Volksvertretung zu erhalten; als gewählte Vertreter stehe ihnen dieses Recht grundsätzlich voraussetzungslos zu. Den maskenbefreiten Abgeordneten werde damit eine erhöhte Hürde zum Zugang zur parlamentarischen Arbeit und zum Plenum aufgebürdet. Die freie Mandatsausübung müsse jedoch bedingungslos gewährleistet sein. Überdies sei eine Unterscheidung von Abgeordneten unzulässig. Ferner fehle es an jedweder Verhältnismäßigkeit, da maskenbefreite Abgeordnete jeden Supermarkt und jedes öffentliche Verkehrsmittel betreten dürften, während ihnen dies in den weitläufigen Räumlichkeiten des Landtags verwehrt werde. Anders als nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Testung von Schülern (Beschluss vom 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris) handle es sich bei der Anordnung auch nicht um eine bloße Obliegenheit.
12
Diese Bedenken gälten nicht nur für die einzelnen Abgeordneten, sondern gleichfalls für die Fraktion, deren öffentliche Darstellung und parlamentarische Arbeit durch die Maßnahmen gegenüber ihren Mitgliedern tiefgreifend beeinträchtigt würden.
13
Den Abgeordneten werde die Möglichkeit genommen, innerhalb des Plenarsaals ihr Gesicht zu zeigen, und damit auch die Chance, die Regierungspolitik etwa durch ablehnende Mimik zu kommentieren. Durch die Verpflichtung, im Plenum eine Maske zu tragen, würden die Antragsteller, die (bekanntermaßen) eine kritische Position zur gegenwärtigen Corona-Politik und zum Maskenzwang einnähmen, dieser Regierungspolitik zwangsweise äußerlich unterworfen. Es handle sich mithin um eine Beeinträchtigung des Kernbereichs der freien Mandatsausübung, der sich vor allem im Plenum des Landtags abspiele, in dem bereits Abstandsregeln geschaffen seien. Der Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten führe dazu, dass sie in ihrem Recht verletzt würden, ihre die Regierungspolitik ablehnende Haltung durch die Verweigerung, eine Maske zu tragen, im Parlament zum Ausdruck zu bringen. In den Fraktions- und Abgeordnetenbüros verfügten die Antragsteller über ein eigenes Hausrecht, sodass ein Eingriff in ihre Rechte vorliege. Es müsse ihnen insofern selbst überlassen bleiben, wie sie den Infektionsschutz gewährleisteten.
14
Die Antragsteller berufen sich weiter darauf, dass die Antragsgegnerin zu 1 zum Erlass der Allgemeinverfügung in dem hier vorliegenden Umfang nicht zuständig gewesen sei. Die erforderliche gesetzliche Grundlage sei insofern durchArt. 20 BV i. V. m. § 11 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (BayLTGeschO) nicht gegeben. Eine Allgemeinverfügung müsse auf ein förmliches Gesetz zurückgeführt werden können. Auch sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit rechtswidrig.
15
Einen neben dem Antrag in der Hauptsache gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der insbesondere auf die Außervollzugsetzung der beanstandeten Maßnahmen abzielte, hat der Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 6. Mai 2021 (unter obigem Aktenzeichen – juris) abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2024 haben die Antragsteller erklärt, ihre Anträge im Hauptsacheverfahren unverändert aufrechtzuerhalten und einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zuzustimmen.
III.
16
1. Die Antragsgegnerin zu 1 tritt den Anträgen mit Schriftsatz vom 18. Juni 2021 entgegen. Soweit die unveränderten Anträge im Hauptsacheverfahren nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 6. Mai 2021 zulässig seien und sich gegen den richtigen Antragsgegner richteten – nur die Antragsgegnerin zu 1 –, seien sie jedenfalls unbegründet. Eine Verletzung der geltend gemachten verfassungsmäßigen Rechte der Antragsteller zu 2 bis 5 gemäß Art. 13 Abs. 2 und Art. 16 a BV durch die erweiterte Maskenpflicht auch in parlamentarischen Sitzungen und die Testobliegenheit für von der Mund-Nasen-Bedeckung befreite Abgeordnete könne auch in der Hauptsache nicht festgestellt werden. Da es die Antragsteller insoweit trotz des abgewiesenen Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei ihrem bisherigen Vortrag belassen hätten, werde ergänzend auf den Vortrag in der Stellungnahme der Antragsgegnerin zu 1 vom 26. April 2021 im Eilverfahren verwiesen. Soweit die angegriffenen Maßnahmen hinsichtlich der geltend gemachten Rechte Eingriffscharakter hätten, seien sie gemessen an den verfassungsrechtlich legitimen Zielen des Gesundheitsschutzes und der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Landtags gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig.
17
Dabei sei insbesondere der vom Verfassungsgerichtshof schon in der Entscheidung vom 6. Mai 2021 betonte Einschätzungsspielraum der Antragsgegnerin zu 1 hervorzuheben. Dieser der Landtagspräsidentin als Verfassungsorgan zustehende Einschätzungsspielraum rechtfertige es, unter maßgeblicher Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Landtag und der besonders hohen Schutzwürdigkeit seiner Funktionsfähigkeit zu entscheiden. Dabei könne die Landtagspräsidentin gegebenenfalls auch von den von der Staatsregierung für das gesamte öffentliche Leben vorgenommenen Lockerungen oder Verschärfungen der Pandemiemaßnahmen abweichende Regelungen treffen.
18
Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2024 wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
19
2. Der Antragsgegner zu 2 hält den Antrag, soweit er sich gegen ihn richtet, für insgesamt unzulässig. Er hat mit Schriftsatz vom 8. März 2024 mitgeteilt, ebenfalls einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zuzustimmen.
IV.
20
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgesehen, da eine solche nach der Sach- und Rechtslage nicht geboten erscheint und die Beteiligten hierauf verzichtet haben (Art. 22 Abs. 1 VfGHG).
V.
21
Die im Einzelnen gestellten Anträge sind nur zum Teil zulässig.
22
1. Die von den Antragstellern gewählte Verfahrensart einer Verfassungsstreitigkeit – Organstreit – ist grundsätzlich statthaft. Die erklärten Antragsziele können aber nur teilweise in dieser Verfahrensart verfolgt werden. Auch ist eine Verfassungsstreitigkeit im Verhältnis zum Antragsgegner zu 2 weder dargelegt noch ersichtlich.
23
a) Nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Verfassungsstreitigkeiten zwischen den obersten Staatsorganen oder in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teilen eines obersten Staatsorgans. Als Teile des Landtags sind neben den einzelnen Abgeordneten, die sich vor allem auf Art. 13 Abs. 2 BV berufen können, auch die Fraktionen im Organstreit beteiligungsfähig. Einer Fraktion als einem Zusammenschluss von Abgeordneten können verfassungsmäßige Rechte wie den einzelnen Abgeordneten zustehen; zudem haben nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 BV jene Fraktionen, die – wie die Antragstellerin zu 1 – die Staatsregierung nicht stützen, das Recht auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten (vgl. VerfGH vom 17.1.2023 BayVBl 2023, 262 Rn. 23 m. w. N.). Die Beteiligtenfähigkeit der Antragsteller wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Landtag nach Einleitung des Organstreitverfahrens neu gewählt wurde. Die Antragsteller zu 2 bis 4 gehören auch dem neuen Landtag an. Im Übrigen ist für die Beurteilung der Beteiligtenfähigkeit der Status zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, sodass das Ausscheiden des Antragstellers zu 5 aus dem Landtag der Zulässigkeit seines Antrags nicht entgegensteht. Die Antragstellerin zu 1 kann das anhängige Organstreitverfahren als Nachfolgefraktion fortsetzen (vgl. VerfGH vom 20.3.2014 VerfGHE 67, 13 Rn. 64; vom 11.9.2014 VerfGHE 67, 216 Rn. 30, jeweils m. w. N.; vgl. auch BVerfG vom 24.1.2023 BVerfGE 165, 270 Rn. 37). Im Organstreitverfahren ebenfalls beteiligtenfähig ist der Bayerische Landtag als oberstes Staatsorgan sowie dessen Präsidentin, da ihr als Teil dieses obersten Staatsorgans nach der Bayerischen Verfassung eigene Rechte zustehen, insbesondere die hier streitigen originären Befugnisse aus Art. 21 BV.
