Inhalt

VG München, Beschluss v. 03.06.2024 – M 1 S 23.5970
Titel:

Sofortige Beseitigung von Mauer und Auffüllung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 5
BayBO Art. 76 S. 1
BayWG Art. 59
GG Art. 14 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ob eine Anlage in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich zunächst nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung. Wegen der durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Eigentumsgarantie und dem aus dem einfachen Recht abgeleiteten Bestandsschutz ist jedoch auch die Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung oder der Änderung der Anlage zu berücksichtigen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Beurteilung der Genehmigungsfreiheit ist eine Anlage in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen, sie darf nicht in genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Teile aufgespalten werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Beseitigungsanordnungen ist regelmäßig ein strenger Maßstab an das besondere Vollzugsinteresse anzulegen. Selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtschutz, Beseitigungsanordnung, Besonderes Vollzugsinteresse (bejaht), Hochwasser, Bestandsschutz, Genehmigungspflicht, Wohl der Allgemeinheit, Ermessen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.09.2024 – 1 CS 24.1020
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13496

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über eine sofort vollziehbare Anordnung der Beseitigung einer Mauer sowie einer Auffüllung, die der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller verfügt hat.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 511/3 Gem. … (im Folgenden: Grundstück). Durch das Grundstück zieht sich von Norden nach Süden der …graben, ein Gewässer dritter Ordnung. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des mehrfach geänderten Bebauungsplans Nr. 25 „… Straße“, in Kraft getreten am 25. April 1995. Der Bereich des Grundstücks sowie Flächen nördlich und westlich davon gelegen sind seit der ursprünglichen Planfassung als „Überschwemmungsgebiet des …talgrabens, von jeglicher Bebauung freizuhalten“ festgesetzt. Nach § 2 Nr. 5 der textlichen Festsetzungen sind zwischen den Baugrundstücken Maschendrahtgewebezäune mit durchgehender Hinterpflanzung zulässig. Das in östlicher Richtung gelegene Nachbargrundstück FlNr. 516/7 ist mit einem Wohngebäude bebaut.
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Im Rahmen einer Baukontrolle am 19. März 2014 stellte der Antragsgegner eine unmittelbar an den …graben anschließende, quer zur Flussrichtung verlaufende Mauer entlang der gesamten nördlichen Grenze des Grundstücks fest. Mit Bescheid vom 3. August 2016 ordnete der Antragsgegner die Beseitigung der Mauer gegenüber dem Voreigentümer des Grundstücks an. Die dagegen gerichtete Klage (M 1 K 16.3740) wurde abgewiesen, der gegen das Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgenommen.
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Im Rahmen einer weiteren Baukontrolle am 9. Juni 2021 stellte der Antragsgegner fest, dass ein Mauerteil abgebrochen worden war und sich direkt dahinter eine weitere – hier streitgegenständliche – Mauer befindet. Die vorgefundene Mauer besteht aus einer westlichen, bachseitigen Betonmauer von ca. 3,60 m Länge und ca. 1,25 m Höhe sowie einer östlichen Betonmauer von ca. 10,20 m Länge und ca. 0,52 m bzw. ca. 1,13 m Höhe. Beide Betonmauern sind mit einer Faser-Zement-Mauer verbunden, diese ist ca. 13,00 m lang und ca. 1,42 m hoch. Unmittelbar hinter der Mauer wurde zudem eine Auffüllung aus unbekanntem Material festgestellt.
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Nach umfangreichem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten gab der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. August 2023 Gelegenheit zur freiwilligen Beseitigung der Mauer bis zum 12. September 2023. Sollte der Antragsteller dem nicht nachkommen, sei beabsichtigt, ein Beseitigungsverfahren durchzuführen.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. November 2023, dem Antragstellerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis vom 15. November 2023 zugestellt, verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller, die dreiteilige Mauer gemäß dem im beigefügten Lageplan farblich markierten Bereich (Nr. 1) sowie die näher beschriebene, unmittelbar südlich der zu beseitigenden Mauer bestehende Auffüllung (Nr. 2) zu beseitigen. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3), Zwangsgelder für die Nichtbefolgung der Nr. 1 (Nr. 4. a)) und der Nr. 2 (Nr. 4. b)) angedroht.
