Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.05.2024 – 8 ZB 24.506
Titel:

Widerruf der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit - Teilnahme am Bundeskongress der JA 

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5
LuftSiG § 7 Abs. 3 S. 2, Abs. 6 S. 2
VwVfG § 26 Abs. 2
BayVwVfG Art. 26 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Mitwirkungspflicht des § 7 Abs. 3 S. 2 LuftSiG umfasst, dass der Betroffene zu einem von der zuständigen Behörde für erforderlich gehaltenen Gespräch erscheint und aussagt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn es zu einer Rechtsfrage keine veröffentlichte ober- bzw. höchstgerichtliche Entscheidung gibt, die sich mit ihr ausdrücklich befasst, bedarf es nicht der Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung, wenn anzunehmen ist, dass sich die Rechtsfrage auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mithilfe der anerkannten Auslegungsregeln ohne Weiteres beantworten lässt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassungsantrag (erfolglos), Luftsicherheitsrecht, Widerruf der Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit, Mitwirkungspflicht, mündliche Anhörung, verbleibende Zweifel
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.01.2024 – M 24 K 23.1615
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12226

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Regierung von Oberbayern – Luftamt ... – (im Folgenden: Luftamt) vom 14. März 2023. Mit diesem Bescheid widerrief das Luftamt die mit Entscheidung vom 5. Dezember 2019 getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers i.S. des § 7 LuftSiG.
2
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz teilte dem Luftamt im November 2022 mit, der Kläger habe im Oktober 2022 am elften Bundeskongress der „Jungen Alternative für Deutschland“ (im Folgenden: JA) teilgenommen. Unter der Überschrift „Erkenntnisse zur Jungen Alternative (JA)“ weist das Landesamt u.a. darauf hin, die „Junge Alternative für Deutschland Bayern“ (im Folgenden: JA Bayern) sei seit Januar 2019 ein Beobachtungsobjekt des Landesamts im Bereich Rechtsextremismus. Die JA vertrete einen ethnisch homogenen Volksbegriff und mache jene, die dieser ethnisch homogenen Gemeinschaft nicht angehörten, verächtlich. Diese diskriminierende Ausgrenzung verletzte nach gerichtlich bestätigter Auffassung die Menschenwürde.
3
Mit Schreiben vom 10. Januar 2023 wies das Luftamt den Kläger darauf hin, aufgrund der Teilnahme an dem Bundeskongress seien Zweifel hinsichtlich seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit aufgekommen. Um die Überprüfung abschließen zu können bzw. um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu den aufgekommenen Zweifeln zu äußern, werde dieser gebeten, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Büroräumen des Luftamts einzufinden. Nachdem der Kläger zunächst erklärt hatte, gerne für eine mündliche Äußerung zur Verfügung zu stehen, teilte sein früherer Bevollmächtigter mit, der Kläger werde zur mündlichen Anhörung nicht erscheinen; er nehme sein Recht auf Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme wahr.
4
In dem auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 7 LuftSiG gestützten (Widerrufs-)Bescheid weist das Luftamt u.a. darauf hin, der Kläger sei verpflichtet, an der Überprüfung mitzuwirken und die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit auszuräumen. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht sei er aufgefordert worden, zu einer persönlichen Anhörung zu erscheinen. Seine Stellungnahme und die Stellungnahme seines Rechtsanwalts hätten die Zweifel nicht ausräumen können und hätten auch nicht zur Aufklärung beigetragen, was genau ihn bewogen habe, an der Veranstaltung teilzunehmen.
5
Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 14. März 2023 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Januar 2024 ab.
6
Das Urteil wurde dem früheren Bevollmächtigten des Klägers am 9. Februar 2024 elektronisch übersandt. Ein Empfangsbekenntnis wurde ausweislich des Versandprotokolls nicht angefordert. Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts hat der frühere Bevollmächtigte angegeben, er habe das Urteil am 30. Januar 2024 erhalten.
