Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.05.2024 – 19 NE 23.1521
Titel:

Teilweise vorläufige Außervollzugsetzung der AVBayJG-ÄndV vom 5. Juli 2023 betreffend die Jagd auf den Fischotter 

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
BJagdG § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a, § 22 Abs. 2, Abs. 3
BNatSchG § 37 Abs. 2 S. 2, § 63 Abs. 2
TierSchG § 13 Abs. 1
BayJG Art. 29 Abs. 5 S. 1, Art. 29a Abs. 4 S. 1, Art. 33 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3
AVBayJG § 11a, § 12a Abs. 4 S. 2, S. 3, S. 4, § 19 Abs. 4
Flora-Fauna-Habitat-RL Art. 15
Leitsätze:
1. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG ist analog auf eine jagdrechtliche Ausführungsverordnung anzuwenden, wenn die streitgegenständlichen Regelungen anstelle der Handlungsform einer Rechtsverordnung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auch durch die untere Jagdbehörde (vgl. Art. 52 Abs. 3 iVm Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayJG) mittels Einzelanordnung hätten erlassen werden können. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff der Vorhabenzulassung iSd § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG ist – anders als in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG – nicht auf Zulassungsentscheidungen iSv § 2 Abs. 6 UVPG begrenzt, sondern erfasst auch Entscheidungen, die nur Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalten. Maßgeblich für die Abgrenzung ist jeweils allein, ob bei der Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften des Bundes-, des Landes- oder des Unionsrechts anzuwenden sind. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff der Zulassungsentscheidung iSd § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG ist weit zu verstehen und schließt insbesondere Entscheidungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG ein. In der Festsetzung von Jagdzeiten für Fischotter sowie der Zulassung nach Art. 15 lit. a FFH-Richtlinie verbotener selektiver Fang- und Tötungsmethoden für die Jagd auf den Fischotter ist eine Zulassung zu sehen, wenn die angegriffenen Verordnungsregelungen einen erforderlichen Schritt auf dem Weg zum Fang bzw. Abschuss von Fischottern darstellen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a BJagdG handelt es sich um eine besondere artenschutzrechtliche Vorschrift des Jagdrechts, welche den artenschutzrechtlichen Bestimmungen des BNatSchG gemäß § 37 Abs. 2 S. 2 BNatSchG vorgeht. Die Einhaltung der unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 15 FFH-RL ist deshalb bei unionsrechtlich streng geschützten, aber national dem Jagdrecht unterliegenden Tierarten nicht durch das Artenschutzrecht, sondern durch das Jagdrecht zu gewährleisten. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
5. Auch im Falle von artenschutzrechtlichen Ausnahmen vom Fangverbot gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG bleiben die tierschutzrechtlichen Vorschriften maßgeblich für die Methode des Fangens und ggf. des Tötens, so dass sich das „Ob“ eines Fangs nach Artenschutzrecht, das „Wie“ aber nach dem materiellen Gehalt von § 13 Abs. 1 S. 1 TierSchG richtet. Das gilt auch für jagdbare Tiere iSd § 2 BJagdG, die dem besonderen bzw. strengen Schutz nach §§ 44 ff. BNatSchG, Art. 12 ff. iVm Anhang IV FFH-RL unterfallen. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
6. Aufgrund der nicht ausgeschlossenen Gefahr der Selbstverletzung von Fischottern in Lebendfallen reichen die in § 12a Abs. 4 S. 2 AVBayJG für den Fall, dass kein elektronischer Fangmelder eingesetzt wird, vorgesehenen Kontrollen im zeitlichen Abstand von vier Stunden nicht aus, um gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 TierSchG Selbstverletzungen und daraus resultierende vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere auszuschließen. Hingegen gewährleisten die Regelungen zum Einsatz elektronischer Fangmelder und zur Kontrollpflicht bei Meldung eines Fangereignisses in § 12a Abs. 4 S. 3, S. 4 AVBayJG einen ausreichenden Tierschutz. (Rn. 87) (redaktioneller Leitsatz)
7. § 19 Abs. 4 S. 1 AVBayJG (Aufhebung der ganzjährigen Schonzeit mit gänzlicher Versagung einer Schonzeit für den Fischotter) ist materiell unwirksam. (Rn. 94) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, Antragsbefugnis einer Umweltvereinigung, Festsetzung von Jagdzeiten für den Fischotter, Schonzeitversagung, Einsatz von Nachtsichttechnik, Fallenkontrolle, Umweltrechtsbehelf
Fundstellen:
BayVBl 2024, 740
NuR 2025, 129
LSK 2024, 12182
BeckRS 2024, 12182

Tenor

I. § 1 Nr. 2, § 1 Nr. 4 und der durch § 1 Nr. 3 lit. b) angefügte § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG („Fängisch gestellte Fallen zum Fang des Fischotters sind im Abstand von vier Stunden zu kontrollieren“) der Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes vom 5. Juli 2023 (GVBl S. 487) werden vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, eine durch das Umweltbundesamt anerkannte Umweltvereinigung mit Sitz in Niedersachsen, begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung der Verordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 5. Juli 2023 zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG-ÄndV, GVBl S. 487; künftig: Änderungsverordnung) betreffend die Jagd auf den Fischotter (Lutra lutra).
2
1. Mit der angegriffenen Änderungsverordnung wurde die Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) geändert und die folgenden (verfahrensgegenständlichen) Vorschriften eingefügt:
§ 11a
3
Nachtsichttechnik bei der Jagd auf den Fischotter
4
Bei der Jagd auf den Fischotter dürfen künstliche Lichtquellen, Vorrichtungen zum Anstrahlen oder Beleuchten des Ziels und Nachtzielgeräte, die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schusswaffen bestimmt sind, verwendet werden.
§ 12a
5
Fallen für den Lebendfang
6
(4) 1(…) 2Fängisch gestellte Fallen zum Fang des Fischotters sind im Abstand von vier Stunden zu kontrollieren. 3Kontrollen nach Satz 2 können entfallen, wenn die Falle über einen elektronischen Fangmelder verfügt, der betriebssicher ist und unverzüglich meldet, sobald ein Fangereignis stattgefunden hat, und die Funktionsfähigkeit mindestens einmal täglich getestet wird oder eine tägliche Selbstüberprüfung des Fangmelders gewährleistet ist. 4Im Fall der Meldung eines Fangereignisses nach Satz 3 ist die Falle unverzüglich zu kontrollieren.
§ 19
7
Jagdzeiten
8
(4) 1Die Jagd auf den Fischotter darf ganzjährig ausgeübt werden. 2§ 3 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung bleibt unberührt.
9
Die Änderungsverordnung trat am 1. August 2023 in Kraft. An diesem Tag trat auch die Verordnung zur Ausführung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung vom 5. Juli 2023 (AVBayAAV, GVBl S. 485) in Kraft. Bereits am 25. April 2023 hatte die Bayerische Staatsregierung die Verordnung zur Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung betreffend Ausnahmen für den Fischotter (BayMBl. Nr. 200) erlassen, nach der ein neuer § 3 (Ausnahmen für Fischotter) in die bestehende Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung (AAV) eingefügt wurde, welche am 1. Mai 2023 in Kraft trat. Damit wurde insbesondere das Fangen und Töten von Fischottern zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden dem Grunde nach gestattet.
10
Am 22. August 2023 hat der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gegen alle drei Verordnungen gestellt und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 47 Abs. 6 VwGO) beantragt. Der 14. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs trennte mit Beschlüssen vom 24. August 2023 (Az. 14 N 23.1502 und 14 NE 23.1503) jeweils den die Änderungsverordnung betreffenden Teil der Streitsachen ab und gab diese zuständigkeitshalber an den 19. Senat ab.
