Inhalt

OLG München, Beschluss v. 10.06.2024 – 16 WF 241/24
Titel:

Ergänzungspflegervergütung

Normenketten:
FamFG § 80, § 81 Abs. 3
BGB § 1808 Abs. 3, § 1813, § 1877 Abs. 3
VBVG § 1 Abs. 3 S. 1, § 4 Abs. 2
RVG § 2, § 23 Abs. 3
Leitsätze:
1. Gem. § 80 FamFG sind Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, insbes. Anwaltskosten (Gebühren und Auslagen nach dem RVG), also die Aufwendungen, die mit dem gerichtlichen Verfahren unmittelbar zusammenhängen. Einem minderjährigen Beteiligten können (Verfahrens-)Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, grundsätzlich nicht auferlegt werden, § 81 Abs. 3 FamFG. Diese Vorschrift ist aber auf den (Teil-)Entzug der Vermögenssorge nicht anwendbar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bestimmen sich gem. §§ 1808 Abs. 3, 1813 BGB die Ansprüche des berufsmäßig tätigen Vormunds bzw. Ergänzungspflegers auf Vergütung und Aufwendungsersatz nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Gem. § 1 Abs. 3 S. 1 VBVG kann der Vormund/Ergänzungspfleger Vergütung und Aufwendungsersatz (nur) vom Mündel verlangen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Gegenstandswert für den geltend gemachten Aufwendungsersatz berechnet sich demgegenüber gem. §§ 1813, 1808 Abs. 3 S. 2 BGB, § 4 Abs. 2 VBVG, § 1877 Abs. 3 BGB, §§ 2, 23 Abs. 3 RVG nach dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ergänzungspflegschaft, Vergütung, Kostenschuldner, anwaltsspezifische Tätigkeit, Gegenstandswert, Wahlrecht, Wertobergrenze
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 31.01.2023 – 552 F 12247/19 RE
Fundstellen:
BtPrax 2024, 150
ErbR 2024, 708
RPfleger 2024, 609
FamRZ 2024, 1566
NJOZ 2024, 1271
BeckRS 2024, 13068
ZEV 2024, 858
LSK 2024, 13068

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 31.01.2023, Az. 552 F 12247/19 RE, abgeändert wie folgt:
Dem Ergänzungspfleger C. L. wird für seine Tätigkeit als berufsmäßiger Ergänzungspfleger eine Vergütung aus dem Vermögen der Pfleglinge in Höhe von 164.649,35 € bewilligt und festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten über das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 186.598,17 €.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die festgesetzte Ergänzungspflegervergütung.
2
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 18.08.2020 wurde Rechtsanwalt L. zum berufsmäßigen Ergänzungspfleger für die minderjährigen Söhne der Beteiligten L.B., geboren am …2012, und F.B., geboren am …2016, bestellt. Der Wirkungskreis umfasst: Prüfung und gegebenenfalls Durchführung der Anfechtung (im weitesten Sinne) des Erbvertragsnachtrags vom 02.08.2019 URNr. …83/2018 L sowie des 2. Erbvertragsnachtrags vom 02.08.2019 URNr. …69/2019 L, je Notarin Dr. L.-C., M., einschließlich einer eventuellen gerichtlichen Durchsetzung dieser Anfechtung sowie Ausübung der Kontrollrechte aus § 2216 BGB des mittels der o.a. Erbvertragsnachträge (i.V.m. dem ursprünglichen Erbvertrag vom 27.10.2015 URNr. …34/2015 L Notarin Dr. L.-C., M.) ernannten Testamentsvollstreckers über den Nachlass des Erblassers S. B., verstorben am …2019, Herrn B.H., geboren am …1974, insbesondere hinsichtlich der in Ziffer II Nummer 3 3. Absatz der Urkunde vom 08.07.2020 URNr. …56/2020 L Notarin Dr. L.-C., M., erklärten Abtretung der Forderung des Nachlasses/der Erben gegen die B. I. GmbH & Co. KG, M.(AG M. HRA …89) an die Kindesmutter, einschließlich eventueller Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche, gegebenenfalls auch gegen die Kindesmutter als Zessionar der Forderung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dadurch, dass die allein sorgeberechtigte Mutter durch die gegebenenfalls im Hinblick auf Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers anzufechtenden Erbvertragsnachträge nicht unerheblich zulasten der Erbmasse begünstigt wurde und ihre Rechtsstellung beispielsweise im Falle der Feststellung der Nichtigkeit eines oder beider Nachträge zugunsten der Erbmasse bzw. der Erben erheblich geschwächt würde, liege ein konkreter, erheblicher Interessengegensatz gemäß § 1796 Abs. 2 BGB zwischen den betroffenen Kindern als Erben und der Mutter als Vermächtnisnehmerin vor. Die im Wirkungskreis benannte Forderungsabtretung beruhe auf einem Zusammenwirken zwischen Mutter und Testamentsvollstrecker und wirke sich zulasten des Nachlasses und damit der minderjährigen Betroffenen als Erben des Vaters aus; den durch die Mutter gesetzlich vertretenen, minderjährigen Erben obliege wiederum gemäß § 2216 BGB die Überwachungs- und Kontrollfunktion über die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker. Aus dieser Konstellation ergebe sich ebenfalls ein erheblicher Interessenkonflikt zwischen der Mutter und den betroffenen Kindern, welcher auch insoweit die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1, 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB im wohlverstandenen Kindeswohlinteresse erforderlich mache.
