Titel:
Mangels Substanziierung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen familiengerichtliche Entscheidungen in einem Umgangsverfahren
Normenkette:
BV Art. 91, Art. 126 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der BayVerfGH überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. IRd Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen Normen der BV verstoßen haben, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird in der Verfassungsbeschwerde die konkrete Handlung oder Unterlassung, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, nicht bezeichnet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Substanziierung unzulässig. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfassungsbeschwerde, Substantiierung, Substanziierung, unzulässig
Vorinstanzen:
AG Miesbach, Beschluss vom 31.03.2023 – (K) 2 F 571/22
AG Miesbach, Beschluss vom 01.03.2023 – (K) 2 F 571/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13284
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Entscheidungsgründe
1
Die mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin richtet sich gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Miesbach vom 1. und 31. März 2023, jeweils Az. (K) 2 F 571/22, in einem familiengerichtlichen Verfahren betreffend eine einstweilige Anordnung zum Umgangsrecht. Mit dem Beschluss vom 1. März 2023 hat das Amtsgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2023 auf Antrag der Beschwerdeführerin einen am 22. Juli 2021 gerichtlich gebilligten Vergleich vom selben Tag zum Umgang des Antragsgegners und Vaters des gemeinsamen Sohnes A. teilweise abgeändert und den Antrag der Beschwerdeführerin im Übrigen zurückgewiesen. Mit dem weiteren Beschluss vom 31. März 2023 hat das Amtsgericht insbesondere einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung/Ergänzung des Vermerks über die Sitzung am 27. Februar 2023 sowie deren Gehörsrüge und Gegenvorstellung abgewiesen.
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1. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des im März 2016 geborenen Kindes A. Sie und der Vater des Kindes waren nicht verheiratet und leben seit November 2016 getrennt. Das Kind lebt bei der Beschwerdeführerin in N[…], Landkreis Miesbach, in einem Haus, in dem zugleich auch Großmutter und Onkel mütterlicherseits wohnen. Der Vater wohnt 65 km entfernt in München. Seit September 2022 besucht das Kind die Grundschule am Wohnort der Beschwerdeführerin, etwa 600 m vom Wohnhaus entfernt. Die Schule beginnt täglich um 8:00 Uhr, wobei die Kinder spätestens um 7:55 Uhr an ihrem Platz sitzen sollen; ab 7:45 Uhr kann das Schulgebäude betreten werden.
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Die Beschwerdeführerin hatte zunächst das alleinige Sorgerecht. Seit 2019 waren zwischen der Beschwerdeführerin und dem Vater des Kindes am Amtsgericht Miesbach Verfahren zur Regelung des Umgangs sowie der elterlichen Sorge anhängig, in deren Verlauf das Amtsgericht mehrere einstweilige Anordnungen zur Regelung des Umgangs traf. Diese Verfahren wurden durch einen mit Beschluss vom 22. Juli 2021 (Az. (G) 2 F 431/19, 2 F 405/19, 2 F 268/20 und 2 F 215/21) gebilligten Vergleich vom selben Tag, mit dem insbesondere eine gemeinsame elterliche Sorge sowie der Umgang (einschließlich einer Ferienregelung) vereinbart wurden, abgeschlossen. Zur Frage, wann ein Umgang des Vaters mit dem Kind (außerhalb der Ferien) stattfindet, enthielt Ziffer 5.2 – soweit für das hiesige Verfahren relevant – folgende Regelung:
aa) 14-tägig in den ungeraden Kalenderwochen von Donnerstag nachmittags 14.00 Uhr bis Montag früh (Kindergartenbeginn oder entsprechende Uhrzeit). […] bb) ab dem Eintritt in die Vorschule (voraussichtlich Schuljahr 2021/22) 14-tägig in den ungeraden Kalenderwochen von Freitagnachmittags 14.00 Uhr bis Dienstag früh (Kindergartenbeginn oder entsprechende Uhrzeit). […]
aa) 14-tägig in den ungeraden Kalenderwochen von Montag nachmittags 14.00 Uhr bis Dienstag früh Kindergartenbeginn oder entsprechende Uhrzeit. […] bb) Ab dem Schuleintritt von A[…] hat die Mutter das Recht, den unter aa) geregelten Umgang abzuändern dahingehend, dass statt der Übernachtung Montags zwischen den beiden Wochenenden nach a) ein weiterer Wochenendumgang von Freitag Mittag 14 Uhr bis Sonntag Abend 17 Uhr stattfindet.“
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2. Am 21. Juli 2022 beantragte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht erstmals, die Umgangsregelung wegen der neuen Situation durch den bevorstehenden Schuleintritt zu ändern (Az. (B) 2 F 318/22). In diesem Verfahren wurde in der Verhandlung vom 29. August 2022 die Umgangsregelung vom 22. Juli 2021 für die Zeit bis zum Beginn der Weihnachtsferien 2022 durch einen Vergleich wie folgt abgeändert (Ziffer 1.): „Die Übernachtungen des Kindes beim Kindsvater im Rahmen der gemäß vorgenannten vergleichsweisen Einigung für die Umgänge in den Tagen Sonntag auf Montag sowie Montag auf Dienstag werden in einer Unterkunft erfolgen, die nicht weiter als 15 Kilometer von N[…] entfernt liegt. Die Unterkunft soll nicht in N[…] liegen.“ Nach Ablauf der genannten ca. drei Monate sollte die Umgangsregelung aus dem Vergleich vom 22. Juli 2021 wiederaufleben, wobei sich die Beschwerdeführerin vorbehielt, insoweit einen neuerlichen Abänderungsantrag bei Gericht einzureichen (Ziffer 4.). Dieser Vergleich wurde mit Beschluss vom 8. September 2022 gebilligt.
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3. Am 19. Dezember 2022 beantragte der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Vollziehung aus dem Vergleich vom 22. Juli 2021 vorläufig auszusetzen sowie die Umgangsregelung dergestalt abzuändern, dass der Umgang des Vaters mit dem Kind ab Januar 2023 jeweils am zweiten und vierten Wochenende beginnend mit Freitag 14:00 Uhr nach der Schule bis Sonntag 17:00 Uhr stattfinde. Eine neue Sachlage gegenüber dem Vergleich vom 22. Juli 2021 sei insbesondere eingetreten durch eine neue Einschätzung der Fahrtwege, die neue Bedeutung einer örtlichen Kontinuität für das Kind aufgrund der Klassenzusammensetzung mit rein ortsansässigen Mitschülern und dem mangelnden Verständnis des Vaters für die kindlichen Bedürfnisse auch nach einem Jahr ausgedehnten Umgangs.
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a) Im Hinblick auf diesen Antrag einigten sich die Beteiligten, die vorübergehende Umgangsregelung aus dem Vergleich vom 29. August 2022 über die Weihnachtsferien hinaus fortzuführen, weshalb das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2023 den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung des Vergleichs vom 22. Juli 2021 zurückwies (Az. (K) 2 F 571/22).
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b) In der Verhandlung vom 25. Januar 2023 (in der die Beschwerdeführerin sowie ihr Bevollmächtigter anwesend waren) hörte der zuständige Richter einen Vertreter des Jugendamts und die Verfahrensbeiständin des Kindes an. Der Vertreter des Jugendamts führte aus, dass das Kind unzweifelhaft von beiden Eltern profitiere. Man müsse in die Zukunft schauen. Es werde keine Verbesserung geben, wenn jeder nur auf seiner Position beharre. Der Schaden beim Kind entstehe immer durch den Streit beider Eltern. Für die Beschwerdeführerin belaste der Anfahrtsweg nach den Umgängen das Kind übermäßig. Der Vater sei mit der Vereinbarung zufrieden. Es wäre wichtig, wenn bei den Umgängen auch die Wünsche des Kindes nach sozialen Kontakten mit Dritten gestützt würden. Die Verfahrensbeiständin wies darauf hin, dass ein Gespräch mit dem Kind und auch mit der Schule geführt werden müsse. Sie könne jedoch definitiv sagen, dass sich das Kind sehr gut entwickelt habe und die Bindung zum Vater sehr gut sei. Die Eltern müssten mehr Gelassenheit zeigen. Es liege keine Kindeswohlgefährdung vor. Getrennt davon fand am selben Tag eine Kindesanhörung statt. Dort berichtete A. unter anderem, dass es beim Papa immer unterschiedlich sei. Toll sei, dass er viel Lego spielen könne. Blöd sei, dass er nicht nett sei, ihm weh tue, ihn zwicke, kratze und haue. Warum der Papa das tue, wisse er nicht. Bei der Mama gehe es ihm 1000-mal besser. Es gefalle ihm, wenn er von N[…] aus in die Schule gehe. Er sei noch nie zu spät gekommen und kriege deswegen auch keinen Ärger, aber er möge das nicht.