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Der Bescheid wurde umfangreich begründet. Im Wesentlichen ist Folgendes ausgeführt:
1. Bei der Mauer handle es sich um eine bauliche Anlage im Sinne der Bayerischen Bauordnung (BayBO) sowie des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Der genaue Zeitpunkt der Errichtung sei nicht bekannt. Im Verfahren M 1 K 16.3740 sei von einer Errichtung im Jahr 1989 ausgegangen worden. Im Rahmen der Anhörung sei vorgetragen worden, dass die Mauer bereits mindestens 60 Jahre alt sei. Nach einem Schreiben des zum Zeitpunkt der Anhörung tätigen Hausmeisters habe die Mauer bereits 1976 – als dieser seine Tätigkeit aufgenommen habe – bestanden. Nach Ausführungen der Grundstücksnachbarn sei ein Teil der Mauer Mitte/Ende der 1990er-Jahre errichtet worden, andere Teile Anfang der 1980er-Jahre oder davor. Der genaue Zeitpunkt der Errichtung der Mauer könne nicht genauer ermittelt werden. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Beseitigungsanordnung gem. Art. 76 Satz 1 BayBO seien erfüllt. Die Errichtung der Mauer sei formell illegal gewesen. Es habe keine Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach Art. 83 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO 1969 bestanden, weil die Mauer eine Höhe von 1,30 m überschreite; die Mauer sei als Gesamtes in den Blick zu nehmen und an mindestens einer Stelle über 1,30 m hoch. Gleiches gelte in Bezug auf Art. 83 BayBO 1974. Es habe auch kein Ausnahmetatbestand nach Art. 66 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b BayBO 1982 bestanden, weil davon auszugehen sei, dass die Mauer teilweise bzw. mindestens an einer Stelle mindestens 1,50 m hoch sei, sodass die Mauer nach der Vorschrift nicht verfahrensfrei gewesen sei. Gleiches gelte in Bezug auf Art. 66 Abs. 1 Nr. 14 BayBO 1983. Auch in der Folgezeit habe sich die Rechtslage nicht zu Gunsten des Antragstellers geändert. Nach Art. 68, 69 Abs. 1 Nr. 21 Buchst. a und b BayBO 1994 seien Mauern ab 1,50 m Höhe ebenfalls genehmigungspflichtig gewesen. Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans 1995 bedürfe es für die Mauer einer Befreiung, welche nicht vorliege. Der Bebauungsplan lasse als Einfriedungen zwischen Baugrundstücken lediglich einen Maschendrahtgewebezaun mit durchgehender Hinterpflanzung zu. Ferner sei der Bereich als Überschwemmungsgebiet des …grabens festgesetzt; dieser sei von jeglicher Bebauung freizuhalten. Die Mauer sei auch materiell baurechtswidrig. Sie habe von Anfang an dem materiellen Wasserrecht widersprochen. Seit 1. Mai 1966 gebe es eine Verordnung über die Genehmigungspflicht für Anlagen in oder an Gewässern III. Ordnung im Regierungsbezirk Oberbayern. Der …graben sei als Seitengewässer der … Ache stets in den jeweils geltenden Fassungen der Verordnung aufgeführt gewesen. Die Mauer widerspreche dem Wohl der Allgemeinheit. Sie liege im faktischen Überschwemmungsgebiet des …grabens. Nach einer fachlichen Einschätzung der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft würden bei einem 100-jährigen Hochwasserereignis das Grundstück und das östliche Nachbargrundstück größtenteils überflutet. Die Mauer lenke den Hochwasserabfluss vom Grundstück zum Nachbargrundstück hin und beeinflusse den Wasserabfluss insgesamt negativ. Durch die Mauer werde das Wasser oberhalb aufgestaut und entlang der Mauer auf das Nachbargrundstück geleitet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Beseitigungsanordnung gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG seien ebenfalls erfüllt. Die Mauer sei seit ihrer Errichtung durchgehend wasserrechtlich genehmigungspflichtig gewesen. Die Regierung von Oberbayern habe mit der Verordnung über die Genehmigungspflicht von Anlagen in oder an Gewässern III. Ordnung im Regierungsbezirk Oberbayern vom 31. März 1966 erstmals die Genehmigungspflicht begründet. Dort sei der …graben als Seitengewässer der … Ache unter der lfd. Nr. 175. erfasst gewesen. Auch in den nachfolgenden Verordnungen sei der …graben stets aufgeführt gewesen.
2. Die Auffüllung unterliege als Anlage im 60 m-Bereich ebenfalls der wasserrechtlichen Genehmigungspflicht. Sie stelle eine vom übrigen Gelände erkennbar abgehobene Einrichtung dar. Auch die Auffüllung beeinflusse den Hochwasserabfluss negativ. Durch sie werde der Wasserabfluss zum Wohngebäude auf dem östlichen Nachbargrundstück gelenkt.
