Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.05.2024 – 22 ZB 24.17
Titel:

Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Drittrechtsverhältnis

Normenketten:
VwGO § 43, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
ProstSchG § 2 Abs. 3, § 12 Abs. 1, § 33 Abs. 2 Nr. 1
ProstV § 1 S. 1
Leitsatz:
Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Drittrechtsverhältnis setzt voraus, dass das Feststellungsinteresse des Klägers gerade gegenüber der beklagten Partei besteht (hier verneint für einen Pflege- und Assistenzdienst für das Interesse an der Feststellung, dass die aktive Sexualbegleitung von betreuten Personen in einer Mietwohnanlage durch einen externen Dienstleister keine Prostitution darstellt). (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsklage, Feststellungsinteresse, Drittrechtsverhältnis, Dritter, aktive Sexualbegleitung, Sexualassistenz, Prostitution
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 26.10.2023 – Au 5 K 22.1431
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12198

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Oktober 2023 – Au 5 K 22.1431 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Feststellung weiter, dass eine entgeltliche aktive Sexualbegleitung der von der Klägerin betreuten Personen in der Mietwohnanlage „F. ... A. …, keine Prostitution im Sinne der gesetzlichen Vorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verordnung der Regierung von Schwaben über das Verbot der Prostitution in der Stadt A. … vom 10. November 1975 (Sperrbezirke) ist, hilfsweise, dass die Klägerin kein Prostitutionsgewerbe im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verordnung der Regierung von Schwaben über das Verbot der Prostitution in der Stadt A. … vom 10. November 1975 in der jeweiligen Fassung betreibt, wenn sie den von ihr betreuten Personen Leistungen einer entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung vermittelt und/oder deren Erbringung in den Appartements der von ihr betreuten Personen unterstützt.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die von der Klägerin angeführten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.), der besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; 2.) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 3.) nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt sind.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht entscheidungstragend davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage im Hauptantrag unzulässig ist. Es kommt folglich nicht mehr darauf an, ob die Klage unbegründet wäre.
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1.1 Das Verwaltungsgericht führt aus, dass es für den Hauptantrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten bereits an einem konkreten, feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehle. Es liege hier kein bestimmter Sachverhalt vor, aus dem sich aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen bestimmte rechtliche Beziehungen zwischen der Klägerin als Normadressaten und dem Beklagten als Normanwender ergäben. Denn inhaltlich werde mit dem Hauptantrag die rechtliche Einordnung und Qualifizierung der aktiven Sexualbegleitung begehrt. Die aktive Sexualbegleitung finde jedoch zwischen den Bewohnern der betreuten Appartements und den jeweils die Dienstleistung erbringenden Personen statt; nur zwischen letzteren bestehe ein tatsächliches wie rechtliches Verhältnis mit Blick auf die Sexualbegleitung. In Bezug auf die Klägerin sei dieses Verhältnis vorliegend gerade nicht gegeben; für sie sei die zur Feststellung begehrte Frage zur Prostitution eine abstrakte Rechtsfrage. Die Begrifflichkeiten bzw. Rechtsverhältnisse „Prostitution“ und „Prostitutionsgewerbe“ seien voneinander abzugrenzen. Die Klägerin sei weder als juristische Person noch mittels ihrer Mitarbeitenden Erbringerin sexueller Dienstleistungen und damit nicht im Rechtsverhältnis der „Prostitution“ befasst. Deswegen beabsichtige die Klägerin letztlich, den Menschen mit Behinderung die Nutzung einer externen, weil von ihr nicht vertraglich zur Erbringung vereinbarten Dienstleistung „aktive Sexualbegleitung/Sexualassistenz“, angeboten durch Dritte, ermöglichen zu lassen. Ob die Handlungen dieser Dritten an/mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Appartements Prostitution sei oder nicht, sei keine die Klägerin konkret betreffende Rechtsfrage. Als nicht selbst die Dienstleistung Erbringende sei sie nicht Normadressat der von ihr angeführten Vorschriften, soweit dort an (das Ausüben von) „Prostitution“ angeknüpft werde. Sie werde damit im Übrigen auch nicht etwaigen Straf- oder Bußgeldvorschriften unterworfen, soweit diese begrifflich auf Prostitution abstellten (und nicht auf das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes).
