Titel:
Einstweilige Anordnung (teilweise Stattgabe), Trägerauswahlverfahren, Familienstützpunkt, Ermessensentscheidung, Vorrang der freien Träger, Einrichtung von Gemeinden
Normenketten:
VwGO § 123
SGB VIII § 4
SGB VIII § 16
SGB VIII § 74
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung (teilweise Stattgabe), Trägerauswahlverfahren, Familienstützpunkt, Ermessensentscheidung, Vorrang der freien Träger, Einrichtung von Gemeinden
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13493
Tenor
I. Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, auf Grundlage des Beschlusses des Jugendhilfeausschusses vom 1. Februar 2024 (Nr. 65/2024) den interkommunalen Verbund N., E. und H. mit der Umsetzung eines Familienstützpunktes zu beauftragen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsteller 1/3, der Antragsgegner 2/3.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seine Beauftragung durch den Antragsgegner mit der Umsetzung eines Familienstützpunktes auf Grundlage eines Trägerauswahlverfahrens.
2
Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat die Richtlinie zur Förderung der strukturellen Weiterentwicklung kommunaler Familienbildung und von Familienstützpunkten am 27. Mai 2021 bekannt gemacht (BayMBl. Nr. 411). Darin wird unter anderem die Förderung von Sach- und Personalausgaben für den Betrieb und die nachhaltige Sicherung von Familienstützpunkten festgelegt (Ziffer 2). Familienstützpunkte müssten an einer Einrichtung der Eltern- und Familienbildung nach § 16 SGB VIII in Trägerschaft der öffentlichen oder der freien Jugendhilfe angegliedert sein. Dies könnten insbesondere Familienbildungsstätten, Mütter- und Väterzentren, Familienzentren, Erziehungsberatungsstellen, Kindertageseinrichtungen oder Mehrgenerationenhäuser sein. In begründeten Einzelfällen könne auch eine Gemeinde oder ein Gemeindeverbund Familienstützpunkt werden.
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Der Antragsgegner entwickelte darauf beruhend ein Familienbildungskonzept (abrufbar unter: https://kreis-freising.de/fileadmin/user_upload/Aemter/Amt_fuer_Jugend_und_Familie/Besondere_Fachdienste/Koordinierungsstelle_Familienstuetzpunkte/2022_08_09_Konzept_Familienbildung_Landkreis_Freising.pdf), in welchem u.a. sieben Sozialräume entwickelt wurden (Seite 37 f.) und festgelegt wurde, dass zur strukturellen Weiterentwicklung von Familienbildung das Ziel des Antragsgegners sei, grundsätzlich in allen sieben Sozialräumen einen Familienstützpunkt zu eröffnen (Seite 82). Sofern es keinen geeigneten Träger vor Ort gäbe, könne auch die Gemeinde oder ein Gemeindeverbund selbst Träger werden, solange die fachliche Kompetenz durch eine Fachkraft sichergestellt sei (Seite 81). Ein Bewerbungsverfahren hierfür werde bekannt gemacht, die Auswahl der Familienstützpunkte obliege der Abteilung Jugend und Familie, dem Jugendhilfeausschuss, sowie den Gemeindevertreterinnen und Vertretern des jeweiligen Sozialraumes. Zudem wurden Wertungskriterien als Bewertungsgrundlage für das Bewerbungsverfahren erarbeitet (Seite 82 ff.). Das Konzept wurde mit Schreiben des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 10. Februar 2022 freigegeben.
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Der Antragsgegner veröffentlichte im Folgenden ein Formular für die Bewerbung als Familienstützpunkt in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich, in welchem auch die Wertungskriterien im Einzelnen ausgeführt wurden; als Anlage war zudem ein „Kriterienkatalog für Familienstützpunkte“, in welchem nähere Ausführungen u.a. hinsichtlich der Rahmenbedingungen entsprechend seinem Konzept benannt wurden, beigefügt.
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Mit Schreiben vom 6. November 2022 übersandte der Antragsteller an den Antragsgegner seine Bewerbung für einen Familienstützpunkt im Sozialraum 7. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2022 bewarben sich drei kreisangehörige Gemeinden im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Sozialraums 7 für die Einrichtung des Familienstützpunktes als interkommunales Projekt.