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In einem weiteren Termin am 10. Februar 2023 hörte der Richter eine Lehrerin des Kindes an. Diese teilte mit, dass A. ein sehr intelligentes Kind sei, welches viel beobachte und aufnehme sowie sehr viele Kontakte zu seinen Mitschülern habe. Strukturelle Abläufe seien für ihn wichtig; dies gebe ihm Sicherheit. A. sei noch nie zu spät gekommen. Wenn andere Kinder zu spät kämen, störe ihn das nicht. Wenn A. zu spät kommen würde, wäre ihm das wohl peinlich. Er wolle immer alles perfekt machen und nicht auffallen.
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Für die Verhandlung am 27. Februar 2023 (terminiert ab 9:00 Uhr) entschuldigte sich der Vertreter des Jugendamts mit E-Mail vom 14. Februar 2023 urlaubsbedingt und verwies bezüglich der Sicht des Jugendamts auf die Stellungnahme in der Anhörung vom 25. Januar 2023. Hiervon wurden die anwesenden Beteiligten (einschließlich der Beschwerdeführerin und ihres Bevollmächtigten) zu Beginn des Termins informiert. Die krankheitsbedingt abwesende Verfahrensbeiständin des Kindes teilte im Termin telefonisch mit, dass sie auf ihre bereits in der letzten mündlichen Verhandlung abgegebene Stellungnahme Bezug nehme. Sie schlage vor, den Vergleich grundsätzlich bestehen zu lassen mit Ausnahme der Umgänge von Montag auf Dienstag. Diese sollten ggf. entfallen und geprüft werden, wie das Kind damit zurechtkomme. Der Inhalt der mündlichen Stellungnahme der Verfahrensbeiständin wurde in den Vermerk über diesen Termin aufgenommen.
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c) Noch am Abend des 27. Februar 2023 trug der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin schriftsätzlich ergänzend vor und beanstandete, dass durch die telefonische Äußerung der Verfahrensbeiständin das Ergebnis der Anhörung des Kindes beim Vater verschwiegen werde. Der Bericht der Verfahrensbeiständin sei anzufordern sowie zu übersenden und es seien verschiedene Fragen an diese zu richten. Ebenso anzufordern sei der Bericht des Vertreters des Jugendamts. Der Vater sei generell in seinen Aussagen und Handlungen nicht zuverlässig. Bisher sei das Kind nicht aus München zur Schule gefahren worden. Der (gemeint wohl: bisherige) Umgang des Vaters mit dem Kind sei gefestigt und die Beschwerdeführerin unterstütze diesen.
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d) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 1. März 2023 (der am 3. März 2023 an die Geschäftsstelle übergeben und dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am selben Tag zugestellt wurde) änderte das Amtsgericht Miesbach den Vergleich vom 22. Juli 2021 dahingehend ab, „dass die im Rahmen der unter Ziffer 5.2 b) geregelten Umgänge fallenden Übernachtungen des Kindes […] beim Kindsvater in einer Unterkunft erfolgen, welche nicht weiter als 15 Kilometer von […]-N[…] entfernt, nicht jedoch im Ort […]-N[…] liegt.“ Der weitere Antrag auf Abänderung des Vergleichs wurde zurückgewiesen.
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Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Übernachtungen des Kindes im Rahmen der Montagsauf Dienstagsumgänge in räumlicher Nähe zum Schulort stattfinden sollten. Das Gericht sei nach Anhörung sämtlicher Beteiligter – insbesondere der des Kindes – der Überzeugung, dass A. die bloße Möglichkeit, zu spät zur Schule zu kommen, verunsichere und auch belaste. Es lägen daher triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe vor, die erforderlichen Fahrtwege zur Schule anzupassen. Andererseits sei das Gericht auch zu der Überzeugung gekommen, dass sich A. erst am Anfang seines Wegs in die Verselbstständigung befinde und die zwischen den Beteiligten 2021 vereinbarten umfangreichen Umgangskontakte zwischen dem Vater und A. weiterhin wichtig für die Entwicklung des Kindes seien. Diese Verselbstständigung werde sich zwangsläufig künftig fortentwickeln und A. werde sich vermehrt hin zu neuen Bezugspersonen, so seinen Freunden, orientieren. Aktuell sei es daher veranlasst, die Wege eines Teils der Anfahrten zur Schule im Rahmen der Umgänge zu reduzieren, um den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes entgegenzukommen. Die Anpassung der Umgangsregelung auf (nur) regelmäßige Wochenendumgänge erscheine hingegen noch verfrüht.
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e) Mit Schriftsatz vom 2. März 2023, beim Amtsgericht am 3. März 2023 eingegangen, trug der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin ergänzend insbesondere vor, dass der Vater in der Vergangenheit zu den vereinbarten Übergabeterminen des Kindes mit der Mutter regelmäßig unpünktlich erschienen sei. Außerdem wurde darum gebeten, der Beschwerdeführerin rechtliches Gehör zu gewähren, indem ihr eine Stellungnahmefrist auf die Äußerungen von Jugendamt und Verfahrensbeiständin gewährt werde.
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4. Mit Schriftsatz vom 16. März 2023 stellte der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Berichtigung bzw. Ergänzung des Protokolls. Mit einem zweiten Schriftsatz vom selben Tag (beim Amtsgericht am Folgetag eingegangen und nach Akteneinsicht ergänzt durch Schriftsatz vom 28. März 2023) erhob der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss vom 1. März 2023 Anhörungsrüge nach § 44 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sowie Gegenvorstellung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil das Amtsgericht entschieden habe, ohne der Beschwerdeführerin die genauen Sichtweisen von Verfahrensbeistand und Jugendamt mitzuteilen und ohne dass Gründe für deren Empfehlung bekannt gegeben worden seien. Die Beschwerdeführerin habe nicht davon ausgehen können, dass eine Entscheidung ohne die Berichte der genannten Stellen getroffen werde. Auch sei der Diskussion durch das Gericht nicht der nötige Raum gegeben worden, weil die Anhörung am 27. Februar 2023 von Anfang an zeitlich begrenzt gewesen sei, was zwischen dem Richter und der Anwältin der Gegenseite vor Beginn besprochen worden sei. Unberücksichtigt geblieben sei auch der Schriftsatz vom 27. Februar 2023. Hinzu komme, dass Kernpunkte des Vortrags der Beschwerdeführerin zu den negativen Auswirkungen der Anfahrten aus München zur Schule nicht berücksichtigt worden seien. Im Hinblick auf die Gegenvorstellung sei darauf hinzuweisen, dass eine Abänderung des Beschlusses notwendig sei, um den Bedürfnissen des Kindes und dem Kindeswillen zu entsprechen. Außerdem sei eine mangelhafte Versorgung des Kindes durch den Vater belegt bzw. belegbar.
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5. Mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 31. März 2023, dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugegangen am 6. April 2023, wies das Amtsgericht – nach einem zwischenzeitlichen Wechsel des zuständigen Richters – (1.) den Antrag auf Berichtigung/Ergänzung des Vermerks vom 27. Februar 2023, (2.) die Gehörsrüge, (3.) die Gegenvorstellung sowie (4.) einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme ab. Weiter (5.) wurde bestimmt, dass die Aufzeichnungen über den Inhalt der Kindesanhörung vom 25. Januar 2023 und die nichtöffentliche Sitzung vom 10. Februar 2023 auf Ton- oder Datenträgern (in Ausübung richterlichen Ermessens) nicht gelöscht und dauerhaft zum Verfahren gegeben würden. Zur Begründung führte das Amtsgericht unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur insbesondere aus:
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Der Antrag auf Berichtigung/Ergänzung des Vermerks vom 27. Februar 2023 sei unzulässig. Da § 28 Abs. 4 FamFG keinen Verweis auf §§ 159 ff. ZPO enthalte, gelte für die Berichtigung des Vermerks § 164 ZPO nicht.