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Mit ihrem Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags zeigt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auf. Sie führt aus, es sei von einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis auszugehen, denn es werde von der Klägerin, einer juristischen Person, das Unterlassen einer bestimmten Handlung, hier das Ermöglichen aktiver Sexualbegleitung, verlangt. Dies sei zwischen ihr und dem Beklagtem streitig. Die vom Beklagten vorgetragene Rechtsauffassung, wonach aktive Sexualbegleitung Prostitution sei, begründe auch ein konkretes, die subjektiven Rechte der Klägerin berührendes Rechtsverhältnis. Es handle sich weder um eine bloße Vorfrage noch die abstrakte Auslegung einer Rechtsvorschrift. Streitig sei vielmehr, ob die Klägerin berechtigt sei, den von ihr betreuten Personen aktive Sexualbegleitung zu ermöglichen und das entsprechende Geschehen auch in die Darstellung der Lebensbedingungen für die Bewohner wie auch Interessierte aufzunehmen, ohne dabei gegen prostitutionsrechtliche Vorgaben zu verstoßen. Maßgeblich sei die Qualifikation der aktiven Sexualbegleitung als Prostitution. Dieser Begriff finde sich jeweils bereits im Titel des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verbotsverordnung. Es handle sich deshalb auch für die Klägerin nicht um eine abstrakte Vorfrage, sondern maßgeblich sei auch für sie, ob es sich beim von ihr beabsichtigten Ermöglichen aktiver Sexualbegleitung in den betreuten Appartements um Prostitution im Sinne der gesetzlichen Regelungen handle.
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Mit diesem Vorbringen setzt sich die Klägerin bereits nicht hinreichend mit der vom Verwaltungsgericht zu Recht getroffenen Differenzierung zwischen Prostitution und Prostitutionsgewerbe und den sich daraus ergebenden Folgen für die Beteiligtenstellung im von § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Rechtsverhältnis auseinander. Die Vorschriften des ProstSchG trennen zwischen den Begriffen der Prostitution und des Prostitutionsgewerbes. Auch wenn in dem Begriff „Prostitutionsgewerbe“ das Tatbestandsmerkmal „Prostitution“ enthalten ist, wird dadurch kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zwischen der Klägerin und dem Beklagtem für den Hauptantrag begründet. Es handelt sich bei der begehrten Feststellung vielmehr nur um eine Vorfrage für die mit dem Hilfsantrag begehrte Feststellung, weil es entgegen dem Vorbringen der Klägerin darauf ankommt, ob sie selbst unmittelbar Dienstleistende ist oder die Dienstleistung nur vermittelt. Denn die Rechte und Pflichten des Betreibers eines Prostitutionsgewerbes hängen davon ab, dass zur „Prostitution“ noch das weitere Tatbestandsmerkmal des gewerblichen Betriebs hinzukommt. Elemente und Vorfragen eines Rechtsverhältnisses werden von der Rechtsprechung aber nicht als feststellungsfähig angesehen (BVerwG, U.v. 26.8.1966 – VII C 113.65 – juris Rn. 28; U.v. 20.11.2003 – 3 C 44.02 – juris Rn. 18). Tatbestandsmerkmale, von deren Vorliegen die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten abhängen, bilden ebenfalls kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (BVerwG, U.v. 12.6.1992 – 7 C 5.92 – juris Rn. 20).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es aber nicht erforderlich, dass die die Feststellung begehrende Klägerin an dem streitigen Rechtsverhältnis – für den Hauptantrag: Prostitution – unmittelbar beteiligt ist (zuletzt BVerwG, U.v. 14.12.2023 – 3 C 7.22 – juris Rn. 8 m.V.a. U.v. 27.6.1997 – 8 C 23.96 – juris Rn. 17 und U.v. 14.4.2005 – 3 C 3.04 – juris Rn. 22). Es kann grundsätzlich, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, auch die Feststellung verlangt werden, dass zwischen einer Partei des Rechtsstreits und einem Dritten (hier: Dienstleistungserbringer/-in und Beklagter) ein Rechtsverhältnis bestehe oder nicht bestehe (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 43 Rn. 21 f.; Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 79). Dies greift die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Zulassungsverfahren, es komme auch für sie darauf an, ob die aktive Sexualbegleitung Prostitution darstelle, auf. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Drittrechtsverhältnis setzt aber vor-aus, dass das Feststellungsinteresse des Klägers gerade gegenüber der beklagten Partei besteht (BVerwG, U.v. 27.6.1997 – 8 C 23.96 – juris Rn. 17; U.v. 14.4.2005 – 3 C 3.04 – juris Rn. 22.). Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen (VGH BW, U.v. 6.10.2020 – 5 S 1039/18 – juris Rn. 28 m.w.N.), er also ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Allein das berechtigte Feststellungsinteresse vermittelt der allgemeinen Feststellungsklage den subjektiven Bezug und grenzt diese ausreichend von der Popularklage ab. Die Anforderungen an ein berechtigtes Interesse sind in Fällen, in denen kein zwischen Kläger und Beklagtem bestehendes Rechtsverhältnis festgestellt werden soll, schwerer zu erfüllen. Der Kläger muss nachweisen, dass sein individuelles Feststellungsinteresse gerade gegenüber dem Beklagten besteht. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, ist die Feststellungsklage unzulässig.
