Titel:
Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Strafvollzugsverfahren
Normenkette:
StVollzG § 109, § 120, § 127
Leitsatz:
In Verfahren nach dem StVollzG ist die mit mangelnder Erfolgsaussicht begründete Ablehnung von Prozesskostenhilfe stets unanfechtbar (Anschluss an KG BeckRS 2022, 13230). (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafvollstreckung, Prozesskostenhilfe, mangelnde Erfolgsaussicht, Beschwerde, Statthaftigkeit
Vorinstanz:
LG Augsburg, Beschluss vom 28.09.2023 – 1b NÖStVK 196/23 Vollz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12716
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ... gegen den Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 28. September 2023 (Az.: 1b NÖ StVK 196/23 Vollz) wird als unzulässig verworfen.
Gründe
1
Der Antragsteller befindet sich derzeit in der JVA … als Gefangener. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin B. vom 21.09.2023 beantragte er beim „Amtsgericht Nördlingen, Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg“ die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den im Entwurf beigelegten Antrag.
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In dem Entwurf werden folgende Anträge angekündigt:
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1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für sämtliche Arbeitsstunden, die er bei der Antragsgegnerin erbracht hat und die er noch erbringen wird, den seit dem 01.10.2022 geltenden Mindestlohn von € 12,00 pro Stunde zu zahlen.
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2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, zur Berechnung der Summe, die sich aus Ziffer 1. des Antrags ergibt, alle Entgeltabrechnungen samt Stundennachweisen seit Beginn der Tätigkeit des Antragstellers bei der Antragsgegnerin aufzulisten.
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3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Differenzbetrag aus dem bereits entrichteten Stundenlohn und dem Mindestlohn in Höhe von 12,00 € zu ermitteln und diesen dem Antragsteller für sämtliche bereits bei der Antragsgegnerin erbrachte Arbeitsstunden auszuzahlen.
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Mit Beschluss vom 28.09.2023 wies die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 21.09.2023 zurück, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 Abs. 1 ZPO. Der Antrag scheitere bereits an den Voraussetzungen des § 109 StVollzG. Der anwaltlich beratene Verurteilte trage in seinem Antrag keine konkrete Einzelmaßnahme der Vollzugsbehörde vor, für die er eine gerichtliche Entscheidung begehrt. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Beschluss vom 28.09.2023 verwiesen.
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Dieser Beschluss wurde dem Verurteilten ausweislich der Zustellungsurkunde am 09.10.2023 zugestellt.
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Mit Schriftsatz seiner Rechtsanwältin vom 25.10.2023 legte der Antragsteller gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und bat um Fristverlängerung zur Begründung bis 10.12.2023. Mit Schriftsatz vom 07.12.2023 bat seine Prozessbevollmächtigte um Fristverlängerung bis 20.12.2023. Eine Begründung ist bislang nicht eingegangen.
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Mit Zuleitungsschreiben vom 15.02.2024 legte die Generalstaatsanwaltschaft in M. die Beschwerde dem Bayerischen Obersten Landesgericht mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Mit Verfügung vom 26.02.2024 leitete der Vorsitzende Richter des 4. Strafsenats am Bayerischen Obersten Landesgericht die Akte an die Generalstaatsanwaltschaft M. mit der Bitte zurück, die Beschwerde dem Oberlandesgericht München vorzulegen. Es handele sich um eine isolierte Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren. Das Bayerische Oberste Landesgericht sei nur dann zuständig, wenn eine Rechtsbeschwerde gegen eine Hauptsacheentscheidung eingelegt sei.
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Mit Zuleitungsschreiben vom 04.03.2024 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft in M. die weitere Beschwerde des Verurteilten gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Augsburg vom 28.09.2023 als unzulässig kostenfällig zu verwerfen. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg sei nicht anfechtbar. Der Beschluss, mit dem die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache zurückgewiesen hat, sei grundsätzlich unanfechtbar. Im Übrigen werde auf das Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft M. vom 30.11.2023 an die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers verwiesen.
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1. Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG für die Entscheidung zuständig.
