Titel:
Vereinfachtes Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans
Normenkette:
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, § 13 Abs. 1
Leitsatz:
Zur Beantwortung der Frage, ob durch einen Bebauungsplan der Zulässigkeitsmaßstab wesentlich verändert wird, sind die nach der bisher geltenden Regelung des § 34 BauGB bestehenden Baumöglichkeiten mit Blick auf alle diese Faktoren mit den durch den Bebauungsplan eröffneten Baumöglichkeiten zu vergleichen. Ob eine sich dabei ergebende Einschränkung oder Ausdehnung der Baumöglichkeiten als "wesentlich" anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Erweiterung der überbaubaren Grundstücksflächen um wenige Meter dergestalt vorgesehen wird, dass die maximal zulässige Bebauungstiefe von ca. 21 m auf 26 – 27 m erweitert wird. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vereinfachtes Verfahren, Städtebauliche Erforderlichkeit, Verhinderungsplanung, Abwägung, Bebauungsplan, vereinfachtes Verfahren, städtebauliche Erforderlichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12184
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin „Nr. 140 für den Bereich jeweils nördlich und südlich der H.-straße sowie der P.-straße, südlich und westlich der Gemeindegrenze zu N. und östlich der F.-straße“. Sie sind Eigentümer des im Plangebiet liegenden Grundstücks P.-straße 12 (FlNr. …/4, Gemarkung U.), das im vorderen Grundstücksbereich mit einem Wohnhaus bebaut ist.
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Mit dem angegriffenen Bebauungsplan hat die Antragsgegnerin ein bisher unbeplantes Areal im Wege des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB überplant. Der einfache Bebauungsplan sieht im Wesentlichen die Festsetzungen von vorderen und rückwärtigen Baugrenzen vor. Ferner sind Regelungen zur Bepflanzung und zur Ausstattung der Grundstücke mit Bäumen und Sträuchern sowie zur Situierung und Gestaltung von Kfz- und Fahrradstellplätzen getroffen worden.
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Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2022 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt und beantragt,
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„Der einfache Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 140 vom 3. März 2022 ist unwirksam.“
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Zur Begründung führen sie aus, dass ihre Belange als Planbetroffene im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Sie würden infolge der Festsetzung von rückwärtigen Baugrenzen sachlich ungerechtfertigt in der Bebaubarkeit ihres Grundstücks beeinträchtigt. Der Bebauungsplan sei schon unwirksam, weil die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren nach § 13 BauGB fehlten. Durch ihn werde der Zulässigkeitsmaßstab der Bebaubarkeit des im Übrigen nach § 34 BauGB zu beurteilenden Gebiets wesentlich verändert. Denn mit den rückwärtigen Baugrenzen werde eine deutlich größere von Bebauung freizuhaltende Fläche festgesetzt. Insoweit sei für den bisherigen Maßstab für das Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB auch die Bebauung südlich der P.-straße auf dem Gebiet der Nachbargemeinde einzubeziehen, jedenfalls aber die – zumindest nach dem im BayernAtlas abrufbaren Kartenmaterial – im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gelegenen Teile der rückwärtigen Gebäude P.-straße 20a und 22a. Darüber hinaus verstoße der Bebauungsplan gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit, da die Festsetzung rückwärtiger Baugrenzen einzelfallbezogen zur Verhinderung ihres Bauvorhabens erfolgt sei. Sie hätten am 8. Juli 2019 einen Antrag auf Erteilung eines positiven Vorbescheids für die Erweiterung der Bebauung ihres Grundstücks um einen weiteren Baukörper eingereicht. Dieser sei in der Folge nach § 15 BauGB zurückgestellt worden, nachdem die Antragsgegnerin am 3. März 2020 den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 140 gefasst habe. Die Antragsgegnerin behaupte zwar, mit der Festsetzung das Ziel der Sicherung zusammenhängender Grünflächen im Gemeindegebiet zu verfolgen. Aus der Bestandsanalyse Grünstrukturen zum Bebauungsplan sei aber ersichtlich, dass größere zusammenhängende private Grünstrukturen nur zwischen Hirten- und P.