7
Der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers hat am 25. Februar 2024 beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen mit am 7. April 2024 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz von diesem Tag begründet. In der Antragsschrift gibt der nunmehrige Bevollmächtigte an, das Urteil sei am 9. Februar 2024 zugestellt worden.
II.
8
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil das Verwaltungsgerichts ist zulässig. Er ist insbesondere fristgerecht gestellt und begründet worden. Die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beginnt ebenso wie diejenige des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit der Zustellung des vollständigen Urteils zu laufen. Im vorliegenden Fall liefen die Fristen, da von einer Zustellung des Urteils an den früheren Bevollmächtigten nicht vor dem 9. Februar 2024 ausgegangen werden kann, frühestens am 11. März 2024 (einem Montag) bzw. am 9. April 2024, jeweils 24:00 Uhr, ab. Innerhalb dieser Fristen gingen der Antrag bzw. die Begründung ein. Ob mangels Anforderung eines Empfangsbekenntnisses die Fristen überhaupt zu laufen begannen, bedarf keiner Entscheidung.
9
2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Die dargelegten und damit maßgeblichen Gründe (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung aus einem der nach § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemachten Gründe.
10
a) Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
11
aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens möglich erscheint (vgl. etwa BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19; B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – NVwZ-RR 2004, 542 = juris Rn. 8 f.). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2023 – 8 ZB 22.2586 – juris Rn. 18 m.w.N.). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen dann nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich offensichtlich aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 8 ZB 18.547 – juris Rn. 20). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2023 – 8 ZB 23.54 – KommJur 2023, 434 = juris Rn. 6).
12
bb) Die Ausführungen des Klägers in der Begründung des Zulassungsantrags führen nicht zu ernstlichen Richtigkeitszweifeln.
13
(1) Nach § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit der betroffenen Person auf Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls. In § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG sind Konstellationen genannt, in denen es in der Regel an der erforderlichen Zuverlässigkeit fehlt, so etwa, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 BVerfGSchG verfolgt oder unterstützt oder in den letzten zehn Jahren verfolgt oder unterstützt hat (Nr. 3). Die betroffene Person ist verpflichtet, an ihrer Überprüfung mitzuwirken (§ 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG). Die Luftsicherheitsbehörde gibt der betroffenen Person vor ihrer Entscheidung Gelegenheit, sich zu eingeholten Auskünften zu äußern, soweit diese Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit begründen und Geheimhaltungspflichten nicht entgegenstehen oder bei Auskünften durch Strafverfolgungsbehörden eine Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht zu besorgen ist (§ 7 Abs. 5 Satz 1 LuftSiG). Die Zuverlässigkeit eines Betroffenen ist zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV; vgl. auch § 7 Abs. 6 Satz 1 LuftSiG). Zweifel an seiner Zuverlässigkeit verbleiben auch, wenn der Betroffene die ihm nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG obliegenden Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat (vgl. § 7 Abs. 6 Satz 2 LuftSiG, § 5 Abs. 1 Satz 2 LuftSiZÜV).
14
Zuverlässig i.S. des § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG ist nur derjenige, der die Gewähr dafür bietet, jederzeit das ihm Mögliche zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu tun vgl. – auch zum Folgenden – BayVGH, B.v. 8.7.2022 – 8 CE 22.1036 – juris Rn. 14 m.w.N.). Da bei Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs hochrangige Güter wie das Leben und die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet werden können, ist im Rahmen der Prüfung ein strenger Maßstab anzulegen; die Zuverlässigkeit ist schon dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen.
15
(2) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts traten mit den im Nachbericht des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz mitgeteilten Erkenntnissen tatsächliche Anhaltspunkte zum Kläger auf, die Zweifel an seiner luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit begründeten (Urteilsabdruck Rn. 32). Es verweist insoweit auf die Begründung des Bescheids vom 14. März 2023. Darin nennt das Luftamt im Hinblick auf die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers seine Teilnahme an dem Bundeskongress der JA im Oktober 2022.
