Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 28.05.2024 – Au 6 K 23.30550
Titel:

Wegen Kindeswohlgefährdung rechtswidrige Abschiebungsandrohung nach Georgien im Asylfolgeverfahren 

Normenketten:
AsylG § 3, § 4, § 34, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 5
Leitsätze:
1. Einer georgischen Yezidin droht weder aufgrund ihrer Herkunft noch aufgrund ihrer religiösen Heirat mit einem Moslem noch aufgrund ihrer Konversion zum Islam im Falle einer Rückkehr nach Georgien ein ernsthafter Schaden iSv § 4 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Nr. 4, S. 2 AsylG. (Rn. 35) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Die Grundversorgung und die medizinische Versorgung sind für Rückkehrer nach Georgien jedenfalls im Umfang des absoluten Existenzminimums gesichert. (Rn. 43) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Mit Inkrafttreten des Rückführungsverbesserungsgesetzes wird nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AsylG vorausgesetzt, dass bei Erlass einer Abschiebungsandrohung der Abschiebung unter anderem weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen des Adressaten entgegenstehen (VGH München BeckRS 2024, 3997). (Rn. 48) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Der Schutz des Kindeswohls knüpft nicht an bloße formal-rechtliche familiäre Bindungen an. Als entscheidend erweist sich vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, mithin eine tatsächlich bestehende familiäre Lebensgemeinschaft (OVG Lüneburg BeckRS 2023, 33059). (Rn. 49) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asylfolgeantrag einer georgischen Asylbewerberin, bestandskräftiger Abschluss des Asylerstverfahrens mit noch nicht vollzogener Abschiebungsandrohung, behauptete Verfolgung durch ihre Familie wegen religiöser Heirat eines nicht yezidischen Moslem und Konversion zum Islam, Aufhebung der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbotes wegen Kindeswohlgefährdung, georgische Staatsangehörige, Yezidin, Konversion zum Islam, Heirat gegen Elternwillen, Neugeborenes, Asylfolgeverfahren, subsidiärer Schutz, Abschiebungsandrohung, Rückführungsverbesserungsgesetz, Kindeswohlgefährdung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13258

Tenor

  I.    Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.5.2023 wird in Nr. 5 und Nr. 6 des Bescheides aufgehoben.
 II.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.    Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

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Die am ... 1997 in Russland geborene Klägerin ist georgische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und zwischenzeitlich muslimischer Religionszugehörigkeit.
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Sie reiste ausweislich der Feststellungen in ihrem Asylerstverfahren (Au 6 K 15.50384) von Russland aus im Jahr 2012 nach Frankreich und von dort aus im November 2014 in die Bundesrepublik ein. Nach einem EURODAC-Abgleich erklärte Frankreich sein Einverständnis mit der Übernahme der Klägerin, woraufhin das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) mit Bescheid vom 16. Juli 2015 die Unzulässigkeit des Asylantrages feststellte und die Abschiebung nach Frankreich anordnete. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der auch die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG wegen Komplikationen in der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schwangerschaft der Mutter der damals bereits volljährigen Klägerin beantragt wurde, wurde mit Urteil vom 15. September 2015 abgewiesen. Die Klägerin wurde mit ihrer Familie nach Frankreich abgeschoben.
3
Ihren eigenen Angaben nach sei die Klägerin nie in Georgien gewesen oder habe jemals dort gelebt. Seit ihrer Abschiebung aus Deutschland habe sie in Frankreich und Belgien gelebt, bevor sie im Jahr 2023 – diesmal mit ihrem nunmehr religiös angetrauten Ehemann – erneut in die Bundesrepublik einreiste.
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Am 24. Februar 2023 stellte die Klägerin beim Bundesamt einen Asylfolgeantrag. Sie habe vor einigen Monaten ihr Elternhaus verlassen und halte sich seitdem vor ihrer Verwandtschaft versteckt. Die Klägerin sei zwischenzeitlich mit einem afghanischen Staatsangehörigen verheiratet und zum Islam konvertiert. Ihre Familie sei von Anfang an gegen diese Heirat gewesen, da ihr Ehemann Moslem und kein Yezide sei. Yeziden wie die Klägerin dürften jedoch nur andere Yeziden heiraten.
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Über den Asylantrag des religiös angetrauten Ehemannes der Klägerin, der sich das erste Mal in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, sei noch nicht entschieden.