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Die Verwaltung des Antragsgegners nahm daraufhin eine Bewertung der Bewerbungen entsprechend dem vorgegebenen Kriterienkatalog vor, legte Unterschiede in den Bewerbungen dar und kam aufgrund dieser Bewertung zu einem Vorsprung des Antragstellers für den Sozialraum 7.
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In der Jugendhilfeausschusssitzung des Antragsgegners vom 1. Februar 2024 wurde unter Top 8 einstimmig die Umsetzung eines Familienstützpunktes im Rahmen des interkommunalen Verbundes der drei Gemeinden und deren Beauftragung mit der Umsetzung eines Familienstützpunktes beschlossen.
8
Mit Schreiben vom 24. März 2024 (fehlerhaft datiert auf den 24. März 2023) teilte der Antragsgegner den Beteiligten des interkommunalen Projekts mit, dass sie die Voraussetzungen als Familienstützpunkt erfüllen würden und sich der Antragsgegner die Installierung eines Familienstützpunktes als interkommunales Projekt nach Klärung einiger Fragen (wie Rahmenbedingungen vor Ort, Aufgaben vom Familienstützpunkt, Kooperation des Familienstützpunktes mit der Koordinierungsstelle, Finanzierung vom Familienstützpunkt, Verortung vom Familienstützpunkt) sehr gut vorstellen könne. Ein gemeinsames Gespräch mit allen beteiligten Kommunen aus dem betreffenden Sozialraum sei dafür vorgesehen.
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Der Antragsteller erhob am 6. Februar 2024 beim Verwaltungsgericht München einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Antrag,
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bei der Vergabe des Familienstützpunktes im Sozialraum 7 den Zuschlag zu erhalten.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Vergabe an den interkommunalen Verband gegen den Kriterienkatalog des Antragsgegners, die Richtlinie des Staatsministeriums sowie § 4 Abs. 2 SGB VIII verstoße. Die Förderung von Gemeinden, die in ihrem eigenen Aufgabenbereich handeln würden, sei keine Zielsetzung des SGB VIII.
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Der Antragsgegner legte die Behördenakten elektronisch vor und beantragte mit Schriftsatz vom 8. April 2024,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass im Jugendhilfeausschuss die Kreisrätin A., welche seit vielen Jahren beim Antragsteller mitarbeite, aber auch Mitglied des Rates eines der drei Gemeinden des Gemeindeverbundes sei, die interkommunale Zusammenarbeit als wichtiges Kriterium benannt und ausgeführt habe, dass dies bei dem Antragsteller nicht gegeben sei. Zudem habe sie im Detail dargelegt, warum die Bewertung des Jugendamtes zu den einzelnen Bewertungskriterien aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar sei. Im Folgenden habe der Ausschuss einstimmig gegen die vorläufige Bewertung durch die Verwaltung gestimmt.
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Der vorliegende Antrag sei bereits unzulässig, da mit ihm die unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt werde. Zudem habe das durchgeführte Auswahlverfahren den gesetzlichen Anforderungen genügt. Der Jugendhilfeausschuss habe in Anwendung der Beurteilungsvorgaben des Familienbildungskonzeptes eine ermessensgerechte Auswahlentscheidung zugunsten des Gemeindeverbunds getroffen. Für den Jugendhilfeausschuss sei der – in der vorläufigen Auswertung des Jugendamtes nicht erwähnte – Gesichtspunkt, dass die notwendige interkommunale Zusammenarbeit sichergestellt werden müsse, von besonderer Gewichtung gewesen. Im Ergebnis habe – ungeachtet des Kriteriums „interkommunale Zusammenarbeit“ – zumindest ein Gleichstand (auch) in den Kriterien „Leitziele Familienbildung“ „Familienfreundliche Angebote“, „Erreichbarkeit“, „Familien in besonderen Lebenslagen“ und „partizipativer Ansatz“ aber ein Bewertungsvorsprung im Bereich „Kooperation/Netzwerkarbeit“ bestanden. Auch die Entscheidung für einen Gemeindeverbund als Träger sei nicht ermessenswidrig. Ein absoluter Vorrang privater Träger der Jugendhilfe bestehe nicht. Ausschlaggebend dafür, dass der Jugendhilfeausschuss letztlich von einem begründeten Einzelfall ausgegangen sei, in dem ein Gemeindeverbund zum Zug kommen könne, sei gewesen, dass sich in Gesprächen zwischen Vertretern der drei Gemeinden und dem Antragsteller herausgestellt habe, dass eine Basis für die hierfür erforderliche enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht bestehe. Auch ein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 SGB VIII bestehe nicht. Ein Tätigwerden von Gemeinden werde hierdurch nicht eingeschränkt. Als Anlage war eine undatierte schriftliche Fassung der Argumentation der Gemeinderätin A. zur Ausschusssitzung vom 1. Februar 2024, welche im Nachgang elektronisch an den Antragsgegner übermittelt worden sei, beigefügt.
