Titel:
Forschungsförderung im 6. Energieforschungsprogramm des Bundes, Beliehene juristische Person des Privatrechts als Bundesbehörde i.S.d. § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO, Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, München (verneint), Verweisung an das Verwaltungsgericht Aachen
Normenketten:
VwGO § 52 Nr. 2 S. 1
VwGO § 83 S. 1
GVG § 17a Abs. 2
Schlagworte:
Forschungsförderung im 6. Energieforschungsprogramm des Bundes, Beliehene juristische Person des Privatrechts als Bundesbehörde i.S.d. § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO, Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, München (verneint), Verweisung an das Verwaltungsgericht Aachen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13500
Tenor
I. Das Bayerische Verwaltungsgericht München erklärt sich für örtlich unzuständig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen.
Gründe
1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer am 13. März 2024 bei Gericht eingegangenen Klage gegen den Teilwiderrufs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 7. April 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2024, mit welchem der mit Bescheid vom 25. September 2017 festgelegte Zuwendungsbetrag für das auf die Klägerin übertragene Vorhaben „Monitoring des Aquifers und der Maschinentechnik nach der Kapazitätserweiterung durch leistungsstärkere Pumpe (Prototyp) und Nebenanlagen“ teilweise widerrufen und der zu erstattende Betrag auf EUR 59.450,26 festgesetzt wurde.
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Das Gericht gab den Beteiligten mit Schreiben vom 14. März 2024 Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer nach vorläufiger Einschätzung der Kammer in Betracht kommenden Verweisung an das Verwaltungsgericht Aachen. Die Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 26. April 2024 Stellung und führte aus, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München aus § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO ergebe. Die Zuständigkeit der Beklagten als Beliehene erstrecke sich auf das gesamte Bundesgebiet, mithin auf sämtliche Verwaltungsgerichtsbezirke in der Bundesrepublik Deutschland. Die Förderung sei offen für Zuwendungsempfänger und Standorte der gesamten Bundesrepublik. Mit Schriftsatz vom 30. April 2024 schloss sich die Klägerin den Ausführungen der Beklagten zur örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München an.
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Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das nach § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO i.V.m. § 17 Nr. 1 Justizgesetz NRW örtlich zuständige Verwaltungsgericht Aachen zu verweisen.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München ist für die Klage örtlich nicht zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich für das Klagebegehren aus § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO. Danach ist – vorbehaltlich der Zuständigkeiten nach § 52 Nr. 1 und 4 VwGO – u.a. bei Anfechtungsklagen gegen einen Verwaltungsakt einer Bundesbehörde das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde ihren Sitz hat.
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Die Beklagte als beliehene juristische Person des Privatrechts ist vorliegend als Bundesbehörde i.S.d. § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO einzuordnen (vgl. im Ergebnis auch VG Gießen, B.v. 12.01.2018 – 4 K 8656/17.GI – juris Rn. 4 ff.).
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Die Beklagte ist vorliegend funktional eine Behörde i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG, da sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen hat. Die angefochtenen Bescheide wurden von der Beklagten – die ihren Sitz in J. im Kreis Düren hat, für den das Verwaltungsgericht Aachen nach § 17 Nr. 1 Justizgesetz NRW örtlich zuständig ist – in eigenem Namen erlassen und zwar in Ausübung der Beleihung durch das vormalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (nunmehr Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz [BMWK]), zuletzt durch Beleihungsbescheid vom 7. Dezember 2021. Mit der Beleihung wurde der Beklagten die Befugnis verliehen, als Treuhänderin des Bundes in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts für dessen Rechnung im eigenen Namen Zuwendungen zu gewähren (Beleihung). Die Beleihung schließt die Befugnis ein, Zuwendungen i.S.d. § 23 BHO durch Verwaltungsakte in eigenem Namen zu bewilligen, Verwaltungsakte zu ändern, zurückzunehmen oder zu widerrufen, Zuwendungen zurückzufordern und Anträge abzulehnen sowie über Widersprüche gegen Verwaltungsakte, die die Beklagte aufgrund der ihr übertragenen Befugnisse erlassen hat, selbst zu entscheiden.
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Privatrechtlich organisierte Beliehene sind für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit jedenfalls dann den in § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO genannten Bundesbehörden und sonstigen bundesunmittelbaren öffentlich-rechtlichen Einrichtungen gleichzustellen, wenn sie in besonderer Weise organisatorisch in die Bundesverwaltung eingegliedert und bundesweit tätig sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.1.2023 – 10 AV 1.23 – juris Rn. 5 ff.).