3
Mit Schreiben vom 19.08.2022 beantragte der Ergänzungspfleger die Festsetzung seiner Vergütung, wobei er eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,6 (1,3-Mittelgebühr zzgl. 0,3 Erhöhungsgebühr wegen zwei Pfleglingen gemäß Nr. 2300, 1008 VV RVG) aus dem Geschäftswert von 28.233.332,33 € zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer, insgesamt 164.649,35 €, geltend machte. Hiermit machte der Ergänzungspfleger seinen Aufwand für die Überprüfung des 60-seitigen Grundstückskaufvertrags der Notarin Dr. L.-C., M., URNr. …91/2021 über den sogenannten Einsteinblock vom 02.12.2021 mit einer Gesamtkaufpreissumme in Höhe von 42.350.000,00 € geltend. Bei einem Vertrag mit einem solchen Volumen würde unstreitig jeder Ergänzungspfleger, der nicht selbst über eine volljuristische Ausbildung verfüge, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung des umfangreichen Vertragswerks beauftragen. Es sei insbesondere die Frage zu prüfen gewesen, ob die Höhe des Kaufpreises für das gesamte Grundstück ordnungsgemäß ermittelt wurde sowie die Frage, ob die Anteile, die im Kaufvertrag den Ergänzungspfleglingen zugesprochen worden sind, ordnungsgemäß wiedergegeben wurden und der erbrechtlichen Lage entsprechen, und weiterhin die Frage, wohin der Erlös aus dem Verkauf fließt und für was er zu verwenden ist. Vor diesem Hintergrund sei er im Rahmen des gerichtlich übertragenen Überwachungsrechts gegenüber dem Testamentsvollstrecker von diesem bzw. dessen anwaltlichem Vertreter von Anfang an bei dem Thema „Verkauf Einsteinblock“ involviert gewesen, es seien dementsprechend auch auf seine Anregung hin Passagen des Kaufvertrags geändert worden. Darüber hinaus sei er durch die weiteren Ergänzungspfleger (drei Rechtsanwältinnen und ein Rechtsanwalt) und auch das Familiengericht S. aufgrund seiner Überwachungs- und Prüfungsaufgabe zu Stellungnahmen zum Verkauf des Einsteinblocks aufgefordert worden. Der zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von 28.233.332,33 € basiere auf dem wirtschaftlichen Interesse der beiden Ergänzungspfleglinge, welche 2/3 des Kaufpreises, mithin 28.233.332,33 €, erhielten.
4
Das Amtsgericht München setzte mit Beschluss vom 31.01.2023 die Vergütung des Ergänzungspflegers in Höhe der beantragten 164.649,35 € fest und bestimmte Frau A. B. als Kostenschuldnerin.
5
Gegen diesen Beschluss, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter und der Verfahrensbevollmächtigten der Pfleglinge jeweils am 01.02.2023 zugestellt worden war, richtet sich die Beschwerde der Mutter mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14.02.2023, eingegangen beim Amtsgericht München am selben Tag, mit welcher sie beantragt, den Beschluss vom 31.01.2023 dahingehend abzuändern, dass ein gemäß § 46 Abs. 2 und 3 FamGKG festzusetzender Verfahrenswert von 1 Mio. € zur Grundlage des Festsetzungsbeschlusses gemacht wird, hilfsweise dass das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 85 FamFG, § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 11 Abs. 4 RVG ausgesetzt werde, solange bis der Gegenstandswert für die Berechnung der vom Ergänzungspfleger geltend gemachten Kosten durch den zuständigen Richter des Familiengerichts München festgesetzt wäre.