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Der Antragsteller nahm mit Schriftsatz vom 6. Mai 2024 ergänzend Stellung und führte insbesondere aus, dass die Kreisrätin A. nicht bei dem Antragsteller mitarbeite; sie habe im Bewerbungsverfahren persönlich an keinem der Gespräche teilgenommen. Als Gemeinderätin und Sozialreferentin habe sie allerdings an dem Beschluss zur interkommunalen Bewerbung mitgewirkt. Sie sei deshalb befangen. Der Antragsteller werde als nicht kooperativ und nicht gesprächsbereit hingestellt; die Bewertung sei geringschätzend. Die Korrektur der Bewertung des Jugendamtes durch den Jugendhilfeausschuss werde als rechtswidrig gesehen. Sie sei nicht fachlich neutral vorgenommen worden, sondern resultiere aus dem Vortrag der Kreisrätin A., welche die Position des konkurrierenden Gemeindeverbunds eingenommen habe.
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Auf telefonische Nachfrage erklärte der Antragsgegner am 21. Mai 2024, dass der Antragsgegner grundsätzlich beabsichtige, zur Installation eines Familienstützpunktes mit den jeweils ausgewählten Trägern einen Vertrag mit einer Laufzeit von einem Jahr entsprechend dem durch das Ministerium gewählten Förderzeitraum abzuschließen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
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I. Der Antrag des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers war sachgerecht nach §§ 88, 122, 123 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens seine Beauftragung durch den Antragsgegner mit der Umsetzung eines Familienstützpunktes im Sozialraum 7 des Antragsgegners erreichen möchte. Denn das durch den Antragsgegner durchgeführte Trägerauswahlverfahren entspricht keinem förmlichen Vergabeverfahren, welches durch Zuschlagerteilung abgeschlossen wird, § 127 GWB (vgl. hierzu: VG München, B.v. 3.8.2023 – M 18 E 23.3704 – juris Rn. 34 ff.). Vielmehr beabsichtigt der Antragsgegner nach der Auswahlentscheidung mit dem ausgewählten Träger einen Vertrag zur Umsetzung eines Familienstützpunktes zu schließen.
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II. Dementsprechend ist vorliegend auch der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet und besteht insbesondere keine Sonderzuständigkeit der Vergabekammer (vgl. hierzu VG München, B.v. 22.7.2021 – M 18 E 21.2712 – beck-online).
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III. Von einer Beiladung des interkommunalen Verbundes durfte in vorliegendem Verfahren abgesehen werden.
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Zwar ist die Beiladung Dritter notwendig, wenn diese an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, § 65 Abs. 2 VwGO. Vorliegend hat jedoch der interkommunale Verbund noch keine Rechtsposition aufgrund der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung erlangt, die ihm unmittelbare Rechte verleihen (vgl. BVerwG, B.v. 13.6.2007 – 6 VR 5/07 – beck-online Rn. 7). Vielmehr sind von dem Antragsgegner aufgrund der Auswahlentscheidung lediglich umfangreiche Vertragsverhandlungen mit diesem angekündigt bzw. zugesagt (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 24. März 2023). Ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Umsetzung und Förderung des Familienstützpunktes ergibt sich hieraus nicht. Zudem wird dem Antragsgegner mit der vorliegenden Entscheidung ausschließlich aufgegeben, den Sachverhalt hinreichend zu ermitteln und darauf beruhend gegebenenfalls eine erneute Trägerauswahlentscheidung zu treffen, sodass auch kein abschließender Ausschluss des interkommunalen Verbundes durch vorliegendes Eilverfahren erfolgt. Im Sinne der Verfahrensbeschleunigung wurde daher von der Beiladung des interkommunalen Verbundes – welche auch von den Parteien nicht angeregt wurde – abgesehen (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.2006 – 1 BvR 675/06 – beck-online).
