Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.05.2024 – 9 ZB 22.2207
Titel:

Abgelehnte Berufungszulassung: Beseitigungsanordnung für Hundesportplatz im Außenbereich

Normenkette:
BauGB § 35
Leitsatz:
Hundesportplätze, die der Erholung und Freizeitgestaltung eines bestimmten Personenkreises dienen, sind nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassen. Eine Privilegierung muss als Bevorzugung in Richtung auf den Gleichheitssatz zu rechtfertigen sein. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Hundetrainingsplatz im Außenbereich., Hundetrainingsplatz im Außenbereich, Hundesportplatz, Freizeitgestaltung, Hundetraining, Außenbereich, Beseitigung, Erholung, Privilegierung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 22.06.2022 – W 4 K 22.1053
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12230

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladen zu 1 bis 3 und 6; die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine nach Rücknahme der ihr erteilten Baugenehmigung vom 18. November 2014 für die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ mit Bescheid vom 14. August 2019 verfügte Beseitigungsanordnung (Nr. III des Bescheides).
2
Mit am 29. August 2014 eingegangenem Bauantrag beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“. Auf Anforderung einer Betriebsbeschreibung seitens der Bauordnungsbehörde gab die Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 Trainingszeiten von Montag bis Samstag zwischen 15 Uhr und 19 Uhr an; auf weitere Nachfrage der Bauordnungsbehörde wurde mit Schreiben vom 3. November 2014 ausgeführt, es würden maximal drei bis vier Hunde gleichzeitig auf dem Platz trainiert. Mit Bescheid vom 18. November 2014 wurde die Baugenehmigung für das Vorhaben „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ erteilt. Aufgrund nachbarlicher Beschwerden wurden mit Ergänzungsbescheid vom 25. April 2018 Betriebszeiten von Montag bis Samstag von 15 Uhr bis 19 Uhr und des Weiteren festgesetzt, dass maximal vier Hunde gleichzeitig auf den Trainingsflächen trainiert werden dürften. Auf die dagegen gerichtete Klage wurde der Ergänzungsbescheid mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. November 2018 (Az.: W 4 K 18.705) mit der Begründung aufgehoben, es handle sich um isoliert anfechtbare Nebenbestimmungen, eine Präzisierung der Baugenehmigung nach Art. 54 Abs. 2 BayBO sei nicht möglich, da die im Baugenehmigungsverfahren von der Klägerin gemachten Angaben nicht geeignet seien, die Baugenehmigung zu präzisieren, und wegen unzureichender Bestimmtheit der Baugenehmigung vom 18. November 2014 seien auch die Nebenbestimmungen rechtwidrig.
3
Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 11. Juni 2019 wurde mit Bescheid vom 14. August 2019 eine am 18. Februar 2018 beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Hundetherapiezentrums abgelehnt (Nr. I), die Baugenehmigung vom 18. November 2014 mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (Nr. II), die Klägerin zur Einstellung der Nutzung und zur Beseitigung der errichteten Anlagen nach Bestandskraft verpflichtet (Nr. III).
4
Das Verwaltungsgericht hat die gegen Nr. III des Bescheides gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die errichteten Anlagen (Umzäunung und Flutlichtanlage) seien (nach Rücknahme der Baugenehmigung) formell und materiell baurechtswidrig. Die materielle Illegalität folge aus einem Verstoß gegen Bauplanungsrecht. Die errichteten baulichen Anlagen lägen im Außenbereich gemäß § 35 BauGB, sie seien nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert und seien als sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB wegen Widerspruchs zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB planungsrechtlich unzulässig. Die Beseitigungsanordnung weise keinen Ermessensfehler auf, der nach § 114 VwGO zu ihrer Aufhebung führen müsste. Aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem dort verankerten Recht auf Berufsausübung könne kein Recht auf die Ausübung oder Aufrechterhaltung einer baurechtlich illegalen Nutzung hergeleitet werden. Die wirtschaftlichen Belange der Klägerin seien im Rahmen des ausgeübten Ermessens berücksichtigt worden.
5
Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt ist und im Übrigen auch nicht vorliegt.
7
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Nur mit einer Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung wird dem Darlegungsgebot nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 9 ZB 21.2366 – juris Rn. 11 ff.).
8