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Die zulässige Gehörsrüge sei unbegründet. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren ausreichend Möglichkeit gehabt, sich sowohl schriftlich als auch mündlich zu äußern. Sämtliche der angefochtenen Entscheidung vom 1. März 2023 zugrunde liegenden Tatsachen seien ihr bekannt gewesen. Aus den Entscheidungsgründen sei ersichtlich, dass diese – anders als von der Beschwerdeführerin dargelegt – gerade nicht auf etwaigen Einschätzungen des Jugendamts oder der Verfahrensbeiständin beruhten, sondern vielmehr auf der Anhörung der Eltern, des Kindes und der Lehrerin. Insbesondere seien in den Verfahrensakten keine derartigen Stellungnahmen enthalten, die das Gericht hätte würdigen können. Die Entscheidung sei durch den damals zuständigen Richter nachvollziehbar begründet worden, wobei die Begründung eine hinreichende Stütze im Inhalt der Verfahrensakte finde.
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Die Gegenvorstellung sei jedenfalls unbegründet, da nicht zu erkennen sei, inwieweit die Entscheidung objektiv willkürlich gewesen sein solle.
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1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde vom 2. Juni 2023 (eingegangen am 6. Juni 2023) rügt die (zu dieser Zeit nicht anwaltlich vertretene) Beschwerdeführerin Verstöße gegen „die Grundrechte der Artikel 99, 100, 118, 126 Abs. 1, 125 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1, Art. 91 Abs. 1, 128 BV“, insbesondere eine Verletzung des Willkürverbots sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör und daraus resultierende erhebliche Verletzungen des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der Familie, der Ausübung der elterlichen Sorge und des Kindeswohlprinzips. Das Amtsgericht habe seine Schutzpflichten aus Art. 118 Abs. 1, Art. 126 Abs. 3, Art. 99, 100 und 101 BV gegenüber dem Kind verletzt. Die Beschwerdeführerin werde durch die angegriffenen Beschlüsse vom 1. und 31. März 2023 außerdem in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
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a) Der angegriffene Beschluss vom 1. März 2023 verletze das Willkürverbot, weil er in sich widersprüchlich, nicht verständlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar sei. Zudem sei der Beschluss unverhältnismäßig, da mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten.
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Die Entscheidung orientiere sich nicht primär am Kindeswohl. Es handle sich um eine „vorgeschobene Scheinbegründung“. Tatsächlich sei A. bis zum 1. März 2023 gar nicht aus München zur Schule gebracht worden, weshalb die Anfahrten zur Schule durch den Beschluss vom 1. März 2023 auch nicht reduziert worden seien. Selbst wenn man als Referenz den Vergleich vom 22. Juli 2021 heranziehen wolle, liege eine „Reduktion“ der Fahrten nicht zweifelsfrei vor. Das Kernproblem, dass das Gericht eine Situation vermeiden wolle und diese dennoch ohne Notwendigkeit einführe, bleibe in jedem Fall bestehen. Außerdem werde nicht begründet, warum dem Kind ein Teil der Anfahrten aus München zugemutet werden solle. Soweit der Beschluss vom 1. März 2023 drei Gesichtspunkte gegenüberstelle (die das Kindeswohl nachhaltig berührende Belastung durch Anfahrten aus München zur Schule, die Wichtigkeit des erweiterten Umgangs des Vaters für die Entwicklung des Kindes und die sich am Anfang befindende Verselbstständigung des Kindes durch ganz überwiegend am Wohnort gelebte Freundschaften), seien diese durch den Vergleich im Verfahren (B) 2 F 318/22 ebenfalls alle vollumfänglich erfüllt gewesen. Stattdessen sei das Amtsgericht nun aber offenbar den Vorgaben und Interessen des Vaters gefolgt. Es berücksichtige nicht das erhöhte Schutzbedürfnis des Kindes und schaffe sehr instabile Verhältnisse mit Unregelmäßigkeiten im täglichen Ablauf. Außerdem berücksichtige es nicht die erhebliche Bedeutung sozialer Kontakte für das Kind, die nahezu ausschließlich während der Betreuungszeit der Beschwerdeführerin stattfinden würden, während das Kind während der Betreuung durch den Vater sozial isoliert sei. Indem sich die Beschwerdeführerin zu entscheidungserheblichen richterlichen Überzeugungen nicht habe äußern können, weil die Gründe für die Umgangsgestaltung aufgrund fehlender bzw. widersprüchlicher Begründung des Beschlusses unbekannt seien, werde außerdem der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit und des rechtlichen Gehörs verletzt.
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Die Willkür zeige sich auch in einer widersprüchlichen Verfahrensweise durch das Amtsgericht. Dieses habe den Kindeswillen mehrfach als entscheidungserheblich angesehen und zu erkennen gegeben, Verfahrensbeiständin und Jugendamt miteinzubeziehen, um diesen festzustellen. Weshalb das Amtsgericht entsprechende Einschätzungen im Beschluss vom 1. März 2023 doch nicht mehr als erforderlich angesehen habe bzw. in den Gründen nicht mehr darauf eingegangen sei, sei nicht ersichtlich.
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Die gerichtlich getroffene Umgangsregelung berücksichtige nicht die nach § 1684 BGB geltende Rechtslage. Danach seien bei der Beurteilung, welche Umgangsregelung im konkreten Fall dem Wohl des Kindes am besten entspreche, folgende Aspekte von Bedeutung: die Bindung des Kindes an den umgangsberechtigten Elternteil, das Alter des Kindes, die Entfernung der Wohnsitze, das zwischen den Eltern bestehende Konfliktniveau, das kindliche Zeitempfinden, die besondere psychische Konstitution und Belastbarkeit des Kindes, sein sonstiges familiäres und soziales Umfeld und der Kindeswille. Alle acht Punkte sprächen hier gegen die Fortsetzung der erweiterten Umgänge. Stattdessen habe das Amtsgericht eine Umgangsregelung vertreten, die nach gängiger Rechtsprechung unzumutbar sei. Die Gefahr erheblicher gesundheitlicher Konsequenzen durch die Anfahrten aus München reduziere das Amtsgericht auf eine reine „Verunsicherung“. Auf die speziellen Bedürfnisse des Kindes aufgrund der Verdachtsdiagnose eines AspergerAutismus werde nicht eingegangen. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel, dass zwischen A. und seinem Vater eine sichere Bindung bestehe. Der Umgang entspreche so nicht dem Kindeswillen. Den rechtlichen Anforderungen an eine umfassende Abwägung werde das Amtsgericht nicht gerecht und die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin würden nicht berücksichtigt. Dadurch werde im Beschluss letztlich ein fiktiver Fall behandelt und die Verfahrensführung sei intransparent.
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b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liege vor, weil sich die Beschwerdeführerin zu entscheidungserheblichen Unterlagen nicht habe äußern können. In der mündlichen Verhandlung seien weder die Verfahrensbeiständin noch ein Vertreter des Jugendamts anwesend gewesen. Trotz entsprechender Bitte seien deren Berichte nicht vorgelegt worden. Außerdem habe das Amtsgericht den Kernvortrag der Beschwerdeführerin zu den Auswirkungen der Umgangsregelung auf das Kind, zur fehlenden Rechtfertigung der morgendlichen Anfahrten wegen der Qualität der Vater-Kind-Beziehung, zur Mangelversorgung und zur Isolation des Kindes durch den Vater nicht erwogen und die Schriftsätze vom 27. Februar und 2. März 2023 nicht berücksichtigt. Mögliche Grundrechtsverletzungen durch morgendliche Fahrten von München zur Schule (Schlaf, Schlafrhythmus, Belastung durch die langen Fahrten etc.) seien ebenso wenig berücksichtigt worden wie der Vortrag zur Frage, ob ausgedehnte Umgänge für die Entwicklung des Kindes erforderlich seien. Das Vorbringen vom 2. und 16. März 2023 zu Vorfällen, die das Kindeswohl berührten (bis hin zu unterlassener Hilfeleistung bei einem Knochenbruch), sei im Beschluss vom 31. März 2023 unberücksichtigt geblieben. Vorgeschlagene Mittel zur Abhilfe der Mangelversorgung (z. B. Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs für Kinder) seien ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Die Tatsache, dass das Amtsgericht entscheidungserheblichen Vortrag übergangen habe, werde auch an der Behauptung deutlich, es läge allein beim Richter, den entscheidungserheblichen Inhalt im Vermerk festzuhalten. Das Amtsgericht habe die Verhandlung an den kritischen Punkten vorbeigeleitet und der nötigen Diskussion keinen Raum gegeben, auch weil es in alleiniger Absprache mit der Gegenpartei den zeitlichen Rahmen von vornherein begrenzt habe. Übergangen habe das Amtsgericht auch den Antrag der Beschwerdeführerin zur Ferienregelung. Die Gegenvorstellung sei ohne nähere Begründung abgewiesen worden.
