Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.03.2024 – 8 A 23.40052
Titel:

Zuständigkeit für die Planung einer Staatsstraße

Normenketten:
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 8, § 161 Abs. 2
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BayStrWG Art. 36a Abs. 1
Leitsätze:
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, Satz 2 VwGO zur Entscheidung über eine Klage gegen eine anlässlich der Planung einer Staatsstraße auf der Grundlage von Art. 36a Abs. 1 BayStrWG erlassene Duldungsverfügung zuständig. (Rn. 4)
Eine Duldungsverfügung nach Art. 36a Abs. 1 BayStrWG ist hinreichend bestimmt, wenn der Duldungspflichtige seine Betroffenheit und deren Intensität erkennen und sich darauf einstellen kann. Dazu muss insbesondere die Lage von Bohrstellen hinreichend genau beschrieben werden; hängt deren Tauglichkeit erst von den vor Ort festzustellenden Gegebenheiten ab, ist eine metergenaue Angabe nicht erforderlich. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenentscheidung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen, Duldung von Arbeiten zur Vorbereitung einer Straßenplanung, sachliche Zuständigkeit des Bayerischen, Verwaltungsgerichtshofs, Duldungsverfügung, Zuständigkeit, Nutzungsberechtigung, Erledigung, Straßenplanung, Vorbereitung, Bestimmtheit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12220

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1
A.
Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter (vgl. § 87a Abs. 1 Nr. 3 bis 5, Abs. 3 VwGO).
2
B.
Die Einstellung des Verfahrens erfolgt in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. nur BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 9 N 18.1032 – juris Rn. 1), nachdem der Kläger und der Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
3
C.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergeht auf der Grundlage von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist die Entscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Denn es spricht alles dafür, dass seine Klage bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine Aussicht auf Erfolg hatte.
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I. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs zur Entscheidung über die Klage gegen den auf der Grundlage von Art. 36a Abs. 1 BayStrWG erlassenen Bescheid vom 4. Oktober 2023 über die Verpflichtung zur Duldung bestimmter Vorarbeiten im Rahmen der Planungen zur Maßnahme Staats straße … Ortsumfahrung R. … ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, Satz 2 VwGO. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug u.a. über Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Landesstraßen betreffen. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen.
5
Die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO dient der Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Diese Vorschrift nannte in ihrer bis zum 28. Dezember 2023 geltenden Fassung u.a. Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben betreffen, die in dem Bundesfernstraßengesetz bezeichnet sind. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts wurden hiervon – ausgehend vom Regelungszweck – alle Verfahren erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO haben (vgl. etwa B.v. 9.10.2012 – 7 VR 10.12 – NVwZ 2013, 78 = juris Rn. 5 m.w.N.). Eine Streitigkeit betreffe ein Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens sei. Das sei etwa dann der Fall, wenn um Maßnahmen gestritten werde, die zeitlich und sachlich der späteren Planfeststellung oder Plangenehmigung vorausgingen, indem sie der Vorbereitung eines solchen Verfahrens dienten oder einen Ausschnitt der Probleme darstellten, die in einem laufenden Planfeststellungsverfahren zu lösen seien. Eine solche der Planfeststellung vorausgehende Maßnahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch eine Duldungsanordnung zur Vorbereitung der Planfeststellung (BVerwG, B.v. 22.6.2023 – 4 VR 3.23 – UPR 2023, 392 = juris Rn. 6).
6
Der Senat hat bereits die weite Auslegung der Zuständigkeitsregelung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO durch das Bundesverwaltungsgericht auf die Auslegung der Zuständigkeitsregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, Satz 2 VwGO übertragen (B.v. 30.10.2002 – 8 A 02.40063 – NVwZ-RR 2003, 156 = juris Rn. 3). Denn auch diese dient der Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Konsequenterweise erfasst sie auch auf der Grundlage von Art. 36a Abs. 1 BayStrWG zur Vorbereitung einer Planung erlassene Duldungsverfügungen wie den Bescheid vom 4. Oktober 2023.