11
2. Der Antragsteller beantragt,
12
die Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJGÄndV) vom 5. Juli 2023 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers außer Vollzug zu setzen.
13
Zur Begründung hatte der Antragsteller (vor der Abtrennung des vorliegenden Verfahrens) ausgeführt, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei i.S.d. § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten, weil der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag offensichtlich zulässig und begründet sei. Dies ergebe sich bereits bei summarischer Prüfung der Begründung des Antragsschriftsatzes in der Hauptsache. Zudem drohten bei weiterem Vollzug der Verordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens schwere Schäden für den in Wiederausbreitung begriffenen, europarechtlich geschützten Fischotter und die zu seinem Schutz ausgewiesenen bayerischen FFH-Gebiete sowie irreversible Verstöße gegen das Europäische Arten- und Habitatschutzrecht. Aufgrund der mit dem Vollzug der Verordnung verbundenen Verstöße gegen Unionsrecht sei bereits aus Gründen der praktischen Wirksamkeit der Unionsrechtsordnung ein den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordernder schwerer Nachteil anzunehmen. Es sei damit zu rechnen, dass die ersten Fischotter auf der Grundlage der Verordnung in Kürze erschossen würden. Da es am Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG bzw. Art. 16 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL fehle, insbesondere verlässliche Daten über den Erhaltungszustand der in Wiederausbreitung befindlichen Population nicht vorlägen, stelle jede Maßnahme auf der Grundlage der Verordnung einen irreversiblen Verstoß gegen das (europäische) Artenschutzrecht dar. Belastbare Ausnahmeentscheidungen – sei es für Einzelausnahmen, sei es im Verordnungswege – seien allenfalls nach Vorliegen der benötigten Daten möglich. Die Änderungsverordnung sei offenkundig mit den Verboten des Art. 15 FFH-RL i.V.m. Anhang VI FFH-RL unvereinbar. Darüber hinaus dürfte das Regelungskonzept der Verordnungen für die Entnahme von Fischottern zur Erreichung des angestrebten Ziels aus den im Hauptsacheantrag dargestellten Gründen insgesamt ungeeignet sein. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei somit dringend geboten.
14
Nach der Abtrennung der jagdrechtlichen Normenkontrollverfahren nahm der Antragseller im vorliegenden Eilverfahren zur ergänzenden Begründung Bezug auf seinen Vortrag im Hauptsacheverfahren 19 N 23.1523. Dort wurde u.a. ausgeführt, der Antragsteller sei ein mit Bescheid des Umweltbundesamts vom 18. März 2009 nach § 3 UmwRG anerkannter Umweltverband, der durch die angefochtene Verordnung in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt sei, welcher unter anderem darauf gerichtet sei, den Schutz der zur Familie der Marderartigen gehörenden Raubtierarten, insbesondere des Eurasischen Fischotters, vor dem Aussterben zu bewahren und ihr Überleben in Koexistenz mit dem Menschen in einer gemeinsamen Mitwelt nachhaltig zu sichern. Als solcher sei er in Hinblick auf sämtliche Regelungen der verfahrensgegenständlichen Verordnung unabhängig von der Geltendmachung einer Rechtsverletzung i.S.d. § 47 Abs. 2 VwGO gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG antragsbefugt.
15
Überdies ergebe sich eine Antragsbefugnis aus § 47 Abs. 2 VwGO, weil der Antragsteller beim Erlass der Verordnung in seinem Beteiligungsrecht verletzt worden sei, das sich jedenfalls unmittelbar aus der völkerrechtlich bindenden Aarhus-Konvention ergebe (Art. 6 Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 bzw. Art. 9 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Aarhus-Konvention – AK –).
16
Der gegen die Änderungsverordnung gerichtete Normenkontrollantrag sei auch begründet, da sowohl die in § 1 Nr. 4 vorgesehene ganzjährige Jagdausübung als auch die in § 1 Nr. 2 vorgesehene Zulassung von Nachtsichttechnik gegen höherrangiges Recht verstoßen würden. Die Anordnung der ganzjährigen Jagdausübung auf den bislang ganzjährig von der Jagd verschonten Fischotter sei mit den Anforderungen an eine Schonzeitaufhebung gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG i.V.m. Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 BayJG sowie dem in § 22 Abs. 4 BJagdG geregelten Elterntierschutz unvereinbar. Die in § 19 Abs. 4 AVBayJG n.F. vorgesehene ganzjährige Bejagung genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, die § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG i.V.m. Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 BayJG an die landesrechtliche Festsetzung einer Jagdzeit für in der Verordnung über die Jagdzeiten (JagdZV) nicht aufgeführte Wildtiere wie den Fischotter stelle.
17
Der neue § 11a der Änderungsverordnung verstoße gegen europäisches Umweltrecht. Diese auf § 19 Abs. 2 BJagdG, Art. 29 Abs. 5 BayJG gestützte Abweichung von dem in § 19 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a BJagdG vorgesehenen Verbot des Einsatzes von Nachtsichttechnik bei der Jagd sei europarechtswidrig, da sie mit dem in Art. 15 Buchst. a i.V.m. Anhang VI Buchst. a FFH-RL enthaltenen Verbot nichtselektiver Fang- und Tötungsmittel nicht vereinbar sei. Zu den in Anhang VI Buchst. a aufgezählten Mitteln gehörten ausdrücklich die mit der aktuellen Änderungsverordnung zugelassenen künstlichen Lichtquellen (4. Spiegelstrich), Vorrichtungen zur Beleuchtung des Ziels (6. Spiegelstrich) und Visiervorrichtungen für das Schießen bei Nacht mit elektronischem Bildverstärker oder Bildumwandler (7. Spiegelstrich). Die Voraussetzungen einer nach Art. 16 FFH-RL zulässigen Abweichung von diesem Verbot seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei die in Art. 29 Abs. 5 BayJG vorgesehene Einschränkung der Verbote des § 19 Abs. 1 BJagdG aus Gründen der Landeskultur kein von Art. 16 Abs. 1 FFH-RL vorgesehener Abweichungsgrund.
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3. Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO abzulehnen.
20
Der Antrag im Hauptsacheverfahren sei bereits unzulässig, da der Antragsteller keine Antragsbefugnis aus § 64 Abs. 1 BNatSchG, § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 5 UmwRG oder der Aarhus-Konvention (Art. 6 Abs. 1, Art. 8, Art. 9 Abs. 2 und 3 AK) herleiten könne.
21
Der Antrag sei aber auch unbegründet. Die jagdrechtliche Regelung über die Jagdzeit beim Fischotter nach § 19 Abs. 4 Satz 1 AVBayJG stehe mit der Ermächtigungsgrundlage in Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 BayJG in Einklang und folge den artenschutzrechtlichen Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG (im Einzelfall oder durch Verordnung) nach, wodurch die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 der FFH-RL sichergestellt sei. Zudem sei die in § 11a AVBayJG getroffene Regelung zur Nachtsichttechnik im Hinblick auf den Tier- und Artenschutz sowie Sicherheitsaspekte notwendig und verstoße auch nicht gegen Art. 15 Buchst. a FFH-RL. Auch die Fallenvorgaben in § 12a Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AVBayJG legten den Jagdausübenden äußerst strenge Kontrollpflichten auf, die dem Tier- und Artenschutz dienten.
22
4. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2024 (Az. 14 N 23.1502, 14 N 23.1657) wurden die Verordnung zur Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung betreffend Ausnahmen für den Fischotter vom 25. April 2023 (BayMBl. Nr. 200) und die Verordnung zur Ausführung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AVBayAAV) vom 5. Juli 2023 (GVBl. S. 485) für unwirksam erklärt.