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Nachdem die Klägerin zur persönlichen Anhörung anlässlich ihres Asylfolgeantrags (Ladung vom 7. März 2023 ausweislich PZU zugestellt am 9. März 2023) ohne Angaben von Gründen nicht erschien, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 15. Mai 2023 (der Klägerin zugestellt am 23. Mai 2023) den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2 des Bescheids), erkannte die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nrn. 1 und 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Nr. 4), forderte sie zur Ausreise auf und drohte die Abschiebung nach Georgien oder einen anderen Staat an, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 5).
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Zwar sei ein neuer Sachvortrag erfolgt, der sich potentiell bei objektiver Beurteilung zu Gunsten der Klägerin habe auswirken können, jedoch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes oder die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vor. Für die Beurteilung sei ausschließlich auf Georgien abzustellen. Die Klägerin habe angegeben, sich nie in Georgien aufgehalten zu haben, sodass eine Vorverfolgung ausscheide. Auch habe sie keine asylerheblichen Probleme mit dem georgischen Staat geltend gemacht. Nach eigenen Angaben befürchte die Klägerin Probleme mit ihren Eltern und Verwandten wegen ihrer Heirat mit einem muslimischen Mann und ihrer Konversion zum Islam. Es bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Familie der Klägerin, die ebenfalls im September 2015 nach Frankreich abgeschoben worden sei, in Georgien aufhalte. Abgesehen davon wäre die Klägerin im Falle einer Bedrohung durch ihre Familie auf Schutz der georgischen Behörden, die sich mittlerweile generell als schutzwillig und schutzfähig erwiesen, zu verweisen. Auch ihre yezidische Herkunft oder die Konversion zum Islam führten zu keiner Schutzgewährung i.S.d. Asylgesetzes. Abschiebungsverbote bestünden, insbesondere aufgrund der humanitären Bedingungen in Georgien, nicht.
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Mit Schreiben vom 25. Mai 2023 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Einladung zur persönlichen Anhörung für den 25. April 2023 erhalten habe. Sie habe Mitarbeitende der Regierung gefragt, ob sie hierfür ein Zugticket erhalte, woraufhin ihr mitgeteilt worden sei, der Termin sei nicht wichtig und hinfällig; sie müsse nicht nach ... fahren. Die Klägerin habe sich auf diese Aussage verlassen und bitte nun, ihr einen neuen Termin zu geben, um ihre Gründe vorzutragen, warum es ihr nicht möglich sei, mit ihrem Partner Deutschland zu verlassen.
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Gegen den ablehnenden Asylfolgebescheid erhob die Klägerin am 1. Juni 2023 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg Klage und beantragt zuletzt,
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1. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.5.2023 mit dem Aktenzeichen ... wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
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hilfsweise festzustellen, dass sie die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt,
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hilfsweise festzustellen, dass für sie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,
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hilfsweise Ziffer 5 und 6 des Bescheides, also die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot, aufzuheben.
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Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf ihren Asylfolgeantrag und führt über ihren Klägerbevollmächtigten ergänzend aus, dass es Yeziden traditionell nicht erlaubt sei, jemanden mit einer anderen Religionszugehörigkeit zu heiraten. Vor circa eineinhalb Jahren sei ein Cousin der Klägerin zu ihr nach Belgien gekommen und habe diese – mit Einverständnis ihrer Eltern – nach Frankreich entführt, da dieser sie gegen ihren Willen habe heiraten wollen. Lediglich ihr Bruder sei damit nicht einverstanden gewesen und habe sie zurück nach Frankreich gebracht. Aufgrund wöchentlicher Besuche des Cousins bei der Familie der Klägerin sei es ihr verboten worden, das Haus ihrer Familie zu verlassen und arbeiten zu gehen, sodass sie ihre Arbeit habe aufgeben müssen. Ihre Eltern seien auch nicht einverstanden gewesen, dass die Klägerin ihren jetzigen Ehemann heirate. Als erneut ein Besuch des Cousins angestanden habe, sei es ihr gelungen, aus dem Haus ihrer Eltern zu fliehen, zu ihrem jetzigen – religiös, aber nicht amtlich angetrauten – Ehemann zu gelangen und mit diesem nach Deutschland zu fliehen, da sie Belgien für nicht sicher und zu klein zum Verstecken vor der Familie der Klägerin und der yezidischen Gemeinschaft hielten. Der Klägerbevollmächtigte verweist auf ein Urteil des VG Stade vom 25. März 2021 (Az. 3 A 2387/217), dass er auszugsweise wiedergibt und dessen Inhalt er sich vollumfänglich zu eigen macht. Hinsichtlich einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung der Klägerin aufgrund der Konversion zum Islam verweise er auf die Feststellungen des VG Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 19. Mai 2015 (Az: 6a K 2710/14.A). Eine inländische Fluchtalternative sei in dem kleinen Georgien nicht gegeben. Zudem liege für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Sie habe in Georgien keine wirtschaftliche Existenzgrundlage und könne keine Unterstützung ihrer Familie erhalten. Zudem sei sie [Anmerkung der Berichterstatterin: zum Zeitpunkt der Klageerhebung] schwanger (errechneter Geburtstermin ... 2024). Der Ehemann der Klägerin könne sie auch nicht nach Georgien begleiten, da lediglich eine religiöse Eheschließung vorliege. Die Familie der Klägerin sei – mit der alleinigen Ausnahme ihres jüngeren Bruders, der sie auch aus Frankreich zurückgeholt habe – sehr traditionell. Die Yeziden in Georgien seien von der übrigen georgischen Gesellschaft isoliert und bildeten eine eigene soziale Gruppe. Aus diesem Grund würde es bekannt, sollte die Klägerin nach Georgien zurückkehren.