-straße vorzufinden seien; südlich der P.-straße finde sich eine solche rückwärtige Gartenzone gerade nicht. Daher sei die Festsetzung rückwärtiger Baugrenzen weder geeignet noch erforderlich, um die von der Antragsgegnerin bezweckte Zielsetzung zu erreichen. Zudem habe die Antragsgegnerin gegen das Gebot der Ermittlung und zutreffenden Bewertung nach § 2 Abs. 3 BauGB und das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB verstoßen. Schon der dem Bebauungsplan zugrundeliegende städtebauliche Entwurf sei mit seinem System für Bebauungstypen aufgrund der Grundstücksbreiten nicht stringent und plausibel. Auch sei die Abwägungsentscheidung insoweit widersprüchlich und damit abwägungsfehlerhaft, als dort die grundsätzliche Bebaubarkeit der im Plangebiet liegenden Grundstücke nach § 34 BauGB durch den Bebauungsplan für nicht eingeschränkt gehalten, im Folgenden aber ausgeführt werde, dass ohne den Bebauungsplan weitere für die städtebauliche Plankonzeption der Gemeinde unerwünschte Verdichtungen zu erwarten seien. Es sei daher nicht zu erkennen, auf welcher Grundlage der Abwägungsvorgang stattgefunden und insbesondere welche Bedeutung die Antragsgegnerin den privaten Belangen der Antragsteller vor diesem Hintergrund beigemessen habe. Ferner habe die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung unterschiedslos für das Plangebiet rückwärtige Baugrenzen festgesetzt, obwohl größere zusammenhängende private Grünstrukturen nur zwischen Hirten- und P.-straße, nicht aber südlich der P.-straße vorhanden seien. Auch habe die Antragsgegnerin ausweislich der Begründung des Bebauungsplans fehlerhaft unterstellt, dass trotz festgesetzter rückwärtiger Baugrenzen auf jedem Grundstück Verdichtungsmöglichkeiten bestehen blieben. Für das Grundstück der Antragsteller sei dies aber nur durch Abriss des Bestandsgebäudes möglich. Schließlich habe die Antragsgegnerin die Einwendungen der Antragsteller ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen und ohne deren Abwägung gegenüber den öffentlichen Belangen zurückgewiesen. Es habe keine inhaltliche Überprüfung, Neuermittlung oder -bewertung der Einwendungen der Antragsteller während der öffentlichen Auslegung stattgefunden, sondern es sei lediglich auf die bereits erfolgte Behandlung im Rahmen der früheren Öffentlichkeitsbeteiligung verwiesen worden.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Sie trägt vor, dass entgegen der Auffassung der Antragsteller die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB vorlägen, da Gegenstand des streitgegenständlichen Bebauungsplans im Wesentlichen die Sicherung der vorhandenen Bestandssituation in Bezug auf wenige Parameter sei und damit keine wesentliche Veränderung des nach § 34 BauGB bestehenden Baurechts einhergehe. Insbesondere würden durch die festgesetzten Baugrenzen zwar die überbaubaren Grundstücksflächen festgelegt, hierbei würden aber lediglich die bereits bestehenden Grünflächen bzw. Gärten aufgenommen und mittels Baugrenze gesichert werden. Der Bebauungsplan verfolge darüber hinaus städtebaulich legitime Ziele im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Mit der Aufstellung des Bebauungsplans sollten die Vorgartengrundstücke als grünes Straßenbegleitgrün sowie die zusammenhängenden rückwärtigen Gärten erhalten bleiben und Regelungen zur Bepflanzung der Grundstücke mit Bäumen und Sträuchern festgelegt werden. Dabei sei es unschädlich, dass mit der Planung möglicherweise Bauwünsche der Antragsteller verhindert werden würden. Ebenso wenig lägen Abwägungsfehler vor, insbesondere seien die Belange der Antragsteller ausreichend berücksichtigt worden. Der Abwägungsentscheidung sei eine umfassende Bestandsaufnahme der vorhandenen Gebäude und Freiflächen im Baugebiet sowie die Annahme, dass die grundsätzliche Bebaubarkeit der Grundstücke nach § 34 BauGB nicht eingeschränkt werde, vorangegangen. Aufgrund der umfassenden Betrachtung sämtlicher Grundstücke im Plangebiet seien die Belange der Eigentümer berücksichtigt und im Abwägungsprozess gewürdigt worden. So habe die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung angenommen, dass auch bei den Grundstücken südlich der P.