23
5. Mit der Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes vom 23. April 2024 (GVBl S. 80) wurde § 11a AVBayJG mit Wirkung vom 17. Mai 2024 dahingehend geändert, dass der sachliche Anwendungsbereich des Einsatzes von Nachtsichttechnik auf Schwarzwild, dem Haarwild unterfallendes Raubwild und Nutria erweitert und ein Satz 2 („Waffenrechtliche Vorschriften bleiben hiervon unberührt.“) angefügt wurde.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
25
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hat im tenorierten Umfang Erfolg.
26
Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und voraussichtlich begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine begehrte einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 47 Rn. 106).
27
Hieran gemessen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung (nur teilweise) dringend geboten.
28
A. Der Normenkontrollantrag (in der Hauptsache) ist zulässig und teilweise begründet.
I.
29
Der Antrag ist zulässig.
30
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft, denn die angegriffene jagdrechtliche Änderungsverordnung ist eine Rechtsnorm im Rang unter dem Landesgesetz, für die das Landesrecht gemäß Art. 4 Satz 1 AGVwGO eine Kontrolle eröffnet hat.
31
2. Die Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich – abweichend von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO – aus § 2 Abs. 1 UmwRG.
32
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG u.a. einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass diese Entscheidung Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) und sie geltend macht, in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG).
33
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:
34
2.1 Der Antragsteller ist mit Bescheid des Umweltbundesamtes vom 18. März 2009 gemäß § 3 Abs. 2 UmwRG als Umweltvereinigung anerkannt worden.
35
2.2 Es liegt eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG vor. Diese Bestimmung ist vorliegend nicht unmittelbar, aber analog anwendbar.
36
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auf Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge anzuwenden, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Da der Antragsgegner eine Rechtsverordnung erlassen hat, liegt weder ein Verwaltungsakt noch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, sondern ein Gesetz im materiellen Sinn vor (eine erweiternde Gesetzesauslegung ist aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich).
37
Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist jedoch im Wege der Analogie auf die vorliegende jagdrechtliche Ausführungsverordnung zu erstrecken. Denn die streitgegenständlichen Regelungen hätten anstelle der Handlungsform einer Rechtsverordnung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auch durch die untere Jagdbehörde (vgl. Art. 52 Abs. 3 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayJG) mittels Einzelanordnung erlassen werden können.
38
Für eine Analogie spricht, dass es wenig nachvollziehbar erscheint, dass die Flucht in das Gewand der Norm eine möglicherweise gegebene Klagemöglichkeit vernichten könnte, zumal der Antragsgegner grundsätzlich (eine Ausnahme besteht, wenn die kreisfreien Gemeinden als untere Jagdbehörden handeln) sowohl der Rechtsträger des Staatsministeriums als auch der höheren und unteren Jagdbehörden ist und besondere Anforderungen an das Verordnungsverfahren im Bayerischen Jagdgesetz nicht geregelt sind. Es liefe dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 47 GRC i.V.m. Art. 9 Abs. 3 der AK zuwider (Art. 19 Abs. 4 GG als Ausprägung der Systementscheidung für einen Individualrechtsschutz dürfte im vorliegenden Fall, in welchem es um eine altruistische Verbandsklage geht, nicht anwendbar sein), wenn man insoweit zwischen den Handlungsformen der öffentlichen Gewalt differenzieren würde (vgl. BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 183 zu einer Schonzeitaufhebungsverordnung).
39
Aufgrund der gesamten Umstände und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG als Auffangtatbestand (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris LS 2 und Rn. 25; U.v. 19.12.2019 – 7 C 28.18 – juris Rn. 25) lässt sich somit feststellen, dass der (Bundes-)Gesetzgeber entsprechende Verordnungen in den grundsätzlichen Anwendungsbereich der Norm einbezogen hätte, wenn er bedacht hätte, dass die Länderermächtigungen in § 19 Abs. 2, § 22 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BJagdG (teilweise) dahingehend ausgestaltet werden, dass Jagdzeitfestsetzungen (mit gänzlicher Schonzeitversagung) bzw. Ausnahmen von Verboten bestimmter Methoden der Jagdausübung und Vorgaben zur Fallenkontrolle aus den gleichen Gründen (lediglich durch unterschiedliche Behörden) mittels Einzelanordnung und Rechtsverordnung möglich sind (ebenso zu einer Schonzeitaufhebungsverordnung: BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 183).
40
2.2.1 § 1 Nr. 2 der Änderungsverordnung (Einsatz von Nachtsichttechnik) schränkt das Verbot des § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) BJagdG ein. Diese Verordnungsvorschrift stützt sich auf Art. 29 Abs. 5 Satz 1 BayJG, welcher (in Ausübung der Ermächtigung des § 19 Abs. 2 BJagdG) das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ermächtigt, die Verbote des § 19 Abs. 1 BJagdG (mit Ausnahme der Nr. 16) aus besonderen Gründen einzuschränken. Daneben ist jedoch gemäß Art. 29 Abs. 5 Satz 2 BayJG der unteren Jagdbehörde die Befugnis eingeräumt, (u.a.) die bundesrechtlichen Verbote nach § 19 Abs. 1 BJagdG „unter denselben Voraussetzungen“ durch Einzelanordnung einzuschränken. Daraus folgt, dass auch die untere Jagdbehörde befugt wäre, durch Einzelanordnung – etwa im Falle einer artenschutzrechtlichen Ausnahme für die Entnahme von Fischottern nach § 45 Abs. 7 BNatSchG i.V.m. Art. 16 FFH-RL – das Verbot des § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) BJagdG einzuschränken und damit eine inhaltsgleiche Regelung wie den angegriffenen § 11a AVBayJG im Einzelfall zu treffen.
41
2.2.2 Hinsichtlich § 1 Nr. 3 der Änderungsverordnung (zur Anfügung der Sätze 2 bis 4 in § 12a Abs. 4 AVBayJG) gelten entsprechende Überlegungen. Die angegriffene Vorschrift ergänzt gemäß Art. 29a Abs. 4 Satz 1 BayJG die vorhandenen Regelungen zur Fallenkontrolle in § 12a Abs. 4 Satz 1 AVBayJG durch spezielle Regelungen zum Fang des Fischotters und normiert damit konkrete Handlungspflichten des Jägers. Derartige Handlungspflichten könnte anstelle des Verordnungsgebers auch die untere Jagdbehörde dem Jagdausübungsberechtigten als Nebenbestimmung (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) zu einer jagdrechtlichen Einzelanordnung zur Zulassung der Jagd auf einzelne Exemplare des Fischotters gemäß Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 Nr. 2 BayJG auferlegen.
42
Auch insoweit handelt es sich somit um einen tauglichen Angriffsgegenstand einer Umweltverbandsklage nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (analog), selbst wenn eine Regelung zur Fallenkontrolle nicht als selbständiger Verwaltungsakt, sondern als Nebenbestimmung zu einem anderen Verwaltungsakt ergeht. Denn belastende Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten sind grundsätzlich auch isoliert anfechtbar; ob der betreffende Verwaltungsakt ohne diese Nebenbestimmung sinnvoller- bzw. rechtmäßiger Weise weiterbestehen könnte, ist nach zutreffender Betrachtungsweise eine Frage des Aufhebungsanspruchs (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG) und damit der Begründetheit einer solchen Klage, sofern nicht – was vorliegend jedoch nicht der Fall ist – eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2012 – 4 C 5.11 – juris Rn. 5; OVG NW, U.v. 22.9.2022 – 22 D 263/21.AK – juris Rn. 16; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.9.2020 – OVG 11 N 39.17 – juris Rn. 10). Es handelt sich insoweit um einen selbständig anfechtbaren Teil eines Verwaltungsaktes.
