Titel:
Schiedsklausel in VOB-Bauvertrag bei Hinweis auf noch abzuschließende vertragliche Regelung
Normenketten:
ZPO § 1029 Abs. 1, § 1032 Abs. 2
BGB § 133, § 154 Abs. 1 S. 1, § 157
Leitsatz:
Sieht eine Vertragsklausel in einem VOB-Bauvertrag zwischen Unternehmern vor, dass das schiedsgerichtliche Verfahren einer vertraglichen Regelung durch die Parteien zugeführt werden solle, führt nicht schon das Fehlen entsprechender verfahrensbezogener Vereinbarungen zur Unwirksamkeit der Schiedsklausel (hier Wirksamkeit bejaht). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
schiedsrichterliches Verfahren, Feststellung der Unzulässigkeit, Schiedsklausel, VOB-Bauvertrag, Vereinbarung, Auslegung, Mindestinhalt, Hinweis, abzuschließende vertragliche Regelung
Fundstellen:
SchiedsVZ 2024, 170
LSK 2024, 1263
BeckRS 2024, 1263
Tenor
I. Der Antrag wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 15.764,19 € festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt, gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO festzustellen, dass die Durchführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens unzulässig ist.
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Die Parteien haben am 14. Mai und 7. Juni 2019 einen Vertrag über die Ausführung von Rohbauarbeiten unterzeichnet und dabei ein Formular „VOB-Vertrag zwischen Unternehmern“ (Anlage A 1) verwendet. Die Unterschriften befinden sich auf Seite 7.
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Die letzte, auf Seite 7 des Vertrags stehende Ziffer lautet:
Ziffer 15. Streitigkeiten (zu § 18 VOB/B)
- Streitigkeiten entscheiden die ordentlichen Gerichte
- Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag – mit Ausnahme evtl. gerichtlicher
- Beweissicherungsverfahren – werden durch Schiedsgericht laut beigefügter Schiedsgerichtsvereinbarung entschieden (Formulierungsvorschlag siehe Seite 8).
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Nach dem Formulierungsvorschlag einer Schiedsgerichtsvereinbarung auf Seite 8 des Formulars wird insbesondere „vereinbart, dass alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag vom … und über die Rechtswirksamkeit dieses Vertrages unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Schiedsgericht nach der Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau, Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Baurecht e. V. und Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V.) in der jeweils gültigen Fassung erledigt werden“. Das Schiedsgericht entscheide auch über die Rechtswirksamkeit und den Geltungsbereich der Schiedsgerichtsvereinbarung. Für die Durchführung eventueller gerichtlicher Beweissicherungsverfahren verbleibe es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
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In den Erläuterungen zum VOB-Vertrag auf Seite 9 des Formulars heißt es zu 15. (Streitigkeiten): „Soll eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen werden, empfiehlt sich, die vorgeschlagene Formulierung auf gesondertem Blatt auszuweisen.“
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Eine Schiedsgerichtsvereinbarung gemäß Seite 8 des Formulars wurde weder ausgefüllt noch von den Parteien unterzeichnet.
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Die Antragstellerin ist der Ansicht, § 1031 Abs. 5 ZPO stehe der Wirksamkeit der Schiedsklausel zwar nicht entgegen, da am Vertrag kein Verbraucher beteiligt sei. Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsklausel bestünden jedoch, da die „Schiedsvereinbarung selbst“ weder ausgefüllt noch von den Parteien unterzeichnet worden sei. Sie, die Antragstellerin, sei der Ansicht, die Schiedsklausel sei unwirksam, da sie zu unbestimmt sei. Die „Schiedsvereinbarung“ [Anmerkung des Senats gemeint: Schiedsgerichtsvereinbarung gemäß Seite 8 des Formulars], auf die die Klausel [Anmerkung des Senats gemeint: Schiedsklausel] Bezug nehme, sei nicht unterzeichnet und aus ihr ergäben sich keine konkreten Angaben zum Schiedsgerichtsverfahren. Besonders paradox sei in diesem Zusammenhang, dass die „Schiedsvereinbarung“ den Passus enthalte, dass das Schiedsgericht auch über die Rechtswirksamkeit und den Geltungsbereich der Schiedsgerichtsvereinbarung zu entscheiden habe, aber diese Bestimmung keine Wirksamkeit entfalten könne, da die Vereinbarung nicht unterzeichnet worden sei. Gehe man davon aus, dass es unerheblich sei, ob die Vereinbarung selbst unterzeichnet sei, und stelle nur auf die Schiedsklausel im Vertrag ab, führe dies zu dem Ergebnis, dass das Gericht nicht zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Schiedsklausel befugt wäre. Auf die Aufforderung, einen vorsorglichen Verzicht auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens zu erklären, habe die Antragsgegnerin nicht reagiert. Aufgrund der bestehenden Unsicherheit im Hinblick auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel im Hauptvertrag sei gerichtliche Feststellung geboten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es aus rechtlichen Gründen einer Klageerhebung vor Ende des Jahres 2023 bedürfe. Ihr, der Antragstellerin, stehe aus dem streitgegenständlichen Bauvertrag ein Restvergütungsanspruch in Höhe von 78.820,95 € brutto zu.