24
b) Soweit die Antragsteller die Feststellung einer Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte durch die Maßnahmen der Antragsgegnerin zu 1 beantragen (Antrag Nr. 1), handelt es sich um eine nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidende Verfassungsstreitigkeit (Organstreit) zwischen diesen Beteiligten.
25
Die als 3. Anordnung und Dienstanweisung bezeichneten Maßnahmen der Antragsgegnerin zu 1, die auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht nach Art. 21 Abs. 1 BV und § 16 Abs. 2 der Hausordnung des Landtags ebenso wie auf die dienstrechtliche Fürsorgepflicht gestützt waren, hatten – wie die vorangegangenen Anordnungen und Dienstanweisungen – keine einheitliche Rechtsnatur, sondern waren abhängig vom jeweiligen Adressatenkreis unterschiedlich zu qualifizieren. Hinsichtlich der hier nach Nummern 2 bis 4 des Antrags und der Antragsbegründung konkret beanstandeten Maßnahmen handelte es sich im Verhältnis zu den Antragstellern als mit eigenen verfassungsmäßigen Rechten ausgestatteten Teilen des Landtags weder um innerdienstliche Weisungen der Landtagspräsidentin in ihrer Funktion als Vorgesetzte noch um zugangsbeschränkende und verhaltenssteuernde Maßnahmen, die auf eine Rechtswirkung nach außen gerichtet waren (Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 BayVwVfG). Vielmehr lagen insoweit den innerparlamentarischen Rechtskreis betreffende, auf dem Hausrecht beruhende Anordnungen vor, die die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Abgeordneten und Fraktionen berührten und daher Gegenstand (nur) eines Organstreitverfahrens sein können (vgl. VerfGH vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191 Rn. 25; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 21 Rn. 6 mit Fn. 16; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 21 Rn. 3; vgl. BVerfG vom 9.6.2020 BVerfGE 154, 354 Rn. 27 ff.; SächsVerfGH vom 14.1.2011 – Vf. 87-I-10 – juris Rn. 23; VerfGH BW NVwZ-RR 2022, 403, vgl. Rn. 81 f. bei juris – in NVwZ-RR insoweit nicht abgedruckt; OVG Berlin-Bbg vom 28.10.2020 NVwZ-RR 2021, 120 Rn. 6 ff.; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 40 Rn. 174; Drossel/Weber, NVwZ 2022, 365/371; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 40 Rn. 24; a. A. Linke, NVwZ 2021, 1265/1266 ff.).
26
c) Soweit die Antragsteller hingegen in Nummern 2 bis 4 ihres Antrags die Feststellung begehren, dass die konkret beanstandeten Anordnungen, wonach „von den Abgeordneten medizinische Masken auch am Platz zu tragen sind“, „auch in den Abgeordnetenbüros Masken zu tragen sind“ und „eine Testpflicht für vom Maskentragen befreite Abgeordnete gilt“, je „gegen höherrangiges Recht“ verstoßen, ist der Antrag unzulässig.
27
Das Antragsziel der allgemeinen Feststellung eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht ist kein zulässiger Gegenstand einer Verfassungsstreitigkeit gemäß Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG. Der Organstreit dient als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns; Art. 64 BV eröffnet nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage. Demgemäß stellt der Verfassungsgerichtshof im Organstreit regelmäßig lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen ein bestimmtes verfassungsmäßiges Recht des Antragstellers verstößt oder dieses verletzt. Prüfungsmaßstab sind also die (auch ungeschriebenen) verfassungsmäßigen Rechte des Antragstellers. Ein etwaiger (allgemeiner) Verstoß gegen „höherrangiges Recht“ kann zwar insoweit als Vorfrage eine Rolle spielen, aber nicht eigenständig zum Gegenstand der Antragstellung gemacht werden (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 16, 20; vom 11.8.2021 BayVBl 2021, 734 Rn. 25 m. w. N.; vgl. auch BVerfG vom 2.3.2021 NVwZ 2021, 555 Rn. 57 zum bundesrechtlichen Organstreit).
28
d) Insgesamt unzulässig ist die Inanspruchnahme des Bayerischen Landtags als Antragsgegner zu 2. Die Antragsteller wenden sich gegen „Vorgaben“ und Anordnungen, die von der Antragsgegnerin zu 1, der Präsidentin des Bayerischen Landtags, getroffen wurden. Die für die Zulässigkeit eines Antrags im Organstreit erforderliche Darlegung, dass die Antragsteller (auch) durch eine Maßnahme oder ein Verhalten des Antragsgegners zu 2 in einer ihnen durch die Bayerische Verfassung eingeräumten Rechtsposition verletzt oder gefährdet worden wären, erfolgt nicht ansatzweise (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 18).
29
2. Auch soweit die Antragsziele im Organstreit verfolgbar sind (Antrag Nr. 1) und die Antragsgegnerin zu 1 in Anspruch genommen wird, fehlt einzelnen oder allen Antragstellern teilweise die notwendige Antragsbefugnis.
30
a) Vorab ist der zutreffende Antragsgegenstand festzustellen.
31
Der Verfassungsgerichtshof legt das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller im Antrag Nr. 1 trotz deren unzutreffender Annahme, dass die „Allgemeinverfügung“ durch das lediglich erläuternde Begleitschreiben der Antragsgegnerin zu 1 vom 14. April 2021 (Az. A III O-2081) erfolgt sei, und trotz der weiten Fassung des Antrags, die sprachlich „die Allgemeinverfügung vom 14.04.2021“ bzw. die „Anordnung und Dienstanweisung vom 14.04.2021“ insgesamt erfasst, zu ihren Gunsten dahingehend aus, dass es sich auf die konkret beanstandeten Maßnahmen mit Regelungscharakter beziehen soll und damit insbesondere hinreichend bestimmt ist (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 31 f.). Aufgrund des Gesamtzusammenhangs der gestellten Anträge sowie der Antragsbegründung wird davon ausgegangen, dass Verfahrensgegenstand auch hinsichtlich des allgemein gefassten Antrags Nr. 1 konkret die durch die Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 geänderten Regelungen in der 3. Anordnung und Dienstanweisung sein sollen, bei welchen die Antragsteller mit den Anträgen Nrn. 2 bis 4 einen Verstoß gegen „höherrangiges Recht“ rügen: die Bestimmung zur Tragepflicht medizinischer Gesichtsmasken in parlamentarischen Sitzungen auch am Platz (Nr. 4 Buchst. a Satz 2, Buchst. c Abs. 1 der 3. Anordnung und Dienstanweisung), die geänderte Regelung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im „eigenen Büro“ (Nr. 4 Buchst. c Abs. 3 der 3. Anordnung und Dienstanweisung) und die Zutrittsregelung zu parlamentarischen Sitzungen für Personen, die auf Antrag vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind (Nr. 4 Buchst. d Spiegelstrich 2 Abs. 2 der 3. Anordnung und Dienstanweisung).
32
b) Dies zugrunde gelegt, fehlt allen Antragstellern die Antragsbefugnis hinsichtlich der Neuregelung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im „eigenen Büro“. Denn insoweit ist eine eigene Rechtsbetroffenheit weder nachvollziehbar dargelegt noch ersichtlich. Die Antragsgegnerin zu 1 hat bereits in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2021 darauf hingewiesen, dass diese Anordnung – entgegen der Annahme der Antragsteller im Hinblick auf die möglicherweise missverständliche Formulierung der Neuregelung – nur die Büros der Landtagsverwaltung betreffe, die Fraktions- und Abgeordnetenbüros hingegen nicht von ihr erfasst würden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher bereits in der vorangegangenen Entscheidung vom 6. Mai 2021 (juris Rn. 22) ausgeführt, dass der insoweit behauptete Eingriff in verfassungsmäßige Rechte der Abgeordneten oder auch der Fraktionen offenkundig nicht vorliegt. Dem sind die Antragsteller im weiteren Verfahren nicht entgegengetreten.