43
2.2.3 Hinsichtlich der durch § 1 Nr. 4 der Änderungsverordnung angefügten Regelung des § 19 Abs. 4 AVBayJG liegt ebenfalls analog § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ein tauglicher Antragsgegenstand vor. Die Festsetzung von Jagdzeiten und (gänzliche) Versagung von Schonzeiten für den Fischotter nach § 19 Abs. 4 AVBayJG stützt sich auf Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 und 3, Abs. 4 Satz 1 BayJG i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BJagdG. Anstelle einer Rechtsverordnung der höheren (Art. 33 Abs. 3 Nr. 2, 3 BayJG) bzw. der obersten Jagdbehörde (Art. 33 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 3 Nr. 2, 3 BayJG) ist die untere Jagdbehörde nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 1 BayJG befugt, in Einzelfällen für den Lebendfang von Wild Ausnahmen nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BJagdG (Ausnahmen für den Lebendfang von Wild in der Schonzeit) zuzulassen oder gemäß Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 BayJG Regelungen „nach Art. 33 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 5“ durch Einzelanordnung zu treffen. Die Einschränkung, dass durch eine Einzelanordnung nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 BayJG keine gänzliche Versagung der Schonzeit gemäß § 22 Abs. 3 BJagdG – wie hier durch die Zulassung der ganzjährigen Jagd auf den Fischotter nach § 19 Abs. 4 Satz 1 AVBayJG (die Einschränkungen des § 3 AAV, auf die § 19 Abs. 4 Satz 2 AVBayJG verweist, finden derzeit wegen vorläufiger Außervollzugsetzung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO keine Anwendung) – zulässig ist, bewirkt keine gegenständliche Einschränkung des Antragsgegenstandes. Vielmehr ist § 22 Abs. 3 BJagdG i.V.m. Art. 33 Abs. 3 Nr. 3 BayJG (zumindest auch) als Regelung der Reichweite einer Jagdzeitfestsetzung und damit als Prüfungsmaßstab für deren Rechtmäßigkeit zu verstehen. Denn die Festsetzung einer ganzjährigen Jagdzeit (wie vorliegend für den Fischotter durch § 19 Abs. 4 Satz 1 AVBayJG) bewirkt der Sache nach eine ganzjährige Schonzeitaufhebung und damit eine „gänzliche Versagung“ von Schonzeiten (der selbständige Charakter von § 22 Abs. 3 BJagdG ist ohnehin fraglich, vgl. Welp in Schuck, BJagdG, 3. Aufl. 2019, § 22 Rn. 12; Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 22 Rn. 6). Es wäre nicht nachvollziehbar und liefe dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 47 EU-GR-Charta i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK zuwider, wenn eine ganzjährige Jagdzeitfestsetzung durch Verordnung wegen ihrer Substituierbarkeit durch einen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG angreifbaren Verwaltungsakt Gegenstand einer Verbandsklage sein könnte, nicht aber die darin liegende (gänzliche) Schonzeitversagung.
44
2.3 Bei der vorliegenden Änderungsverordnung handelt es sich auch um ein Vorhaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
45
2.3.1 Der Begriff des Vorhabens orientiert sich an der Begriffsbestimmung von § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) a.F. (seit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung v. 20.7.2017 <BGBl. I S. 2808> nahezu inhaltsgleich in § 2 Abs. 4 UVPG), allerdings ohne die Bezugnahme auf die Anlage 1 zum UVPG (vgl. BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 19; U.v. 8.11.2022 – 7 C 7.21 – juris Rn. 18; U.v. 22.6.2023 – 10 C 4.23 – juris Rn. 17). Erfasst sein kann daher die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage, der Bau einer anderen Anlage oder die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme sowie jeweils deren Änderung bzw. Erweiterung.
46
Hier ist von einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme auszugehen. Das Jagdrecht weist in Art. 1 Abs. 2 BayJG zahlreiche Berührungspunkte mit dem Naturschutzrecht auf. So soll das Gesetz u.a. dazu dienen, einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern und zu verbessern und die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Aufgrund des weiten Verständnisses ist ein Umweltbezug der Vorschrift bereits aufgrund der dargelegten (allgemeinen) Bezugnahmen auf das Naturschutzrecht gegeben.
47
2.3.2 Durch die streitgegenständliche Verordnung wird auch ein Vorhaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG zugelassen. Der Begriff der Vorhabenzulassung in diesem Sinne ist – anders als in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG – nicht auf Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG begrenzt, sondern erfasst auch Entscheidungen, die nur Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalten (BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 28.18 – juris Rn. 25; U.v. 21.1.2021 – 7 C 9.19 – juris Rn. 13; U.v. 8.11.2022 – 7 C 7.21 – juris Rn. 19; U.v. 28.9.2023 – 4 C 6.21 – juris Rn. 14). Maßgeblich für die Abgrenzung ist jeweils allein, ob bei der Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften des Bundes-, des Landes- oder des Unionsrechts anzuwenden sind (BT-Drs. 18/9526, S. 36).
48
Der Begriff der Zulassungsentscheidung ist deshalb weit zu verstehen und schließt anerkannter Maßen insbesondere Entscheidungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG ein (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 u.a. – juris Rn. 31 m.V.a. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 109). Deshalb ist vorliegend – auch unabhängig von einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG – in der Festsetzung von Jagdzeiten für Fischotter sowie der Zulassung nach Art. 15 lit. a FFH-Richtlinie verbotener selektiver Fang- und Tötungsmethoden für die Jagd auf den Fischotter eine Zulassung zu sehen, weil die angegriffenen Verordnungsregelungen selbst ausweislich ihrer Gründe jeweils einen erforderlichen Schritt auf dem Weg zum Fang bzw. Abschuss von Fischottern darstellen.
49
2.3.3 Die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen sind auch unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union ergangen. Der Begriff der umweltbezogenen Vorschriften wird in § 1 Abs. 4 UmwRG umschrieben. Demnach sind umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes u.a. Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen) oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken) beziehen. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften ist weit zu verstehen. Die Definition von „Umweltinformationen“ in § 2 Abs. 3 UIG, auf dessen Nummern 1 und 2 § 1 Abs. 4 UmwRG Bezug nimmt, stellt eine inhaltsgleiche Umsetzung nicht nur der Umweltinformationsrichtlinie der EU, sondern auch der dahinterstehenden Begriffsbestimmung der Aarhus-Konvention dar. Für weitergehende Prüfungen kann zudem die Spruchpraxis des Compliance Committees der Konvention herangezogen werden (BT-Drs. 18/9526 S. 36). Die Einbeziehung dieser Spruchpraxis in die Auslegung des nationalen Rechts ist damit vom nationalen Gesetzgeber ausdrücklich gewollt. Aus der Spruchpraxis ergibt sich eine weite Auslegung des Begriffs der umweltbezogenen Rechtsvorschriften. Diese beschränken sich nicht auf Rechtsvorschriften, in denen der Begriff „Umwelt“ im Titel oder der Überschrift vorkommt; auch muss der Umweltschutz nicht Zweck der Bestimmung sein. Entscheidend ist allein, ob sich die betreffende Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt bezieht (BT-Drs. 18/9526 S. 32). Es genügt, wenn die Bestimmungen wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt haben (BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 u.a. – juris Rn. 32; U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 189). Erfasst sind damit alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können, weiter auch Normen, die verlangen, dass die Belange des Umweltschutzes gerecht abgewogen werden (Abwägungsgebote), sodass jeder im Rahmen eines Abwägungsvorgangs auch der Umwelt zuzurechnende Belang dessen Umweltbezogenheit insgesamt begründet (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 1 UmwRG Rn. 31).
