Inhalt

OLG München, Beschluss v. 24.04.2024 – 2 Ws 242/24
Titel:

Besondere Haftprüfung durch das OLG – kein Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör im Vorfeld der Vorlageentscheidung

Normenkette:
StPO § 121, § 122 Abs. 1, Abs. 2, § 306 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Entscheidung des vorlegenden Gerichts im Vorlageverfahren gem. § 122 Abs. 1 StPO ist – wie eine solche im Abhilfeverfahren gem. § 306 Abs. 2 StPO – eine unselbstständige Zwischenentscheidung in einem vAw durchzuführenden Überprüfungsverfahren. Entsprechend einer Nichtabhilfeentscheidung geht von dem Vorlagebeschluss keine eigenständige Beschwer aus. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Vorlageverfahren sieht folglich § 122 Abs. 1 StPO keine Anhörungsrechte des Beschuldigten oder seines Verteidigers vor, sondern erst nach § 122 Abs. 2 StPO für das Verfahren vor dem OLG selbst. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sechs-Monats-Frist, Haftprüfung, Haftfortdauer, OLG, Vorlagebeschluss, Zwischenentscheidung, Beschwer, rechtliches Gehör, Vorlageverfahren
Vorinstanz:
AG München vom -- – 1023 Gs 2970/23 jug
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12715

Tenor

I. Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschuldigten B. wird angeordnet.
II. Die Haftprüfung wird für die nächsten drei Monate dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.
1
Der am 10.10.2023 vorläufig festgenommene Beschuldigte B befindet sich in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 11.10.2023, eröffnet am selben Tag, seit 11.10.2023 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 26.10.2023 (Gz. 1023 Gs 2970/23 jug) hatte es das Amtsgericht München abgelehnt, den Beschuldigten zur Vermeidung von Untersuchungshaft in einem Heim der Jugendhilfe unterzubringen. Das Landgericht München I verwarf mit Beschluss vom 13.11.2023 (Gz. 1 JQs 38/23 jug.) die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet.
2
Mit Beschluss vom 22.03.2024 hat das Amtsgericht München auf Antrag der Staatsanwaltschaft München I vom 21.03.2024 die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten. Der Beschuldigte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 28.03.2024 gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege. Mit Beschluss vom 02.04.2024 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Eine Beschwerdeentscheidung liegt noch nicht vor.
3
Seit 11.04.2024 befindet sich der Beschuldigte über 6 Monate in Untersuchungshaft, ohne dass ein Urteil gegen ihn ergangen wäre. Dies macht die Haftprüfung durch das Oberlandesgericht erforderlich.
II.
4
Die Prüfung hat ergeben, dass zu Recht Untersuchungshaft angeordnet ist, eine Haftverschonung nicht in Betracht gezogen werden kann und das Verfahren wegen der besonderen Schwierigkeiten und des Umfangs der Ermittlungen noch nicht durch ein Urteil abgeschlossen werden konnte.
5
1. Bei der Prüfung ist der Senat nicht gehalten, den Ausgang des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des Vorlagebeschlusses des Amtsgerichts abzuwarten. Die Vorlage an das Oberlandesgericht gem. § 122 Abs. 1 StPO ist keine formelle Entscheidungsvoraussetzung (KK-StPO/Gericke, 9. Aufl. 2023, StPO § 122 Rn. 1). Wird z. B. das Oberlandesgericht durch eine Haftbeschwerde des Beschuldigten mit der Sache befasst und der nach § 122 Abs. 1 StPO erforderliche Antrag der Staatsanwaltschaft konkludent durch ihre dazu abgegebene Erklärung gestellt, findet das besondere Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 gleichfalls statt (OLG Naumburg BeckRS 2020, 12420, Rn 6; OLG Köln BeckRS 2005, 04766).
6
Die Entscheidung im Vorlageverfahren gem. § 122 Abs. 1 StPO ist daher – wie eine solche im Abhilfeverfahren gem. § 306 Abs. 2 StPO – eine unselbständige Zwischenentscheidung in einem von Amts wegen durchzuführenden Überprüfungsverfahren. Entsprechend einer Nichtabhilfeentscheidung geht von dem Vorlagebeschluss keine eigenständige Beschwer aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.06.2023 – 2 BvR 642/23, juris). Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – das Haftgericht aufgrund des Antrags der Staatsanwaltschaft vom 21.03.2024 auf Durchführung der Haftprüfung beim Oberlandesgericht die sonst nach § 120 Abs. 1 StPO grundsätzlich umfassende Prüfungskompetenz verliert und antragsgemäß vorzulegen hat (vgl. OLG München Beschluss vom 18.1.2019 – 2 Ws 43/19, BeckRS 2019, 533 Rn. 12, beck-online).
7
Für das Vorlageverfahren sieht folglich § 122 Abs. 1 StPO keine Anhörungsrechte des Beschuldigten oder seines Verteidigers vor, sondern erst nach Absatz 2 für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht selbst (MüKoStPO/Böhm, 2. Aufl. 2023, StPO § 122 Rn. 13).
8
Für den Beschuldigten bedeutet daher der Vorlagebeschluss keine selbständige Beschwer, ein isoliert hiergegen geführtes Rechtsmittel ist unzulässig.
9
2. …