3. Nachträgliche wasserrechtliche und/oder baurechtliche Genehmigungsfähigkeit für die Mauer und für die Auffüllung sei nicht gegeben. Bei der gegebenen Sachlage sei ein Einschreiten sachgerecht und geboten gewesen. Durch die Beseitigung der Mauer und der Auffüllung würden die Beeinträchtigungen des Hochwasserabflusses beseitigt.
4. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge im öffentlichen Interesse. Durch die vorhandene Mauer und die Auffüllung erhöhe sich die Hochwasser- bzw. Überschwemmungsgefahr für das Nachbargrundstück. Es stehe im öffentlichen Interesse, gegen bauliche Anlagen, die Gefahrensituationen für Dritte erhöhen, schnellstmöglich einzuschreiten. Bei Hochwasser und Überschwemmungen bestehe auch eine Gefahr für Leib und Leben. Durch die Beseitigung einer parallel verlaufenden Mauer sei diese Gefahr nicht beseitigt worden. Der eigentliche Zweck für die Beseitigungsanordnung vom 3. August 2016, den negativen Abfluss des (Hoch-)wassers auf das Nachbargrundstück durch die Entfernung der Mauer zu verhindern, sei daher noch nicht erfüllt. Das hohe Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit wiege schwerer als das private Interesse am Fortbestand der Mauer und Auffüllung.
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Am … Dezember 2023 hat die Antragspartei Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (M 1 K 23.5969). Mit gleichem Datum beantragt sie,
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die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10.11.2023 (Az.: …*) wiederherzustellen.
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Die Überschwemmung des Grundstücks werde hauptsächlich durch diejenigen Wassermengen verursacht, die oberhalb des Nachbargrundstücks anfielen und sodann auf das Nachbargrundstück flössen; mit den streitgegenständlichen Mauerteilen habe dies nichts zu tun. Die Beseitigung der Mauer führe schon bei einem normalen Hochwasserereignis zu einer Überschwemmung des Grundstücks des Antragstellers. Bei einem 100-jährigen Hochwasserereignis werde nicht nur das Grundstück des Antragstellers massiv überschwemmt, sondern auch die unterhalb des Grundstücks liegenden bebauten Grundstücke. Hinsichtlich der Auffüllung sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, worum es sich insoweit handeln solle. Der Antragsteller habe nie eine Auffüllung auf dem Grundstück vorgenommen. Die diesbezüglichen Angaben seien widersprüchlich und ungenau; ein konkreter Inhalt der Beseitigungsanordnung und eine konkrete Begründung hierfür nicht erkennbar. Die Mauer befinde sich unstreitig seit mehr als 47 Jahren auf dem Grundstück. Für die Auffüllung werde der Zeitpunkt der Errichtung nicht benannt. Weshalb nach so vielen Jahrzehnten Dringlichkeit gegeben sein solle, lasse der Antragsgegner offen. Dem Antragsgegner sei der rechtswidrige Zustand nach eigenen Angaben spätestens seit der Baukontrolle am 19. März 2014 bekannt gewesen. Dringlichkeit liege nicht vor. Ferner hätte der Antragsgegner eine Abwägung aller Interessen unter Berücksichtigung der Schwere und Dringlichkeit des Eingriffs vornehmen müssen, dies sei nicht geschehen. Es liege ein Ermessensausfall vor. Bei der Abwägung sei ausgeblendet worden, dass es beim Abriss der Mauer zu massiven Überschwemmungen des Grundstücks des Antragstellers komme. Es fehle die Prüfung, welche milderen Maßnahmen hätten angewendet werden können. Es sei naheliegend, die bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen des Nachbarn zu verbessern und nicht die tauglichen Schutzmaßnahmen beim Antragsteller zu beseitigen. Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass derzeit im Auftrag der Gemeinde ein Ingenieurbüro ein Konzept zur Beseitigung der Hochwasserproblematik ausarbeite.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Auf die Ausführungen des Bescheids wird verwiesen. Aus diesen ergebe sich die Dringlichkeit als Grundlage der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dabei sei insbesondere berücksichtigt worden, dass durch den negativen Wasserabfluss das Wohngebäude des Nachbargrundstücks erheblich betroffen sei. Dieses sei unterkellert, unterirdisch gelegene Räume könnten sich im Überflutungsfall schlagartig mit Wasser füllen und Fluchtwege abgeschnitten werden. Eine Gefahr für Leib und Leben könne nicht ausgeschlossen werden. Der …graben sei gekennzeichnet durch ex-trem rasch wechselnde Wasserführungen, Geschiebe- und Treibzeugführung und hohe Fließgeschwindigkeiten. Die Haupthochwasserzeiten lägen in der sommerlichen Gewitterzeit, jedoch seien auch in den übrigen Jahreszeiten stark ansteigende Abflüsse nicht auszuschließen. Durch die Mauer in Kombination mit der Auffüllung erhöhe sich die Hochwasser- bzw. Überschwemmungsgefahr für die Wohnbebauung des Nachbargrundstücks. Für die Ermittlung von Hochwasserrisikogebieten sei ein 100-jähriges Hochwasser als Bemessungsfall heranzuziehen. Eine alleinige Entfernung der Mauer bewirke zwar eine Verbesserung der Gefahr, weil damit die Wasserstände niedriger lägen, Betroffenheit liege aber weiter vor. Erst bei Entfernung der Mauer und der Auffüllung