50
Nach diesen Maßstäben werden durch die angegriffene Verordnung unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften Jagdzeiten für den Fischotter festgesetzt. Die ganzjährige Schonung, wie sie für den Fischotter bundesrechtlich gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BJagdG i.V.m. der Verordnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BJagdG besteht, dient dem Arten- und Naturschutz unter weitgehender Aushöhlung des Jagdrechts (vgl. Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 22 Rn. 5). Im Unterschied zu den unter § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG, Art. 33 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BayJG fallenden Wildarten, für die eine Jagdzeit (bundesrechtlich) festgesetzt ist, sind für nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BJagdG ganzjährig zu schonendes Wild landesrechtliche Ausnahmen nur nach den strengeren Bestimmungen des § 22 Abs. 2 BJagdG zulässig (vgl. Fischer-Hüftle, NuR 2001, 618 f.; Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 22 Rn. 5), welche in Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 und 3 BayJG landesrechtlich konkretisiert werden. Des Weiteren handelt es sich bei dem Fischotter um eine streng geschützte Art nach Anhang IV FFH-Richtlinie und besonders geschützte Art i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 13 lit. b) aa) BNatSchG. Ausnahmen von der ganzjährigen Schonzeit und gar eine gänzliche Versagung von Schonzeiten haben offensichtlich Auswirkungen auf den Artenschutz. Überdies regelt § 11a AVBayJG eine Ausnahme von dem unionsrechtlichen Verbot der Verwendung nicht-selektiver Fang- und Tötungsmethoden nach Art. 15 und Anhang IV FFH-RL, welches inhaltlich in § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) BJagdG umgesetzt ist. Auch können die Regelungen zur Fallenkontrolle nach § 12a Abs. 4 Satz 2 bis 4 AVBayJG das Verbot des Fangs und der Verletzung von streng geschützten Arten nach Art. 12 Abs. 1 FFH-RL berühren und stellen damit eine Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften (im weiteren Sinne) dar. Des Weiteren ist nach dem Vortrag des Antragstellers zumindest möglich, dass die Jagd auf Fischotter an Teichanlagen Auswirkungen auf Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete, Natura 2000-Gebiete) hat, die zum Schutz des Fischotters als Art des Anhangs II zur FFH-RL ausgewiesen wurden oder in denen der Fischotter zu den repräsentativen Arten des geschützten Lebensraumtyps nach Anhang I zur FFH-RL zählt. Dies hat zur Folge, dass die streitgegenständliche Änderungsverordnung möglicherweise auch unter Anwendung der die besonderen Schutzgebiete betreffenden (umweltbezogenen) nationalen und unionsrechtlichen Schutzvorschriften (§ 34 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL) ergangen ist.
51
Indem der Antragsteller geltend macht, die streitgegenständliche Verordnung halte sich nicht im Rahmen der Ermächtigungen des Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 und 3 BayJG i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BJagdG und verstoße u.a. gegen § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) und § 22 Abs. 4 Satz 1 BJagdG, § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sowie gegen Art. 15 FFH-Richtlinie, rügt er die Verletzung umweltbezogener Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 Nr. 1 UmwRG).
52
2.4 Der Antragsteller macht zudem geltend, durch die streitgegenständliche Änderungsverordnung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Ausweislich des § 3 seiner Satzung bezweckt der Antragsteller unter anderem, den Schutz der zur Familie der Marderartigen gehörenden Raubtierarten, insbesondere des Eurasischen Fischotters, vor dem Aussterben zu bewahren und ihr Überleben in Koexistenz mit dem Menschen in einer gemeinsamen Mitwelt nachhaltig zu sichern. Eine Betroffenheit in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich durch die angegriffenen Verordnungsvorschriften liegt vor.
53
2.4.1 Die Verwendung von Nachtsichttechnik bei der Jagd auf den Fischotter berührt den Regelungsbereich des Art. 15 FFH-RL und damit spezifisch naturschutz- bzw. artenschutzrechtliche Vorschriften. Indem eine Abweichung vom Verbot nicht-selektiver Fang- und Tötungsmethoden gemäß Art. 15 FFH-RL geregelt wird, ist der Schutzbereich der genannten Vorschrift negativ berührt, was eine Betroffenheit des Antragstellers, dessen satzungsgemäßer Aufgabenbereich und Ziel die Förderung des Natur- und Artenschutzes ist, begründet.
54
2.4.2 Die Kontrolle von Lebendfallen liegt einerseits im Interesse des Tierschutzes, welcher (wohl) nicht in den satzungsgemäßen Aufgabenbereich des Antragstellers fällt, betrifft aber daneben Belange des Artenschutzes, insbesondere das Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG. Indem der Antragsteller geltend macht, die im Verordnungswege getroffenen Regelungen seien hinsichtlich des Schutzes der in den Lebendfallen gefangenen Fischotter unzureichend, da Verletzungen der „sich in den Fallen wild gebärdenden Tiere“ sowie Schädigungen abhängiger Jungtiere infolge der Gefangenschaft des säugenden Muttertiers in einer Lebendfalle (zumindest) nicht ausgeschlossen werden könnten, macht er mögliche Verletzungen dieser Verbote geltend, welche seinen satzungsmäßigen Aufgabenbereich berühren.
55
Ob die getroffenen Regelungen (im Ergebnis) eine Verbesserung gegenüber der nach § 12a AVBayJG a.F. geltenden Rechtslage darstellen könnten – wie der Antragsgegner geltend macht – ist eine Frage der Begründetheit und lässt das Berühren des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs und damit die Antragsbefugnis nicht entfallen. Anderenfalls wäre eine gerichtliche Überprüfung derartiger Regelungen im Hinblick darauf, ob sie dem artenschutz- bzw. jagdrechtlich geforderten Schutzstandard entsprechen, für Umweltvereinigungen wie den Antragsteller nicht erreichbar. Ein solches Ergebnis würde aber dem durch Art. 47 GRC i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK geforderten effektiven Rechtsschutz zuwiderlaufen.
56
2.4.3 Des Weiteren berührt die Zulassung der ganzjährigen Jagd auf den Fischotter die satzungsmäßigen Ziele des Antragstellers, weil damit (auch) artenschutzrechtliche Belange berührt werden (vgl. Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 22 Rn. 5), welche zum satzungsgemäßen Aufgabenbereich Antragstellers zählen.
57
3. Die Antragsfrist (Jahresfrist) des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist offensichtlich eingehalten. Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, dass hinsichtlich der fallenbezogenen Regelungen in § 12a Abs. 1 und 2 sowie Abs. 4 Satz 1 AVBayJG die Antragsfrist längst abgelaufen sei, kann dies offenbleiben, da diese Regelungen nicht Gegenstand der beim erkennenden Senat anhängigen Normenkontrolle sind.
58
4. Die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags setzt neben der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers voraus (Giesberts in Posser/Wolff/Decker, VwGO, Stand 1.4.2024, § 47 Rn. 43). Dieses muss auch bei Verbandsklagen vorliegen, da das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zwar (in § 2 Abs. 1 UmwRG) die Sachurteilsvoraussetzung der Klage- bzw. Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO modifiziert (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, UmwRG § 2 Rn. 1; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UmwRG § 2 Rn. 54), aber nicht die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen für verwaltungsgerichtliche Normenkontrollanträge (vgl. Wortlaut „nach Maßgabe der VwGO“ sowie Fellenberg/Schiller a.a.O.).
59
Dem Antragsteller steht das demnach erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu. Dieses fehlt (u.a.) dann, wenn der erstrebte Rechtsschutz für den Antragsteller ersichtlich nutzlos ist, weil er sein Rechtsschutzziel entweder bereits auf anderem Wege erreicht hat oder dieses nicht mehr erreichen kann. Davon kann im Falle der erstrebten Außervollzugsetzung der Änderungsverordnung jedoch auch im Hinblick auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2024, mit dem die Verordnung zur Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung betreffend Ausnahmen für den Fischotter vom 25. April 2023 und die Verordnung zur Ausführung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung vom 5. Juli 2023 für unwirksam erklärt wurden, nicht ausgegangen werden. Denn ungeachtet der Unwirksamkeit der genannten Verordnungsregelungen zur abstrakt-generellen artenschutzrechtlichen Ausnahmezulassung für die Entnahme von Fischottern an Teichanlagen ist es nicht ausgeschlossen, dass eine untere Naturschutzbehörde im Geltungsbereich der AVBayJG im Einzelfall eine Befreiung gemäß § 44 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BNatSchG von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG zur Entnahme von Fischottern erteilt, wenngleich die Anforderungen an eine rechtmäßige Befreiung hoch sind (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 14 B 22.1698 u.a. – juris). In einem solchen Falle kämen die streitgegenständlichen jagdrechtlichen Verordnungsregelungen zur Anwendung.