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IV. Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren ausschließlich einen Anspruch auf vorläufige Unterlassung des Vertragsschlusses mit dem, mit Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 1. Februar 2024 ausgewählten, Träger glaubhaft gemacht. Hingegen hat er keinen Anspruch auf seine (vorläufige) Beauftragung, sodass der Antrag insoweit abzulehnen war.
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1) Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber in zeitlicher Hinsicht vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4; Schoch/Schneider/Schoch, 44. EL März 2023, VwGO § 123 Rn. 145).
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2) Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch teilweise einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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2.1) Insbesondere aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ist im vorliegenden Einzelfall von einem Anordnungsgrund auszugehen, der auch die zumindest teilweise Vorwegnahme der Hauptsache – wie vorliegend – rechtfertigt.
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Die Annahme eines generellen Vorwegnahmeverbots der Hauptsache ist unvereinbar mit der Garantie eines wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (Schoch/Schneider/Schoch, 44. EL März 2023, VwGO § 123 Rn. 141b ff.). Ob das Wartenmüssen auf die Hauptsacheentscheidung für den Antragsteller in o.g. Sinne unzumutbar ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden (NK-VwGO/Adelheid Puttler, 5. Aufl. 2018, VwGO § 123 Rn. 83-85).
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Da der Anordnungsgrund die Eilbedürftigkeit der einstweiligen Anordnung rechtfertigt, muss er sich aus dem Zeitablauf selbst ergeben oder in der Zwischenzeit bis zur Hauptsacheentscheidung eintreten und später nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Liegt der Nachteil im Zeitablauf selbst, muss er „wesentlich“ sein, also schwerer wiegen als der übliche Zeitverlust, den ein Kläger immer in Kauf zu nehmen hat, wenn er seinen Anspruch – ggf. über mehrere Instanzen – verfolgt. Allerdings liegt der besondere Nachteil gerade dann in diesem üblichen Zeitverlust, wenn es um Lebenssachverhalte geht, in denen gerichtlicher Rechtsschutz besonders zeitnah gewährt werden muss, um überhaupt noch effektiv zu sein, z.B. bei Rechtsstreitigkeiten in Schul- und Hochschulsachen. Hier dürfen Gerichte mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 GG keine überspannten Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes stellen. Im üblichen Zeitverlust liegt der Anordnungsgrund auch dann, wenn der Rechtsverlust gerade durch diesen Zeitverlust droht, etwa wenn eine Leistung nur für einen bestimmten Zeitraum begehrt wird, nach Ablauf dieses Zeitraums die Leistung aber nicht mehr erbracht werden kann (NK-VwGO/Adelheid Puttler, 5. Aufl. 2018, VwGO § 123 Rn. 83-85).
32
Entsprechend der telefonischen Auskunft des Antragsgegners vom 22. Mai 2024 ist davon auszugehen, dass ein Vertragsschluss aufgrund der Auswahlentscheidung ausschließlich für ein Jahr und auch ohne Regelung einer Verlängerungsmöglichkeit beabsichtigt ist. Erkenntnisse darüber, welches weitere Vorgehen der Antragsgegner nach Ablauf dieses Jahres beabsichtigt, sind aus der vorgelegten Behördenakte und den Stellungnahmen des Antragsgegners nicht ersichtlich. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsgegner hierzu derzeit selbst noch keine konkreten Vorstellungen hat.