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Ein Verfahren beim Standesamt zwecks amtlicher Eheschließung der Klägerin mit ihrem religiös angetrauten Ehemann sei nicht eingeleitet worden.
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Unter Vorlage eines Geburtenregisterauszugs sowie Kopien über die Urkunden zur Vaterschaftsanerkennung sowie zur gemeinsamen elterlichen Sorge wurde mitgeteilt, dass die Klägerin und ihr religiös angetrauter Ehemann am 9. Januar 2024 Eltern ihres Sohnes geworden seien. Die Geburt sei bisher lediglich in der Stadt, nicht in Georgien oder Afghanistan registriert worden. Auch ein Reisepass sei für das Kind nicht beantragt worden.
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In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin entgegen des Akteninhalts an, weder sie noch ihre Eltern hätten je der christlich-orthodoxen Religion zugehört. Ihre Eltern seien Yeziden, sie selbst sei bis zu ihrer Heirat mit ihrem religiös angetrauten Ehemann Yezidin gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2023 beantragt die Beklagte
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Klageabweisung.
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Zur Begründung führt sie ergänzend zur Bescheidsbegründung aus, dass Yeziden in Georgien selbst bei Konversion keine Verfolgung aufgrund ihres Glaubens drohe. Jedenfalls stünde ihr eine inländische Schutzalternative bzw. interner Schutz in Georgien zur Verfügung. Eine Entführung der Klägerin nach Frankreich sei nicht polizeilich angezeigt worden. Der im Urteil des VG Stade festgestellte Sachverhalt sei mit dem hiesigen nicht vergleichbar, da die dortige Klägerin Georgien vorverfolgt verlassen habe, sich deren Familie in Georgien befinde und diese Familie in der yezidischen Gemeinschaft besonders einflussreich, wohlhabend und kriminell sei sowie über finanzielle Mittel verfüge. Dass sich Verwandte der Klägerin in Georgien befänden, diese auch noch willig und fähig wären, die Klägerin landesweit zu verfolgen und extreme Moralvorstellung hätten, die beispielsweise von der liberaleren Einstellung des Bruders der Klägerin abwichen, sei weder ersichtlich noch in der Klagebegründung substantiiert begründet. Über den Antrag des Lebensgefährten der Klägerin sei ausweislich einer Mitteilung des Bundesamtes vom 22. Mai 2024 noch nicht entschieden. Für das Kind der Klägerin sei bis zum 12. Februar 2024 kein Asylantrag gestellt worden.
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Mit Beschluss vom 18. April 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten einschließlich der Protokolle der mündlichen Verhandlungen auch des Verfahrens Au 6 K 15.50385 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2024 trotz des Ausbleibens der Beklagten entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte, die insoweit auf Förmlichkeiten verzichtet hat, wurde mit Schreiben vom 24. April 2024 form- und fristgerecht geladen. Beide Beteiligten wurden in der Ladung auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben eines Beteiligten hingewiesen.
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (I.) oder des hilfsweise angestrebten subsidiären Schutzes inne (II.). Zudem besteht bezüglich der weiter hilfsweise angestrebten Feststellung, dass bei ihr ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Georgien vorliegt, kein Verpflichtungsanspruch (III.). Insoweit erweist sich der streitbefangene Bescheid des Bundesamts vom 15. Mai 2023 als rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Rechtswidrig ist allerdings die Abschiebungsandrohung in Nummer 5 des streitgegenständlichen Bescheids, der insoweit die Klägerin gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten verletzt (IV. 1.). Infolgedessen ist auch das in Nummer 6 des Bescheids verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtswidrig (IV.2.).