33
c) Die Anträge der Antragsteller zu 3 bis 5 sind mangels Antragsbefugnis unzulässig, soweit die Bestimmung zur Tragepflicht medizinischer Gesichtsmasken in parlamentarischen Sitzungen auch am Platz betroffen ist. Diese Antragsteller waren in der Geltungszeit der geänderten 3. Anordnung und Dienstanweisung durch ärztliches Zeugnis von der Maskenpflicht befreit und damit von der beanstandeten Regelung von vornherein nicht in eigenen verfassungsmäßigen Rechten betroffen (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 25). Sie können auch keine Rechtspositionen anderer Betroffener geltend machen, da das bayerische Verfassungsprozessrecht im Organstreitverfahren – anders als § 64 Abs. 1 BVerfGG – eine Prozessstandschaft nicht vorsieht (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 31 m. w. N.)
34
d) Entsprechend fehlt dem Antragsteller zu 2 die Antragsbefugnis, soweit er sich gegen die Anordnung einer „Testpflicht“ für von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen befreite Abgeordnete wendet. Er war selbst nicht von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit und damit von der Anordnung von vornherein nicht betroffen (vgl. bereits VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 26).
35
e) Die Antragstellerin zu 1 hat ihre Antragsbefugnis nicht hinreichend dargelegt. Ihr Vortrag zur eigenen Rechtsbetroffenheit ist unsubstanziiert. Sie kann zwar wie dargelegt als Fraktion und damit als ein Zusammenschluss von Abgeordneten selbst Trägerin verfassungsmäßiger Rechte sein, auf die ein Organstreit gestützt werden kann; allerdings kann sie mangels Zulässigkeit einer Prozessstandschaft Abgeordnetenrechte als solche nicht geltend machen. Darauf hat der Verfassungsgerichtshof bereits in der vorangegangenen Entscheidung vom 6. Mai 2021 hingewiesen und weiter ausgeführt, dass die behauptete Verletzung eigener in der Bayerischen Verfassung verankerter Rechte – den grundsätzlichen prozessualen Anforderungen entsprechend – substanziiert darzulegen sei und es vorliegend daran fehle (vgl. juris Rn. 24). Dennoch hat die Antragstellerin zu 1 ihr Vorbringen im weiteren Verfahren nicht ergänzt. Sie bleibt bei der lediglich pauschalen Behauptung, dass ihre öffentliche Darstellung und ihre parlamentarische Arbeit durch die Maßnahmen gegenüber ihren Mitgliedern tiefgreifend beeinträchtigt worden seien, und beruft sich allgemein auf ihre öffentlich-rechtlichen Statusrechte. Das reicht nicht aus. Im Übrigen hätte ihr Antrag selbst bei unterstellter Zulässigkeit keinen Erfolg. Denn er wäre jedenfalls – wie die zulässigen Anträge der von den Maßnahmen jeweils betroffenen Abgeordneten – unbegründet (vgl. nachfolgend unter VI.)
36
3. Im Ergebnis wird damit vom Antragsteller zu 2 die erweiterte Maskenpflicht bei Sitzungen im Plenarsaal, in Ausschüssen und anderen parlamentarischen Sitzungen (Nr. 4 Buchst. a Satz 2, Buchst. c Abs. 1 der 3. Anordnung und Dienstanweisung) zulässig angegriffen, von den Antragstellern zu 3 bis 5 die „Testpflicht“ für vom Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung befreite Abgeordnete (Nr. 4 Buchst. d Spiegelstrich 2 Abs. 2 der 3. Anordnung und Dienstanweisung) – jeweils mit dem Ziel der Feststellung einer Verletzung verfassungsmäßiger Rechte (Antrag Nr. 1) und nur gegenüber der Antragsgegnerin zu 1.
VI.
37
Die Anträge sind, soweit zulässig, unbegründet. Durch Nr. 4 Buchst. a Satz 2, Buchst. c Abs. 1 und Nr. 4 Buchst. d Spiegelstrich 2 Abs. 2 der 3. Anordnung und Dienstanweisung in der Fassung der Änderungsverfügung vom 14. April 2021 wurden die Organrechte der Antragsteller aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV nicht verletzt. Zwar wurde die Ausübung dieser verfassungsmäßigen Rechte durch die angegriffenen Regelungen Beschränkungen unterworfen (1.). Das in der Verfassung verankerte Hausrecht der Landtagspräsidentin umfasste aber derartige dem Infektionsschutz dienende Maßnahmen, obwohl sie den Sitzungsbetrieb betrafen (2.) . Die konkret getroffenen Anordnungen stellten in Anbetracht der damaligen Pandemielage keine unangemessene Erschwernis der parlamentarischen Tätigkeit dar (3.).
38
1. a) Gemäß Art. 13 Abs. 2 BV sind die Abgeordneten des Bayerischen Landtags Vertreter des Volkes, nicht nur einer Partei; sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden. Diese Verfassungsnorm gibt jedem Abgeordneten das subjektive Recht, sein Mandat innerhalb der Schranken der Verfassung ungehindert auszuüben; es verbürgt ihm einen Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben (sog. freies Mandat; vgl. VerfGH vom 26.2.2019 NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 54 m. w. N.; BayVBl 2021, 734 Rn. 34). Die Freiheit des Mandats schützt insbesondere vor staatlichen Maßnahmen, die sich gegen eine bestimmte Art und Weise der Ausübung parlamentarischer Rechte richten (VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 71). Ihr Schutzbereich umfasst darüber hinaus eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen den Abgeordneten und den Wählern; dazu gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit, etwa durch Kontakte zu den Medien (VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 56; BVerfGE 154, 354 Rn. 52). Das ebenfalls aus Art. 13 Abs. 2 BV folgende Prinzip der egalitären Repräsentation bedeutet, dass alle Mitglieder der Volksvertretung einander formal gleichgestellt sind (VerfGH vom 30.7.2018 VerfGHE 71, 184 Rn. 58). Für Mitglieder des Landtags, die wie die Antragsteller zu 2 bis 5 die Staatsregierung nicht stützen, finden diese Rechte zudem ihre Grundlage in Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV (VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 57 f.; vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 21; vgl. insgesamt VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 42).
39
b) Diese aus der Bayerischen Verfassung folgenden Rechtspositionen der Abgeordneten des Landtags, auf die sich die Antragsteller zu 2 bis 5 auch gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 berufen können, waren von der Änderungsverfügung vom 14. April 2021 betroffen.
40
aa) Nach der zuvor gemäß Nr. 4 Buchst. a, c Abs. 1 der 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 geltenden Regelung konnte von den Abgeordneten in Sitzungssälen und Besprechungsräumen die Mund-Nasen-Bedeckung (mindestens Schutzklasse FFP2 oder vergleichbar) am Platz und am Redepult abgelegt werden, sofern der Infektionsschutz durch geeignete Abtrennungen zwischen den Plätzen oder durch Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m gewährleistet wurde. Aufgrund der Änderungsverfügung entfiel die Maskenpflicht für Abgeordnete im Plenarsaal, Präsidium, Ältestenrat, Ausschusssitzungen und sonstigen parlamentarischen Sitzungen – auch bei geeignetem Infektionsschutz durch Abtrennungen oder Mindestabstand – nur mehr am Redepult sowie bei einem Wortbeitrag vom Platz; im Übrigen musste nun auch am Platz eine Mund-NasenBedeckung getragen werden, wobei allerdings eine medizinische Gesichtsmaske genügte.