6
Zur Begründung wird ausgeführt, dass mit Beschluss vom 18.08.2020 über die Anordnung der Ergänzungspflegschaft auch eine Kostengrundentscheidung getroffen und der Verfahrenswert auf den gem. § 46 Abs. 3 FamGKG zulässigen Höchstwert von 1 Mio. € festgesetzt wurde. Dieser Verfahrenswert sei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 46 Abs. 2 FamGKG grundsätzlich auch maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswerts der vom Ergänzungspfleger L. abzurechnenden Rechtsanwaltsgebühren. Der Ergänzungspfleger lege seinem Vergütungsantrag jedoch einen deutlich abweichenden Gegenstandswert zugrunde. Soweit der Ergänzungspfleger von dem bereits festgesetzten Gegenstandswert abweichen wolle, sei nach §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 3 RVG eine Wertfestsetzung durch den Richter am Familiengericht erforderlich, welche der mit der Entscheidung befasste Rechtspfleger gem § 11 Abs. 4 RVG im Wege der Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Richter herbeizuführen habe. Tatsächlich könne der Ergänzungspfleger aber seine anwaltlichen Aufwendungen lediglich nach §§ 32 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 46 Abs. 3 und 2 FamGKG abrechnen auf Grundlage der bereits vorliegenden Kostengrundentscheidung vom 18.08.2020.
7
Mit Verfügung vom 14.02.2024 legte der Rechtspfleger die Beschwerde dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass es einer vorherigen Festsetzung des abweichenden Gegenstandswertes nicht bedürfe, da nicht über die Vergütung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigtem, sondern über die Festsetzung der Vergütung eines Rechtsanwalts als berufsmäßigem Ergänzungspfleger zu entscheiden sei.
8
Mit Verfügung vom 21.03.2024 wies der Senat darauf hin, dass der Senat Bedenken gegen die im angegriffenen Beschluss erfolgte Benennung der gesetzlichen Vertreterin der Pfleglinge, Frau A. B., als Kostenschuldnerin habe und er beabsichtige, im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung die Pfleglinge als Kostenschuldner zu verpflichten. Weiters wies der Senat darauf hin, dass sowohl die Festsetzung des der Vergütung zugrundegelegten Gegenstandswertes als auch die konkrete Festsetzung der Vergütung nach vorläufiger Auffassung nicht zu beanstanden sei. Für die Einzelheiten wird auf die ergangene Verfügung verwiesen.
9
Der Ergänzungspfleger nahm mit Schriftsatz vom 20.03.2024, die Mutter mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18.04.2024 Stellung. Auf die genannten Schriftsätze wird für die Einzelheiten verwiesen.
10
Mit Verfügung vom 14.05.2024 wies der Senat die Beteiligten darauf hin, dass entsprechend dem Zweck von § 46 Abs. 3 FamGKG der Wert für die Berechnung der Vergütung des Ergänzungspflegers auf 1.000.000,- € begrenzt sein könnte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 14.05.2024 verwiesen. Dieser Auffassung ist der Ergänzungspfleger mit Schriftsatz vom 27.05.2024 entgegengetreten. Die Wertvorschriften des FamGKG seien nicht anwendbar, da der Ergänzungspfleger weder im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens tätig geworden sei noch der Gegenstand seiner Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne. Der Wert sei daher zutreffend anhand von § 23 Abs. 3 RVG iVm § 47 GNotKG bestimmt worden. Demgegenüber führt der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 31.05.2024 aus, dass die Aufgabe des Ergänzungspflegers nicht in der Überprüfung des Kaufvertrages bestanden habe, sondern generell auf die Überprüfung des Handelns des Testamentsvollstreckers und ggf. in der Geltendmachung von Regressansprüchen gegen diesen bestanden habe. Hierzu führt der Ergänzungspfleger im Schriftsatz vom 05.06.2024 aus, dass es gleichwohl sachgerecht sei, auf den Wert des Kaufvertrages abzustellen, da die Überprüfung dieses Vertrags, nicht aber die Kontrolle des Handelns des Testamentsvollstreckers in Bezug auf den gesamten Nachlass eine anwaltsspezifische Tätigkeit dargestellt habe.