A.
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Die Klage ist überwiegend unbegründet.
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I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG. Es wird auf den angegriffenen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt:
28
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einer Ausländerin, die Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Eine Ausländerin ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn sie sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb ihres Herkunftslandes befindet.
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Im Einzelnen sind die Verfolgungshandlungen in § 3a AsylG definiert, die Verfolgungsgründe in § 3b AsylG und die Akteure, von denen eine Verfolgung ausgehen kann bzw. die Schutz bieten können, in §§ 3c, 3d AsylG. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den Verfolgungshandlungen – den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylG – muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
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Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 16) entspricht.
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Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 16).
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Soweit keine Beweiserleichterung wie bei Vorverfolgung oder in Widerrufsfällen nach Art. 4 Abs. 4 bzw. Art. 14 Abs. 2 RL 2011/95/EU greift, bleibt es im Umkehrschluss beim allgemeinen Günstigkeitsprinzip, wonach die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter für sich günstige Rechtsfolgen herleitet, zu seinen Lasten geht, also des Schutzsuchenden (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 26 ff.).
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Es ist Sache der schutzsuchenden Person, ihre Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Sie hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihr nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich geflüchtete Menschen insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
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2. Der Klägerin droht in Georgien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung durch ihre yezidischen Verwandten wegen der religiösen Heirat mit ihrem muslimischen Ehemann bzw. ihrer Konversion zum Islam.
35
Die Klägerin hat sich nach eigenen Angaben nie in Georgien aufgehalten, sodass eine Vorverfolgung ausscheidet. Ihre Eltern und ihre Geschwister, vor denen sie aus Belgien geflohen sei, leben selbst nicht mehr in Georgien. Sie sind mit der Klägerin nach Deutschland gekommen und zwischenzeitlich nach Frankreich abgeschoben worden. Selbst wenn ein in Georgien verbliebener Teil der Familie der Klägerin – wie z.B. der Bruder ihres Vaters, der nach Angaben der Klägerin noch mit ihrem Vater in Kontakt steht – von ihrer Heirat und Konversion Kenntnis erlangen würde, ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin landesweit von ihrer Familie verfolgt werden würde. Da die Klägerin den Kontakt zu ihrer gesamten Familie abgebrochen hat, ist auch nicht ersichtlich, wie ihr Vater von einer Rückführung der Klägerin nach Georgien und ihrem dortigen Aufenthalt Kenntnis erlangen und diese Erkenntnisse an seinen in Georgien lebenden Bruder weitergeben könnte. Jedenfalls stünde der Klägerin eine inländische Schutzalternative zur Verfügung. Zudem wäre sie auf den Schutz der georgischen Behörden zu verweisen. Ihre Familie ist zudem kein territorial relevanter Verfolger nach § 3c Nr. 3 AsylG.
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In der Gesamtschau des klägerischen Vorbringens können jedenfalls ein Verfolgungsmerkmal und eine Verfolgungshandlung sowie ein Verfolger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, welche die Gefahr einer Verfolgung der Klägerin in Georgien nach § 3 AsylG beachtlich wahrscheinlich erscheinen ließen.
37
Daher kommt für die Klägerin kein Flüchtlingsschutz in Betracht.
II.
38
Die Klägerin hat aus denselben Gründen auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i. S. d. § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4, Satz 2 AsylG. Auf die Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts wird verwiesen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Das Bundesamt geht in seiner Würdigung nachvollziehbar davon aus, dass der Klägerin weder aufgrund ihrer yezidischen Herkunft, noch aufgrund der religiösen Heirat mit einem Moslem, noch aufgrund der Konversion zum Islam ein ernsthafter Schaden droht.
III.
39
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
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1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
41
a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf eine Ausländerin nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Dies ist auch der Fall, wenn es der betroffenen Person nicht (mehr) gelingen würde, ihre elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197) und die aus zu erwartenden schwierigen Lebensbedingungen resultierenden Gefährdungen im Einzelfall eine solche Intensität aufweisen, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Die Gefahren müssen ein Mindestmaß an Schwere unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aufweisen.