sei keine derartige Betroffenheit mehr gegeben. Dies werde durch Berechnungen des Wasserwirtschaftsamts … belegt. Richtig sei, dass die Gemeinde ein Planungsbüro beauftragt habe. Konkrete Planungen seien indes noch nicht abgeschlossen. Sollten tatsächlich Hochwasserschutzmaßnahmen durch die Gemeinde erfolgen, ändere dies weder die wasserwirtschaftliche Einschätzung, noch legalisiere dies die rechtswidrig errichteten Anlagen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im zugehörigen Hauptsacheverfahren M 1 K 23.5969, Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig. Soweit er sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Beseitigungsanordnung richtet, ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 10. November 2023 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Die Klage hat insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohungen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 4 des Bescheids ebenfalls statthaft; die aufschiebende Wirkung der Klage ist kraft Gesetzes entfallen, § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a Satz 1 VwZVG.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Ausgehend davon ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende summarische Prüfung, dass die Klage keine Erfolgsaussichten hat, weil der angefochtene Verwaltungsakt – der Bescheid des Antragsgegners vom 10. November 2023 – voraussichtlich rechtmäßig ist.
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a) Die Anordnung des Sofortvollzugs ist formell rechtmäßig. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen also die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 55).
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Die Begründung des Antragsgegners unter 6. (Seite 22) des Bescheids genügt diesen Anforderungen. Er hat die Notwendigkeit des sofortigen Einschreitens u.a. damit begründet, dass die Mauer und die Auffüllung die Hochwasser- bzw. Überschwemmungsgefahr für das östliche Nachbargrundstück und das darauf befindliche Wohngebäude erhöhen und die baulichen Anlagen Gefahrensituationen für Dritte darstellten. Zudem begründe sich das öffentliche Interesse am Sofortvollzug darin, dass der Zweck der Beseitigungsverfügung vom 3. August 2016 noch nicht erfüllt sei und ein Zuwarten bis zu einem Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht geboten sei. Im Ergebnis wiege das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit schwerer als das private Interesse am Weiterbestand der Mauer und der Auffüllung. Ob die Begründung zutreffend ist, kann an dieser Stelle dahinstehen; auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs nicht an.
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b) Nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung hat die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. November 2023 voraussichtlich keinen Erfolg. Die Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig. Das Zwangsgeld begegnet ebenfalls keinen Bedenken, sodass der Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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aa) Die Anordnung der Beseitigung der errichteten Mauer in Nr. 1 des Bescheids ist rechtmäßig.
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(1) Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde der Antragsteller vor Erlass mit Schreiben vom 22. August 2023 ordnungsgemäß angehört, Art. 28 BayVwVfG.
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(2) Auch in materieller Hinsicht ist die Beseitigungsverfügung nicht zu beanstanden.
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Richtige Rechtsgrundlage der angefochtenen Anordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Eine Errichtung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist nach herrschender Meinung (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 149. EL 2023, Art. 76 Rn. 79 m.w.N.) gegeben, wenn für das Vorhaben weder die erforderliche Baugenehmigung vorliegt (formelle Illegalität), noch das Vorhaben genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität).
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(a) Die streitgegenständliche Mauer – die zweifelsohne eine einer bauordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnis zugänglichen bauliche Anlage im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO darstellt – ist formell baurechtswidrig.
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Gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen grundsätzlich der Baugenehmigung. Ob eine Anlage in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich zunächst nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung (BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 – juris Rn. 22). Wegen der durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Eigentumsgarantie und dem aus dem einfachen Recht abgeleiteten Bestandsschutz ist jedoch auch die Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung oder der Änderung der Anlage zu berücksichtigen (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 152. EL 2023, Art. 76 Rn. 132 m.w.N.).