-straße im rückwärtigen Teil freie Grünflächen bzw. Gärten vorhanden seien. Sie habe in ihrer Abwägung ausgeführt, dass der Bebauungsplan es ermögliche, die Grundstücke gemäß § 34 BauGB im Rahmen der zulässigen Umgebungsbebauung zu nutzen, sofern das Schutzziel des Bebauungsplans, die Freihaltung der Vorgartenbereiche und grüner rückwärtiger Bereiche, beachtet werde. Dabei rechtfertigten ihre verfolgten städtebaulichen Ziele die bei einzelnen Grundstücken entstehende reduzierte Bebaubarkeit mit einem zweiten Gebäude. Die Antragsgegnerin sei dabei zutreffend davon ausgegangen, dass trotz der festgesetzten Baugrenzen eine Verdichtungsmöglichkeit für die Grundstücke bestehe, worunter nicht nur das Errichten eines zweiten Baukörpers, sondern auch Umbauten bzw. Anbauten an bestehende Gebäude zu verstehen seien. Entsprechend habe die Antragsgegnerin die Belange der Eigentümer der südlich der P.-straße liegenden Grundstücke berücksichtigt, indem sie die rückwärtigen Baugrenzen großzügig nach Süden versetzt habe, so dass ein ausreichender Spielraum für eine bauliche Entwicklung auf den Grundstücken verbleibe. Ferner habe sie sich hinreichend mit möglichen Entschädigungsansprüchen der Grundstückseigentümer auseinandergesetzt.
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Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11. April 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO bleibt ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bebauungsplan verstößt weder gegen formelles noch gegen materielles Recht.
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Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2024 erklärten Einverständnisses der Beteiligten kann der Senat über den Normenkontrollantrag gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Die Antragsteller sind insbesondere antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den angegriffenen Bebauungsplan in einem subjektiven Recht verletzt wird (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2004 – 4 CN 1.03 – juris; BVerwG, B.v. 11.8.2015 – 4 B 12.15 – ZfBR 2015, 783). Der Eigentümer eines Grundstücks, für das ein Bebauungsplan Festsetzungen trifft, ist grundsätzlich antragsbefugt (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.2005 – 4 BN 46.05 – BauR 2006, 352; BayVGH, U.v. 1.7.2014 – 15 N 12.333 – juris). Unter Zugrundelegung des Vorbringens der Antragsteller kommt vorliegend eine solche Rechtsverletzung in Betracht, weil sich die Antragsteller gegen die Baugrenzenfestsetzung des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks wenden. Diese Festsetzung betrifft unmittelbar ihr Grundeigentum und bestimmt dessen Inhalt und Schranken (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Darüber hinaus erscheint die von den Antragstellern gerügte Verletzung abwägungsrelevanter Belange (§ 1 Abs. 7 BauGB) möglich.
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b) Die Antragsteller haben den Normenkontrollantrag rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben.
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2. Der Antrag ist aber unbegründet. Der am 8. Februar 2022 als Satzung beschlossene und am 3. März 2022 mit seiner ortsüblichen Bekanntmachung in Kraft getretene Bebauungsplan leidet an keinen zu seiner Unwirksamkeit führenden Mängeln.
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a) Der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan weist keine entscheidungsrelevanten formellen Fehler auf. Insbesondere ist der Bebauungsplan nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil er im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB aufgestellt worden ist.