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Das Rechtsmittel des Gefangenen ist als sofortige Beschwerde auszulegen. Gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG sind für Anträge auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Hinsichtlich gegenüber der Strafvollstreckungskammer gestellten Anträge nach § 109 ff. StVollzG findet insoweit nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO die sofortige Beschwerde statt.
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Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfebeschwerde ergeht gesondert von einem etwaigen Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung (vgl. MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 127 Rn. 18; vgl. auch BGH, Beschluss vom 03.09.1982, Az. 2 ARs 159/82, NStZ 1983, 44: zur Zuständigkeit für die isolierte Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung nach StVollzG).
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Daher richtet sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über den isolierten Prozesskostenhilfeantrag nicht nach den Zuständigkeitsbestimmungen für die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG. Das gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 3 GVG, Art. 12 Nr. 2 AGGVG, § 54a GZVJu für die Entscheidungen über Rechtsbeschwerden berufene Bayerische Oberste Landesgericht ist somit nicht zuständig für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des PKH-Antrags.
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2. Die gegen den Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 28.09.2023 gerichtete, als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Gefangenen ist unzulässig. Die ablehnende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist unanfechtbar, weil sie mit mangelnder Erfolgsaussicht des Hauptsacheantrags begründet wurde.
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a) Zwar ist nach dem Wortlaut des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO bei einer Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 Abs. 2 S. 2 ZPO genannten Betrag von 600,00 EUR übersteigt.
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Hieraus lässt sich indes nicht herleiten, dass auch in Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG bei Erreichen eines Streitwertes in dieser Höhe die sofortige Beschwerde stets zulässig ist. Nach ganz überwiegender Meinung darf im Prozesskostenhilfeverfahren kein Rechtsmittel zu einer Instanz eröffnet werden, welches in der Hauptsache nicht als Tatsacheninstanz fungiert, da der Beschwerderechtszug in der Nebensache Prozesskostenhilfe nicht länger als der Rechtszug in der Hauptsache sein darf (KG, Beschlüsse vom 16.02.2018, Az. 5 Ws 20/18 Vollz und vom 14.04.2022, Az. 2 Ws 67/22 Vollz; Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17.11.2008, Az. 3 Vollz (Ws) 64/08; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.02.2014, Az. 1 Ws 294/13 Vollz; OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.2012, Az. 1 Vollz (Ws) 672/12, jeweils zitiert nach juris; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe Rn. 12; Burhoff/Kotz in: Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge 1. Auflage 2016 Teil C Vollzug Rn. 347 jeweils mit weiteren Nachweisen). Daher ist in Verfahren nach dem StVollzG die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung mangelnder Erfolgsaussicht stets − also unabhängig vom Streitwert − unanfechtbar. Sonst würde das Rechtsmittel zu einer Instanz eröffnet werden, welche in der Hauptsache – dem Rechtsbeschwerdeverfahren gem. §§ 116ff. StVollzG – nicht die Tatsachen prüfen darf.
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Die vom OLG Rostock im Beschluss vom 06.02.2012, Az. I Vollz (Ws) 3/12, zitiert nach juris, als Ausnahme angesehene Konstellation, dass eine erstinstanzliche Entscheidung nach § 109 ff. StVollzG im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst korrigiert werden soll, ist hier nicht gegeben. Eine Entscheidung in der Hauptsache ist hier gerade nicht ergangen. Somit kann offenbleiben, ob dieser Ansicht in der Allgemeinheit zu folgen wäre.
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b) Der Unzulässigkeit steht die unter II. 1. beschriebene Zuständigkeitskonzentration für Rechtsbeschwerden an das Bayerische Oberste Landesgericht nicht entgegen. Zwar ist das für die sofortige Beschwerde zuständige Oberlandesgericht nicht das für die Hauptsache zuständige Rechtsbeschwerdegericht. Müsste der Senat aber gemäß § 309 Abs. 2 StPO im isolierten PKH-Verfahren eine eigene, gegebenenfalls von der ersten Instanz abweichende Sachentscheidung treffen, würde er gegen den erwähnten allgemeinen Grundsatz verstoßen, dass der Rechtszug in der Nebensache nicht länger als der der Hauptsache sein darf. Daher führt die Verlagerung der Zuständigkeit zur Entscheidung über Rechtsbeschwerden auf das Bayerische Oberste Landesgericht nicht dazu, dass der zur Entscheidung über einen isolierten PKH-Antrag im Vorfeld einer Rechtsbeschwerde zuständige Senat des Oberlandesgerichts zur Tatsacheninstanz würde. Denn ansonsten würde die Zuständigkeitskonzentration in der Hauptsache für die Nebensache Prozesskostenhilfe zu einem längeren Rechtszug führen, den es ohne eine solche Konzentration gerade nicht gibt.