16
Der Kläger behauptet in der Begründung des Zulassungsantrags jedenfalls der Sache nach (S. 2 bis 7), dass die Teilnahme – die er als solche nicht bestreitet (vgl. a.a.O. S. 12 oben) – nicht geeignet sei, Zweifel an seiner Zuverlässigkeit zu begründen. Soweit er in diesem Zusammenhang vor allem die organisatorische Selbständigkeit der JA Bayern betont, geht dies an der Begründung des Bescheids vorbei. Dort werden die Zweifel nicht aus einer (etwaigen) Mitgliedschaft des Klägers in der JA Bayern oder einer Nähe zu dieser Organisation hergeleitet. Soweit er behauptet, der Bescheid enthalte „keine Ausführungen“ zur JA (a.a.O. S. 5 unten), übersieht er, dass die Aussagen in dem „Nachbericht“ des Landesamts für Verfassungsschutz zu der Programmatik auf die JA bezogen sind; dementsprechend greift der „Nachbericht“ auch Aussagen des (Landes-)Verfassungsschutzberichts 2021 auf, die sich auf die Bundesorganisation beziehen.
17
Der Kläger beanstandet ferner das Fehlen von Feststellungen dazu, „in welcher Funktion und mit welcher Intention“ er an der Veranstaltung teilgenommen habe (vgl. Begründung des Zulassungsantrags S. 7 oben). Dabei übersieht er allerdings, dass das Luftamt und im Anschluss daran das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen sind, dass die Tatsache der Teilnahme des Klägers ohne Weiteres seine luftsicherheitsrechtliche Unzuverlässigkeit begründet. Vielmehr soll diese Teilnahme nach Auffassung des Luftamts und des Verwaltungsgerichts lediglich zu aufklärungsbedürftigen Zweifeln an der Zuverlässigkeit geführt haben. Substantiierte Ausführungen dazu, dass das Luftamt und das Verwaltungsgericht hiervon nicht ausgehen durften, enthält die Begründung des Zulassungsantrags nicht.
18
(3) Das Verwaltungsgericht ist weiterhin zu der Auffassung gelangt, der Kläger habe die Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit nicht ausgeräumt (Urteilsabdruck Rn. 32). Er sei seiner Mitwirkungspflicht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG nicht nachgekommen. Der von ihm abverlangten Form der persönlichen mündlichen Äußerung im Rahmen seiner luftsicherheitsrechtlichen Überprüfung sei er nicht nachgekommen (Urteilsabdruck Rn. 40).
19
In der Begründung des Zulassungsantrags (S. 7 bis 11) bekräftigt der Kläger seine Auffassung, er sei nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG verpflichtet gewesen, ein persönliches Gespräch mit der zuständigen Behörde zu führen. Die Mitwirkungspflicht nach dem Luftsicherheitsgesetz sei bereits weitergehender als nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG, in welchem die Mitwirkung des Beteiligten lediglich als Soll-Vorschrift normiert ist; sie gehe jedoch gerade nicht so weit, dass die betroffene Person zum persönlichen Gespräch oder zur Aussage bei der zuständigen Behörde erscheinen müsse (a.a.O. S. 10 untere Hälfte). In den luftsicherheitsrechtlichen Regelungen müsste eine entsprechende Pflicht ausdrücklich enthalten sein („expressis verbis“, vgl. a.a.O. S. 10 obere Hälfte). Auch damit dringt der Kläger nicht durch.
20
§ 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG enthält bereits nach seinem Wortlaut eine Mitwirkungspflicht; diesen Begriff verwendet sodann § 7 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG. § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG unterscheidet sich damit erheblich von der im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht enthaltenen Soll-Bestimmungen, dass die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken sollen (§ 26 Abs. 2 Satz 1 VwVfG bzw. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Die Mitwirkungspflicht ist nach dem Wortlaut nicht auf eine bestimmte Art der Mitwirkung beschränkt; erst recht sieht die Norm nicht vor, dass der Betroffene die Art und den Umfang seiner Mitwirkung festlegen kann.