33
Der Antragsteller kann daher nicht auf das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung verwiesen werden. Denn mit einer solchen Entscheidung ist nicht innerhalb eines Jahres zu rechnen. Zudem erscheint zumindest fraglich, ob der Antragsteller im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens nach Ablauf des Vertragsjahres ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinreichend geltend machen könnte. Er dürfte daher in der vorliegenden Konstellation eine rechtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht erreichen können. Zudem sind durch den Antragsteller zwar keinerlei Ausführungen zu seinen wirtschaftlichen Nachteilen durch eine fehlende Beauftragung erfolgt, das Gericht geht jedoch davon aus, dass die streitgegenständliche Auswahlentscheidung tatsächlich erhebliche Auswirkungen auf den dauerhaften Betrieb des Familienstützpunktes und eine Verdrängung des Antragstellers auch über die aktuell beabsichtigte Vertragslaufzeit hinaus haben dürfte (vgl. Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 123 Rn. 87; NK-VwGO/Adelheid Puttler, 5. Aufl. 2018, VwGO § 123 Rn. 82a; BeckOK VwGO/Kuhla, 69. Ed. 1.7.2023, VwGO § 123 Rn.129). Durch die erstmalige Beauftragung des Konkurrenten des Antragstellers – wenn auch nur zunächst für ein Jahr – liegt daher ein wesentlicher Nachteil für den Antragsteller vor, welcher die Annahme eines Anordnungsgrundes unter zumindest teilweiser Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung rechtfertigt.
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2.2) Zudem hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der Untersagung des Vertragsschlusses mit dem interkommunalen Verbund – seinem Konkurrenten – glaubhaft gemacht.
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Die beabsichtigte Umsetzung eines Familienstützpunktes stellt entsprechend der Richtlinie zur Förderung der strukturellen Weiterentwicklung kommunaler Familienbildung und von Familienstützpunkten vom 27. Mai 2021 eine Leistung der Jugendhilfe nach § 16 SGB VIII dar. Der Antragsgegner beabsichtigt deren Förderung durch eine Bezuschussung gemäß §§ 74, 77 SGB VIII.
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Bemühen sich mehrere freie Träger um die Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen, so steht ihnen auf der Grundlage der aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Wettbewerbsfreiheit ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren zu (stRspr; BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 12 CE 21.2846 – juris Rn. 2; BVerwG, U.v. 17.7.2009 – 5 C 25/08 – juris).
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Die Entscheidung selbst unterliegt mit Blick auf § 114 Satz 1 VwGO dabei grundsätzlich nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu überprüfen ist lediglich, ob sich der Antragsgegner in den gesetzlichen Grenzen seines Ermessens gehalten und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BVerwG, U.v. 28.9.2017 – 5 C 13/16 – Rn. 11). Allerdings ist die gerichtliche Kontrolle der Zuwendungsgewährung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG wegen der materiell-rechtlichen Grundsätze des Bundesjugendhilferechts nicht auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle beschränkt, obgleich die Finanzierung von Tageseinrichtungen im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit liegt. Erforderlich sind vielmehr hinreichend tragfähige sachliche Gründe (VG München, U.v. 20.3.2024 – M 18 K 19.1931 – juris Rn. 69).
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Der Antragsteller hat vorliegend glaubhaft gemacht, dass die im Jugendhilfeausschuss des Antragsgegners vom 1. Februar 2024 unter Top 8 getroffene Entscheidung nicht ermessensgerecht ist und ihn daher in seinen Rechten verletzt. Denn der Antragsgegner hat den gesetzlichen Vorrang der freien Träger im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nicht hinreichend berücksichtigt.
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a) Der Jugendhilfeausschuss war – entgegen der Ansicht des Antragstellers – für die abschließende Trägerauswahlentscheidung zuständig.
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Zwar ist die Regelung des Antragsgegners in seinem Familienbildungskonzept hierzu, wonach die Auswahl der Abteilung Jugend und Familie, dem Jugendhilfeausschuss, sowie den Gemeindevertreterinnen und -Vertretern des jeweiligen Sozialraums obliege (S. 82), unbestimmt und lässt den Entscheidungsträger bzw. die Form der erforderlichen Abstimmung nicht erkennen. Zumindest kann der Antragsteller hieraus jedoch keinen Rechtsanspruch für sich auf eine Entscheidung ausschließlich durch das Jugendamt ableiten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Jugendhilfeausschuss als beschließenden Ausschuss des Kreistages, §§ 70 f. SGB VIII i.V.m. Art. 17 ff. AGSG, die Gesamtverantwortung und damit auch die Entscheidungshoheit hinsichtlich der abschließenden Trägerauswahlentscheidung zukommt (vgl. auch Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 4 Rn. 23).