41
Diese Neuregelung berührte die Organrechte aus Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BV und Art. 16 a Abs. 1, 2 Satz 1 BV der nicht von der Tragepflicht befreiten Abgeordneten. Denn die Erweiterung der Verpflichtung war jedenfalls unter dem Aspekt mandatsrelevant, dass zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Status des Abgeordneten als notwendige Voraussetzung seiner parlamentarischen Teilhaberechte auch das Recht auf persönliche Anwesenheit im Plenum und in den Ausschüssen gehört (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 48 m. w. N.). Dieses Recht auf physische Präsenz wurde aufgrund der Änderung weitergehend als zuvor beschränkt. Denn über den Zutritt zu den Sitzungssälen und die Fortbewegung innerhalb der Räume hinaus wurde nunmehr auch der Aufenthalt am Platz an die Erfüllung einer bestimmten Verhaltensanforderung geknüpft, sodass den Abgeordneten die Teilnahme an den Sitzungen weitergehend erschwert wurde. Durch die Neuregelung waren die Abgeordneten in Sitzungen nun insbesondere nicht mehr regelmäßig nur kurzfristig zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtet, sondern auch längerfristig am Platz, wobei lediglich die Erleichterung bestand, dass eine medizinische Gesichtsmaske anstatt einer Maske mindestens der Schutzklasse FFP2 oder vergleichbar ausreichend war. Es handelte sich auch nicht um eine Regelung, die mit der Mandatsausübung in keinem spezifischen Zusammenhang stand, sondern in eine andere Richtung zielte (vgl. dazu BVerfG vom 6.12.2021 NJW 2022, 50 Rn. 33).
42
Der Auffassung der Antragsteller, dass durch die Änderung eine Beeinträchtigung des Kernbereichs der freien Mandatsausübung vorgelegen habe, da den Abgeordneten die Chance genommen worden sei, die Regierungspolitik etwa durch ablehnende Mimik zu kommentieren, und sie damit der Regierungspolitik zwangsweise äußerlich unterworfen worden seien, kann allerdings nicht gefolgt werden. Die aktive Beteiligung von Abgeordneten in parlamentarischen Sitzungen – als Teil des Kernbestands an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben – wurde von der Änderung nicht berührt, da am Redepult sowie bei Wortbeiträgen vom Platz weiterhin keine Maske getragen zu werden brauchte (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 44). Es erscheint höchst fraglich, ob auch das Recht, im Plenum oder in sonstigen parlamentarischen Sitzungen durch das demonstrative Nichttragen der (von den staatlichen Gesundheitsbehörden damals allgemein empfohlenen) Schutzmasken eine ablehnende Haltung gegenüber der Regierungspolitik öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck zu bringen, von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des freien Mandats und einer effektiven parlamentarischen Opposition umfasst war. Unabhängig von der Frage, ob bzw. ab welchem Störungsgrad gezielte Protestaktionen und symbolische Gesten während laufender Sitzungen zu Ordnungsmaßnahmen führen können (dazu SächsVerfGH vom 22.6.2012 NVwZ-RR 2012, 785/786; Glauben/Breitbach, DÖV 2018, 855/859; Schönberger/Schönberger, JZ 2018, 105/113 m. Fn. 76), dürften solche nonverbalen Meinungskundgaben grundsätzlich schon nicht mehr als Ausübung mandatsbezogener Statusrechte anzusehen sein, da der Willensbildungsprozess im Parlament nach der Vorstellung des Verfassungsgebers nicht durch tatsächliches Handeln, sondern durch öffentliche Verhandlung (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BV) in der Form von „Rede und Gegenrede“ erfolgen soll (vgl. VerfGH vom 17.2.1998 VerfGHE 51, 34/43 f.; BVerfG vom 14.7.1959 BVerfGE 10, 4/13; Drossel/Weber, NVwZ 2022, 365/367 m. w. N.; vgl. insgesamt VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 47). Zum Kernbereich der Mandatsausübung gehören derartige Meinungskundgaben jedenfalls nicht. Den Abgeordneten wurde auch nicht „bindend aufgetragen, den ganzen Tag über Masken zu tragen“. Die Neuregelung betraf nur den Sitzungsbetrieb. Es stand den Abgeordneten jederzeit frei, während (längerer) parlamentarischer Sitzungen vorübergehend den Saal zu verlassen und sich in Bereiche zu begeben, für die keine Maskenpflicht angeordnet war.
43
bb) Aus vergleichbaren Gründen war in der mit der Änderungsverfügung vom 14. April 2021 erfolgten Ergänzung der Nr. 4 Buchst. d Spiegelstrich 2 der 3. Anordnung und Dienstanweisung (Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf Antrag) um einen zweiten Absatz eine Beschränkung der davon betroffenen Abgeordneten zustehenden Mandatsrechte zu sehen.
44
Durch diese Neuregelung wurde Abgeordneten, die von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit waren, der Zutritt zu parlamentarischen Sitzungen nur mehr gewährt, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verfügten und dieses auf Verlangen glaubhaft machen konnten. Die Bestimmung statuierte eine Obliegenheit: Um eine Verweigerung des Zutritts zu den Sitzungen und den darin liegenden Eingriff in ihr Recht auf Mitwirkung am parlamentarischen Prozess im Plenum und sonstigen parlamentarischen Sitzungsräumen zu vermeiden, konnten die Abgeordneten sich freiwillig einem Test unterziehen. Auch hier wurde eine Verhaltensanforderung aufgestellt, wenn auch auf andere Art als mit der Maskenpflicht, und damit die Teilhabe am parlamentarischen Prozess erschwert (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 44).
45
2. Die Freiheit des Abgeordnetenmandats (und die damit korrespondierenden Fraktionsrechte) sind aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden, zu denen namentlich die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des Parlaments gehören (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 51 m. w. N.).
46
Dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags dient auch das der Landtagspräsidentin in Art. 21 Abs. 1 Alt. 1 BV zugewiesene Hausrecht, das die ungestörte Erfüllung der öffentlichen Aufgaben des Parlaments sichern soll (vgl. für den Bundestag Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 40 Rn. 180; Brocker in BeckOK GG, Art. 40 Rn. 40). Auf das Hausrecht gestützt werden können nicht nur Entscheidungen darüber, wer zum Landtag und seinen Einrichtungen Zutritt hat, sondern auch Verhaltensregeln für den Aufenthalt in den Räumen des Parlaments, sei es durch Einzelmaßnahmen oder im Rahmen einer Hausordnung (Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 21 Rn. 5; vgl. Blum in Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 21 Rn. 32; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 40 Rn. 157). Diese hausrechtlichen Anordnungsbefugnisse der Landtagspräsidentin bestehen grundsätzlich auch gegenüber den Abgeordneten (VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 40; BayVBl 2024, 191 Rn. 52; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 21 Rn. 6 f.; ebenso für den Bundestag Magiera in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 40 Rn. 29; Groh in v.Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 40 Rn. 28; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 40 Rn. 164 m. w. N.; Hilbert/Meier, ZJS 2022, 162/163 f. m. w. N.; differenzierend Brocker in BeckOK GG, Art. 40 Rn. 44; ders. in Bonner Kommentar, GG, Art. 40 Rn. 285). Da das Hausrecht eine der Landtagspräsidentin verfassungsunmittelbar zugewiesene Kompetenz darstellt, gilt für solche Maßnahmen entgegen der Auffassung der Antragsteller weder das Erfordernis einer formell-gesetzlichen Grundlage noch ein sonstiger Parlamentsvorbehalt (VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 52; ebenso im Ergebnis VerfGH BW NVwZ-RR 2022, 403 Rn. 54 f.).