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Die streitgegenständliche Mauer genießt keinen sog. passiven, formellen Bestandsschutz. Sie durfte weder zum Zeitpunkt ihrer Errichtung noch in der Folgezeit verfahrensfrei errichtet werden. Eine demzufolge notwendige Baugenehmigung liegt nicht vor. Das Gericht geht auf Grundlage der Ausführungen der Beteiligten von der Errichtung der Mauer vor Mitte der 1970er Jahre aus, wenngleich nähere Nachweise hierfür nicht vorgelegt wurden. Diese Einordnung liegt aufgrund der in den Akten befindlichen Angaben des ehemaligen Hausmeisters sowie der Nachbarn der angrenzenden Grundstücke FlNrn. 516/7 und 516/8 jew. Gem. … nahe; auch das Landratsamt hat den genannten Zeitraum seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Auch der Antragsteller machte keine substantiierten anderslautenden Angaben hierzu.
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(aa) Nach Art. 82 BayBO in der Fassung sowohl vom 21. August 1969 (im Folgenden BayBO 1969; diese Fassung der Vorschrift galt vom 1. Oktober 1969 bis zum 30. September 1974) als auch 1. Oktober 1974 (im Folgenden BayBO 1974; diese Fassung der Vorschrift galt vom 1. Oktober 1974 bis zum 31. August 1982) bedurfte die Errichtung der Mauer einer Baugenehmigung, wenn nicht einer der in der Vorschrift genannten Ausnahmetatbestände vorlag. Nach den hier in Betracht kommenden Ausnahmetatbeständen des Art. 83 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO 1969 und Art. 83 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO 1974 bestand für Mauern und Einfriedungen, ausgenommen im Außenbereich, die örtlichen Bauvorschriften entsprechen oder, wenn sie an öffentlichen Verkehrsflächen liegen, eine Höhe von 1 m, sonst eine Höhe von 1,30 m nicht überschreiten, eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht. Demnach kam es hier nach Alt. 2 der Vorschriften auf die Höhe der Mauer an. Über diese liegen unterschiedliche Angaben vor, dies mag auf unterschiedlichen Messstellen an der nicht einheitlich hohen Mauer oder auf bloßen Schätzungen beruhen. Nach den Feststellungen des Landratsamts, denen die Antragspartei nicht entgegengetreten ist, überschreitet die Mauer jedenfalls in bestimmten Bereichen – insbesondere die gesamte Faser-Zement-Mauer (1,42 m) – die verfahrensfreie Höhe von 1,30 m. Dies genügt für die Genehmigungspflicht der Errichtung der gesamten Mauer. Denn bei der Beurteilung der Genehmigungsfreiheit einer Anlage ist die Anlage in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen, sie darf nicht in genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Teile aufgespalten werden (Weber in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 5. Auflage 2022, Art. 57 Rn. 6). Insbesondere ist auch deshalb eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, weil die Mauer eine einheitliche Funktion, die Verbesserung des Hochwasserschutzes zu Gunsten des Antragstellergrundstücks, erfüllen soll. Ihre Errichtung wäre folglich nur dann verfahrensfrei (gewesen), wenn sie an keiner Stelle eine Höhe von 1,30 m überschreiten würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
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(bb) Die Rechtslage hat sich auch in der Folgezeit nicht zu Gunsten des Antragstellers geändert. Der Beseitigungsanordnung kann nicht eine spätere formelle Legalität entgegengehalten werden.
32
Nach Art. 66 Abs. 1 Nr. 14b BayBO in der Fassung vom 2. Juli 1982, welche vom 1. September 1982 bis zum 31. Dezember 1982 galt, lag die zulässige Höchstgrenze für die baurechtliche Genehmigungsfreiheit von Mauern bei 1,50 m. Aufgrund des unterschiedlichen Geländeniveaus auf dem o.g. Grundstück ist mit der Einschätzung des Landratsamts – auch insoweit ist die Antragspartei dieser nicht entgegengetreten – davon auszugehen, dass die Mauer teilweise bzw. zumindest an einer Stelle eine Höhe von mehr als 1,50 m aufweist.