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Durch die willkürliche Rechtsprechung, die Gehörsverletzungen und die unfaire Verfahrensführung sei es zu weiteren Grundrechtseingriffen gekommen, insbesondere in das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 126 Abs. 1 BV, in ihr Grundrecht auf Ausübung des Fürsorgerechts und die Fürsorgepflicht als Mutter. Sie werde in der Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 126 Abs. 1 BV auch dadurch verletzt, dass ihrem Kind der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei. Denn die Verfahrensbeiständin habe sich nicht umfänglich und vor allem nicht zur Anhörung vom 27. Februar 2023 äußern können, da ihr der Vermerk erst am 3. März 2023 (gemeinsam mit dem Beschluss) zugeleitet worden sei.
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c) Zugleich mit ihrer Verfassungsbeschwerde beantragt die Beschwerdeführerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Umgang dahingehend zu regeln, dass morgendliche Anfahrten aus München zur Schule ausgeschlossen würden. Denn bei einer Fahrtzeit von 55 bis 80 Minuten müsse das Kind spätestens um 5:30 Uhr aufstehen. Damit seien schwere und nicht wieder gut zu machende Nachteile verbunden; diese würden insbesondere aus einer Unregelmäßigkeit des Schlafrhythmus, welcher für die Steuerung grundlegender biologischer und physiologischer Abläufe elementar sei, resultieren. Es komme dadurch dauerhaft zu einer Desynchronisation von Schlaf und Biorhythmus, welche zu diversen psychischen, lernpsychologischen und erheblichen gesundheitlichen Folgen führe (wird näher ausgeführt). Die Folgen des angegriffenen Beschlusses für die Entwicklung des Kindes bis hin zu seinen Berufsmöglichkeiten seien gar nicht absehbar.
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d) Mit einem Schreiben vom 23. Juli 2023 nimmt die Beschwerdeführerin ergänzend Bezug auf ein Lernentwicklungsgespräch zwischen der Lehrerin des Kindes und den Eltern am 13. Juli 2023 sowie ein dazu verfasstes Schreiben der Lehrerin vom 21. Juli 2023. Mit Schriftsatz vom 17. August 2023 hat zudem der Bevollmächtigte, der die Beschwerdeführerin in dem familiengerichtlichen Ausgangsverfahren vertreten hat, seine Vertretung auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren angezeigt. Er hat mit Schriftsätzen vom 5. September und vom 13. bzw. 18. Dezember 2023 ergänzend vorgetragen und mit Schriftsatz vom 2. Februar 2024 (ergänzt durch Schriftsatz vom 22. Februar 2024) beantragt, die komplette Akte des Jugendamts anzufordern und ihm danach Akteneinsicht zu gewähren. Nur so könne die Gefahr einer Wiederholung von Grundrechtsverletzungen durch das Amtsgericht dargelegt werden.
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2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie zur Verfassungsbeschwerde abgesehen.
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Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität unzulässig ist, weil die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sind und ein Hauptsacheverfahren nicht eingeleitet wurde (vgl. VerfGH vom 17.5.2021 – Vf. 14-VI-19 – juris Rn. 21 f. m. w. N.). Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerdeführerin es versäumt hat, den Weg des Abänderungsverfahrens gemäß § 54 Abs. 1 FamFG zu beschreiten, das auch bei im Verfahren der einstweiligen Anordnung geschlossenen Vergleichen statthaft ist (vgl. BGH vom 20.6.2018 FamRZ 2018, 1343 Rn. 16; Schlünder in BeckOK FamFG, § 54 Rn. 1a). Denn die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls aus anderen Gründen unzulässig.
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1. Soweit sich die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 31. März 2023 richtet, schafft dieser grundsätzlich keine eigenständige Beschwer. Die eine Nachholung rechtlichen Gehörs ablehnende Entscheidung (hier nach § 44 FamFG) lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem die „Selbstkorrektur“ durch die Fachgerichte unterbleibt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 2.10.2013 VerfGHE 66, 179/186; vom 20.4.2021 – Vf. 44-VI-20 – juris Rn. 27; vom 23.3.2022 – Vf. 36-VI-21 – juris Rn. 25; vom 23.1.2024 – Vf. 18-VI-23 – juris Rn. 12). Gleiches gilt, soweit mit dem Beschluss auch die Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde (vgl. VerfGH vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 20 m. w. N.).
31
Ziffern 4. und 5. des Tenors des Beschlusses vom 31. März 2023 wurden mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen. Ziffer 1. des Tenors wurde mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht ausdrücklich angegriffen; im Übrigen wäre nicht substanziiert dargelegt (vgl. hierzu nachfolgend Ziffer 2. b)), dass die Entscheidung des Amtsgerichts, den Antrag auf Berichtigung/Ergänzung des Vermerks vom 27. Februar 2023 als unzulässig anzusehen, völlig unvertretbar und damit willkürlich gewesen wäre oder den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt haben könnte. Das Amtsgericht hat seine Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur begründet. Darüber hinaus legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwieweit sie oder ihr Bevollmächtigter in der Sitzung am 27. Februar 2023 überhaupt darauf hingewirkt hätten, dass der behauptete Antrag zum Ferienumgang (mit dem Ziel, das Kind solle mit beiden Elternteilen Weihnachten feiern können) in den Vermerk, den der Richter in der Sitzung auf Tonträger diktiert hatte, aufgenommen wird. Ausführungen hierzu wären im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erforderlich gewesen. Gemäß dem Vermerk hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin den „Antrag gemäß Schriftsatz vom 19.12.2022“ gestellt, der eine Regelung des Ferienumgangs nicht mitumfasste.
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2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. März 2023 richtet, ist sie jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügenden Weise substanziiert begründet worden ist.
33
a) Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen. Ist die angefochtene Entscheidung – wie hier – unter Anwendung von Bundesrecht ergangen, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.1.1990 VerfGHE 43, 12/17 f.; vom 5.10.2017 BayVBl 2018, 164 Rn. 18; vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 49). In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, bei entsprechender Rüge auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie z. B. das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) oder der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 21.3.1997 VerfGHE 50, 60/62; vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 49; vom 4.1.2023 BayVBl 2023, 192 Rn. 28; vom 23.1.2024 – Vf. 18-VI-23 – juris Rn. 14).
34
b) Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG sind in der Verfassungsbeschwerde die konkrete Handlung oder Unterlassung, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, zu bezeichnen. Der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang muss vollständig und nachvollziehbar dargelegt werden, sodass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint. Die Verfassungsbeschwerde muss aus sich heraus verständlich sein (VerfGH vom 2.2.1966 VerfGHE 19, 14/15; vom 22.7.2019 – Vf. 64-VI-16 – juris Rn. 14; vom 4.1.2023 – Vf. 27-VI-22 – juris Rn. 19 m. w. N.; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 28). Um der Verfassungsbeschwerde den erforderlichen Inhalt zu geben, darf der Beschwerdeführer auf Schriftstücke Bezug nehmen, die er ihr beifügt, wobei er seinen erforderlichen Sachvortrag nicht durch eine pauschale Bezugnahme auf beigefügte Schriftstücke ersetzen kann (vgl. VerfGH vom 27.2.2017 BayVBl 2018, 34 Rn. 20; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 28). Die in der Verfassungsbeschwerdeschrift zu erbringende Begründungsleistung kann weder durch die Vorlage von Anlagen noch durch deren Hineinkopieren in den Text der Verfassungsbeschwerde ersetzt werden (VerfGH BayVBl 2018, 34 Rn. 20; vom 21.7.2020 – Vf. 56-VI-17 – juris Rn. 63; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris Rn. 34; BVerfG vom 20.3.2012 – 2 BvR 1382/09 – juris Rn. 5; vom 20.2.2019 - 2 BvR 280/19 – juris Rn. 7; VerfGH Nordrhein-Westfalen vom 16.7.2020 – 41/20.VB-1 – juris Rn. 3). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund eines undifferenzierten Verweises auf die Anlagen den verfassungsrechtlich relevanten Sachverhalt und die daraus hergeleitete Verletzungsrüge selbst zu ermitteln (vgl. VerfGH vom 7.2.2017 – Vf. 84-VI-15 – juris Rn. 19 m. w. N.; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 28).