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b) Auch kann der Antragsteller aus dem, dem Auswahlverfahren zugrundeliegenden, Förderkonzept mangels Außenwirkung keinen Rechtsanspruch ableiten.
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Vielmehr stellen sowohl die Richtlinie zur Förderung der strukturellen Weiterentwicklung kommunaler Familienbildung und von Familienstützpunkten des Freistaats Bayern als auch das Familienbildungskonzept des Antragsgegners lediglich verwaltungsinterne Regelungen des Ermessens der Bewilligungsbehörden dar. Eine Außenwirkung besteht ausschließlich über den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) sowie das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes. Die Verwaltungsgerichte haben sich daher auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften besteht. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden, Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (stRspr; vgl. hierzu ausführlich: VG München, U.v. 20.3.2024 – m 18 K 19.1931 – juris Rn. 68 ff. m.w.N.).
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Die Frage, ob im Rahmen der Richtlinie des Freistaats Bayern und des Familienbildungskonzeptes einschließlich des den Bewerbungsunterlagen beigefügten Kriterienkatalogs hinsichtlich des Vorrangs der freien Träger aufgrund des unterschiedlichen Wortlautes unterschiedliche Vorgaben getroffen wurden („in begründeten Einzelfällen“ bzw. „gibt es keinen geeigneten Träger vor Ort“), kann daher offenbleiben. Denn maßgeblich ist das Verwaltungshandeln. Ein solches hat sich jedoch mit der vorliegenden Trägerauswahlentscheidung erstmals im Sinne einer „großzügigeren“ Handhabung entsprechend dem Wortlaut der Richtlinie gebildet (vgl. hierzu auch Schreiben des Antragsgegners vom 8. April 2024, Seite 8). Ohnehin ist davon auszugehen, dass in der Richtlinie des fördermittelvergebenden Ministeriums die in § 4 Abs. 2 SGB VIII getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung für den Vorrang der freien Träger berücksichtigt werden sollte.
44
c) Unabhängig hiervon ist der Antragsgegner bei der Ausübung seiner Fördererpraxis an Recht und Gesetz und damit auch an den gesetzlich geregelten Vorrang der freien Träger gemäß § 4 Abs. 2 SGB VIII, Art. 13 AGSG gebunden. Auch dieser gesetzlich geregelte Vorrang geht jedoch davon aus, dass ein solcher nur dann besteht, wenn „geeignete Einrichtungen“ von Trägern der freien Jugendhilfe zur Verfügung stehen bzw. geschaffen werden können. Der Begriff der „Geeignetheit“ ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 4 Rn. 23).
45
Entgegen der vom Antragsgegner offenbar vertretenen Auffassung, geht das Gericht davon aus, dass dieser gesetzlich geregelte Vorrang der freien Jugendhilfeträger auch gegenüber dem vorliegend konkurrierenden interkommunalen Verbund der drei Gemeinden Wirkung entfaltet.
46
Zwar wurden in Bayern kreisangehörigen Gemeinden, wie vorliegend, keine Aufgaben der Jugendhilfe übertragen, § 69 SGB VIII i.V.m. Art. 15 AGSG. Sie sind jedoch auch keine freien Träger der Jugendhilfe. Denn freie Träger sind Grundrechtsberechtigte, wohingegen öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften auch durch den Einsatz privatrechtlicher Handlungsformen nicht zu Grundrechtsträgern werden (vgl. Volker Neumann in: Hauck/Noftz SGB VIII, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 3 SGB VIII, Rn. 9). Vielmehr können ihnen durch den Landesgesetzgeber staatliche Aufgaben übertragen werden (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 3 SGB VIII (Stand: 30.08.2023), Rn. 11; LPK-SGB VIII/Helmut Schindler/Edda Elmauer, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 3 Rn. 6). Sobald Gemeinden daher im Bereich der Jugendhilfe tätig werden, ist somit davon auszugehen, dass sie als öffentliche Träger tätig sind.