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Der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.09.2023 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag nach § 109 ff. StVollzG wurde von der zuständigen Strafvollstreckungskammer wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Daher ist die sofortige Beschwerde – wie dargestellt – unzulässig.
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c) Darüber hinaus liegt die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entgegen § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 21.09.2023 angekündigte Nachreichung der Erklärung ist – soweit ersichtlich – bis heute nicht erfolgt. Dies führt ebenfalls zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde (vgl. Laubenthal aaO. Rn.11; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 120 Rn. 5.).
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3. Die sofortige Beschwerde hätte in der Sache zudem keinen Erfolg.
23
Der Antragsteller hat seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe gegenüber der Strafvollstreckungskammer gestellt. Die Zulässigkeit von Anträgen gegenüber der Strafvollstreckungskammer richtet sich nach § 109 StVollzG. Demnach kann gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Strafvollzuges oder des Vollzugs freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme und ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
24
Dabei muss es sich um eine Regelung einzelner Angelegenheiten handeln. Allgemeine Regelungen sind daher nicht Gegenstand gerichtlicher Überprüfung. Eine abstrakte Überprüfung von Vorschriften ist nicht möglich (vgl. Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 10).
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Zwar beabsichtigt der Antragsteller, die Justizvollzugsanstalt ... zu einer Zahlung in seiner Angelegenheit zu verpflichten. Dabei wendet er sich aber gegen den von der JVA ... allgemein, auf gesetzlicher Basis ausgezahlten Stundenlohn. Somit befasst sich der beabsichtigte Antrag im Kern mit einer allgemeinen Regelung, nämlich der von der Prozessbevollmächtigten angeführten Verfassungswidrigkeit von Stundenlöhnen in Haftanstalten.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner von der Prozessbevollmächtigten zitierten Entscheidung vom 20.06.2023 (Az. 2 BvR 166/16 und 2 BvR 1683/17) entschieden, dass Art. 46 Abs. 2, 3 und 6 BayStVollzG sowie § 32 I, IV, § 34 I NRWStVollzG mit dem Resozialisierungsgebot aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG unvereinbar sind. Bis zur Neuregelung, die die jeweiligen Gesetzgeber bis spätestens zum 30.06.2025 zu treffen haben, sind die Vorschriften nach dieser Entscheidung aber weiter anwendbar. Die Landesgesetzgeber sind laut diesem Urteil nicht verpflichtet, rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung der Vergütung der Gefangenenarbeit zu schaffen. Der Gesetzgeber sei auch nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept festzulegen.
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Das Begehren des Antragstellers auf Mindestlohn widerspricht dem somit derzeit gültigen Satz nach Art. 46 BayStVollzG. Er fordert im Ergebnis eine – vom Zeitpunkt 30.06.2025 ausgehend – rückwirkend höhere Bezahlung in einer bestimmten Höhe. Für die Festlegung der Höhe und einer etwaigen Rückwirkung der Bezahlung der Gefangenen ist aber nicht die JVA ..., sondern der Gesetzgeber zuständig.
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Die Verpflichtung für die Arbeitsleistung des Gefangenen den Mindestlohn zu bezahlen – für Vergangenheit und Zukunft – betrifft nach alledem keine Maßnahme des Strafvollzugs im Einzelfall.
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Somit hat der Antrag – wie vom Ausgangsgericht zutreffend entschieden – jedenfalls gegenüber der angerufenen Strafvollstreckungskammer keine Aussicht auf Erfolg.
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Laubenthal aaO. Rn. 12; MüKoZPO/Wache, aaO. § 127 Rn. 38).