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Nach § 13 Abs. 1 Alt. 2 BauGB kann die Gemeinde auch für die erstmalige Aufstellung eines Bebauungsplans das vereinfachte Verfahren anwenden, wenn sich durch den Plan in einem Gebiet nach § 34 BauGB der sich aus der vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung ergebende Zulässigkeitsmaßstab nicht wesentlich verändert und wenn die weiteren Voraussetzungen nach Nr. 1 und Nr. 2 erfüllt sind. Dies ist hier der Fall.
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Dass es sich bei dem Plangebiet um ein Gebiet nach § 34 BauGB handelt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch aus den Planaufstellungsakten erkennbar.
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Zur Beantwortung der Frage, ob der Zulässigkeitsmaßstab wesentlich verändert wird, sind die nach der bisher geltenden Regelung des § 34 bestehenden Baumöglichkeiten mit Blick auf alle diese Faktoren mit den durch den Bebauungsplan eröffneten Baumöglichkeiten zu vergleichen. Ob eine sich dabei ergebende Einschränkung oder Ausdehnung der Baumöglichkeiten als „wesentlich“ anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2016 – 9 N 15.2011 – juris; OVG NW, U.v. 27.1.2016 – 7 D 130/14.NE – BauR 2016, 621; Rieger in Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2019, § 13 BauGB Rn. 13). Danach tritt durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan keine wesentliche Veränderung der bisher ausschließlich nach § 34 BauGB zu beurteilenden Bebauungsmöglichkeiten ein. Insbesondere durch die Neufestsetzung von Baugrenzen wird das insoweit bestehende Baurecht nicht wesentlich berührt. Vielmehr sichern die Baugrenzenfestsetzungen grundsätzlich den Bestand dergestalt, dass sie die bisherigen Bebauungsmöglichkeiten im Kern aufgreifen. Für die Bebauung südlich der P.-straße, zu der auch das Grundstück der Antragsteller gehört, wird insoweit die Möglichkeit der Überbaubarkeit in Zukunft nach Süden geringfügig erweitert und nicht, wie die Antragsteller meinen, eingeschränkt. Im Hinblick auf die überbaubaren Grundstücksflächen nach Süden wurde der bisher maßgebliche Zulässigkeitsmaßstab der rückwärtigen Bebaubarkeit vor allem von der Bebauung auf den FlNrn. …/5, …/14 und …/17 geprägt. Danach ergibt sich eine vor Erlass des Bebauungsplans zulässige Bebauungstiefe von bis zu ca. 21 m für das Grundstück der Antragsteller. Hingegen gehören die östlich an das Plangebiet anschließenden Grundstücke (insbesondere P.-straße 20a, 22a und 24a) nicht mehr zur maßstabsbildenden näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, da diese sich nicht mehr im Gemeindegebiet und somit nicht im Ortsteil der Antragstellerin im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB befinden und daher nicht mehr an der Prägung teilhaben können (vgl. zur Frage der Beurteilung eines Ortsteils nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB BVerwG, U.v. 31.12.1998 – 4 C 7.98 – juris). Denn der Gemeinde kann auch im Rahmen von § 34 BauGB mit Blick auf ihre Verantwortung für die städtebauliche Ordnung und Entwicklung nur das zugerechnet werden, was sie durch sachgerechte eigene Planung abwenden könnte (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 12). Die weiter in diesem Zusammenhang von den Antragstellern herangezogenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 und U.v. 16.7.2018 – 4 B 51.17), wonach Baulichkeiten auch dann die Eigenart der näheren Umgebung prägen können, wenn sie nicht imstande sind, einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden, führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Dass für die Bildung des Zulässigkeitsmaßstabes nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur mitprägend sein kann, was zum Ortsteil gehört, wird auch in der von den Antragstellern zitierten Entscheidung vom 16. Juli 2018 (4 B 51.17 – juris Rn. 6) bestätigt, nach der der Bereich der näheren Umgebung sich nur innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils bilden kann.