35
Darüber hinaus setzt eine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darlegung eines Grundrechtsverstoßes voraus, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt (vgl. VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 40; vom 20.3.2018 BayVBl 2019, 207 Rn. 14 m. w. N.). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris Rn. 35; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 30; vom 28.2.2023 – Vf. 53-VI-22 – BeckRS 2023, 3332 Rn. 42, jeweils m. w. N.; BVerfG vom 10.11.2015 NJW 2016, 1505 Rn. 9; vom 28.3.2019 – 2 BvR 2432/18 – juris).
36
Den dargestellten Substanziierungspflichten muss der Beschwerdeführer innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG genügen. Nach Ablauf dieser Frist kann er die Beschwerdebegründung zwar noch in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ergänzen; er kann aber fehlende notwendige Bestandteile der Verfassungsbeschwerde nicht mehr nachschieben (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 15.11.2018 – Vf. 10-VI-17 – juris Rn. 15; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 - juris Rn. 31; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 30; vom 23.1.2024 – Vf. 70-VI-22 – juris Rn. 21).
37
c) Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
38
aa) Als maßgeblich für die Beurteilung ist allein die Verfassungsbeschwerdeschrift der Beschwerdeführerin vom 2. Juni 2023 heranzuziehen, die beim Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 2023 (Dienstag) und somit am letzten Tag der zweimonatigen Beschwerdefrist (vgl. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 VfGHG i.V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB) eingegangen ist. Für den Beginn der Beschwerdefrist ist spätestens auf das Datum der Bekanntgabe des Beschlusses des Amtsgerichts vom 31. März 2023, mit dem u. a. die Gehörsrüge der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen worden ist, abzustellen. Dieser Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 6. April 2023 zugegangen. Bei der Fristberechnung unterstellt der Verfassungsgerichtshof zugunsten der Beschwerdeführerin, dass die Anhörungsrüge nicht offensichtlich unzulässig gewesen ist und daher die Verfassungsbeschwerdefrist nicht nur für die Rüge der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, sondern auch im Hinblick auf weitere Grundrechtsrügen offengehalten hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 23.9.2015 - Vf. 38-VI-14 – VerfGHE 68, 180 Rn. 27 f.; vom 4.2.2019 NJW 2019, 2297 Rn. 25 f.; vom 28.10.2020 – Vf 41-VI-20 – juris Rn. 21.; vom 23.2.2022 – Vf. 81- VI-20 – juris Rn. 34 m. w. N.). Das weitere Schreiben der Beschwerdeführerin vom 23. Juli 2023 sowie die nachfolgenden Schriftsätze ihres Bevollmächtigten sind erst nach Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist eingegangen; mit ihnen konnten daher fehlende notwendige Bestandteile der Verfassungsbeschwerde nicht mehr nachgetragen werden. Im Übrigen tragen sie ohnehin nichts Wesentliches zur Substanziierung der Grundrechtsrügen bei.
39
bb) Die Rüge eines Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend substanziiert begründet.
40
(1) Willkürlich wäre eine gerichtliche Entscheidung nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich wäre und sich der Schluss aufdrängte, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Selbst eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet allein noch keinen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen; sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 7.8.2013 VerfGHE 66, 144/152; vom 5.12.2017 – Vf. 55-VI-16 – juris Rn. 21; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 27 m. w. N.). Dies ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es hierbei nicht an (vgl. VerfGH vom 13.2.2020 – Vf. 23-VI-18 – juris Rn. 21; vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 55; vom 23.1.2024 – Vf. 18-VI-23 – juris Rn. 20, jeweils m. w. N.).
41
Das Willkürverbot kann auch verletzt sein, wenn eine gerichtliche Entscheidung – abgesehen von Fällen, in denen die Fachgerichte durch Gesetz von einer Begründung freigestellt sind – nicht oder nicht angemessen begründet wird. Ob eine Entscheidungsbegründung angemessen ist, hängt von den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab; deshalb kann nicht abstrakt bestimmt werden, wann insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt ist (VerfGH vom 29.8.2023 – Vf. 59-VI-22 – juris Rn. 23 m. w. N.). Eine Begründung durch Bezugnahme auf Begründungsteile anderer Entscheidungen ist nach den zivilprozessualen Regeln grundsätzlich zulässig; es ist nicht erforderlich, die in Bezug genommenen Textpassagen wörtlich nochmals auszuführen (VerfGH vom 26.6.2014 BayVBl 2015, 247/248 m. w. N.).
42
(2) Vorliegend fehlt es an der erforderlichen nachvollziehbaren Darlegung des behaupteten Verstoßes gegen das Willkürverbot schon deshalb, weil die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Verfassungsbeschwerde vom 2. Juni 2023 keine in sich geschlossene, vollständige und aus sich heraus verständliche Darstellung der Vorgänge – wie sie auch von einem juristischen Laien erbracht werden kann – enthalten. Der Vortrag ist in wesentlichen Teilen unstrukturiert, redundant und beschränkt sich auf die Darstellung der Sichtweise der Beschwerdeführerin. Rechtliche und rechtspolitische Überlegungen einschließlich Rechtsprechungshinweisen wechseln sich weitgehend abgrenzungslos mit Darstellungen sowohl aus dem hier betroffenen Ausgangsverfahren Az. (K) 2 F 571/22 als auch (ohne dass dies immer ausreichend kenntlich gemacht wird) aus den vorangegangenen familiengerichtlichen Verfahren zwischen der Beschwerdeführerin und dem Vater des gemeinsamen Kindes ab. Lediglich mithilfe der zahlreichen, allerdings ihrerseits unübersichtlich gegliederten Anlagen, insbesondere den darin enthaltenen Vermerken und Beschlüssen aus den verschiedenen familiengerichtlichen Verfahren, ergibt sich ein zumindest umfassenderes Gesamtbild – ohne dass die Beschwerdeführerin jedoch Bezug auf konkrete, leicht auffindbare Schriftstücke nehmen würde.
43
(3) Überdies zeigen die einzelnen Beanstandungen der Beschwerdeführerin, die sich im Wesentlichen in der Darstellung des Sachverhalts sowie einer Gegenüberstellung ihrer eigenen Auffassung mit derjenigen des Amtsgerichts erschöpfen, nicht auf, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 1. März 2023 auf sachfremden Erwägungen beruhte und damit willkürlich wäre. Vielmehr ergibt sich, dass der amtsgerichtliche Beschluss unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Umgangsrecht sowie unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus den vorangegangenen Verfahren zwischen der Beschwerdeführerin und dem Vater des Kindes nachvollziehbar und vertretbar begründet ist.
44
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die Fachgerichte bei einem Streit über die Ausübung des Umgangsrechts eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Ausschlaggebend ist jeweils das Wohl des Kindes (vgl. z. B. BVerfG vom 24.6.2015 – 1 BvR 486/14 – juris Rn. 21; vom 17.2.2022 – 1 BvR 743/21 – juris Rn. 21; vom 14.12.2023 – 1 BvR 1889/23 – juris Rn. 20, jeweils m. w. N.). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass das Kind mit der Kundgabe seines Willens von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch macht und seinem Willen mit zunehmenden Alter vermehrt Bedeutung zukommt. Ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang kann durch die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit unter Umständen mehr Schaden verursachen als nutzen. Selbst ein auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruhender Wunsch kann beachtlich sein, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist. Das Außerachtlassen des beeinflussten Willens ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen (BVerfG vom 25.4.2015 – 1 BvR 3326/14 – NJW 2015, 2561 Rn. 17; vom 14.12.2023 – 1 BvR 1889/23 – juris Rn. 21).
45
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist entscheidender Maßstab in einem Verfahren betreffend den Umgang zwischen Eltern und Kind nach § 1684 BGB das Kindeswohl. Das Familiengericht hat grundsätzlich die Regelung zu treffen, die – unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Eltern – dem Kindeswohl nach § 1697 a BGB am besten entspricht. Liegt bereits eine gerichtliche Umgangsregelung vor, so ist eine abändernde Regelung nach § 1696 Abs. 1 BGB nur zu treffen, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist (vgl. nur BGH vom 1.2.2017 BGHZ 214, 31 Rn. 7 f. und 11 m. w. N.).