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Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens ist zulässig.
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a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 1062 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu für die Entscheidung über den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO zuständig, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat. § 1062 Abs. 2 ZPO greift nach allgemeiner Meinung auch dann ein, wenn der Schiedsort zwar in Deutschland liegt, aber noch unbestimmt ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21. Januar 2021, 101 SchH 115/20, SchiedsVZ 2021, 240 Rn. 18 [juris Rn. 26] m. w. N.; Geimer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 1062 Rn. 3). Ein ausländischer Schiedsort kommt vorliegend nicht in Betracht.
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Der Antrag ist seinem Inhalt nach statthaft. Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2019, I ZB 4/19, SchiedsVZ 2020, 50, Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 10. Oktober 2022, 101 SchH 46/22, NJW-RR 2023, 400 [juris Rn. 59]).
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Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens bis zur Bildung des Schiedsgerichts beantragt werden. Ein Schiedsgericht hat sich noch nicht gebildet. Eine etwaige nach Antragstellung erfolgte Klageerhebung bei einem staatlichen Gericht lässt das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin nicht entfallen (vgl. OLG München, Beschluss vom 7. Juli 2014, 34 SchH 18/13, SchiedsVZ 2014, 262, 264 [juris Rn. 33]; Geimer in Zöller, ZPO, § 1032 Rn. 3a).
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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Die Parteien haben in Ziffer 15 des als Anlage A 1 vorgelegten Vertrags bereits eine Einigung darüber erzielt, dass Streitigkeiten in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis nicht von dem staatlichen Gericht, sondern von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen, § 1029 Abs. 1 ZPO. Diese Vereinbarung ist ausreichend. Sie ist zudem formwirksam getroffen worden.
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a) Die Frage, ob sich die Vertragsparteien trotz des Hinweises auf eine gesondert abzuschließende Schiedsgerichtsvereinbarung bereits dadurch auf eine Schiedsvereinbarung in Form einer Schiedsklausel (§ 1062 Abs. 2 ZPO) verständigt haben, dass sie in Ziffer 15 des Vertrags die zweite Alternative gewählt haben, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beantworten. Entscheidend ist, ob sich aus der Vereinbarung der Wille der Parteien ergibt, Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis unter Ausschluss der staatlichen Gerichte einem Schiedsgericht zuzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2022, I ZB 15/22, SchiedsVZ 2023, 362 Rn. 15; Beschluss vom 6. Februar 2020, I ZB 44/19, juris Rn. 16; BayObLG, SchiedsVZ 2021, 240 Rn. 36 [juris Rn. 44] m. w. N.).
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b) Die Parteien haben die grundlegende Entscheidung, alle Streitigkeiten aus dem streitgegenständlichen Vertrag – mit Ausnahme von hier nicht in Rede stehenden Beweissicherungsverfahren – den staatlichen Gerichten zu entziehen und einem Schiedsgericht zuzuweisen, bereits getroffen. Sie haben sich somit über den zwingenden Mindestinhalt einer Schiedsvereinbarung geeinigt (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1029 Rn. 112).