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Einen Nachweis für ein eigenes Interesse an der Feststellung gegenüber dem Beklagten, dass die aktive Sexualbegleitung von Bewohnern der betreuten Appartements durch einen externen Dienstleister keine Prostitution darstellt, hat die Klägerin auch im Zulassungsverfahren nicht erbracht. Das Vorbringen, der Klägerin werde ein rechtlicher Vorteil verschafft, wenn weder die konkrete Dienstleistung noch deren Ermöglichung den gesetzlichen Regelungen zur Prostitution unterfielen, reicht hierfür nicht aus. Die Bußgeldvorschrift des § 120 OWiG i.V.m. § 1 Satz 2 ProstV i.V.m. der Verordnung der Regierung von Schwaben über das Verbot der Prostitution in der Stadt A. … vom 10. November 1975 betrifft nur die die Dienstleistung erbringende Person, so dass die Klägerin diesbezüglich keinen rechtlichen Vorteil aus der beantragten Feststellung ziehen kann. Sie hat auch gegenüber der die sexuelle Dienstleistung erbringenden Person keine Aufsichtspflichten oder arbeitgeberähnlichen Rechte oder Pflichten, aufgrund derer sie für die Einhaltung der Bestimmungen der Verbotsverordnung Sorge tragen müsste. Die Auffassung der Klägerin, ein als schutzwürdig anzuerkennendes rechtliches Interesse gegenüber dem Beklagten bestehe deshalb, weil sie, wenn die aktive Sexualbegleitung nicht unter den Begriff der Prostitution falle, nicht mehr Gefahr laufe, wegen des Betreibens eines Prostitutionsgewerbes nach § 2 Abs. 3 ProstSchG ohne die erforderliche Erlaubnis mit einer Geldbuße belegt zu werden, ist in dieser Form nicht zutreffend. Denn dieses Interesse besteht gerade nicht in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Hauptantrags. Die Bußgeldvorschrift des § 33 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG betrifft vielmehr das eigene Rechtsverhältnis der Klägerin zum Beklagten bzw. zur Stadt A. … – nicht das der die Dienstleistung erbringenden Person zum Beklagten – und umfasst neben dem Tatbestandsmerkmal der Prostitution auch das weitere Merkmal der gewerblichen Betätigung. Bezogen auf dieses Rechtsverhältnis handelt es sich bei der Frage, ob aktive Sexualbegleitung als Prostitution einzuordnen ist, nur um eine Vorfrage (s.o.).
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Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit auch des Hilfsantrags setzt sich die Klägerin nicht mehr auseinander und zeigt folglich diesbezüglich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf.
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2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Die Klägerin verweist insoweit nur pauschal auf ihre Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit ihrer Klage, ohne zu erläutern, worin insbesondere bei der Zulässigkeit der Feststellungsklage die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten liegen.
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3. Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Als grundsätzlich klärungsbedürftig formuliert die Klägerin die Frage, ob aktive Sexualbegleitung für Personen, wie sie von der Klägerin nach Maßgabe der Leistungsvereinbarung mit dem Bezirk Schwaben betreut werden, Prostitution im Sinne der Ordnungsvorschriften für die Prostitution in Gestalt des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Prostitutionsverbotsverordnung darstellt.
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Diese Frage ist nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bereits nicht entscheidungserheblich, weil die Feststellungsklage im Haupt- und Hilfsantrag mangels besonderen Feststellungsinteresses unzulässig ist, so dass es auf die genannte Fragestellung nicht mehr ankommt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).