46
Diese sich aus dem materiellen Recht ergebenden Maßstäbe sind grundsätzlich auch maßgeblich für die (summarische) gerichtliche Prüfung im Verfahren der einstweiligen Anordnung einschließlich deren Abänderung (vgl. §§ 49, 54, 156 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 FamFG; Borth in Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl. 2022, § 49 Rn. 8, 11 und 16; Giers in Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 49 Rn. 8).
47
(b) Vorliegend sind für die verfassungsrechtliche Bewertung zudem die Feststellungen des Amtsgerichts von Bedeutung, die der Billigung des Vergleichs vom 22. Juli 2021, dessen Abänderung im Ausgangsverfahren beantragt worden ist, zugrunde gelegen haben. Zwar hat das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 1. März 2023 hierauf nicht ausdrücklich Bezug genommen, der unmittelbare Zusammenhang ergibt sich jedoch aus der Natur der Sache.
48
Den Vergleich vom 22. Juli 2021 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag (Az. (G) 2 F 431/19, 2 F 405/19, 2 F 268/20 und 2 F 215/21) gebilligt. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass die Umgangsregelung durch das Gericht zu billigen sei, da sie dem Kindeswohl nicht widerspreche. Hierzu brachte das Amtsgericht seine aus den umfangreichen Verfahren gewonnene Überzeugung zum Ausdruck, dass der ausgedehnte Umgang des Vaters dem Kindeswohl zuträglich sei und eine Gefahr vom Vater für das Kind in keiner Weise ausgehe. Der Einfluss des Vaters auf das Leben des Kindes durch die gemeinsame elterliche Sorge sei dem Kindeswohl nicht nur dienlich, sondern in höchstem Maß zuträglich. Zur Vermeidung von Wiederholungen hat das Amtsgericht dabei ausdrücklich bestimmte Unterlagen aus den Verfahren der Beteiligten in Bezug genommen. Soweit vorliegend relevant, kann diesen Unterlagen im Wesentlichen Folgendes entnommen werden:
49
Mit Beschluss vom 13. August 2020 Az. (G) 2 F 431/19 hatte das Amtsgericht eine Umgangspflegschaft angeordnet, weil es eine nachhaltige und erhebliche Verletzung des Umgangsrechts des Vaters bejaht hatte.
50
Im weiteren Verlauf waren die Verfahren wesentlich von der Klärung der Frage geprägt, ob und gegebenenfalls inwieweit es zu Misshandlungen des Kindes durch den Vater gekommen sei bzw. ob und inwieweit eine Ablehnung des Vaters durch die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Loyalitätskonflikts zu Aussagen des Kindes führe, die den anderen Elternteil schweren Vorwürfen aussetzen. Mit Beschluss vom 22. April 2021 Az. (G) 2 F 215/21 hatte das Amtsgericht der Beschwerdeführerin das Recht zur Regelung bestimmter Gesundheitsfragen sowie des Umgangs vorläufig entzogen, weil das Wohl des Kindes nach Überzeugung des Gerichts gefährdet sei. Mit eingehender Begründung hatte das Amtsgericht festgestellt, es sei überzeugt, dass dem Kind durch den Vater keine Gefahr drohe und die vom Kind berichteten Misshandlungen nicht stattgefunden hätten. Vielmehr drohe eine Entfremdung von Vater und Kind und eine weitere Verstärkung des Loyalitätskonflikts und eine durch die Mutter (vermutlich unbewusst) induzierte Abwehr des Vaters durch das Kind. Das Gericht gehe davon aus, dass die Gefahr einer starken unumkehrbaren Beeinflussung des Kindes gegen den Vater unmittelbar drohe.
51
Im Beschluss vom 22. April 2021 Az. (G) 2 F 431/19 wurde außerdem festgehalten, dass sämtliche Fachkräfte, die beide Elternteile kennen würden und das Kind in Interaktion mit dem Vater gesehen hätten, einen ausgedehnten Umgang zwischen Vater und Kind für dringend notwendig halten würden, um die Bindung und die gute Beziehung zwischen Vater und Kind, von der das Kind profitiere, aufrecht zu erhalten und eine Abwendung vom Vater durch noch größer werdenden Druck und Einflussnahme der Mutter zu verhindern.
52
Soweit die Beschwerdeführerin diese Feststellungen des Amtsgerichts, ohne auf sie in der Verfassungsbeschwerde näher einzugehen, offenbar für unzutreffend hält, ist – ungeachtet des Umstands, dass der Beschluss vom 22. Juli 2021 nicht Gegenstand dieser Verfassungsbeschwerde ist und dies auch gar nicht mehr zulässig sein könnte – auf Folgendes hinzuweisen: Grundsätzlich sind die Feststellung des Sachverhalts sowie die Würdigung der festgestellten Tatsachen dem erkennenden Gericht vorbehalten und der verfassungsrechtlichen Nachprüfung entzogen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, die Richtigkeit dieser Feststellungen wie ein Rechtsmittelgericht zu überprüfen (vgl. VerfGH vom 20.3.2008 – Vf. 23-VI-07 – juris Rn. 40; vom 18.4.2012 – Vf. 94-VI-11 – juris Rn. 30, jeweils m. w. N.). Anhaltspunkte, wonach die damaligen fachgerichtlichen Wertungen willkürlich getroffen sein könnten, sind im Übrigen nicht ersichtlich; sie beruhen vielmehr auf einer umfangreichen Amtsermittlung (vgl. §§ 26, 29 Abs. 1 FamFG) und sind das Ergebnis einer nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen gerichtlichen Überzeugung (§ 37 Abs. 1 FamFG). Hierzu zählt auch ein im Verfahren gewonnener persönlicher Eindruck des Gerichts, der sich insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeit von Beteiligten und Zeugen auf der Grundlage durchgeführter Termine ergibt (vgl. VerfGH vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 66).
53
(c) Dies zugrunde gelegt ist für den Verfassungsgerichtshof nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Amtsgerichts auf sachfremden Erwägungen beruhen würde oder derart widersprüchlich wäre, dass sie nicht mehr verständlich und daher willkürlich wäre. Insbesondere mit Blick darauf, dass § 51 Abs. 2 Satz 1 FamFG i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG keine inhaltlichen Anforderungen an die Beschlussbegründung aufstellt und der Beschluss gemäß § 57 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar ist, ist für Willkür nichts ersichtlich (vgl. VerfGH vom 17.12.2012 – Vf. 54-VI-12 – juris Rn. 40 m. w. N.).
54
Obwohl das Amtsgericht seine – unanfechtbare – Entscheidung nur kurz begründet, bringt es hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass es die genannten Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der von ihm zu treffenden Einzelfallentscheidung berücksichtigt hat. So benennt es in den Gründen seines Beschlusses, der ausdrücklich auf der Anhörung sämtlicher Beteiligter beruht, ganz vorrangig die Interessen und das Wohl des Kindes (vgl. § 1697 a Abs. 1 BGB). Das Amtsgericht berücksichtigt zum einen dessen Verunsicherung und Belastung, weil es aufgrund der langen Anfahrten zur Schule aus München zu spät kommen könnte (andere Aspekte wurden von A. selbst nicht angesprochen), sowie zum anderen die in den Vorverfahren gewonnene Erkenntnis, dass die 2021 vereinbarten umfangreichen Umgangskontakte mit dem Vater für die Entwicklung des Kindes weiterhin wichtig sind. Diese Bedeutung, die das Amtsgericht den umfangreichen Umgangskontakten mit dem Vater beimisst, vermag auch zu erklären, dass es – orientiert an der ursprünglichen Regelung im Vergleich vom 22. Juli 2021 – lediglich die Wege eines Teils der Anfahrten zur Schule im Rahmen der Umgänge reduziert hat. Jedenfalls vor dem Hintergrund, dass alle Beteiligten in den familiengerichtlichen Verfahren ausnahmslos immer eine positive und gute Entwicklung des Kindes dargestellt haben, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Amtsgericht geänderte Umgangsregelung führt außerdem dazu, dass der alle zwei Wochen beim Vater stattfindende verlängerte Wochenendumgang nicht durch einzelne Übernachtungen außerhalb der Wohnung des Vaters unterbrochen wird, und kann somit dem von der Beschwerdeführerin reklamierten Bedürfnis des Kindes nach geordneten und klaren Abläufen Rechnung tragen. Dass das Amtsgericht damit das Kindeswohl abweichend von der Einschätzung der Beschwerdeführerin beurteilt hat, wobei es der Hinwendung des Kindes zu Freunden außerhalb des familiären Umfelds (erst) zukünftig eine größer werdende Bedeutung zugemessen hat, und den Umgang zwischen Vater und Kind unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenssituationen der Beteiligten abweichend vom Wunsch der Beschwerdeführerin geregelt hat, vermag die geltend gemachte Willkür nicht zu begründen.