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II. Die zulässige Klage wäre voraussichtlich von Anfang an als unbegründet abzuweisen gewesen.
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1. Nach Art. 36a Abs. 1 BayStrWG haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung notwendige Vermessungen, Boden- und Gewässeruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen und sonstige Vorarbeiten durch die Straßenbaubehörde oder von ihr Beauftragte zu dulden. Art. 36a BayStrWG wurde durch § 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes und der Bayerischen Bauordnung vom 10. Februar 2023 (GVBl. S. 22) in das Straßen- und Wegegesetz eingefügt. Ausweislich des dem Gesetz vom 10. Februar 2023 zugrundeliegenden Gesetzentwurfs der Staatsregierung ist die Vorschrift § 16a FStrG nachgebildet (LT-Drs. 18/24629 S. 21). Gegenstand einer Duldungsverfügung nach § 16a Abs. 1 FStrG ist die Konkretisierung der in der Vorschrift genannten (Vor-)Arbeiten in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht (BVerwG, B.v. 17.8.2017 – 9 VR 2.17 – NVwZ 2018, 268 = juris Rn. 8).
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2. Der Bescheid vom 4. Oktober 2023 ist wohl formell rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte die darin enthaltene Begründung den sich aus Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG ergebenden Anforderungen genügen.
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Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen (Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG).
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Welchen Inhalt und Umfang die Begründung eines Bescheids haben muss, richtet sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets und nach den Umständen des Einzelfalls. Der Bescheid muss in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachvollziehbar sein und die tragenden Gründe mitteilen. Dabei muss die Behörde nicht generell auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal eingehen. Sie hat nicht die Pflicht zur erschöpfenden, gewissermaßen gutachterlichen Auseinandersetzung mit allen sich anlässlich des Erlasses des Verwaltungsakts ergebenden Sach- und Rechtsfragen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 26.3.2020 – 3 ZB 18.713 – juris Rn. 10).
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Diesen Anforderungen genügt die im Bescheid vom 4. Oktober 2023 gegebene Begründung wohl. Sie enthält insbesondere einen Hinweis auf die Rechtsgrundlage (S. 5 unten), geht näher auf die zu duldenden Maßnahmen ein (S. 3 ff.), benennt das Vorhaben, im Hinblick auf das die Vorarbeiten durchgeführt werden sollen (S. 3 und 6), und verhält sich zur Notwendigkeit der Arbeiten (S. 6). Weitergehende Ausführungen waren nicht erforderlich, zumal der Kläger sich auf die Anhörung mit Schreiben vom 4. September 2023 nicht geäußert hatte.
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3. Die Duldungsverfügung war wohl auch von Anfang an materiell rechtmäßig.
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a) Insbesondere dürfte die vom Kläger in der Klagebegründung vom 12. Februar 2024 geäußerte Annahme, der Bescheid vom 4. Oktober 2023 sei unbestimmt, nicht zutreffen.
15
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Eine Duldungsverfügung nach Art. 36a Abs. 1 BayStrWG muss, um dem zu genügen, so bestimmt sein, dass der Duldungspflichtige seine Betroffenheit und deren Intensität erkennen und sich darauf einstellen kann (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2017 – 9 VR 2.17 – NVwZ 2018, 258 = juris Rn. 11 zu § 16a Abs. 1 FStrG; auch BVerwG, B.v. 6.5.2008 – 9 A 6.08 – Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 3 = juris Rn. 4; B.v. 9.10.2012 – 7 VR 10.12 – NVwZ 2013, 78 = juris Rn. 10).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss insbesondere die Lage von Bohrstellen hinreichend genau beschrieben werden (B.v. 18.8.2017 – 9 VR 2.17 – NVwZ 2018, 258 = juris Rn. 11); hingegen ist jedenfalls dann, wenn deren Tauglichkeit erst von den vor Ort festzustellenden Gegebenheiten abhängt, eine metergenaue Angabe nicht erforderlich (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2012 – 7 VR 10.12 – NVwZ 2013, 78 = juris Rn. 11).