21
Soweit der Kläger den Umfang der Mitwirkungspflicht aus § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG unter Berücksichtigung der Vorgabe in Art. 26 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG, dass eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage nur besteht, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist, ermitteln möchte, geht dies schon im Ausgangspunkt fehl. § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG ist eine bundesrechtliche Norm. Als solche muss sie sich nicht an Vorgaben im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht eines Landes halten.
22
Doch auch die bundesrechtliche Vorgabe in § 26 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist für die Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG nicht von erheblicher Bedeutung. Der Kläger hat weder dargelegt noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sich der (Bundes-)Gesetzgeber, als er im Jahr 1976 das Verwaltungsverfahrensgesetz erließ (BGBl I S. 1253), dergestalt binden wollte, dass bei der Regelung von weitergehenden Regelungen über die Mitwirkung Beteiligter im Fachrecht diese nur dann zum persönlichen Erscheinen und zur Aussage verpflichtet sein sollen, wenn das Fachrecht dies ausdrücklich vorsieht (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 50 zu § 22-Entwurf). Der Frage, ob der Gesetzgeber eine solche Bindung überhaupt hätte anordnen können, braucht deshalb nicht nachgegangenen zu werden.
23
Es kommt vielmehr darauf an, ob § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, dahingehend auszulegen ist, dass die Luftsicherheitsbehörde, sofern sie es für erforderlich hält und auch halten darf, vom Betroffenen verlangen kann, persönlich zu erscheinen und auszusagen. Das ist mit dem Verwaltungsgericht eindeutig zu bejahen (vgl. auch Meyer/Stucke in Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Januar 2021, § 7 LuftSiG Rn. 55).
24
Im Luftsicherheitsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 [BGBl I S. 78]) umfasste § 7 Abs. 3 LuftSiG nur zwei Sätze. Satz 2 ist seither unverändert geblieben. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes vom 23. Februar 2017 (BGBl I S. 298) wurde nach Satz 2 ein Satz 3 („Soweit dies im Einzelfall geboten ist, kann diese Mitwirkungspflicht auch die Verpflichtung zur Durchführung eines Tests auf Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittel umfassen.“) angefügt. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen vom 22. April 2020 (BGBl I S. 840) wurde sodann Satz 3 geändert und an den geänderten Satz 3 der Satz 4 angehängt. Soweit der Kläger aus den Sätzen 3 und 4 auf den Inhalt und die Reichweite der Mitwirkungspflicht schließen möchte, ist dies ersichtlich unzutreffend. Schon nach dem Wortlaut des Satzes 3 („auch“) geht es diesem um eine Erweiterung der Mitwirkungspflicht (wenn auch nur im Sinne einer „Klarstellung“; vgl. BT-Drs. 18/9752 S. 53 unten), nicht um deren Einschränkung.
25
Vor allem aber spricht nichts dafür, dass die Luftsicherheitsbehörde vom Betroffenen nur eine schriftliche Äußerung verlangen und dieser sich dementsprechend auf eine solche beschränken darf (vgl. Begründung des Zulassungsantrags S. 11 Mitte). Es liegt vielmehr auf der Hand, dass der Gesetzgeber – zumal unter dem Eindruck der Ereignisse am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten (vgl. BT-Drs. 15/2361 S. 14) – zur Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit der zuständigen Behörde die Möglichkeit an die Hand geben wollte, sich, sofern es die Fallgestaltung nahelegt, auch einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person zu verschaffen. Gerade die persönliche Konfrontation mit zur Beurteilung der Zuverlässigkeit relevanten Erkenntnissen bzw. die Aufklärung von damit im Zusammenhang stehenden Umständen und persönlichen Hintergründen im unmittelbaren Gespräch kann zusätzliche Erkenntnisse bringen, die signifikant über das hinausgehen, was die Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung zu leisten vermag (so überzeugend Meyer/Stucke in Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Januar 2021, § 7 LuftSiG Rn. 55). Dementsprechend sieht etwa auch das Prozessrecht vor, dass Zeugen grundsätzlich mündlich aussagen müssen.