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Unterstellt zu Gunsten des Antragstellers, dass die nach der o.g. Vorschrift verfahrensfrei zulässige Höhe von 1,50 m nicht überschritten wäre, würde dies nichts an der formellen Illegalität der Mauer ändern, weil jedenfalls eine wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 59 BayWG erforderlich gewesen wäre, dies galt vom 1. Januar 1963 bis zum 28. Februar 2010. Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 BayWG durften Anlagen in oder an Gewässern erster und zweiter Ordnung, die nicht der Benutzung, der Unterhaltung oder dem Ausbau dienen, nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde errichtet oder wesentlich geändert werden (sog. wasserrechtliche Anlagengenehmigung). Anlagen an Gewässern waren nach Art. 59 Abs. 1 Satz 2 BayWG unter anderem solche, die weniger als sechzig Meter von der Uferlinie entfernt sind – dies ist hier unstreitig der Fall. Zwar handelt es sich bei dem …graben nicht um ein Gewässer erster oder zweiter Ordnung, sondern um ein Gewässer dritter Ordnung. Für solche Gewässer oder Teile davon konnten nach Maßgabe des Art. 58 Abs. 2 BayWG die Regierungen durch Rechtsverordnung die Genehmigungspflicht begründen. Dies ist für den …graben als Teil der … Ache durch bis heute gültige Verordnung der Regierung von Oberbayern über die Genehmigungspflicht für Anlagen in oder an Gewässern dritter Ordnung im Regierungsbezirk Oberbayern vom 1. Mai 1966 geschehen.
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(cc) Bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans der Gemeinde führte die Rechtslage deshalb zu keinem Zeitpunkt zu einer formellen Legalität; die Mauer war unentwegt formell rechtswidrig, weil Verfahrensfreiheit nie gegeben war. Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans am 25. April 1995 bis heute ist die Mauer jedenfalls auch deshalb formell illegal, weil sie den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, wonach u.a. das Überschwemmungsgebiet von sämtlicher Bebauung freizuhalten ist und es demnach einer Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB bedarf.
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Der Antragsteller hat die Mauer demnach ohne die erforderliche Genehmigung bzw. Befreiung errichtet; ein solches hat er zu keinem Zeitpunkt beantragt.
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(b) Die Errichtung der Mauer war und ist darüber hinaus materiell illegal.
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Sie widerspricht seit ihrer Errichtung dem materiellen Wasserrecht, seit Inkrafttreten des Bebauungsplans zudem dem materiellen Baurecht.
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Gem. Art. 59 Abs. 4 Satz 2 BayWG 1962, 1988 und 1994 durfte die (hier erforderliche, siehe oben Rn. 33) wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 59 Abs. 1 BayWG nur versagt, an Bedingungen und Auflagen geknüpft oder widerrufen werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die in Art. 59 Abs. 2 BayWG aufgezählten Gründe – der Wasserwirtschaft, insbesondere der Unterhaltung, des Ausbaus und der Gewässerökologie, der öffentlichen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs oder des Schutzes von Leben, Gesundheit oder Eigentum – es erfordern. War für die betreffende Anlage, wie hier für die Mauer, eine Baugenehmigung erforderlich, ersetzte diese gemäß Art. 59 Abs. 7 Satz 1 BayWG 1962, 1988 und 1994 die wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 59 Abs. 1 BayWG, wobei im Baugenehmigungsverfahren die genannten materiellen Kriterien des Art. 59 BayWG zu prüfen sind (sog. Konzentrationswirkung der Baugenehmigung).
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Der streitgegenständliche Bescheid legt zutreffend dar, dass die Mauer dem Wohl der Allgemeinheit widerspricht. Das Landratsamt führt aus, dass sie im faktischen Überschwemmungsgebiet des …grabens liegt. Es stützt sich auf die Stellungnahme der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft vom 7. Dezember 2015 (Bl. 177 d. BA zum BV 229-2014), die bereits zur Begründung des Bescheids vom 3. August 2016 herangezogen worden ist. Danach werde das Grundstück des Antragstellers sowie das östliche Nachbargrundstück FlNr. 516/7 Gem. … bei einem 100-jährigen Hochwasser größtenteils überflutet, die quer zur Fließrichtung errichtete Mauer stelle eine wesentliche Beeinflussung des Hochwasserabflusses dar. Diese Einschätzung kann auch für die hier streitgegenständliche Mauer herangezogen werden, weil der Sachverhalt vollständig vergleichbar ist. Ferner wurde die fachliche Bewertung gegenwärtig und in Bezug auf das streitgegenständliche, behördliche Beseitigungsverfahren bestätigt. Mit Schreiben vom 31. August 2023 des Wasserwirtschaftsamts … (Bl. 139 d. BA „Wasserrecht“), das das Landratsamt zur Begründung der materiellen Wasserrechtswidrigkeit heranzieht, bekräftigte die Fachbehörde die negative Beeinflussung des östlichen Nachbargrundstücks und des Wohngebäudes. Bei einem 100-jährigen Hochwasser werde das Wasser oberhalb der Mauer aufgestaut und größere Wassertiefen auf dem Nachbargrundstück gebildet. Die Beseitigung der Mauer stelle eine Verbesserung für das Nachbargrundstück dar; der Fortbestand der Mauer könne aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht befürwortet werden. Das Landratsamt hat dies zutreffend dem Bescheid zugrundegelegt und die Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit begründet. Den beiden dokumentierten fachlichen Stellungnahmen ist die Antragspartei auch nicht entgegengetreten. Dabei kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts als kraft Gesetzes eingerichtete Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) eine besondere Bedeutung zu (siehe z.B. BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 8 ZB 17.867 – juris Rn. 22).