II.
60
Der Normenkontrollantrag ist teilweise begründet.
61
1. Die Änderungsverordnung ist formell rechtmäßig.
62
Mängel der Änderungsverordnung im Hinblick auf Vorschriften über die Zuständigkeit des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
63
Der Antragsteller war im Verordnungsverfahren mangels Mitwirkungsrecht nicht zu beteiligen. § 63 Abs. 2 BNatSchG ist nicht einschlägig. Nach dieser Bestimmung ist einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, im (hier) Verordnungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Der Antragsteller ist bereits keine mitwirkungsberechtigte Vereinigung, da er vom Umweltbundesamt nicht als Naturschutz-, sondern als Umweltvereinigung anerkannt worden ist. Darüber hinaus ist er nach seiner Satzung nicht landesweit, sondern bundesweit tätig.
64
Aus dem systematischen Zusammenhang der Norm folgt nichts Anderes. Bei den in Absatz 2 genannten Entscheidungen handelt es sich um solche von Landesbehörden, während die in Absatz 1 genannten Entscheidungen von Bundesbehörden getroffen werden. Der Kreis der mitwirkungsberechtigten Vereinigungen entspricht somit der Ebene, auf welcher die mitwirkungspflichtige Entscheidung getroffen wird, weshalb an Entscheidungen von Bundesbehörden Vereinigungen mitwirken, welche durch den Bund anerkannt wurden, und an Entscheidungen von Landesbehörden solche, die durch das (jeweils handelnde) Land anerkannt wurden. Damit wird ein Gleichlauf des Kreises der mitwirkungsberechtigten Vereinigungen mit der Zuständigkeitsbeteiligung im Verhältnis von Bund und Ländern angestrebt (vgl. Heselhaus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 63 Rn. 21). Eine über den Wortlaut der Norm hinausgehende, in diesem Sinne überschießende Zielsetzung des Gesetzgebers (als Voraussetzung einer erweiternden Auslegung bzw. teleologischen Extension) ist damit ebenso wenig erkennbar wie eine planwidrige Regelungslücke (als Voraussetzung einer Analogie).
65
Der Antragsteller hat auch kein Beteiligungsrecht unmittelbar aufgrund von europäischem Unionsrecht i.V.m. Art. 6 AK (vgl. dazu Heselhaus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 63 Rn. 21, 18).
66
Die Aarhus-Konvention gewährt der Öffentlichkeit u.a. das Recht, sich „effektiv während des umweltbezogenen Entscheidungsverfahrens zu beteiligen“ (Art. 6 Abs. 3), insbesondere, „alle von ihr für die geplante Tätigkeit als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen in Schriftform vorzulegen oder gegebenenfalls während einer öffentlichen Anhörung oder Untersuchung mit dem Antragsteller vorzutragen“ (Art. 6 Abs. 7). Die Beteiligung der Öffentlichkeit soll „frühzeitig…“ erfolgen, „zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann“ (Art. 6 Abs. 4 AK).
67
Nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) und b) AK kommen die Beteiligungsrechte, die dieser Artikel gewährt, aber nur bei Entscheidungen über die Zulassung geplanter Tätigkeiten zur Anwendung, die entweder in Anhang I des Übereinkommens aufgeführt sind oder eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können.
68
Die Tätigkeit, auf die sich die Änderungsverordnung bezieht, ist nicht in Anhang I des Übereinkommens von Aarhus aufgeführt. Der Antragsteller hat daher kein Recht aus Art. 6 Abs. 1 lit. a) AK auf Beteiligung am Bewilligungsverfahren.
69
Ein entsprechendes Recht folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Satz 1 AK, da die hier streitgegenständlichen jagdrechtlichen Bestimmungen keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne dieser Bestimmung haben. Der Begriff der „Entscheidungen“ i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. b) AK umfasst auch Rechtsverordnungen (vgl. insoweit BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 207 m.V.a. EuG, U.v. 14.6.2012 – T-338/08 – juris Rn. 76 ff. und EuGH, U.v. 13.1.2015 – C-404/12 P und C-405/12 P, C-404/12 P, C-405/12 P – juris; vgl. auch OVG LSA, B.v. 23.3.2017 – 2 K 127/15 – juris Rn. 27). Jedoch hat der Antragsteller erhebliche Umweltauswirkungen im Vollzug der Änderungsverordnung nicht dargelegt. Zu den von Art. 6 Abs. 1 lit. b) AK erfassten Entscheidungen zählen auch die in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie fallenden Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörden, die sich nicht auf eine in Anhang I des Übereinkommens von Aarhus genannte Tätigkeit beziehen (EuGH, U.v. 8.11.2016 – Lesoochranárske zoskupenie VLK, C-243/15 – juris Rn. 56 f.). Mit seinem Vortrag, dass aufgrund der Dichte des Netzes von FFH-Gebieten entlang bayerischer Fließgewässer die Gefahr bestehe, dass wandernde Exemplare der Art bejagt und damit FFH-Gebiete in ihren Erhaltungszielen beeinträchtigt würden, legt der Antragsteller erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf die Erhaltungsziele derartiger Gebiete durch die Jagd auf Fischotter, nicht dar.
70
Soweit der Antragsgegner mit der Zulassung der Jagd auf Fischotter durch die Änderungsverordnung das jagdrechtliche Hindernis für den Vollzug artenschutzrechtlicher Ausnahmen vom Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG beseitigt, ergibt sich auch daraus kein Beteiligungsrecht nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) AK. Denn im Verfahren nach Art. 16 FFH-RL ist – anders als im Verfahren nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL – keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen, mit der ein entsprechendes Beteiligungsrecht einhergehen würde (vgl. zur Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL für das Beteiligungsrecht nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) Satz 1 AK: EuGH, U.v. 8.11.2016 – Lesoochranárske zoskupenie VLK, C-243/15 – juris Rn. 45; NdsOVG, U.v. 25.10.2018 – 12 LB 118/16 – juris Rn. 187; für die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 lit. b) AK hingegen OVG LSA, B.v. 23.3.2017 – 2 K 127/15 – juris Rn. 26 ff.; unklar zur Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung: Heselhaus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 63 Rn. 18).
71
Ein Beteiligungsrecht folgt auch nicht aus Art. 8 AK. Nach Satz 1 dieser Vorschrift bemühen sich die Vertragsparteien, zu einem passenden Zeitpunkt und solange Optionen noch offen sind eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung während der durch Behörden erfolgenden Vorbereitung exekutiver Vorschriften und sonstiger allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher Bestimmungen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, zu fördern. Zu diesem Zweck „sollten“ die in Satz 2 der Vorschrift genannten Maßnahmen ergriffen werden. Aus dem Wortlaut „bemühen“ bzw. „sollten“ folgt, dass mit Art. 8 AK keine rechtsverbindliche Verpflichtung der Vertragsparteien geregelt ist (vgl. Epiney/Diezig/Pirker/Reitemeyer, Aarhus-Konvention, 1. Aufl. 2018, Art. 8 Rn. 4). Selbst wenn, wie der Europäische Gerichtshof ausgeführt hat, Art. 8 AK die Vertragsstaaten dieses Abkommens „verpflichten“ sollte, „eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften zu fördern“ (EuGH, U.v. 21.3.2013 – C-515/11 – juris Rn. 33), wäre eine solche Verpflichtung an den Gesetzgeber adressiert, entsprechende Beteiligungsrechte erst zu schaffen. Denn die Vorschrift des Art. 8 AK ist mangels hinreichender Klarheit und Bestimmtheit nicht geeignet, von Gerichten oder Behörden unmittelbar angewandt zu werden. Auch eine Auslegung der gesetzlich geregelten Beteiligungsrechte über deren Wortlaut hinaus kommt insoweit nicht in Betracht (ebenfalls ablehnend: NdsOVG, U.v. 25.5.2016 – 4 KN 154/13 – juris Rn. 42, 43), zumal die in § 63 Abs. 1 und 2 BNatSchG geregelten Mitwirkungstatbestände – mit Ausnahme der Länderöffnungsklausel des § 63 Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG – grundsätzlich abschließend konzipiert sind (vgl. Heselhaus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 63 Rn. 22, 37).