47
Bei der Ausübung des Hausrechts und der ebenfalls der Parlamentspräsidentin übertragenen Polizeigewalt im Landtagsgebäude (Art. 21 Abs. 1 Alt. 2 BV) können sich allerdings Überschneidungen mit dem Selbstorganisationsrecht des Parlaments in Gestalt seiner Geschäftsordnungsautonomie (Art. 20 Abs. 3 BV) ergeben. Diese umfasst die prinzipielle Befugnis des Landtags, seine interne Organisation und seinen Geschäftsgang eigenständig zu regeln (VerfGH vom 23.4.2013 VerfGHE 66, 51/56). Zu den anerkannten Regelungsgegenständen des parlamentarischen Geschäftsordnungsrechts gehören insbesondere die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen und damit auch die Fragen der Disziplin und der Sitzordnung (Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 20 Rn. 10; vgl. auch BVerfG vom 17.9.2019 BVerfGE 152, 35 Rn. 33, 38; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 40 Rn. 5 f. m. w. N.). Soweit das Parlament diesbezüglich eigene Regelungen getroffen hat, die vom jeweiligen Sitzungsleiter kraft seiner Ordnungsgewalt zu vollziehen sind, muss das Hausrecht der Parlamentspräsidentin zurücktreten (vgl. Blum in Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 21 Rn. 25, 32; vgl. zum Ganzen VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 53). Für etwa entgegenstehende eigene Regelungen des Bayerischen Landtags bezogen auf die Corona-Pandemie im streitgegenständlichen Zeitraum ist jedoch weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
48
Aus dem prinzipiellen Vorrang der parlamentarischen Geschäftsordnung ergibt sich aber keine strikte Sperrwirkung dergestalt, dass sich die hausrechtlichen Anordnungen von vornherein nicht auf den Sitzungsbetrieb im Plenum, in den Ausschüssen und sonstigen parlamentarischen Sitzungen beziehen oder darauf auswirken dürfen (so aber Drossel/Weber, NVwZ 2022, 365/369; Hilbert/Meier, ZJS 2022, 162/164). Das Hausrecht nach Art. 21 Abs. 1 Alt. 1 BV erfasst räumlich das gesamte Landtagsgebäude und demzufolge auch den Plenarsaal und die sonstigen für parlamentarische Sitzungen genutzten Räume. Es soll im Unterschied zur Ordnungs- und Disziplinargewalt des jeweiligen Sitzungsleiters nicht (lediglich) den störungsfreien Verlauf einer aktuell stattfindenden Sitzung gewährleisten, sondern den Landtag allgemein vor funktionsbeeinträchtigenden externen Einwirkungen schützen und damit die Parlamentsautonomie nach außen sichern (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 54; BVerfG vom 30.7.2003 BVerfGE 108, 251/ 273 f.; Brocker in Bonner Kommentar, GG, Art. 40 Rn. 278, 287).
49
Um eine solche von außerhalb des Parlaments drohende Gefährdung ging es im Prinzip auch bei den durch die Änderungsverfügung vom 14. April 2021 vorübergehend „verschärften“ Schutzmaßnahmen, die im Hinblick auf die damals aktuelle Pandemielage und eine geänderte Definition sog. enger Kontaktpersonen durch das Robert Koch-Institut im Zusammenhang mit den damaligen Quarantänevorschriften der Staatsregierung Infektionen von Abgeordneten und Quarantänefälle besser verhindern sollten. Da sie wie dargestellt nicht den Kernbestand der Mandatsrechte berührten, waren sie vom Hausrecht der Landtagspräsidentin grundsätzlich auch insoweit gedeckt, als damit den Parlamentariern für den Zutritt zu und den Aufenthalt in den Sitzungsräumen bestimmte weitere Verhaltenspflichten (Maskenpflicht am Platz bzw. Testobliegenheit) auferlegt wurden (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 55). Jedenfalls solange der Landtag auf entsprechende eigene Schutzvorschriften in seiner Geschäftsordnung verzichtete und die Mehrheit der Mandatsträger die hausrechtlichen Anordnungen vorbehaltlos unterstützte, erstreckte sich deren Geltungsbereich auch auf den laufenden Sitzungsbetrieb (vgl. SächsVerfGH vom 14.11.2011 – Vf. 87-I-10 – juris Rn. 47 ff.). Erst bei tatsächlicher Wahrnehmung der speziell sitzungsbezogenen Regelungsbefugnisse wäre das allgemeinere Hausrecht verdrängt worden (zur Parallelproblematik bei Gerichtsgebäuden vgl. BVerfG vom 6.2.2007 NJW-RR 2007,1053/1054). Die Verbindlichkeit der gegenüber den Abgeordneten getroffenen Anordnungen setzte demnach weder ihre (zumindest konkludente) Übernahme in die Parlamentsgeschäftsordnung voraus (dazu Drossel/Weber, NVwZ 2022, 365/369 f.) noch musste hierfür zwingend auf die – nach überwiegendem Verständnis nur der Abwehr konkreter Gefahren dienende – Polizeigewalt der Landtagspräsidentin zurückgegriffen werden (so aber Hilbert/Meier, ZJS 2022, 162/164 f.; Lange, JURA 2023, 1040/1044 f.; vgl. insgesamt VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 55).
50
3. Die zur Verbesserung des Schutzes vor einer Ausbreitung des Coronavirus und Quarantänefällen getroffenen Neuregelungen der Antragsgegnerin zu 1 stellten keinen zu weitgehenden Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten (und Fraktionen) dar. Sie wurden im Einvernehmen mit dem Präsidium angeordnet. Die Antragsgegnerin hat, wie die Begründung der Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 zeigt, die zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Landtags bestehenden Handlungsalternativen eigenständig erwogen und das dort bereits geltende, an den spezifischen Verhältnissen des Landtags orientierte Schutzkonzept angesichts der damals aktuellen Pandemielage unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt. Die einzelnen zulässig angegriffenen Neuregelungen in Gestalt der Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Gesichtsmaske auch am Platz (Nr. 4 Buchst. a Satz 2, Buchst. c Abs. 1 der 3. Anordnung und Dienstanweisung) und der Testobliegenheit für den Zutritt durch von der Maskenpflicht befreite Abgeordnete (Nr. 4 Buchst. d Spiegelstrich 2 Abs. 2 der 3. Anordnung und Dienstanweisung) waren auch der Sache nach nicht zu beanstanden. Sie genügten den im Organstreitverfahren zu prüfenden verfassungsrechtlichen Anforderungen.
51
a) Bei der Wahrnehmung der hausrechtlichen Befugnisse nach Art. 21 Abs. 1 Alt. 1 BV muss die Landtagspräsidentin die davon betroffenen Rechte der Abgeordneten und Fraktionen mit den widerstreitenden Rechtsgütern der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments abwägen und in einen angemessenen Ausgleich bringen (vgl. BVerfGE 154, 354 Rn. 40; NdsStGH vom 27.9.2021 NVwZ 2021, 1606 Rn. 22; VerfGH BW NVwZ-RR 2022, 403 Rn. 62). Ob und inwieweit bei derartigen Kompetenzabgrenzungen auf der Ebene der Staatsorganisation auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anwendbar ist (dazu BVerfG vom 22.5.1990 BVerfGE 81, 310/338; vom 19.11.2014 BVerfGE 138, 1 Rn. 55; 154, 354 Rn. 45 ff.; krit. Linke, NVwZ 2021, 1265/1270 f.), bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Die auf das Hausrecht gestützten Maßnahmen dürfen jedenfalls nicht von vornherein ungeeignet sein, die parlamentarischen Abläufe vor äußeren Störungen zu bewahren. Zudem dürfen sich daraus schon mit Blick auf die wechselseitige Verpflichtung zur Verfassungsorgantreue (vgl. VerfGH vom 17.11.2014 VerfGHE 67, 291 Rn. 55) keine erheblichen Erschwernisse der Mandatsausübung ergeben. Bei der konkreten Bewertung der Gefahrenlage sowie bei der Wahl der zur Zielerreichung in Betracht kommenden Mittel und damit auch bei der Frage ihrer Erforderlichkeit verfügt die Landtagspräsidentin aber über einen verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsspielraum (VerfGH vom 28.9.2021 – Vf. 74-IVa-21 – juris Rn. 28; BayVBl 2024, 191 Rn. 57; vgl. auch VerfGH BW NVwZ-RR 2022, 403 Rn. 71; Blum in Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 21 Rn. 33; Brocker in Bonner Kommentar, GG, Art. 40 Rn. 290), da die Verfassung ihr das Hausrecht an den Parlamentsräumen als eine eigenständig auszuübende Kompetenz übertragen hat (vgl. zum Bundestag BVerfG vom 6.5.2005 NJW 2005, 2843 f.).
52
b) Hieran gemessen erweisen sich die zulässig angegriffenen Anordnungen als verfassungsgemäß. Sie konnten in der seinerzeit bestehenden Pandemielage (aa)) zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Parlaments beitragen (bb)) und waren für die Antragsteller nicht mit gravierenden Einschränkungen ihrer verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsmöglichkeiten verbunden (cc)).