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Diesen Anforderungen dürfte die Verpflichtung nach Nr. 1 Buchst. a des Bescheids noch genügen. Zwar sind nach dem Wortlaut der Regelung die beiden Bohrungen überall auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung R. … möglich und auch in den Gründen des Bescheids wird nicht ausdrücklich eine Eingrenzung auf bestimmte Grundstücksbereiche vorgenommen. Allerdings war dem Anhörungsschreiben vom 4. September 2023 ein „Lageplan Aufschlussbohrungen und Rammsondierungen“ beigefügt, auf dem die Lage der beiden Bohrpunkte mit gelben Punkten markiert ist und Zufahrtswege angegeben sind. Auf das Anhörungsschreiben nimmt der Bescheid vom 4. Oktober 2023 mehrfach Bezug, insbesondere wird dort darauf hingewiesen (S. 5), dass in dem Schreiben beschrieben sei, auf welchen Flurstücken und in welchen Zeiträumen die jeweiligen Vorarbeiten erfolgen sollten. Auch durch eine solche Inbezugnahme kann die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts hergestellt werden. Es reicht nämlich aus, wenn sich der Inhalt der Regelung aus weiteren den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG B.v. 9.10.2012 – 7 VR 10.12 – NVwZ 2013, 78 = juris Rn. 10).
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Auch mit seinen weiteren Einwänden gegen die Bestimmtheit des Bescheids vom 4. Oktober 2023 hätte der Kläger wohl keinen Erfolg gehabt. Insbesondere dürfte eine Regelung dahingehend, dass auf die landwirtschaftliche Nutzung einschließlich der auf den Grundstücken erfolgenden Tierhaltung und auch auf die übrigen berechtigten Interessen des Klägers Rücksicht zu nehmen ist, aus Gründen der Bestimmtheit – und auch aus sonstigen Gründen – nicht erforderlich sein. Es versteht sich von selbst, dass die mit notwendigen Vorarbeiten verbundenen Nachteile für die Betroffenen so gering wie möglich zu halten sind (vgl. auch BVerwG, B.v. 2.10.2014 – 9 VR 3.14 – Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 5 = juris Rn. 7). Für durch Maßnahmen entstehende unmittelbare Vermögensnachteile ist im Übrigen nach Art. 36a Abs. 3 BayStrWG Entschädigung zu leisten (vgl. auch BVerwG, B.v. 30.3.2007 – 9 VR 7.07 – Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 17 = juris Rn. 5).
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b) Die vom Kläger als sonstigem Nutzungsberechtigten i.S. des Art. 36a Abs. 1 BayStrWG zu duldenden Arbeiten können auf der Grundlage dieser Vorschrift angeordnet werden und sind wohl auch, da zur Ermittlung der Planungsgrundlagen erforderlich und verhältnismäßig, notwendig (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2023 – 4 VR 3.23 – UPR 2023, 392 = juris Rn. 15 zu § 44 Abs. 1 EnWG).
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c) Soweit der Kläger behauptet, es bestünden „unüberwindbare Probleme für eine fehlerfreie Abwägung“ (Klagebegründung vom 12. Februar 2024 S. 4), dürfte er auch damit keinen Erfolg gehabt haben. Mit der auf das Vorhaben selbst bezogenen Kritik kann ein Rechtsschutzsuchender im Verfahren der Duldungsverfügung hinsichtlich planvorbereitender Maßnahmen, was dem Kläger bewusst ist, nicht gehört werden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 21.11.2022 – 7 VR 4.22 – juris Rn. 9 zu § 17 Abs. 1 AEG; s. bereits BVerwG, B.v. 6.2.2004 – 9 VR 2.04 – juris Rn. 4 zu § 16a Abs. 1 FStrG; auch BayVGH, B.v. 13.7.2009 – 8 CS 09.1386 – juris Rn. 12; B.v. 23.10.2019 – 8 CS 19.1472 – juris Rn. 13 zu Art. 7 Abs. 1 BayEG).
21
D.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlung in Nr. 34.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z.B. in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Band II, unter § 163 VwGO).
22
Der Beschluss ist unanfechtbar.