55
Dass das Amtsgericht die Notwendigkeit einer Änderung in Bezug auf den gerichtlich gebilligten Vergleich vom 22. Juli 2021 und nicht – worauf die Beschwerdeführerin im Wesentlichen abstellt – in Bezug auf den lediglich im Sinn einer Zwischenlösung gerichtlich gebilligten Vergleich vom 29. August 2022 im Verfahren (B) 2 F 318/22 oder in Bezug auf die tatsächlich gelebten Verhältnisse festgestellt und formuliert hat, ist dabei nicht zu beanstanden. Die wiederholte Beanstandung der Beschwerdeführerin, durch den angegriffenen Beschluss seien Anfahrten aus München überhaupt erst eingeführt worden, ist nur in Bezug auf die auf Basis des Vergleichs vom 29. August 2022 praktizierte Lösung zutreffend, nicht aber in Bezug auf den ursprünglichen Vergleich vom 22. Juli 2021. Vor diesem Hintergrund ist die Begründung des Amtsgerichts weder widersprüchlich noch zeigt die Beschwerdeführerin insoweit sonst einen Verfassungsverstoß auf.
56
Es trifft auch nicht zu, dass – wie die Beschwerdeführerin meint – das Amtsgericht das Wohl des Kindes außer Acht gelassen sowie die Belange des Vaters einseitig in den Vordergrund gerückt hätte. Die Beschwerdeführerin ihrerseits fokussiert sich vielmehr einseitig auf das Kindeswohl, wie es sich aus ihrer Sicht darstellt. Soweit sie sich auf den geäußerten Kindeswillen bezieht, setzt sie sich nicht damit auseinander, dass dieser – insbesondere bei jüngeren Kindern – nicht zwangsläufig mit dem Kindeswohl gleichzusetzen ist, gegebenenfalls nicht autonom geäußert wird und somit u. U. nicht den wirklichen Bindungsverhältnissen entspricht. Dies gilt hier umso mehr, als sich das Amtsgericht bereits im Vorfeld der Billigung des Vergleichs vom 22. Juli 2021 eingehend mit den vom Kind berichteten Misshandlungen auseinandergesetzt hatte und zum Ergebnis gekommen war, diese hätten nicht stattgefunden; dem Kind drohe durch den Vater keine Gefahr, jedoch drohe seitens der Beschwerdeführerin eine starke Beeinflussung.
57
Soweit die Beschwerdeführerin die Gefahr sieht, dass Biorhythmus und Schlaf des Kindes durch ein frühes Aufstehen vor 6:00 Uhr bedingt durch die langen Anfahrten zur Schule aus München dauerhaft desynchronisiert würden, und sie hierzu auf allgemeine medizinische Erkenntnisse sowie rechtliche Regelungen, die für verschiedene Lebensbereiche eine Aufstehzeit erst ab 6:00 Uhr vorsehen (z. B. bei Anreisen von Rechtsanwälten zu Gerichtsterminen oder Aufweckzeiten in Internaten oder Jugendvollzugsanstalten), Bezug nimmt, zeigt sie weder einen unmittelbaren Bezug zum Umgangsrecht noch konkrete nachteilige Auswirkungen auf das Kind auf. Dass das Kind durch die Umgangsregelung tatsächlich erheblich belastet ist, wird von der Beschwerdeführerin nicht substanziiert dargelegt. Die Verdachtsdiagnose eines Asperger-Autismus war bereits zum Zeitpunkt des Vergleichs vom 22. Juli 2021 bekannt. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Amtsgericht diese Aspekte, die im Übrigen im fachgerichtlichen Verfahren gar nicht vollumfänglich vorgetragen worden waren, in seinem Beschluss vom 1. März 2023 nicht erwähnt hat.
58
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich eine erhebliche Mangelversorgung des Kindes durch den Vater (bis hin zu unterlassener Hilfeleistung bei Verletzungen) behauptet, widerspricht dies den früheren Feststellungen des Amtsgerichts, wonach vom Vater für das Kind ausdrücklich keine Gefahr ausgeht. Eigene Feststellungen sind durch den Verfassungsgerichtshof hierzu nicht zu treffen. Im Übrigen wurde dieser Aspekt erst mit Schriftsatz vom 16. März 2023 und somit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 1. März 2023 geltend gemacht, weshalb er dort vom Amtsgericht gar nicht berücksichtigt werden konnte. Soweit die Beschwerdeführerin auf Vortrag aus dem Verfahren (B) 2 F 318/22 Bezug nimmt, bestand für das Amtsgericht ebenfalls keine erkennbare Veranlassung, sich damit konkret auseinanderzusetzen.
59
cc) Auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend substanziiert dargetan.
60
(1) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat eine zweifache Ausprägung: Zum einen untersagt er dem Gericht, seiner Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird, soweit es aus verfahrens- oder materiellrechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.10.1993 VerfGHE 46, 293/296; vom 6.4.2001 VerfGHE 54, 29/31 f.; vom 7.4.2022 – Vf. 66-VI-19 – juris Rn. 27; vom 23.1.2024 – Vf. 18-VI-23 – juris Rn. 17, jeweils m. w. N.).
61
Das Gericht wird durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aber nicht verpflichtet, auf alle Ausführungen oder Anliegen eines Beteiligten einzugehen. Hat das Gericht die Ausführungen eines Beteiligten entgegengenommen, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie bei der Entscheidung erwogen worden sind (vgl. VerfGH vom 29.6.2004 VerfGHE 57, 62/66; vom 8.10.2013 NStZ-RR 2014, 50; vom 7.7.2020 – Vf. 68-VI-19 – juris Rn. 30, jeweils m. w. N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 35; vom 7.4.2022 – Vf. 66-VI-19 – juris Rn. 27; vom 23.1.2024 – Vf. 18-VI-23 – juris Rn. 17, jeweils m. w. N.). Geht das Gericht etwa auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vorbringens schließen, sofern es nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstanziiert war (vgl. VerfGH vom 9.2.1994 VerfGHE 47, 47/52; NStZ-RR 2014, 50; vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 35). Entsprechendes gilt für die wesentlichen Rechtsausführungen einer Partei (vgl. VerfGH vom 20.12.2021 – Vf. 18-VI-21 – juris Rn. 29 m. w. N.). Hingegen ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 BV kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht der Bewertung eines Beteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kann auch nicht damit begründet werden, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 35; vom 7.4.2022 – Vf. 66-VI-19 – juris Rn. 27; vom 23.1.2024 – Vf. 18-VI-23 – juris Rn. 17, jeweils m. w. N).
62
Einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 BV kann auch die Ablehnung eines entscheidungserheblichen Beweisantrags begründen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass das Gericht das Prozessrecht diesbezüglich in einer Weise auslegt und handhabt, die unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unvertretbar ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 25.5.2011 VerfGHE 64, 61/67; vom 27.1.2016 BayVBl 2016, 671 Rn. 26; vom 2.3.2017 – Vf. 1-VI-16 – juris Rn. 19; vom 20.4.2021 BayVBl 2021, 516 Rn. 39). Ob ein Beweisthema entscheidungserheblich ist, obliegt der materiellrechtlichen Einschätzung des zur Entscheidung berufenen Gerichts, welche verfassungsrechtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob sie gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) verstößt (vgl. VerfGH vom 29.5.2012 – Vf. 116-VI-11 – juris Rn. 29). Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen wird erst dann überschritten, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird (vgl. VerfGH vom 12.3.2018 – Vf. 40-VI-17 – juris Rn. 41; BVerfG vom 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5).