53
aa) Mit der Änderungsverfügung vom 14. April 2021 wurden laut ihrer Begründung vor dem Hintergrund der damaligen Entwicklung der Corona-Neuinfektionen, des zunehmenden Auftretens sogenannter besorgniserregender Virusvarianten sowie einer deswegen aktualisierten Definition von engen Kontaktpersonen durch das Robert Koch-Institut die bis dahin im Bayerischen Landtag geltenden Maßnahmen zur Sicherung des parlamentarischen Betriebs punktuell angepasst. Dadurch sollte insbesondere die Aufrechterhaltung der für die parlamentarischen Abläufe unabdingbaren Sitzungen und Beratungen garantiert werden. Die bereits etablierten Schutzmaßnahmen (wie Schutzscheiben am Platz und effektive Lüftungsanlagen im Plenarsaal) wurden angesichts der höheren Infektiosität der sich ausbreitenden Mutationen auch bei Einhaltung des Mindestabstands als nicht mehr ausreichend angesehen, um einem Infektionsgeschehen sicher vorbeugen zu können; zudem hätten diese Schutzmaßnahmen aufgrund der durch das Robert KochInstitut aktualisierten Definition einer engen Kontaktperson nicht (mehr) verhindern können, dass gegebenenfalls eine große Anzahl von Mitgliedern des Landtags nach einem sitzungsbedingt notwendigen gemeinsamen Aufenthalt in einem Raum mit einer infizierten Person nach den jeweils geltenden Quarantänevorschriften der Staatsregierung unter Quarantäne gestellt würde.
54
Die Ausübung der hausrechtlichen Befugnisse diente damit einem legitimen Ziel. Die in der Begründung der Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 herangezogenen Erwägungen sind auch nachvollziehbar und sachgerecht. Die Antragsgegnerin zu 1 hat im Rahmen der allgemeinen Risikobewertung teilweise unmittelbar auf Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts zurückgegriffen und teilweise ähnliche Überlegungen angestellt wie der Verordnungsgeber bei Erlass der damals geltenden Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (vgl. BayMBl 2021 Nrn. 171 und 172), der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und der EinreiseQuarantäneverordnung vom 25. März 2021 (vgl. BayMBl 2021 Nrn. 224 und 225) sowie der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9. April 2021 (vgl. BayMBl 2021 Nrn. 261 und 262); auch der Verordnungsgeber stützte sich maßgeblich insbesondere auf Lageberichte und Risikoeinschätzungen des Robert Koch-Instituts (vgl. zur damaligen Lageentwicklung und Risikobewertung durch das RKI etwa VerfGH vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 23; vom 12.4.2021 – Vf. 21-VII-21 – juris Rn. 26; vom 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 29; BayVGH vom 12.4.2021 – 20 NE 21.926 - juris Rn. 16). Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Insbesondere begegnen die Annahmen eines gesteigerten Pandemiegeschehens durch die Antragsgegnerin zu 1 angesichts der sogenannten 7-Tage-Inzidenzen, eines erhöhten Risikos sowie einer verminderten Wirksamkeit bislang erprobter Infektionsschutzmaßnahmen wegen der zunehmenden Verbreitung und Dominanz der gefährlicheren und wesentlich leichter übertragbaren „besorgniserregenden“ Virusvariante B.1.1.7 auf dieser Grundlage keinen Bedenken (vgl. zur damaligen Risikobewertung auch die Begründung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/28444 vom 13.4.2021 S. 8; zur 7-Tage-Inzidenz als frühestem Indikator für ein zunehmendes Infektionsgeschehen BVerfG vom 19.11.2021 BVerfGE 159, 223 Rn. 198 ff.; vom 19.11.2021 BVerfGE 159, 355 Rn. 120).
55
Der Bundesgesetzgeber hat dem Robert Koch-Institut in § 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine zentrale Rolle bei der Erfassung und Auswertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands zugewiesen, sodass dessen Einschätzung im Bereich des Infektionsschutzes ein besonderes Gewicht beizumessen war (vgl. im Einzelnen VerfGH vom 26.3.2020 NVwZ 2020, 624 Rn. 16; vom 28.1.2022 – Vf. 65-VII-21 – juris Rn. 27; BayVBl 2024, 191 Rn. 60; BVerfGE 159, 223 Rn. 191). Die vom Robert Koch-Institut zur Verfügung gestellten aktuellen Erkenntnisse und Bewertungen zur Pandemielage durften die für Infektionsschutzmaßnahmen zuständigen Stellen bei ihren Entscheidungen wie ein Sachverständigengutachten berücksichtigen und den erlassenen Maßnahmen zugrunde legen (vgl. BVerwG vom 22.11.2022 NVwZ 2023, 1000 Rn. 55 ff.). Dass in Fachkreisen mitunter abweichende Einschätzungen zu den Risikoannahmen des Robert KochInstituts geäußert wurden, stellte deren Verwertbarkeit als maßgebliche Informationsquelle nicht in Frage. Daher besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Anlass, im Rahmen seines Aufklärungsermessens gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 VfGHG wegen der von den Antragstellern geäußerten Bedenken an der Aussagekraft der auf Grundlage von PCR-Tests erstellten 7-Tage-Inzidenzen und an den Grafiken des Robert Koch-Instituts sowie hinsichtlich der Gefährlichkeit der Variante B.1.1.7 in eine Beweisaufnahme einzutreten (vgl. bereits VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 60).
56
Soweit die Antragsgegnerin zu 1 darauf abgestellt hat, dass bei Beibehaltung der bisherigen Schutzmaßnahmen aufgrund der durch das Robert Koch-Institut aktualisierten Definition einer engen Kontaktperson die Gefahr erhöht worden sei, dass – auf Basis der geltenden Quarantänevorschriften der Staatsregierung – gegebenenfalls eine große Anzahl von Mitgliedern des Landtags wegen eines sitzungsbedingten notwendigen gemeinsamen Aufenthalts in einem Raum mit einer infizierten Person als enge Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt würde, ist dies von vornherein bedenkenfrei. Damit zog die Antragsgegnerin zu 1 lediglich Konsequenzen aus einem erweiterten Anwendungsbereich des geltenden Rechts.
57
Im Übrigen trifft die ursprüngliche Annahme der Antragsteller nicht zu, dass damals kein einziger Fall einer Infektion in den Räumlichkeiten des Landtags bzw. im Plenum bekannt gewesen sei. Die Antragsgegnerin zu 1 hat bereits in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2021 unwidersprochen dargestellt, dass es in den letzten Monaten, insbesondere im März und April 2021, mehrere nachweislich positiv getestete Fälle unter Abgeordneten und Mitarbeitern des Landtags oder der Fraktionen gegeben habe; zudem hätten sich zwei Mitglieder des Landtags jeweils länger als einen Monat in Quarantäne begeben müssen und seien dadurch in der Ausübung ihres Mandats eingeschränkt gewesen (vgl. VerfGH vom 26.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 42).
58
bb) Mit den von der Antragsgegnerin zu 1 zur Sicherstellung des Parlamentsbetriebs vorübergehend zusätzlich vorgesehenen Schutzvorkehrungen sollte verhindert werden, dass durch krankheits- oder quarantänebedingte Abwesenheiten von Abgeordneten die Funktions-, insbesondere die Beschlussfähigkeit des Landtags (Art. 23 Abs. 2 BV; § 123 BayLTGeschO), infrage gestellt würde. Die zur Erreichung dieses von der Verfassung vorgegebenen Ziels getroffenen Einzelmaßnahmen durften von der Antragsgegnerin zu 1 als objektiv geeignet angesehen werden, einer weiteren Verbreitung von Krankheits- oder Quarantänefällen zumindest in gewissem Umfang entgegenzuwirken und damit zum Schutz auch der Abgeordneten beizutragen.