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Diese Voraussetzungen sind hier vorliegend gegeben. Die Beklagte nimmt ihre Aufgabe als zentrale Stelle bundesweit wahr. Antragsberechtigt für die streitbefangene Forschungsförderung sind grundsätzlich Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit Sitz und Schwerpunktaktivitäten in Deutschland (vgl. Nr. 4 der Bekanntmachung Forschungsförderung im 6. Energieforschungsprogramm vom 8. Dezember 2014 [Förderbekanntmachung]). Das Antragsverfahren wird bundesweit zentral und online bei der Beklagten abgewickelt (vgl. Nr. 8 der Förderbekanntmachung).
9
Die Beklagte ist auch aufgrund der Eingriffsbefugnisse des BMWK und dessen Überwachung der Aufgabenerfüllung in besonderer Weise organisatorisch in die Bundesverwaltung eingegliedert. Aufgrund des Beleihungsbescheides vom 7. Dezember 2021 untersteht die Beklagte im Rahmen der Beleihung nicht nur der Rechts-, sondern auch der Fachaufsicht des BMWK und hat bei der Ausübung der Rechte und Pflichten aufgrund des Beleihungsbescheides ergänzende Einzelanweisungen des Bundes zu beachten. Zudem hat sich das BMWK vorbehalten, in besonders gelagerten Einzelfällen Förderentscheidungen selbst zu treffen oder Vorhaben an sich zu ziehen (Selbsteintrittsrecht, vgl. Nr. 9 des Beleihungsbescheids). Weiter ist in dem Beleihungsbescheid die Einschränkung enthalten, dass Widerrufs-, Rücknahme-, Feststellungs- und Leistungsbescheide sowie Maßnahmen der Zwangsvollstreckung dem BMWK vor Abgang zur Kenntnis vorzulegen sind (vgl. Nr. 2 des Beleihungsbescheids).
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Der Vorbehalt für ortsgebundene Rechte nach § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 2 i.V.m. Nr. 1 VwGO ist vorliegend nicht einschlägig.
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Zwar können zu den ortsgebundenen Rechten nach § 52 Nr. 1 VwGO auch zuwendungsrechtliche Ansprüche gehören, wenn sie in Bezug auf unbewegliches Vermögen geltend gemacht werden und damit zu einem bestimmten Territorium in besonderer Beziehung stehen (st.Rspr., vgl. z.B. BVerwG, B.v. 29.5.2017 – 3 AV 2/16 – juris Rn. 7 ff.; VG München, B.v. 15.7.2020 – M 31 K 17.3817 – juris Rn. 4). Dies entspricht dem praktischen Bedürfnis, dass dasjenige Gericht entscheidet, das über ortsnahe Sachkunde verfügt oder sich diese gegebenenfalls durch Beweisaufnahme ohne unzumutbaren Aufwand verschaffen kann.
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Im Vollzug der streitbefangenen Projektförderung ist ein solches Bedürfnis indes nicht ersichtlich. Die streitige Forschungsförderung wird im Rahmen eines zweistufigen Antragsverfahrens, bestehend aus Projektskizze und anschließendem förmlichen Antragsverfahren (vgl. Nr. 8.2 ff. der Förderbekanntmachung), bundesweit zentral und online bei der Beklagten abgewickelt, um Technologien entlang der gesamten Energiekette, u.a. auf dem Gebiet der tiefen Geothermie (Nr. 3.3 der Förderbekanntmachung), durch Zuwendungen auf Ausgaben- bzw. Kostenbasis zu fördern. Damit knüpft die Förderbekanntmachung zwar zumindest mittelbar an tiefe geothermische Reservoire an, ein besonderer örtlicher Bezug auf unbewegliches Vermögen, wie von § 52 Nr. 1 VwGO prozessrechtlich vorausgesetzt, steht dabei indes nicht im Vordergrund. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren wird es voraussichtlich insbesondere nicht erforderlich machen, die konkreten örtlichen Verhältnisse durch Inaugenscheinnahme zu ermitteln, da hier allein die Bewertung zweier von der Klägerin geltend gemachter Kostenpositionen (Aufwendungen für Investitionsmaßnahmen und für den Geschäftsführer verrechnete Personalkosten) gemäß den Vorgaben im Zuwendungsbescheid bzw. in den Nebenbestimmungen inmitten steht.
13
Entsprechend dem allgemeinen Sinn und Zweck der Gerichtsstandsbestimmung des § 52 Nr. 2 VwGO für Klagen gegen den Bund ist schließlich maßgeblich ebenfalls in den Blick zu nehmen, dass eine Konzentration häufig spezialrechtlich bestimmter Verfahren bei einem Gericht – hier dem Verwaltungsgericht Aachen – einen beschleunigten Verfahrensablauf unter Ausnutzung der entsprechenden spezifischen gerichtlichen Sachkunde gewährleisten soll (vgl. Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 52 Rn. 14 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drs. 3/55, S. 35).
14
Örtlich zuständig ist sonach gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO i.V.m. § 17 Nr. 1 Justizgesetz NRW das Verwaltungsgericht Aachen.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 83 Satz 2 VwGO.