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Denn die Parteien haben in Ziffer 15 nicht die erste („Streitigkeiten entscheiden die ordentlichen Gerichte.“), sondern die zweite Alternative gewählt und sich damit auf alle Punkte einer Schiedsvereinbarung geeinigt. Nicht verständigt haben sich die Parteien lediglich über Verfahrensfragen, wie insbesondere die Bestimmung des Schiedsgerichts oder die Geltung der Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau). Zwischen der Schiedsvereinbarung und Vereinbarungen über das schiedsrichterliche Verfahren ist zu unterscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014, III ZB 83/13, BGHZ 202, 168 [juris Rn. 15]; Kröll, NJW 2023, 819 Rn. 10; Geimer in Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 11). Treffen die Parteien keine Vereinbarung über die Bestellung der Schiedsrichter, gilt § 1035 Abs. 3 ZPO; der Annahme einer wirksamen Schiedsvereinbarung steht dies nicht entgegen (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 6. August 2015, 34 SchH 3/15, juris Rn. 11 m. w. N.). Die Parteien können Regelungen über die Verfahrensgestaltung treffen, müssen dies aber nicht (§ 1042 Abs. 4 ZPO); der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens wird gegebenenfalls gemäß § 1043 Abs. 1 Satz 2 ZPO vom Schiedsgericht bestimmt. Die nicht zustande gekommene „Schiedsgerichtsvereinbarung“ nach dem Fomulierungsvorschlag auf Seite 8 des Formulars sollte somit nur fakultative Regelungen treffen.
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Aus der vorliegend verwendeten Formulierung, die Streitigkeiten würden „durch Schiedsgericht laut beigefügter Schiedsgerichtsvereinbarung“ entschieden, ergibt sich nichts anderes. Sieht eine Vertragsklausel – wie hier – vor, dass das schiedsgerichtliche Verfahren einer vertraglichen Regelung durch die Parteien zugeführt werden solle, führt nicht schon das Fehlen entsprechender verfahrensbezogener Vereinbarungen zur Unwirksamkeit der Schiedsklausel (vgl. BayObLG, SchiedsVZ 2021, 240 Rn. 27 ff. [juris Rn. 35 ff.]; Geimer in Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 2; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1029 Rn. 1 jeweils m. w. N.). Für die Auslegung, dass die Parteien eine Schiedsabrede bereits getroffen haben und den Abschluss nicht nur beabsichtigten, spricht zum einen, dass in Ziffer 15 nur von einem „Formulierungsvorschlag“ die Rede ist, und zum anderen die Erläuterung zu Ziffer 15, wonach es sich „empfiehlt“, die „vorgeschlagene Formulierung“ auf gesondertem Blatt auszuweisen, wenn eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen werden soll.
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Die Vereinbarung in Ziffer 15 des Vertrags ist hinreichend bestimmt, denn sie umfasst alle Streitigkeiten aus dem Vertrag, in den die Klausel eingebettet ist, mit Ausnahme der Durchführung von Beweissicherungsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2017, I ZB 101/16, juris Rn. 16). Auf den richterlichen Hinweis, die Antragstellerin führe nicht aus, aus welchen Gründen sie die Vereinbarung für zu unbestimmt halte, hat sie eingewandt, es sei unklar, ob das Schiedsgericht über die Wirksamkeit der Schiedsklausel entscheiden dürfe. Diese Ansicht geht fehl. Nach § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO befindet zunächst das Schiedsgericht selbst über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung (vgl. BGH, Urt. v. 13. Januar 2005, III ZR 265/03, BGHZ 162, 9 [juris Rn. 17]). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber unter bewusster Abkehr von der früheren Rechtsprechung, nach der das Schiedsgericht nur dann über seine Kompetenz entscheiden konnte, wenn die Parteien eine gesonderte Schiedsabrede hinsichtlich der Gültigkeit des Schiedsverfahrens getroffen haben (vgl. BGH, Urt. v. 26. Mai 1988, III ZR 46/87, juris Rn. 27; Urt. v. 5. Mai 1977, BGHZ 68, 356 [juris Rn. 8 und 14]), die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichtes normiert, gleichzeitig aber in § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Möglichkeit eröffnet, gegen dessen Entscheidungen insoweit die staatlichen Gerichte anzurufen (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, § 1040 Rn. 1; Wolf/Eslami in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand 1. September 2022, § 1040 Rn. 5; BT-Drs. 13/5274 S. 43 f.).
21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Den Streitwert hat der Senat mit einem Fünftel der Hauptsache angesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 5; BayObLG, NJW-RR 2023, 400 [juris Rn. 88]).