59
(1) Das gemäß Nr. 4 Buchst. a Satz 2, Buchst. c Abs. 1 der 3. Anordnung und Dienstanweisung von Abgeordneten nunmehr in parlamentarischen Sitzungen auch am Platz geforderte Tragen mindestens einer medizinischen Gesichtsmaske sollte laut der Begründung der Änderungsverfügung einem erhöhten Infektionsrisiko in den Innenräumen begegnen. Zu diesem trage insbesondere bei, dass sich die Aerosole durch die größere Virusmenge, die von einer mit einer der Mutationen infizierten Person ausgeschieden würde, schneller im jeweiligen Raum ausbreiten könnten und dies, bevor die Luft durch die raumlufttechnischen Anlagen oder eine etwaige Fensterlüftung rechtzeitig erneuert werde. Bei den neuen Virusmutationen reiche zudem auch bereits ein kürzerer Kontakt mit infizierten Personen als bisher aus, um sich anzustecken. Die für die parlamentarischen Abläufe charakteristischen und zudem auch unabdingbaren parlamentarischen Sitzungen erforderten aber die Anwesenheit von mehreren Personen in einem Raum. Um den durch die Mutationen bedingten erhöhten Anforderungen an den Infektionsschutz gerecht zu werden, werde zum notwendigen Eigen- und Fremdschutz daher nun eine generelle Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Plenarsaal, im Präsidium, im Ältestenrat, in einer Ausschusssitzung sowie allen sonstigen parlamentarischen Sitzungen auch für den Fall vorgesehen, dass sich die betreffende Person am Platz befinde. Ausnahmen davon seien aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und zur Sicherung der parlamentarischen Sitzungsabläufe für Wortbeiträge vom Platz aus und für die die jeweilige parlamentarische Sitzung leitenden Personen vorgesehen; des Weiteren müsse auch am Redepult nach wie vor keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Zur Vermeidung übermäßiger Erschwernisse gebe es am Platz keinen Zwang zum Tragen einer FFP2Maske, vielmehr genüge dort eine medizinische Gesichtsmaske.
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Die gegen diese Erwägungen gerichteten Einwände der Antragsteller sind nicht geeignet, sie durchgreifend in Frage zu stellen. Die von den Antragstellern unter Verweis auf die internationale Studienlage geäußerten Zweifel daran, ob Masken in der Allgemeinbevölkerung für den Eigen- oder Fremdschutz überhaupt wirksam seien und das Infektionsgeschehen eindämmten, stellen die Geeignetheit aus exante-Sicht nicht in Frage. Sie stehen zum einen im Widerspruch zu den damaligen (und auch den aktuellen) Erkenntnissen des auch insoweit als besonders sachkundig anzusehenden Robert Koch-Instituts (vgl. zuletzt RKI – Infektionskrankheiten A-Z – Coronavirus SARS-CoV-2 – Masken zur Infektionsprävention, Stand: 19.9.2023), dessen Bewertung sich die Antragsgegnerin uneingeschränkt zu eigen machen durfte. Zum anderen durfte die Antragsgegnerin zu 1 die Maskenpflicht im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative schon deshalb als grundsätzlich geeignetes Mittel zur Infektionsbekämpfung ansehen, weil eine solche zur Zeit des Erlasses der Änderungsverfügung gemäß § 28 a Abs. 1 Nr. 2 IfSG damaliger Fassung bereits zu den Katalogmaßnahmen der Pandemiebekämpfung gehörte. Sie konnte nach § 28 a Abs. 6 Satz 1 IfSG kumulativ neben weiteren Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung angewendet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich war. Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen hatte der Bundesgesetzgeber die Entscheidung, dass es sich dabei grundsätzlich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen (vgl. näher nur BayVGH vom 4.5.2021 – 20 NE 21.1119 – juris Rn. 61 ff.).
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(2) Die in Nr. 4 Buchst. d Spiegelstrich 2 Abs. 2 der 3. Anordnung und Dienstanweisung neu vorgesehene Anordnung, nach der Personen, die auf Antrag vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit waren, der Zutritt zu parlamentarischen Sitzungen nur gewährt wurde, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verfügten und dieses auf Verlangen glaubhaft machen konnten, stellte ebenfalls ein geeignetes Mittel des Schutzes vor Infektionen, Krankheits- und Quarantänefällen dar. Diese neue Maßnahme wurde von der Antragsgegnerin zu 1 damit begründet, dass ein Aufeinandertreffen von Mitgliedern des Landtags und sonstigen Personen mit Personen, denen insbesondere aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder zumindest unzumutbar sei, in parlamentarisch notwendigen Sitzungen nicht zu vermeiden sei. Es sei deshalb dafür Sorge zu tragen, dass der Gefahr durch die steigenden Infektionszahlen und der Ausbreitung der neuen Mutationen auf anderem Weg begegnet werde. Das aus diesem Grund für den Zutritt verlangte Testergebnis müsse bestimmten Anforderungen in zeitlicher Hinsicht genügen sowie die jeweils geltenden Anforderungen des Robert Koch-Instituts für derartige Testungen erfüllen; der im Landtag an allen Sitzungstagen von 8:00 Uhr bis 10:00 Uhr angebotene Schnelltest erfülle diese Anforderungen.
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Zwar war Mitte April 2021 die Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises noch nicht in den Katalog der insbesondere als geeignet anzusehenden Schutzmaßnahmen gemäß § 28 a Abs. 1 IfSG aufgenommen worden, dies geschah – als Nr. 2 a – erst mit Gesetz vom 10. September 2021 (BGBl I S. 4147) mit Wirkung vom 15. September 2021. Es stand aber bereits damals nicht ernsthaft in Zweifel, dass nicht nur PCR-Tests, sondern auch AntigenSchnelltests trotz deren geringerer Sensitivität und Spezifität insbesondere bei Anwendung durch Fachpersonal und Erfüllung gewisser Qualitätsanforderungen zur Erkennung sonst nicht erkannter infizierter Fälle beitragen und damit das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 reduzieren konnten (vgl. nur RKI zu Antigentests zur Eigenanwendung in Epidemiologisches Bulletin 8/2021 vom 25.2.2021, und zu Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung in Epidemiologisches Bulletin 17/2021 vom 29.4.2021 – online vorab erschienen am 1.4.2021). Auch war seit Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und der Einreise-Quarantäneverordnung vom 25. März 2021 (BayMBl Nr. 224) in § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV im Schulbereich als Zugangsbeschränkung eine Testobliegenheit für die Teilnahme am Präsenzunterricht statuiert. Im Bundesrecht stellte kurze Zeit später der durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (sogenannte Bundesnotbremse; BGBl I S. 802) mit Wirkung vom 23. April 2021 eingefügte § 28 b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG für die Teilnahme am Präsenzunterricht an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte unmittelbar die Voraussetzung auf, sich zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 testen zu lassen. Der diesem Gesetz zugrunde liegende Gesetzentwurf war bereits am 13. April 2021 verabschiedet und von den Koalitionsfraktionen im Bundestag eingebracht worden. Der Entwurfsbegründung nach diente dieses Testerfordernis dem möglichst frühzeitigen Erkennen von potenziell schwer kontrollierbaren Infektionsherden (vgl. BT-Drs. 19/28444 S. 14). Vor diesem Hintergrund begegnet die Einschätzung der Antragsgegnerin zu 1, diese Maßnahme als geeignet anzusehen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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cc) Die mit den vorgenannten Maßnahmen verbundenen Erschwernisse bei der Wahrnehmung der verfassungsmäßig garantierten Mandats- und Fraktionsrechte hatten nur geringes Gewicht und standen nicht in einem Missverhältnis zu der damit erreichten Sicherung der Funktionsfähigkeit des Landtags.