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Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 25 der Gemeinde ist die Mauer zudem materiell baurechtswidrig. Sie widerspricht schon der Festsetzung des Bebauungsplans, wonach das festgesetzte Überschwemmungsgebiet des …grabens von jeglicher Bebauung freizuhalten ist. Gegen die Festsetzung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB, wonach im Bebauungsplan die Wasserflächen sowie die Flächen für die Wasserwirtschaft, für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses festgesetzt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2016 – 1 NE 16.1765 – juris Rn. 9; die Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB ist für Baufreihaltungsregelungen im faktischen Überschwemmungsgebiet die gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 10 bzw. Nr. 24 BauGB speziellere Festsetzungsmöglichkeit). Ferner widerspricht die aus Beton und Faser-Zement errichtete Mauer der textlichen Festsetzung in § 2 Nr. 5 des Bebauungsplans, wonach zwischen den Baugrundstücken als Einfriedungen (wohl ebenfalls zum Hochwasserschutz) nur Maschendrahtgewebezäune mit durchgehender Hinterpflanzung zulässig sind. Insoweit können auch nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden, Art. 76 Satz 1 a.E. BayBO. Die Voraussetzungen für eine notwendige Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen angesichts der örtlichen Gegebenheiten keinesfalls vor.
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(3) Der Antragsgegner hat das ihm in Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen auch in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
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Er hat im Bescheid deutlich gemacht, dass er eine Ermessensentscheidung trifft und seine Erwägungen näher dargelegt (Seite 20 f. des Bescheids). So hat er Notwendigkeit der Verfügung u.a. mit dem Zweck der Befugnisnorm, den massiven Beeinträchtigungen des Hochwasserabflusses und der Gefahrenabwehr begründet. Die Schreiben der Antragspartei im Verwaltungsverfahren wurden hinreichend gewürdigt. Auf die zutreffenden Erwägungen im Bescheid wird verwiesen, ohnehin hat die Antragspartei auch diesbezüglich keine Bedenken erhoben.
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bb) Die Anordnung der Beseitigung der Auffüllung sowie der Wiederherstellung des ursprünglichen Geländes in Nr. 2 des Bescheids ist rechtmäßig.
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(1) Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 18. Oktober 2023 auch zur beabsichtigen Beseitigungsverfügung hinsichtlich der Auffüllung ordnungsgemäß angehört, Art. 28 BayVwVfG.
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(2) Auch in materieller Hinsicht ist diese Beseitigungsverfügung nicht zu beanstanden.
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Das Landratsamt hat die Verfügung insoweit zutreffend auf Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG gestützt. Danach ordnen die Kreisverwaltungsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen.
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Die Auffüllung ist formell wasserrechtswidrig. Als Anlage, die weniger als sechzig Meter von der Uferlinie des …grabens – eines Gewässers dritter Ordnung – entfernt situiert ist, bedurfte sie aufgrund der gültigen Verordnung (siehe oben Rn. 33) einer wasserrechtlichen Anlagengenehmigung.
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Sie ist auch materiell wasserrechtswidrig, weil nach der fachlichen Einschätzung auch die Auffüllung den Hochwasserabfluss negativ beeinflusst. Ausweislich der bereits erwähnten Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts … vom 31. August 2023 wäre das Wohngebäude auf dem östlichen Nachbargrundstück FlNr. 516/7 Gem. … bei Entfernung der Mauer weiterhin betroffen. Nur die gleichzeitige Beseitigung der Mauer und die Wiederherstellung des Ursprungsgeländes (Absenken des östlichen Bereichs der Mauer auf das Umgebungsgelände) verhindere nach den hydraulischen Berechnungen die Betroffenheit des Wohngebäudes. Diese Einschätzung wurde von Antragspartei nicht angegriffen, auch das Gericht folgt ihr.