72
2. Die Änderungsverordnung ist materiell hinsichtlich des Einsatzes von Nachtsichttechnik mangels Begründung einer erforderlichen Abweichung von Art. 15 Buchst. a) FFH-RL voraussichtlich unwirksam (2.1). Die Vorschriften zur Fallenkontrolle sind voraussichtlich unwirksam, soweit eine Kontrolle im Abstand von vier Stunden vorgesehen ist; im Übrigen aber nicht zu beanstanden (2.2). Die nunmehr zugelassene ganzjährige Jagd auf den Fischotter ist voraussichtlich ebenfalls materiell rechtswidrig, weil die Kausalbeziehung der geltend gemachten schwerwiegenden Schädigungen der Landeskultur zum Fischotter nicht hinreichend dargelegt ist (2.3).
73
2.1 Die Regelung zum Einsatz von Nachtsichttechnik (§ 1 Nr. 2 der Änderungsverordnung) ist materiell unwirksam. Insoweit ergeben sich aus der Änderung des § 11a AVBayJG durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes vom 23. April 2024 mit Wirkung vom 17. Mai 2024 keine entscheidungserheblichen inhaltlichen Änderungen.
74
Die Regelung stützt sich auf Art. 29 Abs. 5 Satz 1 BayJG i.V.m. § 19 Abs. 2 BJagdG.
75
Art. 29 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayJG ermächtigt das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (in Übereinstimmung mit der Länderermächtigung in § 19 Abs. 2 BJagdG) dazu, durch Rechtsverordnung die Verbote des § 19 Abs. 1 BJagdG (mit Ausnahme des § 19 Abs. 1 Nr. 16) zu erweitern oder aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken oder kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Zwecken, Lehr- und Forschungszwecken oder bei Störung des biologischen Gleichgewichts einzuschränken.
76
Mit der streitigen Regelung schränkt der Verordnungsgeber das Verbot des § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) BJagdG ein, (u.a.) künstliche Lichtquellen, Spiegel, Vorrichtungen zum Anstrahlen oder Beleuchten des Zieles, Nachtzielgeräte, die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schusswaffen bestimmt sind, zu verwenden. Durch § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) BJagdG wird Art. 15 FFH-RL umgesetzt. Diese unionsrechtliche Norm findet vorliegend Anwendung, weil der Fischotter zu den unionsrechtlich streng (Art. 12 ff. und Anhang IV FFH-RL) geschützten Tierarten zählt und damit zugleich gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 lit. a) BNatSchG zu den besonders geschützten Arten im Sinne des Bundesartenschutzrechts. Allerdings ist der Fischotter auch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG eine jagdbare Tierart (Haarwild) und unterliegt damit beiden Rechtskreisen des Artenschutz- und des Jagdrechts (sog. Doppelrechtler). Die von dem Antragsgegner aufgeworfene Frage des grundsätzlichen Verhältnisses von Artenschutz- und Jagdrecht nach § 37 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG stellt sich insoweit jedoch nicht. In § 44 BNatSchG findet sich kein dem Art. 15 FFH-RL inhaltlich entsprechendes Verbot nicht-selektiver Jagdmethoden. Des Weiteren gilt der mit Art. 15 FFH-RL i.V.m. Anhang VI lit. a) inhaltsgleiche § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BArtSchV nicht für Tierarten, die wie der Fischotter gemäß § 2 Abs. 1 BJagdG dem Jagdrecht unterliegen.
77
Es handelt sich somit bei § 19 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) BJagdG – jedenfalls nach materiellem Verständnis – um eine besondere artenschutzrechtliche Vorschrift des Jagdrechts, welche den artenschutzrechtlichen Bestimmungen des BNatSchG gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG vorgeht (vgl. Hellenbroich in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2023, § 37 Rn. 14; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BNatSchG § 37 Rn. 19; Gläß in Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, Stand 1.1.2024, BNatSchG § 37 Rn. 21; Müller-Walter in Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, BNatSchG § 37 Rn. 13; Lütkes in Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 37 Rn. 42; vgl. dazu, dass es sich bei Art. 15 FFH-RL um eine jagdrechtliche Vorschrift handelt: OVG RP, U.v. 8.11.2017 – 1 A 11653/16 – juris Rn. 149). Dies hat zur Folge, dass die Einhaltung der unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 15 FFH-RL bei unionsrechtlich streng geschützten, aber national dem Jagdrecht unterliegenden Tierarten nicht durch das Artenschutzrecht, sondern durch das Jagdrecht zu gewährleisten ist.
78
Gemäß Art. 15 FFH-RL verbieten die Mitgliedstaaten in Bezug auf den Fang oder das Töten der in Anhang V lit. a) genannten wildlebenden Tierarten sowie in den Fällen, in denen Ausnahmen gemäß Artikel 16 für die Entnahme, den Fang oder die Tötung der in Anhang IV lit. a) genannten Arten gemacht werden, den Gebrauch aller nichtselektiven Geräte, durch die das örtliche Verschwinden von Populationen dieser Tierarten hervorgerufen werden könnte oder sie schwer gestört werden könnten, insbesondere nach lit. a) den Gebrauch der in Anhang VI lit. a) genannten Fang- und Tötungsgeräte. In Anhang VI FFH-RL (Verbotene Methoden und Mittel des Fangs, der Tötung und Beförderung) sind unter Buchstabe a) für Säugetiere u.a. (siehe Spiegelstrich 4 bis 7) „künstliche Lichtquellen, Spiegel oder sonstige Vorrichtungen zum Blenden, Vorrichtungen zur Beleuchtung von Zielen, Visiervorrichtungen für das Schießen bei Nacht mit elektronischem Bildverstärker oder Bildumwandler“ genannt.
79
Art. 16 Abs. 1 FFH-RL lässt Abweichungen u.a. von den Verboten des Art. 15 FFH-RL zu, wenn (1.) einer der unter den Buchstaben a) bis e) genannten Gründe vorliegt – wozu nach Buchstabe b) die „Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum“ zählt – und die zugelassene Ausnahme nachweislich zum Erreichen des jeweiligen Ziels geeignet ist, sowie unter der weiteren (doppelten) Bedingung, dass (2.) es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und (3.) die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2019 – C-674/17, Tapiola – juris Rn. 28; U.v. 14.6.2007 – C-342/07 – juris Rn. 28 f.). Die auf Art. 16 Abs. 1 FFH-RL gestützte Abweichung hat in der Entscheidung über die Ausnahme, hier also in der Begründung der Änderungsverordnung, zu erfolgen (EuGH, U.v. 10.10.2019 a.a.O. Rn. 41 m.w.N.).