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Wie bereits in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2023 (BayVBl 2024, 191 Rn. 69) ausgeführt, betraf die allgemeine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Landtag die Ausübung der verfassungsrechtlich geschützten Mandatsrechte nur am Rande. Es handelte sich um eine generelle Verhaltenspflicht, wie sie in der betroffenen Zeit in ähnlicher Form für zahlreiche Alltagssituationen beim Zusammentreffen einer Mehrzahl von Personen in den jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen festgelegt war (z. B. § 6 Nr. 3; § 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 3; § 8 Sätze 1 und 2, § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nrn. 2 und 3, Abs. 3 Satz 2, § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3, Satz 5 Nr. 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 4, § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 18 Abs. 2 und 3, § 20 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5, § 21 Satz 3, § 22, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, § 24 Abs. 1 12. BayIfSMV in der bei Erlass der Änderungsverfügung geltenden Fassung). Dabei war eine solche Pflicht auch in anderen Bereichen, insbesondere soweit die Berufsausübung in Lebensbereichen mit zwangsläufig näherem Kontakt zu anderen Menschen betroffen war, oder auch beispielsweise allgemein im Präsenzunterricht an Schulen, nicht auf kurze Tragezeiten begrenzt. Mit der Maskenpflicht war bei objektiver Betrachtung auch bei einem längerfristigen Tragen regelmäßig keine gravierende Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens verbunden, zumal bei der vorliegend beanstandeten Tragepflicht am Platz eine medizinische Gesichtsmaske genügte. Für Abgeordnete, denen im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder unzumutbar war, bestand weiterhin die Möglichkeit, sich auf Antrag von dieser Verpflichtung befreien zu lassen. Die Maskenpflicht stellte auch kein ernsthaftes Hindernis für die mündliche Kommunikation dar. Es blieb auch nach der Neuregelung dabei, dass die Mund-Nasen-Bedeckung am Redepult sowie bei Wortbeiträgen vom Platz wie z. B. Zwischenfragen oder Zwischenbemerkungen abgenommen werden konnte, sofern der Infektionsschutz durch Abtrennungen oder Einhaltung des Mindestabstands gewährleistet wurde. Die aktive Beteiligung von Abgeordneten in parlamentarischen Sitzungen – als Teil des Kernbestands an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben – wurde damit von der Änderung nicht berührt (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 44). Aus der rein aus Gründen des Infektionsschutzes gegenüber allen Mandatsträgern gleichermaßen angeordneten Erweiterung erwuchs auch entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht zugleich eine politische Dimension, die über lediglich neutrale Regelungen der Hausordnung hinausgegangen wäre; es handelte sich vielmehr um eine allein der Aufrechterhaltung des Parlamentsbetriebs dienende und damit politisch neutrale Präventivmaßnahme (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 69 m. w. N.).
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Entsprechendes gilt in Bezug auf die gegenüber Abgeordneten, die von der Maskenpflicht befreit waren, angeordnete Testobliegenheit. Insoweit war zwar neben der Berührung der körperlichen Integrität mittelbar zusätzlich die informationelle Selbstbestimmung betroffen. Die Beeinträchtigungen durch eine solche Testung waren aber gegebenenfalls nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität (vgl. zur „Testpflicht“ an Schulen VerfGH vom 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 ff., 30). Auch wurden die Belastungen durch die Anordnung für die (wenigen) betroffenen Abgeordneten gering gehalten und zumutbare Ausweichmöglichkeiten geschaffen.
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Dazu trug insbesondere bei, dass den Abgeordneten nach den unwidersprochenen Ausführungen der Antragsgegnerin zu 1 in der Stellungnahme vom 26. April 2021 ein großes Angebot an Testmöglichkeiten offenstand, welches sie bei Bedarf nutzen konnten. So wurde ihnen nicht nur in den Räumlichkeiten des Landtags an allen Sitzungstagen ein kostenloses Testangebot zur fachgerechten Testung zur Verfügung gestellt, sondern es bestand daneben werktäglich in der näheren Umgebung des Landtags ein umfangreiches Angebot anderer Teststationen. Darüber hinaus wurden auch von anderen fachkundigen Stellen, wie z. B. Ärzten, ausgestellte Testergebnisse akzeptiert. Für von der Maskenpflicht befreite Abgeordnete, die dennoch keinen negativen Test nachweisen konnten oder wollten, konnte für Plenarsitzungen im Bedarfsfall als Ausweichmöglichkeit der Senatssaal zur Verfügung gestellt werden, in den während des Plenums die Sitzung auf einer großen Leinwand per Bild und Ton übertragen wurde. Dort konnten sich unter Wahrung eines entsprechenden Abstands ca. zehn Personen ohne Masken und ohne vorherigen Test aufhalten und die Plenarsitzung verfolgen; die technische Ausrüstung gewährleistete, dass von dort aus Zwischenbemerkungen und Redebeiträge zur Plenarsitzung beigesteuert sowie gegebenenfalls auch Abstimmungen und geheime Wahlen durchgeführt werden konnten.
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Für Ausschusssitzungen bestand gemäß § 193 a BayLTGeschO damaliger Fassung für Mitglieder des Landtags, die oder deren Haushaltsangehörige ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf der COVID-19-Krankheit hatten oder sich in behördlich angeordneter Absonderung befanden, die Möglichkeit zur Teilnahme über Videotechnik. Dabei traf die Entscheidung, ob jemand zu diesem Personenkreis gehörte, das Landtagsmitglied selbst. Diese Bestimmung wurde dahingehend ausgelegt, dass es einem aufgrund ärztlichen Attests von der Maskenpflicht befreiten Abgeordneten auch freistand, an der Ausschusssitzung per Videozuschaltung teilzunehmen (vgl. zum Ganzen VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 46). Damit bestand sowohl im Plenum als auch in Ausschusssitzungen für von der Testobliegenheit betroffene Parlamentarier zumindest die Möglichkeit der Ausübung ihrer Abgeordnetenrechte ohne direkte physische Teilnahme. Da die Antragsgegnerin zu 1 für die „Ungleichbehandlung“ dieser Abgeordneten gegenüber solchen, die der Maskenpflicht unterlagen, sachliche und unschwer nachvollziehbare Gründe angeführt hat, greifen auch die von den Antragstellern geäußerten Gleichbehandlungsbedenken nicht durch. Die Testobliegenheit stellte ein Pendant zur Maskenpflicht für Fälle dar, in denen das Risiko einer Weiterverbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 gerade nicht durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vermindert werden konnte (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 45).
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Die Antragsgegnerin zu 1 hat den ihr zustehenden Einschätzungsspielraum schließlich nicht deshalb überschritten, weil auf Grundlage der damals allgemein geltenden Bestimmungen nach dem Infektionsschutzgesetz und der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung keine entsprechende Regelung beispielsweise bei Einkäufen im Supermarkt oder bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und auch kein Gleichlauf der hier streitigen „Testpflicht“ zu gesetzlichen Vorschriften für Schulen und Betriebe bestand. Es fehlt von vornherein an der Vergleichbarkeit, weil mit der beanstandeten Änderungsverfügung auf Grundlage des Hausrechts der Antragsgegnerin zu 1 keine pauschalierenden, abstraktgenerellen Bestimmungen für eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensbereichen getroffen wurden, sondern die Anordnungen speziell auf die Situation im Landtag zugeschnitten waren und die dort konkret bestehenden Umstände und gegenläufigen Interessen der davon Betroffenen berücksichtigten (vgl. VerfGH vom 6.5.2021 in diesem Verfahren – juris Rn. 46).
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Entsprechend den Erwägungen in der Entscheidung vom 25. Oktober 2023 (BayVBl 2024, 191 Rn. 70) war bei der Prüfung der Angemessenheit zugunsten der angegriffenen Maßnahmen zu berücksichtigen, dass bei unzureichenden Schutzmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf die neuen Virusmutationen gravierende Beeinträchtigungen der Repräsentationsfähigkeit oder gar der Beschlussfähigkeit der Volksvertretung zu befürchten gewesen wären, sei es im Hinblick auf Krankheits- oder auf Quarantänefälle. Unter diesen Umständen durfte die Antragsgegnerin den mit den angegriffenen Maßnahmen bezweckten Schutz der Parlamentsangehörigen vor der Gefahr einer Erkrankung an COVID-19 oder vor Quarantäneanordnungen und damit die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Landtags höher bewerten als die von den Antragstellern geltend gemachten Abgeordneten- und Oppositionsrechte.
VII.
70
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).