47
Denn der Gesetzgeber regelt im SGB VIII umfangreich das Verhältnis von freier und öffentlicher Jugendhilfe. Das Zusammenspiel dieser beiden Träger ist als Strukturmerkmal der Jugendhilfe zu verstehen (vgl. Münder/Wiesner/Meysen, Kinder- und Jugendhilferecht, 2 Strukturprinzipien – Strukturprobleme des Kinder- und Jugendhilferechts 2.4 Das Verhältnis zwischen öffentlicher und freier/privater Jugendhilfe, beck-online). Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass Gemeinden, sobald sie ebenfalls im Bereich der Jugendhilfe tätig werden, als hiervon „unbetroffene Dritte“ agieren können. Vielmehr ist auch vor dem historischen und verfassungsrechtlichen Hintergrund der Regelung in § 4 Abs. 2 SGB VIII davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch Einrichtungen der Gemeinden als Einrichtungen eines öffentlichen Trägers versteht und auch ihnen gegenüber der grundsätzliche Vorrang der freien Träger besteht. Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 SGB VIII (BT-Drs. 11/5948, S. 48 f.) ausdrücklich Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U.v. 18.7.1967 – 2 BvF 3/62 – BVerfGE 22, 180, 202) nimmt, welche insbesondere das Verhältnis von freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe – dort Einrichtungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden – klärt und ausführt, dass nicht angenommen werden könne, dass ein Gesetz, das öffentliche und private Jugendhilfe zu sinnvoller Zusammenarbeit zusammenführen will, die Gemeinden und Gemeindeverbände als Träger der Jugendämter durch die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2 JWG zwingen will, bereits vorhandene öffentliche Einrichtungen zu schließen (vgl. hierzu ausführlich: Mrozynski: Eignung, Vielfalt und Vorrang der freien Träger in der Jugendhilfe untersucht am Beispiel der Jugendsozialarbeit an Schulen in Bayern (SRa 2014, 133, Rn. 9). Dementsprechend sind Gemeinden, sofern sie bereits bestehende, als auch neu entstehende Einrichtungen der Jugendhilfe betreiben, als öffentliche Träger tätig. Der Vorrang der freien Träger der Jugendhilfe ist daher auch ihnen gegenüber zu beachten (vgl. auch: Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 3 SGB VIII (Stand: 30.08.2023), Rn. 21).
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d) Die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses verkennt diesen Vorrang und ist daher nicht ermessensgerecht.
49
Entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 8. April 2024 kam der Jugendhilfeausschuss zu dem Ergebnis, dass – ungeachtet des Kriteriums „interkommunale Zusammenarbeit“ – zumindest ein Gleichstand (auch) in den Kriterien „Leitziele Familienbildung“ „Familienfreundliche Angebote“, „Erreichbarkeit“, „Familien in besonderen Lebenslagen“ und „partizipativer Ansatz“, aber ein Bewertungsvorsprung im Bereich „Kooperation/Netzwerkarbeit“ bestanden habe und hat aufgrund dieses Bewertungsvorsprungs seine Auswahlentscheidung getroffen.
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Hierdurch hat der Antragsgegner den gesetzlichen Vorrang der Träger der freien Jugendhilfe missachtet. Lediglich ein Bewertungsvorsprung zwischen freiem und öffentlichem Träger kann die Auswahlentscheidung nicht rechtfertigen. Lediglich wenn der Antragsgegner zu dem Ergebnis kommt, dass der freie Träger ungeeignet ist, entfällt die Vorrangregelung und ist diese bei der Ermessensentscheidung nicht zu berücksichtigen.
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Die Feststellung der Ungeeignetheit des Antragstellers kann jedoch weder den Behördenakten noch dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 8. April 2024 entnommen werden. Zudem wäre diese Feststellung vollumfänglich gerichtlich zu überprüfen, wofür keine ausreichende Sachverhaltsermittlung durch den Antragsgegner vorliegt.