42
b) Die erwachsene, gesunde und erwerbsfähige Klägerin würde im Fall ihrer Abschiebung nach Georgien keiner besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt sein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass ihre elementarsten Bedürfnisse im Sinne eines absoluten Existenzminimums nicht gesichert wären. Hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Zielstaat bedarf es einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Gefahr unter Berücksichtigung der Erwerbsmöglichkeiten der Ausländerin, der Zugänglichkeit von Hilfsangeboten vor Ort und von Rückkehrhilfen des abschiebenden Staats, um einen Schutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zuzusprechen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – NVwZ 2022, 1561 ff. Rn. 13 ff.). Selbst wenn die Klägerin wegen der Betreuung ihres Kindes derzeit noch nicht und absehbar nur in Teilzeit erwerbsfähig sein dürfte, ist sie doch auf die in Georgien angebotenen Hilfen sowie die von Deutschland angebotenen Rückkehrhilfen zu verweisen, so dass nicht von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden existenziellen Gefahr auszugehen ist.
43
Die Grundversorgung und die medizinische Versorgung sind nach Überzeugung des Gerichts für Rückkehrer in Georgien jedenfalls im Umfang des absoluten Existenzminimums gesichert (vgl. auch aktuell die Bescheidsbegründung hierzu). Ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2015 (Asylakte Bl. 149) im Asylerstverfahren (Au 6 K 15.50384), dem Beweiswert zukommt, ist die Klägerin – entgegen ihrer Angabe in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2024 im hiesigen Verfahren – der georgischen Sprache mächtig. Sie hat in Belgien bzw. Frankreich die Schule bis kurz vor dem Abschlussjahr besucht. Auch die Tatsache, dass die Klägerin vor kurzer Zeit ein Kind entbunden hat, setzt sie keiner besonderen Ausnahmesituation aus, da sich eine Vielzahl von Frauen in derselben Lage befinden. Ergänzend ist die Klägerin darauf zu verweisen, die allgemeinen, wenn auch in der Regel insgesamt unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Grundversorgung. Zwar greifen Rückkehrer in der Regel auf die Unterstützung durch den Familienverband zurück, was nach dem klägerischen Vortrag zur Familiensituation nicht der Fall sein dürfte, jedoch bieten auch internationale Organisationen Unterstützung bei der Integration an. Die Klägerin kann sich hinsichtlich finanzieller und erzieherischer Unterstützung bezüglich ihres Kindes auch an ihren religiös angetrauten und unterhaltspflichtigen Ehemann wenden. Zudem gibt es ein staatliches Reintegrationsprogramm mit der Gewährung von Zuschüssen und Unterstützungsleistungen. Außerdem werden vorübergehende Unterkünfte bereitgestellt (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Georgien, Stand: 22.3.2022; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, Stand Dezember 2021, S. 16 f.). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) Deutschland bietet eine Informationsplattform über die verschiedenen Rückkehr- und Reintegrationsoptionen an. Der Kontakt kann bereits online von Deutschland aus hergestellt werden, die Beratung erfolgt dann bei der Rückkehr nach Georgien (IOM, Georgien Länderinformationsblatt 2020). Im Übrigen wird die ausführliche Begründung des Bundesamtes im Bescheid vom 15. Mai 2023, weshalb die humanitären Bedingungen in Georgien nicht zur Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen, in Bezug genommen.
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2. Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt nicht vor. Auf die Bescheidsbegründung wird verwiesen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
45
Medizinische Beschwerden wurden nicht vorgebracht; die Zeit des Mutterschutzes ist zwischenzeitlich abgelaufen. Neben der medizinischen Versorgung für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) bestehen zusätzlich staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, Stand Dezember 2021, S. 16). Eine derzeitige Medikamenteneinnahme bzw. behandlungsbedürftige Krankheiten wurden durch die Klägerin nicht vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich. Qualifizierte ärztliche Bescheinigungen im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG wurden nicht vorgelegt. Jedenfalls wäre die Klägerin auf das im Jahr 2013 in Georgien eingeführte Universal Health Care (UHC) Programm zu verweisen. Zusammenfassend droht der Klägerin bei einer Rückkehr nach Georgien keine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
IV.