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Des Weiteren ist, selbst wenn die Gebäude auf den Grundstücken P.-straße 20a und 22a mit einem geringfügigen Teil auf dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zum Liegen kämen, wie die Antragsteller mit Verweis auf BayernAtlas vortragen, jedenfalls nicht ersichtlich, wie diese die Kraft besitzen sollten, die Eigenart der näheren Umgebung mit zu prägen, nachdem sich die Gebäude fast ausschließlich im Gebiet der Nachbargemeinde befinden.
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Im Vergleich hierzu sieht der streitgegenständliche Bebauungsplan nun eine südliche Erweiterung der überbaubaren Grundstücksflächen um wenige Meter vor, aus der für das Grundstück der Antragsteller eine maximal zulässige Bebauungstiefe von ca. 26 – 27 m folgt. Die Baugrenzenfestsetzung nördlich der P.-straße greift die bisherige rückwärtige Bebauung und somit zugleich die insoweit bisher vorhandenen Bebauungsmöglichkeiten im Wesentlichen auf und schränkt diese allenfalls marginal nach Norden hin (vgl. FlNr. …5/5) ein. Für die Bebauung südlich entlang der H.-straße wird die straßenseitige Bebauungslinie als Ausgangspunkt herangezogen und einheitlich für alle Grundstücke die Baugrenze nach Süden einschließlich einer maßvoll weitergehenden Überbauungsmöglichkeit in den rückwärtigen Bereich festgesetzt. Mit Blick auf die Bebauung nördlich der H.-straße ist die rückwärtige Bebauungslinie der von der Straße zurückversetzten Baukörper durch die festgesetzten Baugrenzen im Grundsatz aufgenommen. Lediglich nach Norden hin werden die überbaubaren Grundstücksflächen sehr moderat verringert (vgl. vor allem die Bestandsgebäude auf den FlNrn. ...2/10 und ...2/36). In der Gesamtschau kann daher nicht davon die Rede sein, dass aufgrund der rückwärtigen Baugrenzen im streitgegenständlichen Bebauungsplan deutlich größere von Bebauung freizuhaltende Flächen festgesetzt werden, wie die Antragsteller meinen.
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Schließlich betreffen die weiteren, im einfachen Bebauungsplan getroffenen Regelungen insbesondere die Festsetzung von Vorgärten (private Grünflächen) und ihre Gestaltung, die Gestaltung der rückwärtigen Gartenflächen sowie die Begrenzung, Situierung und Gestaltung von Kfz- und Fahrradstellplätzen. Diese sind aber nicht geeignet, auf die Bebaubarkeit wesentlichen Einfluss zu nehmen.
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Im Übrigen ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die übrigen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 BauGB nicht vorliegen.
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b) Der streitgegenständliche Bebauungsplan ist städtebaulich erforderlich im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB.
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Der Erforderlichkeitsgrundsatz gibt der Gemeinde einen weiten Spielraum; er ermächtigt sie zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2009 – 1 N 07.1552 – BayVBl 2010, 247). Die Vorschrift verlangt nicht, dass für die Planung als Ganzes und für die einzelnen Festsetzungen ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt; es genügt, wenn eine Regelung vernünftigerweise geboten ist (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2014 – 2 N 11.1710 – juris). Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans war Anlass der Aufstellung, die Vorgartenzonen der Grundstücke als grünes Straßenbegleitgrün sowie die zusammenhängenden rückwärtigen Gärten zu erhalten bzw. aufzuwerten und von jeglicher baulichen Nutzung frei zu halten. Ferner sollen Regelungen zur Bepflanzung und zur Ausstattung der Grundstücke mit Bäumen und Sträuchern gefunden werden, um eine angemessene Begrünung der Grundstücke dauerhaft zu sichern (vgl. Begründung zum Bebauungsplan S. 3). Diese Zielsetzungen sind nach den obigen Grundsätzen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist auch südlich der P.-straße eine ausreichend große, zusammenhängende Gartenfläche vorhanden, so dass es an der Geeignetheit der Festsetzung, um die von der Antragsgegnerin bezweckte Zielsetzung zu erreichen, nicht fehlt. Dabei ist der Umstand, dass die zusammenhängenden Gartenflächen zwischen H.-weg und P.-straße größer als die Flächen südlich der P.-straße sind, unerheblich.