II.
11
Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der Bestimmung des Kostenschuldners abzuändern, im Übrigen aber unbegründet.
12
Der Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Pfleglinge zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht. Insoweit werden die Pfleglinge von deren Mutter vertreten. Ein konkreter Interessengegensatz gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1789 Abs. 2 S. 3, 4 BGB besteht nicht. Durch § 1 Abs. 3 VBVG ist eindeutig geregelt, dass der Ergänzungspfleger, für den festgestellt ist, dass er berufsmäßig tätig ist, die Vergütung von dem Pflegling verlangen kann. Anhaltspunkte für eine davon abweichende Kostenhaftung sind nicht ersichtlich (vgl. Ziff. 1). Dass das Amtsgericht die Beschwerdeführerin als Kostenschuldner bestimmt hatte, führt allein nicht zu einem konkreten Interessengegensatz.
13
Rechtsanwalt L. hat gemäß §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB, § 1 VBVG einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aus dem Vermögen der Pfleglinge in der vom Amtsgericht festgesetzten Höhe.
14
1. Schuldner der Vergütung des Ergänzungspflegers ist das Mündel, vorliegend die Pfleglinge, §§ 1813, 1808 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 3 Satz 1 VBVG, nicht die Mutter der Pfleglinge.
15
Die Kostenentscheidung, wie sie im Beschluss vom 18.08.2020 unter Ziffer 6 getroffen wurde, stützt sich auf § 81 FamFG und betrifft nur die Kosten des (gerichtlichen) Verfahrens zur Bestellung des Ergänzungspflegers, wie sie in § 80 FamFG definiert sind. Gemäß § 80 FamFG sind Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, insbesondere Anwaltskosten (Gebühren und Auslagen nach dem RVG), also die Aufwendungen, die mit dem gerichtlichen Verfahren unmittelbar zusammenhängen (Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO, 44. Aufl. 2023, Rn. 4 zu § 80 FamFG). Im Beschluss vom 18.08.2020 wurde eine Entscheidung zur elterlichen Sorge sowie zur Bestellung und Auswahl eines Ergänzungspflegers getroffen. Allein über die hiermit zusammenhängenden Kosten wurde in diesem Beschluss unter Zugrundelegung des § 81 Abs. 1 FamFG nach billigem Ermessen entschieden. Einem minderjährigen Beteiligten, hier den Pfleglingen, können (Verfahrens-)Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden, § 81 Abs. 3 FamFG. Diese Vorschrift ist aber auf den (Teil-)Entzug der Vermögenssorge nicht anwendbar (MüKoFamFG/Schindler 3. Aufl. 2018, § 81 Rn. 62). Schon deswegen kann sie der Inanspruchnahme der Pfleglinge nicht entgegenstehen.
16
Demgegenüber bestimmen sich gemäß §§ 1808 Abs. 3, 1813 BGB die Ansprüche des berufsmäßig tätigen Vormunds bzw. Ergänzungspflegers auf Vergütung und Aufwendungsersatz nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 VBVG kann der Vormund/Ergänzungspfleger Vergütung und Aufwendungsersatz (nur) vom Mündel verlangen.
17
Der Vergütungsanspruch des Vormunds/Ergänzungspflegers entsteht im übrigen gemäß § 1 Abs. 3 VBVG erst mit der Ausführung der jeweiligen Amtstätigkeit (Grüneberg/Götz BGB, 83. Aufl. 2024, Rn. 6 zu § 1 VBVG), folglich nach Abschluss des gerichtlichen Bestellungsverfahrens mit Beschluss vom 18.08.2020.
18
Schließlich ist auch der Gegenstand, für den die Kosten erhoben werden, unterschiedlich. Gegenstand des Beschlusses vom 18.08.2020 war der Teilentzug der Vermögenssorge der Beschwerdeführerin für die Pfleglinge sowie die Bestellung eines Ergänzungspflegers. Demgegenüber war Gegenstand der Tätigkeit des Ergänzungspflegers u.a. die Kontrolle des Handelns des Testamentsvollstreckers.
19
Aus alledem folgt, dass für die im Nachgang entstehenden Kosten der Ergänzungspflegschaft die Kostenentscheidung im Beschluss vom 18.08.2020 keine Wirkung entfalten kann.
20
Soweit der angegriffene Beschluss unter Verweisung auf die im Bestellungsbeschluss vom 18.08.2020 getroffene Kostenentscheidung die Mutter der Mündel als Kostenschuldnerin benennt, ist diese Entscheidung daher rechtlich unzutreffend und war im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, wie erfolgt, zu korrigieren und die Pfleglinge als Kostenschuldner zu bezeichnen,
2. Der Vergütungsanspruch des Ergänzungspflegers ist in der vom Amtsgericht festgesetzten Höhe entstanden.
21
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 19.08.2022 beantragte der Ergänzungspfleger eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,6 (VV RVG Nr. 2300, 1008) aus einem Geschäftswert von 28.233.332,33 € zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale von 20,00 € zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer, insgesamt 164.649,35 €.
22
Soweit seitens der Mutter mit der Beschwerde der vom Ergänzungspfleger zugrundegelegte Gegenstandswert in Höhe von 28.233.332,33 € im Hinblick auf die Regelung des § 46 Abs. 3 FamGKG angegriffen wird, ist darauf hinzuweisen, dass das FamGKG lediglich die Kosten des gerichtlichen Verfahrens, gleichlautend, wie sie auch in § 80 FamFG definiert werden, betrifft, § 1 Abs. 1 FamGKG. Die im Bestellungsbeschluss vom 18.08.2020 unter Beachtung des § 46 FamGKG erfolgte Festsetzung des Verfahrenswertes auf 1 Mio. € betrifft daher wiederum lediglich den Wert, auf dessen Grundlage die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur Bestellung des Ergänzungspflegers zu berechnen sind.
23
Der Gegenstandswert für den vorliegend geltend gemachten Aufwendungsersatz berechnet sich demgegenüber gemäß §§ 1813, 1808 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 4 Abs. 2 VBVG, § 1877 Abs. 3 BGB, §§ 2, 23 Abs. 3 RVG nach dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).
24
Im Bestellungsbeschluss vom 18.08.2020 wurde die Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungspflegschaft mit konstitutiver Wirkung festgestellt, sodass der Ergänzungspfleger vom Mündel Vergütung und Aufwendungsersatz nach Maßgabe des VBVG verlangen kann.
25
Grundsätzlich erfolgt die Führung der Pflegschaft unentgeltlich (§§ 1808 Abs. 1, 1813 Abs. 1 BGB). Eine Vergütung kann im Regelfall nur der im Sinne des § 1 Abs. 1 VBVG berufsmäßig tätige Pfleger verlangen. Die Berufsmäßigkeit muss vom Gericht bei der Bestellung festgestellt werden (§§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB). Erbringt der berufsmäßig tätige, anwaltliche Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Amtsführung anwaltsspezifische Tätigkeiten, so steht ihm ein Wahlrecht zu, ob er diese im Wege des Aufwendungsersatzes nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnet, §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB, § 4 VBVG oder eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden gemäß §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB, §§ 1 Abs. 3, 3 VBVG beansprucht. Eine spezifisch anwaltliche Tätigkeit liegt dann vor, wenn ein Pfleger, der selbst rechtsunkundiger Laie ist, in gleicher Lage zur Erledigung der betreffenden Angelegenheiten berechtigterweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde bzw. wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt (BGH FamRZ 2021, 549; FamRZ 2014, 640).
26
Der Ergänzungspfleger im vorliegenden Verfahren hat sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass er eine Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht geltend gemacht hat. Dieses Wahlrecht stand ihm vorliegend zu, nachdem er als Ergänzungspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausgeübt hat.
27
Entsprechend dem ihm übertragenen Aufgabenkreis hatte der Ergänzungspfleger insbesondere einen äußerst komplexen Kaufvertragsabschluss mit einem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 42.350.000,00 € daraufhin zu überprüfen, ob hinsichtlich der Kaufpreisfindung, der Fälligkeit, der Ausgestaltung des Vertrages und des Schutzes der Erben, auch in Bezug auf die Verwendung des Kaufpreises der Testamentsvollstrecker seinen Verpflichtungen gegenüber den Pfleglingen als Erben unter Berücksichtigung der testamentarischen Vorgaben und der erbrechtlichen Lag e nachgekommen war. Hierzu hatte er die Grundlagen und Auswirkungen des Verkaufs in ihrer Gesamtheit zu überprüfen. Insbesondere hatte der Ergänzungspfleger die Ermessensentscheidung des Testamentsvollstreckers hinsichtlich des Verkaufs der Immobilien G. 3, 5,7, 7A, 9 und 11 sowie E.straße 100 und 102 dahingehend zu überprüfen, dass diese laut Anordnungen des Erblassers nur wenn und soweit dies zur Beschaffung der nötigen Liquidität für die Begleichung der jeweiligen Erbschaftssteuer erforderlich ist, veräußert werden sollen mit der Maßgabe, dass bei wirtschaftlich gleichwertigen Angeboten von Erwerbsinteressenten einem etwaigen Angebot einer der Familiengesellschaften der Familie B. der Vorzug beim Erwerb zu geben sei. Hierfür hatte der Ergänzungspfleger nicht nur die Angemessenheit des Kaufpreises und der im 60-seitigen Kaufvertrag enthaltenen Vereinbarungen zu überprüfen, sondern er musste sich auch einen Überblick über das Ausmaß der zu erwartenden Erbschaftssteuer in Relation zu dem zu erzielenden Verkaufserlös verschaffen und überprüfen, wohin der Kaufpreis floss. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht des Ergänzungspflegers vom 22.01.2022 (Bl. 296 d.A.) nebst dem beigefügten Kaufvertrag verwiesen.
28
Es besteht kein Zweifel, dass ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zugezogen hätte.
29
Der Ergänzungspfleger hat als Vergütung eine 1,3 Gebühr nach Nummer 2300 VV RVG geltend gemacht. Die Gebühr Nummer 2300 VV RVG ist der Grundtatbestand der außergerichtlichen Geschäftsgebühr. Es handelt sich um eine Rahmengebühr. Der Rahmen reicht von 0,5 bis 2,5, die Mittelgebühr beträgt 1,3. Bei der Mittelgebühr von 1,3 handelt es sich um die Gebühr für den gesetzlichen „Normalfall“. Der Ansatz der Mittelgebühr stellt sich angesichts der Komplexität und des Umfangs des anwaltlichen Tätigwerdens als ohne weiteres angemessen dar. Die Erhöhung um eine 0,3 Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG beruht auf dem Umstand, dass die Ergänzungspflegschaft für zwei Pfleglinge bestand. Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden und wurde mit der Beschwerde auch nicht angegriffen.
30
Den Gegenstandswert hat der Ergänzungspfleger gemäß §§ 2, 23 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 47 GNotKG zutreffend mit 2/3 des im zu überprüfenden Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreises (42.350.000,00 €) angesetzt, was dem wirtschaftlichen Interesse der Pfleglinge aufgrund ihrer Erbenstellung entspricht.
31
Die Obergrenze gem. § 46 Abs. 3 FamGKG gilt für die Abrechnung des Honorars des Ergänzungspflegers nicht.
32
Dies ergibt sich bereits formal daraus, dass § 23 Abs. 3 RVG nicht auf die für das gerichtliche Verfahren geltenden Wertermittlungsvorschriften des FamGKG, sondern lediglich auf die Vorschriften des GNotKG verweist. Nur § 23 Abs. 1 FamGKG verweist für den Wert, nach dem die Anwaltsgebühren zu berechnen sind, auf die für das gerichtliche Verfahren geltenden Wertvorschriften. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 RVG liegt für die Bemessung des Honorars des Ergänzungspflegers aber nicht vor. Der Ergänzungspfleger ist nicht im gerichtlichen Verfahren wegen Teilentzugs der elterlichen Sorge und Bestellung eines Ergänzungspflegers tätig geworden (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG). Vielmehr ist er tätig geworden aufgrund der Bestellung, die in diesem Verfahren erfolgt ist.
33
Für die Überprüfung der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers, die sich insbesondere auch auf die Überprüfung der von diesem mit Wirkung für den Nachlass abgeschlossenen Verträge erstreckt, ist in KV FamGKG keine Gebühr vorgesehen. Insbesondere ist der Tatbestand des KV Nr. 1313 nicht anwendbar. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn die Pflegschaft nicht für eine einzelne Handlung angeordnet wurde, sondern wenn der Pfleger einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten und nicht nur einzeln bestimmte Angelegenheiten zu erledigen hat (Schneider in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, FamGKG KV Nr. 1313 Rn. 3). Dieser Fall ist vorliegend erfüllt: Durch Beschluss vom 18.08.2020 waren dem Ergänzungspfleger die Anfechtung und ggf. gerichtliche Durchsetzung des Erbvertragsnachtrags als auch die umfassende und dauerhafte Kontrolle der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers für die Pfleglinge übertragen. Es lag damit Dauerpflegschaft vor. Für diese ist in KV Nr. 1312 eine Jahresgebühr vorgesehen, aber kein eigener Gebührentatbestand für die im Rahmen der Dauerpflegschaft vorzunehmenden Handlungen. Demgemäß lässt sich auch aus der Aufgabenbeschreibung in KV FamGKG für die Tätigkeit des Ergänzungspflegers kein gerichtliches Verfahren, im Rahmen dessen er tätig geworden sein könnte, ableiten (vgl. zu diesem Maßstab BGH FamRZ 2015, 847).
34
Es liegt aber auch keine Tätigkeit im Sinn von § 23 Abs. 1 S. 3 RVG vor. Die Kontrolle des Handelns des Testamentsvollstreckers könnte nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein; denn die Kontrolle des Handelns des Testamentsvollstreckers ist gerade nicht dem Nachlassgericht zugewiesen, sondern originäre Aufgabe der Erben (Grüneberg/Weidlich 83. Aufl. 2024, Einf vor § 2197 Rn. 4).
35
Dass diese Tätigkeit Gegenstand der durch den Beschluss vom 18.08.2020 definierten Aufgabe des Ergänzungspflegers ist, reicht entgegen der in der Verfügung vom 14.05.2024 geäußerten Auffassung daher nicht aus, die für das gerichtliche Verfahren geltenden Wertvorschriften anzuwenden. Vielmehr ist der Wert der Tätigkeit für die Berechnung der Geschäftsgebühr § 23 Abs. 3 RVG iVm § 47 GNotKG zu entnehmen.
36
Schließlich spricht auch der Zweck des Wahlrechts gem. §§ 1, 4 VBVG dafür, dass der Ergänzungspfleger die angefallenen Aufwendungen entsprechend § 23 Abs. 3 RVG iVm § 47 GNotKG abrechnen kann. Das Wahlrecht soll den Ergänzungspfleger so stellen, wie er stünde, wenn er mit der Prüfung der Verträge beauftragt worden wäre. In diesem Fall wäre er nicht als Ergänzungspfleger, sondern als Beauftragter der Kinder tätig geworden. Er hätte das Honorar ohne die Beschränkungen gem. § 23 Abs. 1 RVG, § 46 Abs. 3 FamGKG gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf der Grundlage des GNotKG unter Beachtung der dort vorgesehenen Obergrenzen abrechnen können.
37
Auch der mit der Beschwerde geltend gemachte Hilfsantrag war zurückzuweisen.
38
Einer gerichtlichen Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 32, 33 RVG bedarf es nicht, da vorliegend nicht eine Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren geltend gemacht wird, sondern eine Aufwandsentschädigung des berufsmäßigen Ergänzungspflegers. Es besteht daher auch kein Anlass, das Verfahren gemäß § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen, bis das Gericht über den Gegenstandswert entschieden hat.
III.
39
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, § 20 FamGKG. Das Amtsgericht – Familiengericht – München hat in der angegriffenen Entscheidung abweichend von §§ 1813, 1808 BGB, § 1 VBVG die gesetzliche Vertreterin der Pfleglinge, deren Mutter Frau A. B., als Kostenschuldnerin benannt.
40
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 42 Abs. 1 FamFG und bemisst sich nach dem festgesetzten Aufwendungsersatz, vorliegend abzüglich des von der Beschwerdeführerin als angemessen erachteten Betrags (164.649,35 € – 8.051,18 €).
41
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Es liegt noch keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vor, ob der im Rahmen der Vermögenssorge tätige Ergänzungspfleger an die Wertobergrenze gem. § 46 Abs. 3 FamGKG, § 23 Abs. 1 RVG gebunden ist, wenn er gem. §§ 1813, 1808 BGB, 1, 4 Abs. 2 VBVG von der Möglichkeit Gebrauch macht, Aufwendungsersatz gem. § 4 Abs. 2 VBVG geltend zu machen.