26
(4) Darüber hinaus beanstandet der Kläger, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, welchen Beitrag ein persönliches Gespräch voraussichtlich geleistet hätte (Begründung des Zulassungsantrags S. 9 f.); ein Erkenntnisgewinn durch ein persönliches Gespräch mit ihm sei nicht ersichtlich. Auch damit sind ernstliche Richtigkeitszweifel nicht hinreichend dargelegt.
27
Der Kläger dürfte bei dieser Argumentation bereits übersehen haben, dass in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Bescheid vom 14. März 2003 ausdrücklich angeführt ist (S. 7 unten), was Gegenstand des Gesprächs sein sollte, nämlich die „Umstände und Zusammenhänge“ der Teilnahme des Klägers an dem Bundeskongress der JA im Oktober 2022. In dem Bescheid heißt es weiter, die (schriftliche) Stellungnahme des Klägers und die seines Rechtsanwalts hätten die Zweifel nicht ausräumen können; sie trügen nicht zur Aufklärung bei, was genau den Kläger bewogen habe, an der Veranstaltung teilzunehmen (S. 8 oben).
28
Abgesehen davon spricht der Kläger in der Begründung des Zulassungsantrags selbst an (S. 7 obere Hälfte), dass es möglicherweise von Bedeutung sei, „in welcher Funktion und mit welcher Intention“ er an dem Bundeskongress teilgenommen hat. Hierzu gab es zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gespräch stattfinden sollte, nach Aktenlage keine Erkenntnisse; insbesondere gehen die Stellungnahme des Klägers vom 3. Februar 2023 und diejenige seines früheren Bevollmächtigten vom 5. Februar 2023 hierauf nicht ein.
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b) Das Vorliegen des Zulassungsgrunds der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß an nicht unerheblich überschreitenden Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt und die im Zulassungsverfahren kursorische Prüfung der Prüfung anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits zulässt (BayVGH, B.v. 24.1.2023 – 8 ZB 22.1783 – juris Rn. 47).
31
Der Kläger begründet das Vorliegen des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO im Wesentlichen mit der Notwendigkeit einer gerichtlichen Klärung, ob die Mitwirkungspflicht des § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG umfasst, dass der Betroffene zu einem von der zuständigen Behörde für erforderlich gehaltenen Gespräch erscheint. Allein die Notwendigkeit der Klärung einer Rechtsfrage begründet indes nicht besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Soweit der Kläger auf den Anspruch auf ein faires Verfahren hinweist (Begründung des Zulassungsantrags S. 13 oben), bleibt es bei einer vagen Andeutung. Inwieweit zu klären wäre, in welchen Fällen eine persönliche Anhörung entbehrlich wäre, erschließt sich dem Senat nicht. Es ist offensichtlich eine Frage des Einzelfalls, ob die Behörde eine solche für erforderlich hält und auch halten darf. In den meisten Fällen dürfte kein Anlass für eine solche bestehen, sei es, weil auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse keinerlei Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit bestehen, sei es, dass auf dieser Grundlage die luftsicherheitsrechtliche Unzuverlässigkeit bereits feststeht.
32
c) Die Berufung ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
33
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 8 ZB 22.2287 – juris Rn. 34). Dementsprechend verlangt eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2022 – 8 ZB 22.1193 – juris Rn. 40).