46
Die Abschiebungsandrohung ist allerdings wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG n.F. und infolgedessen auch das verfügte Einreise- und das Aufenthaltsverbot rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
47
1. Die Abschiebungsandrohung verstößt gegen das Wohl des am ... 2024 geborenen Kindes der Klägerin.
48
a) Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz vom 21. Februar 2024, BGBl. I Nr. 54), das die Anforderungen des Art. 5 RL 2008/115/EG (sog. Rückführungsrichtlinie) im Lichte der EuGH-Rechtsprechung (vgl. EuGH, B.v. 15.2.2023 – C-484/22 – juris Rn. 23 ff.) in das nationale Recht übernommen hat, wird nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG n.F. vorausgesetzt, dass bei Erlass einer Abschiebungsandrohung der Abschiebung u.a. weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen des Adressaten entgegenstehen (vgl. BayVGH, U.v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376 – Rn. 57 ff. m.w.N.). Diese Neufassung ist für das Verwaltungsgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) auch maßgeblich. Hier ist das Kind der Klägerin zwar mangels Aufenthaltsgestattung aus einem Asylverfahren oder eines Aufenthaltsrechts wohl ausreisepflichtig, aber mangels Geburtsregistrierung und Reisepasses, für deren Beschaffung die Klägerin als Personensorgeberechtigte verantwortlich ist, derzeit in Georgien nicht einreisebefugt. Es kann die Klägerin im Fall ihrer Abschiebung nach Georgien gegenwärtig also nicht begleiten, so dass eine isolierte Abschiebung der Klägerin wohl das Kindeswohl durch Abbruch der familiären Lebensgemeinschaft von Mutter und Kind verletzte.
49
Der Schutz des Kindeswohls knüpft aber nicht an bloße formal-rechtliche familiäre Bindungen an. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, mithin eine tatsächlich bestehende familiäre Lebensgemeinschaft (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 20.11.2023 – 13 ME 195/23 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten. Im Lichte von Art. 7 und 24 GRCh, Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kommt es für die Gewichtung des Kindeswohls und der familiären Verbundenheit maßgeblich auf die Regelmäßigkeit der persönlichen Beziehungen und direkten Kontakte an (vgl. BayVGH, ebd. Rn. 63 m.w.N.). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (BVerfG, B.v. 2.11.2023 – BvR 441/23 – juris Rn. 23 m.w.N.).
50
b) Der am ... Januar 2024 geborene minderjährige Sohn der Klägerin, für den der religiös angetraute afghanische Ehemann der Klägerin die Vaterschaft anerkannt hat und mit der Klägerin das gemeinsame Sorgerecht ausübt, besitzt zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt formell noch keine georgische Staatsangehörigkeit.
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c) Auch wenn der viermonatige Sohn der Klägerin selbst nicht Adressat der Rückkehrentscheidung ist, so genügt seine Betroffenheit von der gegenüber seiner Mutter ergangenen Rückkehrentscheidung. Eine Registrierung seiner Geburt ist nach Angaben der Klägerin weder in Georgien noch in Afghanistan erfolgt, sodass dieser wohl zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit der Klägerin gemeinsam nach Georgien abgeschoben werden könnte. Auch ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der künftige aufenthaltsrechtliche Status des Vaters noch völlig unklar. Über den Asylantrag des religiös angetrauten Ehemannes der Klägerin ist noch nicht entschieden. Es ist auch unklar, ob dieser die Klägerin nach Georgien begleiten könnte, sodass bei Vollzug der Abschiebungsandrohung der Klägerin nicht nur eine Trennung von Klägerin und ihrem Kind, sondern auch eine Trennung des Kindes von seinem Vater im Raum stünde. Diese potentielle Familientrennung wurde im Bescheid nicht berücksichtigt.
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Nach der glaubhaften Angabe der Klägerin lebt diese seit ihrer Flucht aus Belgien mit ihrem religiös angetrauten Ehemann und seit der Geburt des Kindes auch mit diesem in familiärer Gemeinschaft. Es besteht damit eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen der Klägerin, ihrem Kind und dessen Vater. Sowohl die Klägerin als auch ihr religiös angetrauter Ehemann nehmen ihre Elternverantwortung mit der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge wahr. Auf die Aufrechterhaltung dieser Mutter-Kind-Beziehung als auch der Vater-Kind-Beziehung ist der Sohn der Klägerin zu seinem Wohl auch angewiesen, sodass das Kindeswohl und die familiären Verbindungen zwischen dem minderjährigen Sohn und der Klägerin bzw. zwischen dem minderjährigen Sohn und seinem Vater der Abschiebungsandrohung entgegen stehen.
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2. Ebenso ist infolgedessen auch das in Nummer 6 des Bescheids verfügte Einreise- und das Aufenthaltsverbot rechtswidrig, da hierfür nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG eine Abschiebungsandrohung Voraussetzung ist (vgl. BayVGH, ebd. Rn. 68).
B.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Klägerin hat insgesamt die Kosten zu tragen, da die Beklagte im Übrigen nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).