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Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist hier auch keine unzulässige Verhinderungsplanung zu erkennen. Eine Verhinderungsplanung wäre gegeben, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um in Wahrheit eine auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl 1991, 280). Davon ist hier nicht auszugehen, vielmehr verfolgt die Antragsgegnerin mit dem Bebauungsplan die oben dargestellten positiven planerischen Zielsetzungen. Der Umstand, dass Anlass und Auslöser für die Aufstellung des Bebauungsplans Bauwünsche waren, die von der Antragsgegnerin städtebaulich nicht gewünscht sind und infolge der streitigen Bauleitplanung planungsrechtlich gegebenenfalls unzulässig werden, macht den Bebauungsplan noch nicht zu einem Verhinderungsplan. Denn eine positive Planung hat stets auch die – negative – Wirkung, dass dadurch ein den Festsetzungen widersprechendes Vorhaben verhindert wird (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2021 – 2 N 19.2383 – juris).
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3. Der angefochtene Bebauungsplan leidet im Übrigen nicht an Mängeln in der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB).
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Das Abwägungsgebot verpflichtet die Antragsgegnerin, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität) (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301/309). Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Maßgebend ist, ob nach zutreffender und vollständiger Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Maßgebend für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Ein Mangel im Abwägungsvorgang ist dabei nur dann erheblich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB).
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Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde bei der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entschieden hat. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.
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Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan (S. 3) ist ein wesentliches Ziel der streitgegenständlichen Bebauungsplanung, die rückwärtigen Gärten zu erhalten, aufzuwerten und von baulicher Nutzung frei zu halten. Denn im Geltungsbereich des Bebauungsplans finde seit Jahren ein Prozess der baulichen Nachverdichtung statt, der häufig mit dem Verlust der Durchgrünung der Grundstücke einhergehe. Um zusammenhängende, im Innenbereich liegende Freiräume als Gartenflächen zu erhalten bzw. zu entwickeln, hat die Antragsgegnerin die Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen in Form von Baugrenzen getroffen. Die Innenbereiche wiesen einen fast durchgängigen, teilweise mit großen Bäumen bestockten Gartenbereich auf, dessen Qualität gesichert und weiterentwickelt werden solle (Begründung zum Bebauungsplan S. 13).
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Dies ist nach den obigen Maßstäben nicht zu beanstanden. Insbesondere sind die privaten Belange der Antragsteller in der Abwägung der Antragsgegnerin hinreichend berücksichtigt worden.
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a) Die Antragsteller rügen die Widersprüchlichkeit und damit Fehlerhaftigkeit der Abwägungsentscheidung, weil hierbei einerseits von keiner Einschränkung der Bebaubarkeit der im Plangebiet liegenden Grundstücke ausgegangen worden und andererseits der Abwägungsentscheidung die Annahme zugrunde gelegen sei, dass ohne Erlass des Bebauungsplans unerwünschte Verdichtungen zu erwarten seien. Vor diesem Hintergrund sei auch unklar, welche Bedeutung den Belangen der Antragsteller beigemessen worden sei. Insoweit lag weder der Abwägungsentscheidung eine widersprüchliche Annahme der Antragsgegnerin zugrunde noch ist ein anderer Abwägungsfehler diesbezüglich erkennbar. Denn durch die Regelungen des Bebauungsplans wird nicht die grundsätzliche Bebaubarkeit der Grundstücke im Rahmen des im Übrigen nach § 34 BauGB zu beurteilenden Zulässigkeitsmaßstabes in Frage gestellt, sondern lediglich diese im Hinblick auf die Sicherung der bestehenden Vorgarten- und Gartenflächen gesteuert. Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung der Sicherung der zusammenhängenden Gartenflächen vor den privaten Belangen einer gegebenenfalls entstehenden eingeschränkten Bebaubarkeit auf den einzelnen Grundstücken Vorrang einräumt, unterfällt diese Entscheidung der planerischen Gestaltungsfreiheit der Antragsgegnerin.