34
Der Kläger wirft die Frage auf (Begründung des Zulassungsantrags S. 14 oben),
35
„ob § 7 Abs. 3 S. 2 LuftSiG tatsächlich eine im Ermessen der Behörde stehende Verpflichtung der von der luftsicherheitsrechtlichen Person zur persönlichen Anhörung bei der zuständigen Luftsicherheitsbehörde umfasst.“
36
Eine veröffentlichte ober- bzw. höchstgerichtliche Entscheidung, die sich mit dieser Frage ausdrücklich befasst, dürfte zwar tatsächlich nicht vorliegen. Zu ihrer Beantwortung bedarf es indes nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Dies ist nämlich u.a. anzunehmen, wenn sich eine Rechtsfrage auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mithilfe der anerkannten Auslegungsregeln ohne Weiteres beantworten lässt (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2023 – 10 ZB 22.2547 – juris Rn. 17; B.v. 6.2.2023 – 9 ZB 22.75 – juris Rn. 12). Davon ist hier auszugehen. Die Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG anhand der anerkannten Auslegungsregelungen führt zu einem eindeutigen Ergebnis (s. oben). Eine gegenteilige Auffassung erscheint nicht vertretbar.
37
d) Die Berufung ist schließlich nicht wegen eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Auf der Grundlage des Vorbringens in der Begründung des Zulassungsantrags hat das Verwaltungsgericht nicht gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen.
38
§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO verpflichtet das Gericht lediglich, den nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Er verlangt hingegen nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil deren Ergebnis nach seinem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist. Ob das Gericht seiner Aufklärungspflicht genügt hat, ist dabei selbst dann von dessen materiell-rechtlichem Standpunkt aus zu beurteilen, wenn dieser verfehlt sein sollte. Ein Aufklärungsmangel ist deshalb nur dann bezeichnet, wenn substantiiert dargelegt worden ist, inwiefern die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts auf der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung beruhen kann. Eine ordnungsgemäße Bezeichnung eines Aufklärungsmangels erfordert darüber hinaus die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung durch entsprechende Beweisanträge, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zum Ganzen m.w.N. BVerwG, B.v. 6.2.2024 – 9 B 28.23 – juris Rn. 17).
39
Dies zugrunde gelegt, lässt sich zunächst der Behauptung, das Verwaltungsgericht hätte den Beklagten ersuchen müssen darzulegen, welchen Zweck eine persönliche Anhörung im behördlichen Verfahren erfüllte sollte, kein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht entnehmen. Insoweit dürfte der Kläger, wie bereits angemerkt, übersehen haben, dass der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Bescheid Ausführungen dazu enthält.
40
Weshalb das Verwaltungsgericht Ermittlungen zu dem Teilnehmerkreis des Bundeskongresses und zu auf ihm geäußerten, möglicherweise verfassungsfeindlichen Inhalten hätte anstellen müssen, lässt sich der Begründung des Zulassungsantrags nicht entnehmen; insbesondere legt der Kläger nicht dar, weshalb diese Umstände für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich gewesen sein sollen. Überdies verhält sich der Kläger nicht dazu, zu welchen voraussichtlichen Feststellungen das Verwaltungsgericht gelangen sollte, obwohl er als Teilnehmer der Veranstaltung über entsprechende Kenntnisse verfügen müsste.
41
Soweit der Kläger schließlich behauptet, es fehlten Erkenntnisse dazu, weshalb die Teilnahme an einer Veranstaltung der JA Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit hervorriefen, geht er nicht darauf ein, dass in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Bescheid unter Übernahme von Ausführungen des Landesamts für Verfassungsschutz u.a. darauf hingewiesen wird, dass die JA „einen ethnisch homogenen Volksbegriff [vertritt]“ und „jene, die dieser ethnisch geschlossenen Gemeinschaft nicht angehören, verächtlich [macht]“, was „nach gerichtlich bestätigter Auffassung die Menschenwürde [verletzt]“.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
43
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlung in Nr. 26.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z.B. in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Band II, unter § 163 VwGO; vgl. auch BayVGH, B.v. 8.7.2022 – 8 CE 22.1036 – juris Rn. 40). Der Senat geht davon aus, dass der Kläger sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts nur insoweit wendet, als dieses die Klage gegen den Bescheid vom 14. März 2023 abgewiesen; Ausführungen, mit denen er die Abweisung des Verpflichtungsantrags als unzulässig beanstandet, enthält die Begründung des Zulassungsantrags jedenfalls nicht.
44
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
45
Der Beschluss ist unanfechtbar.