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Dem Bescheid ist entgegen der Antragspartei auch ohne Weiteres zu entnehmen, um welche Auffüllung es sich handelt; der Verfügungsumfang ist eindeutig erkennbar. Die Beseitigung der Auffüllung wurde mit Darlegung der Bezugspunkte für das ursprüngliche Gelände mitsamt Lichtbildern näher präzisiert (Seite 2 f. des Bescheids). Weshalb trotz dessen dem Bescheid nicht entnommen werden können soll, um was es sich bei der Auffüllung handle, ist nicht erkennbar und ohnehin nicht näher dargelegt. Unerheblich ist ferner, dass die Behörde weder Zeitpunkt der Errichtung nennt noch den Handlungsstörer bezeichnet. Anknüpfungspunkt für das aufsichtliche Einschreiten ist das aktuelle Bestehen der Auffüllung auf dem Grundstück des Antragstellers, der damit als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden kann.
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Die Ermessensbetätigung ist diesbezüglich ebenfalls nicht zu bemängeln, zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf o.g. Ausführungen verwiesen.
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cc) Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 4 des Bescheids begegnen ebenfalls keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat das Zwangsgeld in rechtlich nicht zu beanstandender Weise für den Fall der Nichtbefolgung der Nrn. 1 und 2 in Höhe von jeweils 4.000,00 EUR, und damit im unteren Bereich des in Art. 31 Abs. 2 VwZVG vorgesehenen Rahmens, angedroht. Die Antragspartei hat diesbezüglich auch nichts vorgetragen.
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c) Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsverfügung bzgl. der Mauer und der Auffüllung.
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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulden (BayVGH, B.v. 23.8.2012 – 15 CS 12.130 – juris Rn. 12). Eine baurechtliche Beseitigungsanordnung ist in aller Regel eine schwerwiegende Maßnahme, deren Vollzug dem Betroffenen Kosten verursacht und in der Regel nur mehr schwer rückgängig zu machende Zustände schafft. Ihr Gewicht wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen wird (BayVGH, B.v. 6.10.2000 – 2 CS 98.2373 – juris Rn. 16). Erforderlich ist deshalb ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und regelmäßig im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO grundsätzlich zu verneinen sein wird (Decker in Simon/Busse, BayBO, 144. EL September 2021, BayBO, Art. 76 Rn. 332 ff.). Bei Beseitigungsanordnungen ist deshalb regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (BayVGH, B.v. 28.3.2007 – 1 CS 06.3006 – juris Rn. 27). Selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen (BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 25).
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Der Antragsgegner konnte dennoch die sofortige Vollziehung der Verfügungen anordnen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt das Interesse des Antragstellers, die Mauer und die Auffüllung vorläufig weiterbestehen zu lassen. Hochwasser haftet bereits von sich aus eine unkontrollierte und insbesondere unvorhersehbare Gefahr an. Die durch die Anlagen verursachte Erhöhung der Hochwasser- und Überschwemmungsgefahr für das östliche Nachbargrundstück rechtfertigt es, nicht bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten – sie erfordert vielmehr ein sofortiges Einschreiten. Die im Bescheid abgedruckten Lichtbilder des Nachbargrundstücks (Seite 22) bestätigen die bereits fachbehördliche ausgeführte vorhandene Gefahrensituation. Bei Hochwasser und Überschwemmungen besteht nicht nur die konkrete Gefahr von Sachschäden am Wohngebäude, sondern angesichts drohender Überflutung des unterkellerten Bereichs auch Gefahr für Leib und Leben. Das Interesse des Antragstellers, sein eigenes Grundstück mitsamt Wohngebäude vor Gefahren zu schützen, mag nachvollziehbar sein, hat hier jedoch zurückzustehen, weil dies auf Kosten der Nachbarbebauung erfolgen würde. Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass bereits (bestandskräftig) die Beseitigung einer Mauer gegenüber dem Voreigentümer des Grundstücks verfügt worden ist. Diese war offenbar baulich und funktional mit der hiesigen verbunden. Die streitgegenständliche Verfügung beruht allein auf dem Auffinden der zweiten Mauer im Zuge des Abbruchs der ersten. Demnach hätten bereits viel früher rechtmäßige Zustände geschaffen und die Hochwasser- und Überschwemmungsgefahr für das östliche Nachbargrundstück beseitigt werden sollen.
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Unstreitig ruft die gesamte Situation Bedarf für ein Konzept zum effektiven Hochwasserschutz hervor. Nach den Akten hat die Gemeinde den Bedarf erkannt und mit der Ausarbeitung eines Konzepts begonnen, sodass möglicherweise mit einer gebietsverträglichen Lösung sowohl für den Antragsteller als auch die Eigentümer der übrigen betroffenen Grundstücke zu rechnen ist. Gleichwohl ändert dies nichts am Vorliegen des überwiegenden öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug der Beseitigungsanordnung.
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Nach alledem wird die Klage voraussichtlich erfolglos sein, sodass das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von 10.000 EUR (je 5.000 EUR für Mauer und Auffüllung) im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren.