Titel:
Erschießungsbeiträge und Priorisierung von noch endgültig herzustellenden Anlagen im Hinblick auf das Inkrafttreten von Art. 5a Abs. 7 S. 2 BayKAG zum 1.4.2021
Normenketten:
BayKAG Art. 5a
BauGB § 125, § 127 Abs. 1, § 133
Leitsätze:
1. Die Gemeinden werden durch § 127 Abs. 1 BauGB (iVm Art. 5a Abs. 1 KAG) zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht nur befugt, sondern ohne Ermessensspielraum bindend verpflichtet. Diese Beitragserhebungspflicht verlangt von den Gemeinden, die einzelnen für eine Beitragserhebung erforderlichen Verfahrensschritte vom Satzungserlass über die Beitragsabrechnung bis zum Bescheiderlass vorzunehmen. Auch der Eintritt der Rechtsfolge des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG ist nicht von einer Ermessensentscheidung der Gemeinde abhängig. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegen die Beitragserhebungsvoraussetzungen vor, kann die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Gemeinde beschlossen hat, die Beitragserhebungsvoraussetzungen bei anderen Anlagen nicht herbeizuführen. Ein Zwang zu Priorisierungen und Kategorisierungen mag angesichts des tatsächlichen Umstands nachvollziehbar sein, dass es den Gemeinden nicht möglich war, die Beitragserhebungsvoraussetzungen für sämtliche Anlagen, bei denen iSd Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG bereits mit der erstmaligen technischen Herstellung begonnen worden war, noch vor Inkrafttreten der genannten Regelung herbeizuführen. Zu den gesetzlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Beitragserhebung gehören solche Priorisierungen und Kategorisierungen, auch in Ansehung des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG, jedoch nicht. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitragsrecht, „historische Straße“ (verneint), Straßenentwässerung, teilweise Lage der Erschließungsanlage außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, bebauungsplanersetzende Abwägungsentscheidung im Hinblick auf diese Teilstrecke, „Priorisierung“ von noch endgültig herzustellenden Anlagen im Hinblick auf das Inkrafttreten von Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zum 1. April 2021 für Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung unerheblich, "historische Straße" (verneint), "Priorisierung" von noch endgültig herzustellenden Anlagen im Hinblick auf das Inkrafttreten von Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG zum 1.4.2021 für Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung unerheblich, Priorisierung, Erschließungsbeitrag, historische Straße, Beitragserhebung, erstmalige technische Herstellung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12753
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Erschließungsbeitragsbescheides.
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Er ist Eigentümer des östlich an die im Gebiet der Beklagten verlaufenden Straße A. E. (Fl.Nr. …) angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. … (jeweils Gemarkung N.). Westlich grenzt an diese Straße ein Friedhof an.
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Das Grundstück des Klägers sowie der größte Teil der Straße A. E. liegen im Geltungsbereich des am 3. September 1971 bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. … „Siedlung an der U. Straße“ der Beklagten. Die Grenze des Bebauungsplangebiets endet noch vor der Einmündung der Straße A. E. in die U. Straße, auf Höhe der Nordgrenze des Grundstücks Fl.Nr. … (A. E. 1a). Der Bebauungsplan enthält für die Straße A. E. ausschließlich die Festsetzung „Straßenverkehrsfläche“.
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Von August bis Dezember 2020 ließ die Beklagte an der Straße … Baumaßnahmen durchführen. Dabei wurden u.a. im nordwestlichen Bereich der Straße mehrere (Längs-) Parkplätze sowie ein Bereich zur Nutzung als Kurzparkzone bzw. als Wendeanlage hergestellt. Ferner wurde die Einmündung in die … durch ein Abknicken der Straße kurz vor der Einmündung beinahe senkrecht hergestellt. Die letzte Unternehmerrechnung betraf eine solche für Beleuchtung vom 3. März 2021.
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Mit Bescheid vom 24. März 2021 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage A. E. von der Einmündung in die U. Straße bis zur südlichen Grundstücksgrenze der Fl.Nr. … einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 28.161,22 EUR fest. In der Begründung ist u.a. ausgeführt, dass mit Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom 22. März 2021 u.a. bestätigt worden sei, dass die Erschließungsanlage abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans endgültig hergestellt sei, die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar seien und die Nutzung der betroffenen Grundstücke dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Durch einen Verzicht der Umlegung der Kosten für Parkplätze sei eine Mehrbelastung der Erschließungsbeitragspflichtigen vermieden worden.
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Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt … mit am 3. Januar 2023 zur Post gegebenem Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2022 zurück.
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Der Kläger ließ am 23. Januar 2023 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Er beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2022 aufzuheben.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor (Schriftsätze vom 30.5.2023, vom 12.10.2023 und vom 18.3.2024): Das Grundstück des Klägers sei an eine Friedhofsgärtnerei verpachtet. Es handele sich um einen Garten, der weitestgehend der Natur überlassen werde. Hier befänden sich allein eine kleine Gartenhütte sowie zwei Foliengewächshäuser.
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Bei der Straße A. E. handele es sich um eine vorhandene Erschließungsanlage im Sinn des Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG, die aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts ausgenommen sei. Vorliegend habe die Straße bereits vor 1921 als Teil der Verbindung nach K. bestanden. Das heutige Grundstück Fl.Nr. … sei schon in den 1930er Jahren bebaut gewesen. Bereits vor 1961 sei eine gehäufte Bebauung in dem Erschließungsgebiet vorhanden gewesen, wie sich aus Luftbildaufnahmen aus den 1930er und 1960er Jahren und den Bebauungsplänen der Beklagten Nr. … und Nr. … aus dem Jahr 1976 deutlich erkennen lasse. Die Bebauung im nördlichen Bereich habe einen geschlossenen Bebauungszusammenhang dargestellt. Zwischen 1964 und 2020 habe sich die Bebauung entlang der Straße A. E. nicht wesentlich verändert. Westlich befinde sich heute wie damals das Friedhofsgelände. Der nördliche und der südliche Bereich der Straße seien allenfalls nachverdichtet worden, während sich zwischen den Hausnummern 3 und 5 unverändert eine gewerblich genutzte Fläche einer Gärtnerei befinde. Lediglich das Wohngebäude auf dem Grundstück Hausnummer 7 sei nachträglich errichtet worden. Die Grundstücke entlang der Straße seien bereits in den 1930er Jahren mit Wasserversorgungsleitungen und eine Straßenbeleuchtung erschlossen gewesen. Zudem bestätigten Grundstücksverfügungen, dass eine weitere Bebauung von der Beklagten schon damals gewünscht und gefördert worden sei. Die Erschließung dieses Gebiets sei ausschließlich über die Straße A. E. erfolgt.
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Jedenfalls sei die Erschließungsanlage bereits vor den nun abgerechneten Baumaßnahmen endgültig hergestellt gewesen. Maßgeblich hierfür sei allein der tatsächliche Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befinde. Mit dieser auf die Laiensphäre abstellenden Zielrichtung sei es nicht zu vereinbaren, die Merkmale „Beleuchtung“ oder „Straßenentwässerung“ in dem Sinn zu verstehen, dass es um Ausbaustandards unter Beachtung bestimmter technischer Regelwerke gehe. Entscheidend könne nur sein, dass überhaupt funktionsfähige, der Straßenlänge und den örtlichen Verhältnissen angepasste Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen vorhanden seien. Danach sei die Straße A. E. spätestens seit den 1970er Jahren endgültig hergestellt gewesen. Nach § 7 der EBS der Beklagten vom 23. Februar 1962 seien eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise, eine Straßenentwässerung sowie die etwa vorgesehene Beleuchtung und der Anschluss an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße als Merkmale für die endgültige Herstellung bestimmt gewesen. Die Straße A. E. habe spätestens seit den 1970er Jahren über eine geteerte Oberfläche, eine frostsicheren Unterbau sowie über eine ausreichende Straßenbeleuchtung verfügt. Sie habe an die U. Straße angeschlossen. Eine gezielte Ableitung des Oberflächenwassers sei durch Straßenprofil und -neigung, eine Fassung in Entwässerungsleiteinrichtungen (insbesondere deutlich erkennbare gekieste Rinnen) sowie ausreichend vorhandene Straßeneinlaufschächte erfolgt. Randsteine seien nicht Merkmal einer endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen gem. § 7 EBS 1962 gewesen. Bei Sanierungsmaßnahmen der Beklagten an einer anderen Straße seien zudem keine Randsteine zur Entwässerung, sondern lediglich eine Rinne angelegt worden. Bei einem objektiven Betrachter habe der Eindruck einer endgültig technisch fertiggestellten Straße entstehen müssen. Die von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen seien selbst jetzt nicht geeignet, bei größeren Regenereignissen das Regenwasser gezielt abzuleiten. Die Abflusskanäle seien deutlich kleiner als die, die in der U. Straße verbaut worden seien. Die Beklagte habe medienöffentlich auch lediglich von einer Sanierung der Straße A. E. gesprochen. Entgegen der Behauptungen der Beklagten seien vor den jetzt durchgeführten Baumaßnahmen bereits fünf Straßenlaternen und vier Straßeneinlaufschächte vorhanden gewesen.
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Im Übrigen entspreche die Straße jetzt nicht den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplanes; hiervon sei auch die Beklagte ausgegangen. Anders als die Beklagte meine, bestehe die Bindung an das Bauprogramm des Bebauungsplanes unverändert fort. Der Bebauungsplan setze ausdrücklich Straßenflächen sowie die Straßenbreite, den Verlauf sowie Einmündungen fest. Abweichend hiervon sei der Verlauf der Straße insbesondere im Hinblick auf die Einmündung zur U. Straße beim Ausbau erheblich verändert worden. Die Straßenbreite entspreche ebenso wenig den Festsetzungen des Bebauungsplanes wie die nun hergestellten Zufahrten. Parkbuchten entlang der Erschließungsstraße seien im Bebauungsplan nicht vorgesehen.
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Abweichungen vom Bauprogramm des Bebauungsplans könnten allenfalls dann rechtmäßig sein, wenn sie die Belastung durch den Erschließungsbeitrag nicht erhöhten. Es aber sei davon auszugehen, dass insbesondere die konkrete Ausgestaltung mit einer anderen Anbindung an die U. Straße sowie die verschiedenen Zufahrten zu einer erheblichen Kostensteigerung geführt hätten. Zudem habe die einzige Motivation der Beklagten, von den Festsetzungen des Bebauungsplans abzuweichen, darin bestanden, die Erschließungsanlage noch vor Änderung der Rechtslage zum 1. April 2021 (Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG) abrechnen zu wollen. Mithin erhöhe jede Abweichung vom Bauprogramm die Beitragsbelastung; auch eine planunterschreitende.
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Der Erschließungsbeitragsbescheid beruhe zudem auf einem Stadtratsbeschluss vom 8. Oktober 2019 zur Kategorisierung und Priorisierung einzelner Erschließungsmaßnahmen im Stadtgebiet. Dieser verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Aus dem Protokoll der Stadtratssitzung sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen die unter Kategorie 1 aufgeführten Straßen abgerechnet werden sollten, andere dagegen nicht. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht durch den mit Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG entstandenen Abrechnungsdruck. Die Beklagte habe selbstverschuldet über einen langen Zeitraum keine Erschließungsbeiträge erhoben. Das Risiko, dass etwaige Forderungen verjährten, müsse die Beklagte tragen. Das Ermessen sei nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt worden. Die Beklagte habe nicht erkannt, dass eine Abwägungsentscheidung zu treffen sei. Die Stadtratsmitglieder seien selbst der Auffassung gewesen, dass die beschlossene Abrechnungspraxis ungerecht sei.
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Die Beklagte beantragt,
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Sie trägt im Wesentlichen vor (Schriftsätze vom 28.7.2023, vom 15.11.2023 und vom 6. Februar 2024): Eine „historische Anlage“ liege nicht vor. Zum maßgeblichen Zeitpunkt 30. Juni 1961 habe die fragliche Straße noch keine Erschließungsfunktion gehabt. Damals sei sie noch im planungsrechtlichen Außenbereich verlaufen. Einzelne Gebäude änderten hieran nichts; ein geschlossener Bebauungszusammenhang habe nicht vorgelegen. Nicht maßgeblich sei auch, ob sich die Bebauung entlang der Straße zwischen 1964 und 2020 wesentlich verändert habe; entscheidend sei der Funktionswandel zu einer Erschließungsanlage, den diese mit der Rechtskraft des Bebauungsplans erlangt habe. Auch sei der im Jahr 1961 für eine Erschließungsanlage mindestens erforderliche technische Ausbaustandard noch nicht vorhanden gewesen. Selbst im Jahr 2018 seien weder Randsteine noch eine befestigte Rinne vorhanden gewesen, die eine gezielte Ableitung des Oberflächenwassers auf der Gesamtlänge der Anlage hätten sicherstellen können. Bei größeren Regenereignissen seien Sand und Schotter aus dem Bankettbereich auf und entlang der Straße abwärts gespült worden. Das erschließungsbeitragsrechtliche Herstellungsmerkmal „Entwässerung“ verlange eine von der Teileinrichtung „Fahrbahn“ gesonderte technische Einrichtung zur gezielten Lenkung und Ableitung des Straßenoberflächenwassers. Vor den Baumaßnahmen 2020 sei nur ein Sinkkasten im Straßenverlauf und ein Einlaufschacht am nördlichen Straßenende vorhanden gewesen. Die von den Klägern in Bezug genommene Rinne sei nicht durch die Beklagte angelegt worden, sondern durch jahrzehntelange Auswaschungen und das Befahren der Bankette mit Fahrzeugen entstanden. Den defizitären Ausbauzustand habe ein objektiver Betrachter ohne weiteres erkennen können.
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Erst nach dem Ausbau im Jahr 2020 sei die Anbaustraße erstmals hergestellt gewesen. Sie verfüge über eine Asphaltdecke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau, über eine die gesamte Länge der Anlage vorhandene Straßenentwässerung und eine die gleichmäßige Ausleuchtung sicherstellende Beleuchtung (nunmehr sechs Laternen, früher drei, von denen nur eine an ihrem Standort verblieben sei). Auf die gesamte Länge seien sieben Straßenabläufe in anerkanntem bautechnischen Standard erstellt worden.
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Die Anlage entspreche auch dem gemeindlichen Bauprogramm. Im maßgeblichen Bebauungsplan sei für den Bereich der abgerechneten Erschließungsanlage lediglich die Festsetzung einer Straßenverkehrsfläche enthalten. Eine solche sei hergestellt worden. Aus einem Bebauungsplan allein, der nur die Straßenfläche insgesamt festsetze, ergebe sich keine Unterteilung zu konkreten Zwecken (Fahrbahn, Gehweg, Seitenstreifen usw.); hieraus lasse sich kein Bauprogramm ableiten. Das konkrete Bauprogramm ergebe sich aus der Ausbauplanung eines Ingenieurbüros vom 16. Juni 2020, dem der zuständige Ausschuss der Beklagten am 24. Juni 2020 zugestimmt habe. Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit und zur Entschärfung der verkehrlichen Situation im Einmündungsbereich der Straßen A. E./A. F./U. Straße sei darin auch eine andere Straßenführung beschlossen worden. Die Umsetzung der Ausbaumaßnahme sei nach der erstellten Ausführungsplanung erfolgt.
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Die im nördlichen Teil der Anlage auf der westlichen Straßenseite errichteten Parkplätze lägen im Wesentlichen zwar außerhalb der festgesetzten Verkehrsfläche. Dies berühre aber die Grundzüge der Planung nicht. Die Kosten für die Herstellung der Parkplätze seien nicht umgelegt worden. Die geänderte Anbindung der Straße A. E. an das öffentliche Straßennetz habe ebenfalls nicht zu einer Mehrbelastung der Beitragspflichtigen geführt. Die unmittelbare Anbindung an die U. Straße (an Stelle der bis zum Ausbau vorhandenen Einmündung in die Straße A. F.) habe die Gesamtlänge der Anlage sogar etwa um 10 m verringert.
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Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege ebenfalls nicht vor. Die streitgegenständlichen Beitragsbescheide beruhten nicht unmittelbar auf dem Beschluss vom 8. Oktober 2019, mit dem der Stadtrat im Hinblick auf Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG eine Kategorisierung und Priorisierung einzelner noch nicht endgültig hergestellter Erschließungsanlagen vorgenommen habe. Dem Stadtratsbeschluss könne entnommen werden, warum einzelne Straßen nicht mehr endgültig hergestellt werden sollten. Wesentliche Anhaltspunkte für die Einstufung seien neben dem aktuellen technischen Gesamtzustand der Anlage und einem fehlenden Sanierungsbedarf auch die Betrachtung des erforderlichen Herstellungsaufwands als wirtschaftlich nicht sinnvoll und vertretbar gewesen.
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Am 24. Januar 2024 fand ein Augenscheinstermin des Berichterstatters, am 18. April 2024 die mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 24. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Rechtsgrundlage für den Erschließungsbeitragsbescheid sind Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 2, §§ 128 ff. BauGB sowie die Regelungen der am 26. Juli 2007 beschlossenen und am 28. Juli 2007 bekannt gemachten Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (Erschließungsbeitragssatzung – EBS). Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Satzung sind weder vom Kläger vorgetragen worden, noch sind die Wirksamkeit der Satzung berührende Fragestellungen sonst ersichtlich, so dass von ihrer Gültigkeit auszugehen ist.
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2. Der Erhebung eines Erschließungsbeitrags steht Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, auch nach dem KAG kein Erschließungsbeitrag erhoben werden (sog. „historische Straße“).
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs liegt eine vorhandene (historische) Straße vor, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck – nach den damaligen rechtlichen Anforderungen – endgültig hergestellt war (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2022 – 6 CS 22.1804 – juris Rn. 17 m.w.N.). Vorliegend besaß die Straße A. E. vor dem genannten Datum weder Erschließungsfunktion (dazu 2.1), noch war sie nach den damaligen rechtlichen Anforderungen endgültig hergestellt (dazu 2.2).
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2.1 Erschließungsfunktion in – wie hier – unbeplanten Gebieten erhielt eine Straße nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut wurden, sondern erst, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzte, d. h. wenn – bei Anlegung heutiger Maßstäbe – zumindest für eine Straßenseite eine Innenbereichslage im Sinn von § 34 Abs. 1 BBauG/BauGB anzunehmen war. Das verlangt, dass die maßgeblichen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang lagen, der einem Ortsteil angehörte (BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 6 ZB 21.1543 – juris Rn. 10 m.w.N.). Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Unter den Begriff der Bebauung fallen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 6 CS 16.1032 – juris Rn. 9 m.w.N.). Die erforderliche Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten des vorliegenden Einzelfalls anhand sämtlicher zu dieser Frage von den Beteiligten eingereichten Unterlagen, insbesondere Luftbildern und Plänen, ergibt keine gehäufte Bebauung, die einen Bebauungszusammenhang begründen könnte.
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Zwar ist u.a. auf dem von der Klägerseite insbesondere in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Luftbild (Anlage K19; vgl. auch Anlage K2) etwas südlich des Einmündungsbereichs der (nach heutiger Bezeichnung) Straße A. E. in die U. Straße (links im klägerseits blau eingekreisten Bereich) eine gewisse Ansammlung einzelner Gebäude erkennbar. Auch auf dem ebenfalls klägerseits in Bezug genommenen (Schriftsatz vom 30.5.2023 S. 3) Bebauungsplan Nr. … (elektronischer Widerspruchsakt S. 18) – dort allerdings wegen Überlagerung durch Einzeichnungen geplanter Bebauung und von Baufenstern erschwert zu erkennen – sowie aus dem Bebauungsplan Nr. … (Anlage K8) lässt sich diese Bebauung ausmachen. Allerdings existierte im weiteren Verlauf der Straße A. E. lediglich noch das (nach heutiger Bezeichnung) Gebäude A. E. 5, welches erheblich von der vorgenannten Bebauung abgesetzt und weiträumig von Grün- und Freiflächen umgeben, also vereinzelt gelegen war. Dieses Gebäude und die vorgenannten Baulichkeiten im Bereich der Einmündung erwecken bei Studium und Würdigung der in den Gerichtswie Behördenaktenakten befindlichen Pläne und Luftbilder auf Grund ihrer Entfernung und der ausladenden Grün- und Freiflächen nicht den Eindruck der Geschlossenheit und der Zusammengehörigkeit (vgl. etwa BVerwG, 30.8.2019 – 4 B 8.19 – juris Rn. 8). Die zwischen der Gebäudeansammlung und dem Gebäude A. E. 5 gelegenen Grün- und Freiflächen lassen nicht erkennen, einem Bebauungszusammenhang anzugehören, vielmehr stellen sie sich bereits als außenbereichstypische, nämlich von Bebauung freie und durch die Natur geprägte Flächen dar. Aber auch die vorgenannte Bebauung südlich des Einmündungsbereichs ist nicht als (noch) im Zusammenhang bebauter Ortsteil anzusehen. Zwar handelt es sich um mehrere, aber dennoch letztlich um vereinzelt und insbesondere verstreut gelegene Baulichkeiten; ein gewisses Gewicht dieser Baulichkeiten lässt sich weder im Einzelnen noch zusammengenommen ausmachen. Zudem ist eine organische Siedlungsstruktur nicht erkennbar. Eine geordnete, regelhafte und funktionshaltige Bebauung, die grundsätzlich geeignet ist, einen Rahmen für die (mögliche) bauliche Entwicklung zu setzen (vgl. OVG NW, U.v. 10.7.2018 – 2 A 2504/16 – juris Rn. 75), ist nicht auszumachen. Die Baulichkeiten liegen vereinzelt und sind regellos angeordnet. Der vorstehend behandelte Bereich entlang der Straße A. E. lässt sich auch nicht als Teil einer gleichsam größerräumigen Innenbereichslage bzw. insoweit einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil einordnen. Südlich, südwestlich und südöstlich dieses Bereichs schließen sich, wie auch auf den klägerseits vorgelegten Luftbildern erkennbar, unbebaute Flächen an, die eindeutig bereits dem Außenbereich zuzuordnen sind. Richtung Norden folgt die nächste Bebauung jedenfalls bereits deutlich abgesetzt. Richtung Osten, d.h. der Altstadt der Beklagten lässt sich eine – für die damalige Zeit massive – Bebauung einer gemäß Luftbildern offenbar gewerblichen Nutzung ausmachen, auf die die – heutige – U. Straße folgt. Diese stellt – wie auf einem von der Beklagten vorgelegten Luftbild (Anlage B1) besonders deutlich erkennbar (dies lässt sich aber auch auf dem klägerseits zuletzt vor allem in Bezug genommenen Luftbild Anlage K19 ausmachen) – die maßgebliche Zäsur zur östlich/nordöstlich von ihr gelegenen Bebauung dar; ihr kommt im vorliegenden Einzelfall somit trennende Wirkung gegenüber dem fraglichen Bereich östlich der Straße A. E. zu (vgl. zur Einzelfallwürdigung, wann Straßen trennende Wirkung entfalten, etwa BayVGH, B.v. 20.10.2022 – 6 CS 22.1804 – juris Rn. 22). Der westlich an die Straße A. E. angrenzende, nach dem klägerseits als Anlage K1 vorgelegten Luftbild schon in den 1930er Jahren vorhandene Friedhof vermag keinen Bebauungszusammenhang zu vermitteln (vgl. OVG RhPf, U.v. 9.12.2004 – 1 A 11591/04 – juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 28.2.2002 – 3 A 3629/98 – juris Rn 34 ff.). Ihm schloss sich nach dem von der Beklagten vorgelegten Luftbild (Anlage B1) aus dem Jahr 1964 keine weitere Bebauung an, so dass der Friedhof – was ohnehin bereits aufgrund seiner erheblichen Ausdehnung ausscheidet – auch nicht Teil eines (weiterreichenden) Bebauungszusammenhangs gewesen ist; vielmehr lag der Friedhof, wie gerade aus den genannten Luftbildern aus den 1930er und 1960er Jahren erkennbar, selbst bereits im Außenbereich. Daher kann auch nicht angenommen werden, die Straße A. E. habe Erschließungsfunktion für den Friedhof gehabt. Ebenso wenig ist aus Lageplänen wie Luftbildern erkennbar, dass der Friedhof ein Hindernis darstellen könnte, der es gerechtfertigt erscheinen ließe, die (vereinzelte) Bebauung östlich der Straße A. E. noch als Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils anzusehen (zu seinem solchen Fall OVG RhPf, U.v. 9.12.2004 – 1 A 11591/04 – juris Rn. 18). Vielmehr vermittelt das von der Beklagten vorgelegten Luftbild (Anlage B1), aber auch die klägerseits (Anlage K1, K2) vorgelegten Luftbilder den Eindruck, dass die – heutige – U. Straße trennende Wirkung entfaltet und Friedhof wie Bebauung östlich der Straße A. E. gleichsam einheitlich außerhalb eines Bebauungszusammenhangs befanden. Für eine solche einheitliche Bewertung spricht ergänzend, dass das schon in den 1930er Jahren vorhandene Gebäude A. E. 5 nach den klägerseits vorgelegten Unterlagen (Anlagen K3 – K7) einem Pfarrer als Wohnung diente.
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Unerheblich ist, inwieweit sich die Bebauung verändert hat; maßgeblich ist allein, dass die Straße A. E. vor dem 30. Juni 1961 keine Erschließungsfunktion hatte, weil kein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 BBauG/BauGB vorlag. Erst durch das bzw. mit dem Inkrafttreten des einschlägigen Bebauungsplans am 3. September 1971 kam der Straße Erschließungsfunktion zu.
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2.2 Die Straße A. E. war auch nicht nach den damaligen rechtlichen Anforderungen endgültig hergestellt. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf eine Entwässerung.
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Eine Straßenentwässerung war bereits seit 1934 Voraussetzung, um eine Straße als für den Zweck der Erschießung endgültig fertiggestellt ansehen zu können. Zwar mag in einer kleinen Landgemeinde – wozu allerdings die Beklagte, die bereits in dem 1950er Jahren über 13.000 Einwohner hatte (https://hdbg.eu/wiederaufbau/orte/detail/ …88), nicht zählt – ein relativ primitiver Ausbauzustand einer Straße als dem innerörtlichen Anbau und Verkehr genügend angesehen werden können. Gewisse Mindestanforderungen waren aber jedenfalls zu stellen, wie z. B. die Existenz einer Straßenentwässerung, die beispielsweise über offene Gräben ihre Aufgabe zur Beseitigung des Niederschlagswassers von der Straßenfläche zu erfüllen in der Lage war. Zumindest seit den 1950er-Jahren war selbst in – anders als hier (s.o.) – kleineren ländlichen Gemeinden eine durchgehende, gezielte und funktionierende Ableitung des Straßenoberflächenwassers zur endgültigen Herstellung einer Erschließungsstraße unerlässlich. Erforderlich war mindestens die Existenz einer wenn auch primitiven, technisch abgegrenzten Einrichtung zur gezielten Ableitung des Niederschlagswassers von der Straßenfläche (z. B. durch Straßenprofil und -neigung, Randsteinen oder Rinnen, offene Gräben). Der unkontrollierte Abfluss des Oberflächenwassers über die Bankette entsprach hingegen bereits damals lediglich der typischen Ausgestaltung von Straßen außerhalb von Ortsbereichen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 18.8.2022 – 6 ZB 22.264 – juris Rn. 9; B.v. 15.11.2018 – 6 ZB 18.1516 – juris Rn. 7 f.).
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Vorliegend wies die Straße A. E. keine solche technisch abgegrenzte Einrichtung zur gezielten und funktionierenden Ableitung des Straßenoberflächenwassers auf. Zwar mag unterstellt werden, dass die Straße vor den in Rede stehenden Herstellungsmaßnahmen gemäß dem klägerseits vorgelegten Plan (Anlage K23) über vier Straßeneinlaufschächte verfügte; ferner kann sogar davon ausgegangen werden, dass diese – die Beklagte konnte hierzu auch in der mündlichen Verhandlung keine Angaben machen – bereits vor in dem in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG genannten Zeitpunkt vorhanden waren. Eine Straßenentwässerung, die den genannten Anforderungen entsprach, lag gleichwohl nicht vor. U.a. aus den klägerseits vorgelegten Fotos aus dem Jahr 2018 (Anlage K 14, den Behördenakten entnommen) wird deutlich, dass das Straßenoberflächenwasser vor der jetzt streitigen Herstellung der Straße nicht durchweg gezielt – auch nicht in die vorhandenen Straßeneinlaufschächte – abgeleitet wurde, sondern unkontrolliert in die Bankette abfloss. Schon begrifflich stellt aber eine Straßenentwässerung einer Anbaustraße eine technisch abgegrenzte Teileinrichtung dar, die verhindert, dass das anfallende Regenwasser auf anliegende Grundstücke abfließt (BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 6 ZB 18.1516 – juris Rn. 8). Es kann auch keine Rede davon sein, dass seitlich zur Fahrbahn verlaufende Rinnen eine zureichende Ableitung gewährleisteten. Die von der Beklagten vorgelegten Fotos zum früheren Zustand (Anlagen B2, dort insbesondere Foto 2) verdeutlichen vielmehr, dass der unkontrollierte Abfluss des Oberflächenwassers bereits zu Auswaschungen und Vertiefungen am Fahrbahnrand geführt hatte. Es liegt zwar nahe, dass das Oberflächenwasser vorrangig in solche im Lauf der Zeit entstandenen Vertiefungen hinein- und sodann bergab lief; um eine Teileinrichtung, die der gezielten Ableitung dieses Wassers diente, handelte es sich aber ersichtlich nicht, insbesondere nicht um von der Beklagten hergestellte „Rinnen“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Buchst. b der EBS vom 2./9. September 1962. Vielmehr zeigt gerade das Entstehen solcher Auswaschungen und Vertiefungen, weshalb ein ungezielter Abfluss des Niederschlagswassers in die Bankette nicht als ordnungsgemäße Entwässerung aufgefasst werden kann. Die Probleme des Fehlens einer solchen Entwässerung – insbesondere das Hineinspülen ausgewaschenen Materials (Erdreich, Steine) aus den Banketten in die Fahrbahn – zeigt sich zwar auch, aber nicht nur bei größeren Regenereignissen, zumal die Entstehung und Vertiefung nicht befestigter Gräben am Fahrbahnrand absehbar deren Stabilität selbst beeinträchtigen können. An diesem Befund vermag nichts zu ändern, dass vor der Einmündung der Straße A. E. in die U. Straße früher in der Fahrbahnmitte ein weiterer, von einer Pflasterung umgebener Einlaufschacht vorhanden war. Dass das Oberflächenwasser gezielt in diesen eingeleitet wurde, ist nicht erkennbar; dass trotz dieses Schachtes eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung nicht vorlag, zeigen die angeführten Defizite im oberen Bereich der Straße A. E. (Abfluss in die Bankette; Auswaschungen und Vertiefungen).
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3. Die Straße A. E. war auch nicht zu einem späteren als dem in Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG genannten Zeitpunkt „endgültig hergestellt“ (Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) und nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts entlassen (BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 6 ZB 21.1543 – juris Rn. 12 f. zu VG Augsburg, U.v. 22.4.2021 – Au 2 K 20.946). Es fehlte, wie unter 2.2 ausgeführt, bis zu den in Rede stehenden Herstellungsmaßnahmen an einer den Anforderungen entsprechenden Straßenentwässerung (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 EBS 1962 bzw. EBS 2007). Zwar weist die Klägerseite insoweit zu Recht darauf hin, dass es die Regelung von (Ausbau-)Merkmalen, deren Vorliegen die endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage beschreiben, den Beitragspflichtigen ermöglichen soll, sich durch einen Vergleich der satzungsmäßig festgelegten Kriterien für die Fertigstellung mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, einen Eindruck darüber zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht, und dass es mit dieser auf die Laiensphäre abstellenden Zielrichtung von vornherein nicht zu vereinbaren wäre, etwa das Merkmal Straßenentwässerung in dem Sinn zu verstehen, dass es um Ausbaustandards unter Beachtung bestimmter technischer Regelwerke ginge. Entscheidend bleibt allerdings, dass überhaupt eine funktionsfähige, der Straßenlänge und den örtlichen Verhältnissen angepasste Entwässerungseinrichtung vorhanden ist (vgl. etwa VG Augsburg, U.v. 23.2.2023 – Au 2 K 22.416 – juris Rn. 31, u.a. unter Hinweis auf die unter 2.2 bereits angeführte Entscheidung BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 6 ZB 21.1543 – juris). An einer solchen Entwässerung fehlte es vorliegend, wie ausgeführt, trotz teilweise bereits vorhandener Straßeneinlaufschächte.
35
4. Die Erschließungsanlage A. E. wurde (erst) durch die nunmehr abgerechneten Maßnahmen i.S.v. Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB endgültig hergestellt. Eine Anbaustraße ist endgültig hergestellt im Sinn des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und dem dieses bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden (formlos möglichen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Standard entsprechen (BayVGH, B.v. 12.6.2014 – 6 CS 14.1077 – juris Rn. 10).
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4.1 Vorliegend bestehen keine Zweifel daran, dass die Straße in dem hergestellten Zustand die Merkmale von § 8 Abs. 1 EBS sowie des Bauprogramms, welches der zuständige Ausschuss der Beklagten am 24. Juni 2020 unter Bezugnahme auf eine (dem Beschluss anliegende) Planung eines Ingenieurbüros beschlossen hat (Anlage B3), erfüllt.
37
Für die Behauptung der Klägerseite, die von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen seien auch jetzt nicht geeignet, bei größeren Regenereignissen das Regenwasser gezielt abzuleiten, gibt es keine fachlich belegten Anhaltspunkte. Die Kammer hat keinen Anlass für die Annahme, dass die von einem Ingenieurbüro erstellte Ausführungsplanung, welcher die geplanten Straßenabläufe zu entnehmen sind (Widerspruchsakte Bl. 21), fachlichen Anforderungen nicht genügt. Die klägerseits angeführten größeren Einlaufschächte in der U. Straße erklären sich, wie die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen hat, aus der dort deutlich größeren Straßenbreite. Dass der Ablauf des Straßenoberflächenwassers nunmehr ausschließlich auf der Straße stattfindet und dort vermehrt wahrnehmbar ist, ist notwendige Folge der gezielten Ableitung, so dass es nicht mehr, wie es vorher – unzureichend – der Fall war, zu einem Abfließen des Wassers in die Bankette oder über durch Auswaschungen entstandene Vertiefungen kommt.
38
Soweit die Klägerseite einwendet, bei Sanierungsmaßnahmen an einer anderen Straße im Gebiet der Beklagten seien keine Randsteine, sondern es sei lediglich eine Rinne angelegt worden, ist nicht erkennbar, dass die Beklagte den ihr hinsichtlich des Inhalts des Bauprogramms zukommenden Beurteilungsspielraum (BayVGH, B.v. 8.1.2015 – 6 ZB 13.577 – juris Rn. 7 m.w.N.) überschritten hätte.
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4.2 Die Klägerseite rügt zwar unter dem Gesichtspunkt der endgültigen Herstellung auch, dass die Erschließung nicht den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans entspreche. Dabei, d.h. bei der Beachtung der in § 125 BauGB genannten Erfordernisse, handelt es sich jedoch um eine eigene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, die nicht in § 133 Abs. 2 BauGB hineinzulesen ist (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 2; hierzu sogleich).
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5. Im Ergebnis bestehen auch keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Beitragsbescheids im Hinblick auf § 125 BauGB.
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5.1 Die Kläger beziehen sich mit ihrem Einwand der Abweichung von Festsetzungen des Bebauungsplans auf den Beschluss des zuständigen Ausschusses der Beklagten vom 22. März 2021 (Widerspruchsakte Bl. 55 f.), in welchem „bestätigt [wird], dass die Erschließungsanlage abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans endgültig hergestellt“ sei. Insoweit konkret angegeben werden in diesem Beschluss aber nur Parkplätze. Die Beklagte hat diese Angaben im Klageverfahren bestätigt und dahin konkretisiert, dass die im nördlichen Teil der Anlage auf der westlichen Straßenseite errichteten Parkplätze (diese sind in der am 24.6.2020 von der Beklagten beschlossenen Planung eines Ingenieurbüros erkennbar) im Wesentlichen außerhalb der vom Bebauungsplan festgesetzten Straßenverkehrsfläche lägen. Diese Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes sind hier aber nach § 125 Abs. 3 BauGB zulässig. Die Erstellung einiger weniger Parkplatzflächen im unmittelbaren Anschluss die die festgesetzte Straßenverkehrsfläche ist ohne weiteres mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Eine – zumal wesentliche – Beeinträchtigung der Nutzung der betroffenen Grundstücke hierdurch ist nicht erkennbar (§ 125 Abs. 3 Nr. 2 a.E. BauGB). Ein vermehrtes Rangieren bzw. Wendeerfordernis wegen der hergestellten Längsparkplätze, wie klägerseits zuletzt schriftsätzlich eingewandt, ist für die Frage einer Abweichung nicht maßgeblich, da der Bebauungsplan zu Parkplätzen generell und damit zu deren Ausrichtung im Besonderen keine Festsetzungen enthielt (siehe auch noch sogleich). Schließlich wurden die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet (§ 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Die Kosten für die Parkplätze wurden von der Beklagten ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids nicht umgelegt; dies reicht für eine fehlende Mehrbelastung aus (vgl. Schmitz, Erschließungsbeiträge, § 7 Rn. 26 m.w.N.).
42
Weitere Abweichungen vom Bebauungsplan sind, insbesondere in Bezug auf Zufahrten, nicht erkennbar. Der Bebauungsplan hat – in Übereinstimmung der im Zeitpunkt seines Erlasses im Jahre 1971 geltenden Rechtslage – nur die Straßenverkehrsfläche als solche festgesetzt und nicht etwa die besondere Zweckbestimmung von Teilflächen wie Fahrbahn und Parkflächen; eine Differenzierung sieht § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB erst seit 1976 vor (Schmitz, Erschließungsbeiträge, § 7 Rn. 6). Aus einer solchen allgemeinen Festsetzung der Verkehrsfläche insgesamt ergibt sich auch kein Bauprogramm (vgl. Schmitz, a.a.O., § 5 Rn. 20). Ein solches hat die Beklagte erst – wie ausgeführt – am 24. Juni 2020 beschlossen.
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Dass die Beklagte die streitgegenständliche Erschließungsanlage noch vor Inkrafttreten des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG hergestellt hat und damit Erschließungsbeiträge erheben konnte, ist keine Frage einer Abweichung vom Bebauungsplan und damit einer Mehrbelastung i.S.v. § 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB.
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5.2 Soweit die Klägerseite eine „andere Anbindung an die …“ und hierdurch entstandene Mehrkosten bemängelt, ergibt sich ebenfalls kein Rechtsfehler des angefochtenen Bescheids. Insoweit gilt folgendes:
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Der Bereich der Einmündung in die U. Straße ist vom räumlichen Geltungsbereich des einschlägigen Bebauungsplans nicht erfasst; dieser endet vielmehr nach der Planzeichnung auf Höhe der Nordgrenze des Grundstücks Fl.Nr. … Insofern kann eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans i.S.d. § 125 Abs. 3 BauGB nicht vorliegen.
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Der Umstand, dass die Erschließungsanlage über die Grenze des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans hinausreicht (vgl. auch Lageplan Widerspruchsakte Bl. 19), führt auch nicht aus anderen Gründen zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheids. Insofern liegen die Voraussetzungen des § 125 Abs. 2 BauGB vor, wonach, wenn ein Bebauungsplan nicht vorliegt, Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2 BauGB nur hergestellt werden dürfen, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Dabei stehen § 125 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB nicht in einem Alternativverhältnis; wenn – wie hier – eine Anbaustraße sowohl im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt als auch im unbeplanten Gebiet, kommen beide Vorschriften nebeneinander für die jeweiligen Straßenflächen zur Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 6 ZB 12.501 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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Dass die Einmündung der Erschließungsanlage A. E. in die U. Straße nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB genügt, insbesondere gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verstößt, ist nicht erkennbar. Der nunmehr senkrecht zur U. Straße ausgestaltete Einmündungsbereich und die klare Abgrenzung zur Einmündung der Straße A. F. beruhte auf der Erwägung der Beklagten, dass dies zur Entschärfung der Situation im Einmündungsbereich und zu einer deutlichen Verbesserung der Übersicht für die einzelnen Verkehrsteilnehmer führen würde (Beschluss des zuständigen Ausschusses vom 24.6.2020, Anlage B3). Dies stellt insbesondere mit Blick auf § 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB ein legitimes Ziel dar; auf Fotos vom früheren Zustand ist auch erkennbar, dass die Straße A. E. in spitzem Winkel auf die Straße A. F. zulief und diese sich gleichsam einen Einmündungsbereich betreffend die U. Straße teilten (Anlage K 14, Foto 2; Anlage B 2; Foto 1), was die Eindeutigkeit der Verkehrssituation beeinträchtigte. Der Kläger hat zwar zuletzt eingewandt, es sei eine unübersichtliche Situation mit fünf Kreuzungsstraßen entstanden. Dieser Einwand ist jedoch ohne Substanz geblieben, der auch von den Eindrücken des gerichtlichen Ortstermins nicht gestützt wird. Zudem kann die Anzahl der Straßen durch die bloße Änderung des Kreuzungsbereichs nicht verändert worden sein. Schließlich und insbesondere sind durch die Bezugnahme des § 125 Abs. 2 BauGB auf § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB die Anforderungen an die Bauleitplanung einschließlich der ihnen vorgegebenen planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der gemeindlichen Entscheidung über die Ausgestaltung einer Anbaustraße im unbeplanten Innenbereich. Die Abwägungsentscheidung der Gemeinde i.S.v. § 125 Abs. 2 BauGB kann verwaltungsgerichtlich nur beanstandet werden, wenn angenommen werden muss, dass ein Bebauungsplan, setzte er die in Rede stehende Erschließungsanlage fest, wegen Überschreitung der planerischen Gestaltungsfreiheit nichtig wäre (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Auflage 2022, § 7 Rn. 25). Eine solche rechtsfehlerhafte Überschreitung der planerischen Gestaltungsfreiheit ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann eine Fehlerhaftigkeit der Planung der Beklagten nicht damit begründet werden, der Kreuzungsbereich habe anders ausgestaltet oder zumindest in seiner Straßenführung so belassen werden können; durch die vorgenommene Ausgestaltung des Kreuzungsbereichs hat die Beklagte vielmehr von ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht, ohne dass dies zu beanstanden wäre. Dass sonstige öffentliche oder auch private Belange Dritter einer Ausgestaltung des Einmündungsbereichs, wie geschehen, entgegenstehen könnten, ist ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich.
48
Ein Rechtsfehler ist der Beklagten im Ergebnis auch nicht deshalb unterlaufen, weil die von ihr vorgelegten Gremienbeschlüsse über die Ausgestaltung der Erschließungsanlage nicht explizit erkennen lassen, dass hinsichtlich der Teilstrecke der Erschließungsanlage, die sich nicht (mehr) im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans befindet, eine bebauungsplanersetzende Planung vorgenommen bzw. Abwägungsentscheidung getroffen wurde. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass eine Entscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB im Einzelfall auch zusammen mit der Festlegung des Bauprogramms erfolgen kann (vgl. NdsOVG U.v. 24.1.2024 – 9 LC 85/18 – juris Rn. 283; VGH BW, B.v. 18.12.2007 – 2 S 1657/06 – juris, LS 2; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 7 Rn. 22). Vorliegend hat die Beklagte durch den zuständigen Ausschuss am 24. Juni 2020 das Bauprogramm beschlossen und zuvor ausweislich der Sitzungsniederschrift (Anlage B3) Erwägungen hinsichtlich der Ausgestaltung des fraglichen Einmündungsbereichs angestellt. Es ist auch nicht erkennbar, dass das zuständige Gremium nicht auf die für die Abwägung relevanten Umstände konkret hingewiesen worden war und bei seiner Entscheidung keinen Zugriff auf das Abwägungsmaterial hatte (vgl. Driehaus/Raden, a.a.O., § 7 Rn. 25); hiergegen spricht bereits, dass eine Beschlussfassung erst nach Diskussion erfolgte und der Beschlussvorschlag der Verwaltung abgeändert wurde. Zu berücksichtigen ist auch, dass der vom Bebauungsplan nicht umfasste Bereich nur eine untergeordnete Teilstrecke der gesamten Erschließungsanlage umfasste und dass der Anschluss an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße – hier der U. Straße – zwingend für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage war (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 EBS 2007), dass also die Erschließungsanlage, die im südlichen Bereich, wie der Kläger selbst vorgetragen hat, zumindest für den Kfz-Verkehr als Sackgasse ausgestaltet ist, zwingend die Einmündung in die U. Straße umfassen musste. Zudem sind der Ausgestaltung der Einmündung entgegenstehende öffentliche und private Belange nicht erkennbar. Insofern war weder räumlich noch in der Sache eine komplexe Planungsentscheidung zu treffen, so dass insgesamt betrachtet die von der Beklagten vorgelegten Sitzungsunterlagen betreffend die Ausgestaltung des Einmündungsbereichs die nach § 125 Abs. 2 BauGB gebotene Abwägung in (noch) ausreichendem Maße erkennen lassen.
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6. Die Einwände der Klägerseite betreffend die vom Stadtrat der Beklagten mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 im Hinblick auf das Inkrafttreten des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zum 1. April 2021 (§ 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8.3.2016, GVBl Nr. 3/2016, S. 36) vorgenommene Kategorisierung und Priorisierung von Erschließungsanlagen (d.h., welche Anlagen noch vor dem 1.4.2021 hergestellt und endabgerechnet werden sollen, welche nicht), verfangen ebenfalls nicht.
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6.1 Die Gemeinden werden durch § 127 Abs. 1 BauGB (i.V.m. Art. 5a Abs. 1 KAG) zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht nur befugt, sondern ohne Ermessensspielraum bindend verpflichtet. Diese Beitragserhebungspflicht verlangt von den Gemeinden, die einzelnen für eine Beitragserhebung erforderlichen Verfahrensschritte vom Satzungserlass über die Beitragsabrechnung bis zum Bescheiderlass vorzunehmen (Schmitz, Erschließungsbeiträge, § 3 Rn. 10 m.w.N.). Auch der Eintritt der Rechtsfolge des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG ist nicht von einer Ermessensentscheidung der Gemeinde abhängig. Ein Anspruch auch nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob und/oder bei welchen Erschließungsanlagen die Beitragserhebungsvoraussetzungen herbeigeführt werden sollen, steht den Beitragspflichtigen daher nicht zu. Liegen die Beitragserhebungsvoraussetzungen – wie hier – vor, kann die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung also nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Gemeinde beschlossen hat, die Beitragserhebungsvoraussetzungen bei anderen Anlagen nicht herbeizuführen. Ein Zwang zu Priorisierungen und Kategorisierungen, wie sie die Beklagte – offenbar auf der Grundlage eines Schreiben des Bayerischen Innenministeriums – vorgenommen hat, mag angesichts des tatsächlichen Umstands nachvollziehbar sein, dass es den Gemeinden nicht möglich war, die Beitragserhebungsvoraussetzungen für sämtliche Anlagen, bei denen i.S.d. Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG bereits mit der erstmaligen technischen Herstellung begonnen worden war, noch vor Inkrafttreten der genannten Regelung herbeizuführen. Zu den gesetzlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Beitragserhebung gehören solche Priorisierungen und Kategorisierungen, auch in Ansehung des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, jedoch nicht.
51
6.2 Im Übrigen ist für die Kammer nicht erkennbar, dass die im Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 8. Oktober 2019 enthaltenen vier Kriterien für Anlagen, für die die erstmalige Herstellung und die Endabrechnung der Beiträge vor dem 1. April 2021 nicht mehr erfolgen sollte, auf sachfremden Erwägungen beruhen.
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7. Das Grundstück des Klägers unterliegt auch der Beitragspflicht gem. § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Für den gesamten Bereich östlich der Straße A. E. und damit auch für das klägerische Grundstück setzt der einschlägige Bebauungsplan ein Allgemeines Wohngebiet fest; das Grundstück darf also bebaut oder gewerblich genutzt werden. Nach Angaben des Klägers wird es an eine Friedhofsgärtnerei verpachtet, es wird also auch tatsächlich gewerblich genutzt. Daran, dass es durch die gegenständliche Anlage erschlossen wird, bestehen keine Zweifel. Das Grundstück grenzt unmittelbar an die Anlage, Heranfahrbarkeit und – soweit für erforderlich erachtet – Herauffahrbarkeit (vgl. Schmitz, Erschließungsbeiträge, § 13 Rn. 53 ff.) – sind gegeben, wie auch der gerichtliche Augenschein ergeben hat (Foto 4).
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8. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.