Mit dem Zulassungsvorbringen, eine formelle Illegalität liege nicht vor, weil das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Jahresfrist für die Rücknahme der Baugenehmigung zu Unrecht auf den Abschluss des Anhörungsverfahrens am 23. Juli 2019 abgestellt habe und die Rücknahme ermessensfehlerhaft sei, wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ihre von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichende Rechtsauffassung; dies genügt nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
9
Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich im Übrigen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Hinsichtlich der gegen die Rücknahme der Baugenehmigung angeführten Erwägungen kann auf die Senatsentscheidung vom heutigen Tag im Verfahren 9 ZB 22.2205 verwiesen werden.
10
Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 17. April 2018 (Az.: M 1 K 17.3596) die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Ausbildungs- und Trainingsplatzes für Hunde im Außenbereich behauptet, lassen sich die im dortigen Verfahren getroffenen Feststellungen auf den streitgegenständlichen Fall wegen unterschiedlicher räumlicher Gegebenheiten nicht übertragen.
11
Hundesportplätze, die der Erholung und Freizeitgestaltung eines bestimmten Personenkreises dienen, sind nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassen. Eine Privilegierung muss als Bevorzugung in Richtung auf den Gleichheitssatz zu rechtfertigen sein. Daran fehlt es immer dann, wenn gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Natur, das dem Außenbereich zugeordnet ist, individuelle Erholungs- und Freizeitwünsche bevorzugt werden sollen (BVerwG, B.v. 4.7.1991 – 4 B 109.91 – juris Rn. 4 m.w.N.).
12
In dem von der Klägerin zitierten Verfahren hat das Verwaltungsgericht München aufgrund der spezifischen Lage und der Umgebung des konkreten Vorhabengrundstücks (in einem Straßendreieck abgetrennt von den übrigen Landwirtschaftsflächen, Vorprägung durch einen holzverarbeitenden Betrieb) eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB verneint. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Augenscheins in nicht zu beanstandender Weise feststellt, dass das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, die Einzäunung eines Hundeübungsplatzes mit Flutlichtanlage die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt und in der Landschaft einen Fremdkörper bildet. Ausweislich des Lageplans und nach den Lichtbildern des Augenscheins ist das Vorhabengrundstück von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben und ragt die bauliche Nutzung erkennbar in den Außenbereich. Der zutreffenden Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die baulichen Anlagen die Bebauung weiter nach Süden bzw. Südosten verschieben und daher geeignet sind, eine Vorbildfunktion für weitere Gebäude mit gewerblicher Nutzung oder Wohnnutzung im bisher nicht bebauten Außenbereich zu entfalten, vermag das Zulassungsvorbringen nichts Durchgreifendes entgegenzusetzen. Entgegen der klägerischen Auffassung ist die gewerbliche Nutzung des Vorhabengrundstücks als Hundetrainingsplatz mit Einzäunungen und Flutlichtanlage gerade nicht mit einem Weidezaun als Ausdruck einer landwirtschaftlichen Nutzung gleichzusetzen. Wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 Nr. 1, 5 und 7 BauGB sind die geschaffenen baulichen Anlagen materiell baurechtswidrig.
13
Soweit die Klägerin Ermessensfehler rügt, weil das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer Teilaufhebung und einer Ergänzung durch Auflagen außer Acht gelassen habe und eine Beseitigungsanordnung nicht in Betracht komme, wenn auf andere Weise – wie beispielsweise mit einem Auflagen- oder Ergänzungsbescheid – rechtmäßige Verhältnisse geschaffen werden könnten, betrifft dies gleichermaßen das Ermessen bezüglich der Rücknahme der Baugenehmigung. Auch insoweit kann auf die Senatsentscheidung vom heutigen Tag im Verfahren 9 ZB 22.2205 verwiesen werden. Das Verwaltungsgericht hat im rechtskräftigen Urteil vom 6. November 2018 (Az.: W 4 K 18.705) ausgeführt, dass die Baugenehmigung vom 18. November 2014 wegen unzureichender Bestimmtheit einer nachträglichen Präzisierung nicht zugänglich ist. Auch ist nicht ersichtlich, wie sich die beeinträchtigten öffentlichen Belange durch nachträgliche Auflagen überwinden lassen sollten.
14
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen zu 1 bis 3 und 6 im Zulassungsverfahren einen Antrag gestellt sowie begründet und damit einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 154 Abs. 3‚ § 162 Abs. 3 VwGO). Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).