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b) Die Antragsteller rügen in diesem Zusammenhang ferner, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Annahme, dass trotz der festzusetzenden rückwärtigen Baugrenzen Verdichtungsmöglichkeiten für jedes Grundstück im Plangebiet bestünden, fehlerhaft nicht berücksichtigt habe, dass mit der Festsetzung der rückwärtigen Baugrenzen eine weitere Bebauung auf dem Grundstück ohne Abriss des Gebäudebestands nicht möglich sei und daher faktisch nicht bestehe. Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass für alle Grundstücke Verdichtungsmöglichkeiten verbleiben. Dies gilt gleichermaßen für das Grundstück der Antragsteller, weil eine Verdichtung nicht nur das Errichten eines weiteren Baukörpers, sondern auch eine Vergrößerung des Bestandes umfasst. Ein Abwägungsfehler ist insoweit nicht gegeben.
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c) Weiter wenden die Antragsteller ein, dass für das Plangebiet unterschiedslos rückwärtige Baugrenzen festgesetzt worden seien, obwohl größere zusammenhängende private Grünstrukturen nur zwischen Hirten- und P.-straße vorhanden seien, nicht aber südlich der P.-straße. Hierzu ist anzumerken, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, auch die südlich der P.-straße gelegenen rückwärtigen Gartenbereiche zu erhalten, wiederum Teil ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit ist. Hierbei spielt es keine Rolle, dass diese im Verhältnis zu den nördlich der P.-straße gelegenen Flächen kleiner sind. Denn jedenfalls sind diese von ihrer Größe her geeignet, eine zusammenhängende Grünfläche zu bilden. Daher ist ebenso wenig von Belang, dass diese in der im Vorfeld zum Bebauungsplan von der Antragsgegnerin erstellten Bestandsanalyse nicht als größere zusammenhängende private Grünstrukturen ausgewiesen sind.
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d) Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegt kein Abwägungsausfall zu ihren Lasten vor. Ausweislich der Beschlussniederschrift vom 8. Februar 2022 (S. 1 ff., v.a. S. 7 ff.) hat sich die Antragsgegnerin eingehend mit den einzelnen Einwendungen der Antragsteller auseinandergesetzt, so dass nicht die Rede davon sein kann, dass die von den Antragstellern im Rahmen der öffentlichen Auslegung erhobenen Einwände ohne inhaltliche Auseinandersetzung zurückgewiesen worden seien.
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e) Schließlich ist kein Abwägungsfehler erkennbar, soweit die Antragsteller dem städtebaulichen Entwurf und seinem System der Bestimmung von Bebauungstypen nach Grundstücksbreiten, der dem streitgegenständlichen Bebauungsplan zugrunde gelegen habe, die Stringenz und Plausibilität absprechen. Wie die Antragsgegnerin ausweislich der Beschlussniederschrift vom 8. Februar 2022 (S. 9) ausgeführt hat, handelt es sich bei dem städtebaulichen Entwurf und seine darin verwendeten Bebauungstypen nicht um zwingende und detailliierte Vorgaben, sondern lediglich um Vorschläge, die der Ausarbeitung und Überprüfung der Festsetzungen als Grundlage dienten. Dementsprechend seien die Ziele des städtebaulichen Entwurfs in der Begründung konkretisiert, um darüber Klarheit zu schaffen (vgl. hierzu auch die Begründung zum Bebauungsplan S. 9). Dies zugrunde gelegt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern sich die dort gewählte Einteilung der Grundstücksbreiten auf die Entscheidung über die Festsetzung der Baugrenzen fehlerhaft ausgewirkt haben könnte.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.