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Denn Grundlage der Entscheidung des Jugendhilfeausschusses waren – entsprechend des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 8. April 2024 – ausschließlich die mündlichen Ausführungen einer teilnehmenden Kreisrätin während der Ausschusssitzung, wonach insbesondere eine Kooperation zwischen dem Antragsteller und den beteiligten drei Gemeinden nicht möglich sei; verschiedene Versuche und Gespräche unter Teilnahme aller drei Bürgermeister und des Jugendamtes seien fehlgeschlagen. Auch eine Zusammenarbeit des Antragstellers mit einem weiteren freien Träger im Sozialraum 7 sei verneint worden.
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Zwar erachtet es das Gericht als möglich, unter dem „Wertungskriterium: Kooperation – Netzwerkarbeit“ auch die Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinden im gesamten Sozialraum zu beurteilen. Allerdings durfte sich der Jugendhilfeausschuss hierbei nicht abschließend lediglich auf die Ausführungen einer Kreisrätin verlassen. Insbesondere da diese – auch unbestritten – aufgrund ihrer Eigenschaft als Gemeinde- und Sozialrätin einer an dem Gemeindeverbund beteiligten Gemeinde zumindest nicht gänzlich unbefangen erscheint. Entsprechend dem Sitzungsprotokoll haben zwar Vertreterinnen des Jugendamtes an der Sitzung teilgenommen, allerdings ist weder dem Protokoll noch der Stellungnahme des Antragsgegners vom 8. April 2024 zu entnehmen, dass das Jugendamt als neutrale Stelle in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses zu diesen Ausführungen eine eigene Bewertung abgegeben hat. Dies wäre jedoch insbesondere zu erwarten gewesen, da – zumindest nach den dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 8. April 2024 als Anlage beigefügten Ausführungen der Kreisrätin – auf Besprechungen Bezug genommen wurde, an denen die Leiterin des Jugendamtes, wohl aber nicht die Kreisrätin teilgenommen hat. Auch die weiteren Ausführungen der Kreisrätin zu getroffenen Aussagen Dritter bleiben unbelegt. Hingegen stellt der Antragsteller in seiner Erwiderung vom 6. Mai 2024 den Sachverhalt – insbesondere auch in seiner Entstehungsgeschichte – wesentlich anders dar und sieht sich durch die Ausführungen der Kreisrätin geringgeschätzt.
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Da somit eine Ungeeignetheit des Antragstellers weder behauptet noch dargelegt wurde, musste der Antragsgegner bei seiner Ermessensentscheidung den gesetzlich vorgesehenen grundsätzlichen Vorrang des freien Trägers sachgerecht berücksichtigen und kann nicht alleine aufgrund eines – ebenfalls nicht hinreichend belegten – Bewertungsvorsprunges die Entscheidung für den öffentlichen Träger treffen.
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Unabhängig hiervon dürfte der Grundsatz des fairen Verfahrens zudem verlangen, dass der Antragsteller vor einer für ihn abschließenden negativen Entscheidung zumindest zu den gegen ihn erhobenen Einwänden, welche im Rahmen der Ausschreibung zumindest nicht hinreichend thematisiert wurden, angehört wird.
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2.3) Der Antragsteller hat hingegen keinen Anspruch hinsichtlich seiner Beauftragung mit der Umsetzung eines Familienstützpunktes im Sozialraum 7 glaubhaft gemacht.
57
Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass hinsichtlich der Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Antragstellers besteht (BVerwG, U.v. 17.7.2009 – 5 C 25/08 – juris Rn. 28). Eine solche Situation liegt jedoch nicht vor. Bei der Einrichtung und Förderung von Familienstützpunkten handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Antragsgegners. Eine aktuelle Pflicht zur Einrichtung eines Familienstützpunktes im Sozialraum 7 des Antragsgegners besteht nicht und ergibt sich auch nicht alleine aus der Durchführung des Bewerbungsverfahrens. Dementsprechend kann der Antragsgegner vorliegend auch nicht durch das Gericht verpflichtet werden, einen Familienstützpunkt im Sozialraum 7 unter der Trägerschaft des Antragstellers zu fördern. Zudem wäre hierzu eine weitergehende Klärung der Geeignetheit des Antragstellers für eine solche Einrichtung erforderlich, welche derzeit nicht abschließend vorliegt (s.o.).
58
Dem Antrag war daher nur teilweise stattzugeben und dieser im Übrigen abzulehnen.
59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
60
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.