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(2) Die Beschwerdeführerin hat nicht aufgezeigt, aus welchen besonderen Umständen sich vorliegend ergeben soll, dass das Amtsgericht ein konkretes tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hätte. Zudem umfasst Art. 91 Abs. 1 BV nicht die Pflicht zur Begründung einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. VerfGH vom 30.1.2007 VerfGHE 60, 14/27); insbesondere eine – wie hier – unanfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung bedarf von Verfassungs wegen regelmäßig keiner Begründung (BVerfG vom 8.1.2004 – 1 BvR 864/03 – juris Rn. 24; vom 14.6.2007 BVerfGE 118, 212/238; vom 7.4.2022 – 2 BvR 2194/22 – juris Rn. 55 m. w. N.). Daraus, dass das Amtsgericht sich in seiner Entscheidung nicht mit allen Ausführungen bzw. Anliegen der Beschwerdeführerin in der von ihr gewünschten Breite auseinandergesetzt hat und zudem der Meinung der Beschwerdeführerin nicht gefolgt ist, kann nicht der Schluss gezogen werden, es habe über einen fiktiven Sachverhalt entschieden oder ihr Vorbringen nicht in Erwägung gezogen. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, die vom Amtsgericht vertretene Auffassung sei unrichtig, vermag dies einen Gehörsverstoß ebenfalls nicht zu begründen. Im Übrigen überschneiden sich die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu der behaupteten Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör mit ihren Darlegungen zu einem Verstoß gegen das Willkürverbot, sodass ergänzend auf die obigen Ausführungen Bezug genommen wird.
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(3) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie habe sich zu entscheidungserheblichen Unterlagen nicht äußern können, weil trotz entsprechender Bitte schriftliche Berichte der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts nicht vorgelegt bzw. vom Amtsgericht nicht angefordert worden seien, zeigt sie ebenfalls nicht die Möglichkeit einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör auf. Tatsächlich waren der Beschwerdeführerin ausweislich der Gründe des Beschlusses vom 31. März 2023 alle Informationen bekannt, die auch dem Amtsgericht vorgelegen haben und die somit Grundlage des Beschlusses vom 1. März 2023 gewesen sind.
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Die Frage, ob und inwieweit das Amtsgericht zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet gewesen wäre, beurteilt sich aufgrund bundesrechtlicher Regelungen. Die bloße Anhörung des Jugendamts entsprach dieser gesetzlichen Regelung (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. § 155 Abs. 2 Satz 3, § 156 Abs. 3 Satz 1, § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG); ein schriftlicher Bericht ist nicht vorgeschrieben.
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Hinsichtlich des Verfahrensbeistands, dessen Aufgabe es ist, das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen (§ 158 b Abs. 1 Satz 1 FamFG), sieht das Gesetz zwar seit 1. Juli 2021 vor, dass der Verfahrensbeistand zu diesem Zweck eine schriftliche Stellungnahme erstatten soll (§ 158 b Abs. 1 Satz 2 FamFG). Eine mündliche Stellungnahme in einem Termin, die bis 30. Juni 2021 regelmäßig als ausreichend angesehen worden war, soll aber zumindest ausnahmsweise weiterhin möglich sein (vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 55; Schäder in Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 158 b Rn. 7; Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 158 b FamFG Rn. 6 f.). Zudem enthält das Gesetz keine Vorgaben zum Inhalt der Stellungnahme (Schäder, a. a. O., § 158 b Rn. 8) und findet die Vorschrift des § 158 b Abs. 1 Satz 2 FamFG im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur insoweit Anwendung, als sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt (§ 51 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz FamFG).
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Vor diesem Hintergrund ist weder ausreichend substanziiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Verfahrensführung durch das Amtsgericht verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnte. Insbesondere ist nicht aufgezeigt oder ersichtlich, dass das Verfahren hier keine hinreichend zuverlässige Grundlage für eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf einstweilige Anordnung geboten hätte. Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form und ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden (§ 29 Abs. 1 FamFG). Es entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 37 Abs. 1 FamFG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG vom 12.10.1988 BVerfGE 79, 51/62) sind die Gerichte der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht verpflichtet, Beweisanträgen zu entsprechen, wenn sie diese nach dem sonstigen Ermittlungsergebnis nicht für sachdienlich oder aus Rechtsgründen für unerheblich halten (vgl. auch VerfGH vom 30.1.2007 VerfGHE 60, 14/23 f.; vom 17.12.2012 – Vf. 54-VI-12 – juris Rn. 52). Ob ein Gehörsverstoß wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht ausnahmsweise auch dann möglich ist, wenn das Gericht eine bloße Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (vgl. VerfGH vom 20.4.2021 – Vf. 44-VI-20 – juris Rn. 40 m. w. N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil diese Voraussetzungen ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich sind.
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(4) Die Beschwerdeführerin hatte auch ausreichend Zeit, sich zu allen Gesichtspunkten zu äußern. Sie musste nach der Verhandlung vom 27. Februar 2023 mit dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung rechnen, nachdem das Amtsgericht in diesem Termin die Anträge der Beteiligten aufgenommen und überdies darauf hingewiesen hatte, dass die Entscheidung des Gerichts in dieser Sache abschließend sein werde, da es gegen eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren kein Rechtsmittel gebe. Warum dieser Termin, der um 9:00 Uhr begonnen hat, in verfassungswidriger Weise zeitlich zu stark begrenzt worden sein könnte bzw. mit welchem entscheidungserheblichen Vortrag die Beschwerdeführerin ausgeschlossen gewesen sein könnte, wird nicht dargelegt. Eine Absprache mit der „Gegenpartei“ ist nach eigenem Vortrag im Fachverfahren nicht erfolgt, lediglich eine Information, dass ausreichend Zeit bleiben werde, A. im Anschluss an den Termin bis gegen 11:25 Uhr von der Schule (Entfernung etwa 12,5 km) abzuholen.
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Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Amtsgericht habe den Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2. März 2023 (eingegangen am 3. März 2023) im Beschluss vom 1. März 2023 nicht berücksichtigt, kann der Akte des Amtsgerichts bereits nicht entnommen werden, dass dieser Schriftsatz eingegangen war, bevor der angefochtene Beschluss am 3. März 2023 an die Beteiligten versandt worden ist. Mit ihrem Vortrag, die Verfahrensbeiständin hätte sich nicht ausreichend, insbesondere nicht zu der Anhörung vom 27. Februar 2023 äußern können, macht die Beschwerdeführerin keine Verletzung in eigenen Rechten geltend.
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dd) Soweit die Beschwerdeführerin anlässlich ihres Vortrags zur Verletzung des Willkürverbots bzw. ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör auch die Grundsätze der Waffengleichheit und eines fairen Verfahrens sowie das Rechtsstaatsgebot kurz erwähnt, handelt es sich bereits nicht um eigenständige Grundrechtsrügen; gesonderter Vortrag hierzu erfolgt nicht. Es kann daher dahinstehen, ob ein subjektiv rügefähiges Grundrecht auf „Waffengleichheit“ anzuerkennen ist (vgl. VerfGH vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 79 m. w. N.) und ob das Recht auf ein faires Verfahren einen verfassungsbeschwerdefähigen Grundrechtsanspruch darstellt (vgl. VerfGH vom 15.9.2023 – Vf. 20-VI-21 – juris Rn. 47 m. w. N.). Das Rechtsstaatsprinzip verbürgt ohnehin kein subjektives verfassungsmäßiges Recht im Sinn des Art. 120 BV (vgl. VerfGH vom 13.3.2018 – Vf. 31-VI-16 – juris Rn. 34; vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 39, jeweils m. w. N.).
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ee) Die weiteren Rügen einer Verletzung der Art. 99, 100, 101, 125 Abs. 1, Art. 126 Abs. 1 und 3 und Art. 128 BV, die ohnehin nicht näher begründet werden, sind angesichts des beschränkten Prüfungsumfangs des Verfassungsgerichtshofs bei der Anwendung von Bundesrecht bereits deshalb unzulässig, weil die Willkürrüge erfolglos bleibt.
72
3. Es war nicht erforderlich, die komplette Akte des Jugendamts Miesbach beizuziehen. Das dortige Verwaltungsverfahren ist nicht Gegenstand dieser Verfassungsbeschwerde.
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Durch die Entscheidung in der Hauptsache hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
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Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).