80
Die Begründung zur Änderungsverordnung (Bl. 1007 ff. der Verwaltungsakte) begründet die Anwendung von Nachtsichttechnik damit, dass „eine sichere Schussabgabe mit sofortiger Tötungswirkung sichergestellt“ ist. Zugleich würden im Sinne des Tierschutzes und der Sicherheit Verwechslungen aufgrund schlechter Sichtverhältnisse in der Dämmerung und in der Nacht vermieden. Das genügt nicht ansatzweise den eingangs dargestellten Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL. Es wird schon keiner der Gründe der Buchstaben a) bis e) genannt, der eine Abweichung begründen könnte. Des Weiteren fehlt es an Ausführungen zur Frage einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung und der Bedingung, dass die Population des Fischotters in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen könne.
81
2.2 Die Vorschriften zur Fallenkontrolle in § 1 Nr. 3 lit. b) der Änderungsverordnung (= § 12a Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AVBayJG) sind teilweise unwirksam.
82
2.2.1 § 12a Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AVBayJG sind von der Ermächtigung des Art. 29a Abs. 4 Satz 1 BayJG gedeckt. Die Vorschrift enthält Spezialregelungen zur Fallenkontrolle im Hinblick auf Fallen für Fischotter, welche der allgemeinen Regelung des § 12a Abs. 4 Satz 1 AVBayJG vorgehen. Der Verordnungsgeber verfolgt mit diesen Regelungen eine tierschützerische Intention (vgl. die Verordnungsbegründung, Bl. 38/187 der Normaufstellungsakte, sowie die Ministervorlage vom 25.5.2023, Bl. 43 der Normaufstellungsakte). Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelungen soll ersichtlich die Einhaltung des Verbots des § 19 Abs. 1 Nr. 9 BJagdG, Fanggeräte einzusetzen, die nicht unversehrt fangen, durch Modalitäten des Falleneinsatzes gewährleistet werden, indem durch möglichst häufige bzw. (im Falle einer Fangmeldung) unverzügliche Kontrollen Verletzungen der Tiere in den Fallen vermieden werden. § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG schreibt Kontrollen der fängisch gestellten Fallen in zeitlichen Abständen von vier Stunden vor. Abweichend davon kann der Jagdausübungsberechtigte nach § 12a Abs. 4 Satz 3 AVBayJG eine Falle einsetzen, die über einen betriebssicheren elektronischen Fangmelder verfügt, der ein Fangereignis unverzüglich meldet und dessen Funktionsfähigkeit zusätzlich entweder mindestens einmal täglich überprüft wird oder aufgrund einer täglichen Selbstüberprüfung gewährleistet ist. Sofern eine solche Falle zum Einsatz kommt, begründet § 12a Abs. 4 Satz 4 AVBayJG bei Meldung eines Fangereignisses durch den Fangmelder die Pflicht des Jagdausübungsberechtigten, die Falle unverzüglich zu kontrollieren. Damit handelt es sich um Ausgestaltungen des Verbots des § 19 Abs. 1 Nr. 9 BJagdG, zu denen Art. 29a Abs. 4 Satz 1 BayJG i.V.m. § 19 Abs. 2 BJagdG den Verordnungsgeber ermächtigt (vgl. Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, BayJG Art. 29a Anm. 4 und 9).
83
2.2.2 Die streitgegenständlichen Regelungen sind jedoch nur teilweise mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar.
84
§ 19 Abs. 1 Nr. 9 BJagdG stellt eine Sonderregelung des Jagdrechts dar, die dem Tier- und Artenschutz dient. Die Verbote des § 19 Abs. 1 BJagdG orientieren sich an den Grundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BJagdG, besonders ihrem tierschützenden oder naturschützenden Aspekt und bezwecken die Erhaltung eines gesunden Wildbestandes (Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 19 Rn. 2 m.V.a. OVG MV, U.v. 21.10.2009 – 4 K 11/09 – juris Rn. 39). Bei dieser Vorschrift sowie bei den aufgrund § 19 Abs. 2 BJagdG erlassenen Vorschriften des Landesjagdrechts handelt es sich hinsichtlich der streng und besonders geschützten Arten – soweit diese dem Jagdrecht unterliegen – um eine jagdrechtliche Ergänzung des artenschutzrechtlichen Verletzungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. a) FFH-RL. Da auch im Falle von artenschutzrechtlichen Ausnahmen vom Fangverbot gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG die tierschutzrechtlichen Vorschriften maßgeblich für die Methode des Fangens und ggf. des Tötens bleiben (Müller-Walter in Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, BNatSchG § 37 Rn. 8, 10), mithin das „Ob“ eines Fangs sich nach Artenschutzrecht, das „Wie“ aber nach dem materiellen Gehalt von § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG richtet (vgl. Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, 4. Aufl. 2023, § 13 Rn. 15 m.w.N.), gilt dies auch für jagdbare Tiere im Sinne des § 2 BJagdG, die dem besonderen bzw. strengen Schutz nach §§ 44 ff. BNatSchG, Art. 12 ff. i.V.m. Anhang IV FFH-RL unterfallen.
85
Gemäß § 44a BJagdG bleiben u.a. die Vorschriften des Tierschutzrechts vom Jagdrecht unberührt, d.h. beide Rechtskreise gelten zunächst nebeneinander. Normenkollisionen sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 TierSchG nach der Spezialitätsregel aufzulösen. Das Jagdrecht enthält mit § 19 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG, welcher Anforderungen an Fallen stellt, die dem Wild unnötige Schmerzen oder Leiden ersparen sollen sowie mit den aufgrund § 19 Abs. 2 BJagdG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften Sonderregelungen zum Tierschutz. Insbesondere § 12a Abs. 1 Satz 1 AVBayJG dient der Verdeutlichung des Tierschutzgedankens auch bei Fallen für den Lebendfang. Diese jagdrechtlichen Regelungen bleiben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 TierSchG unberührt, müssen aber als materielles Tierschutzrecht den Schutzgehalt des § 13 Abs. 1 TierSchG aufweisen. Daraus ergibt sich eine Pflicht zur tierschutzkonformen Auslegung der jagdrechtlichen Normen insbesondere zur Fallenjagd. § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG ist deshalb auch Prüfungsmaßstab für § 12a Abs. 4 Satz 2 bis 4 AVBayJG (vgl. zu Vorstehendem: Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 44a Rn. 1 f.; Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, 4. Aufl. 2023, § 13 Rn. 6 ff.; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 13 Rn. 8 f.; Kolodziejcok/Recken, Naturschutz und Landschaftspflege, vor BJagdG Rn. 31; Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, BJagdG § 19 Anm. 18; BayJG Art. 29 Anm. 1, 13 (2); AVBayJG § 12a Anm. 1).
86
Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG ist es verboten, (u.a.) zum Fangen von Wirbeltieren Vorrichtungen oder Stoffe anzuwenden, wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden für Wirbeltiere verbunden ist; dies gilt nicht für die Anwendung von Vorrichtungen oder Stoffen, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften zugelassen sind (vgl. zur Auslegung dieser Bereichsausnahme: Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, TierSchG § 13 Rn. 3; ders. in Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 13 Rn. 7). Die Vorschrift ist eine einfachgesetzliche Konkretisierung des tierschutzrechtlichen Vermeidbarkeitsgebots aus Art. 20a GG. Sie enthält ein präventives gesetzliches Verbot, das bereits der bloßen Gefährdung von Wirbeltieren vorbeugen soll. Das Vermeidungsgebot besagt, dass Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden überall dort zu ersparen sind, wo sie nicht erforderlich sind, weil sich das jeweils verfolgte Ziel auch mit weniger tierbelastenden Maßnahmen erreichen lässt. Die hierbei zu beachtenden Ziele des Tierschutzgesetzes werden in § 1 Satz 2 TierSchG konkretisiert. Danach darf niemand einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden „ohne vernünftigen Grund“ zufügen. Ein solcher vernünftiger Grund, hinter dem die Belange des Tierschutzes im Einzelfall auch zurücktreten können, kann sich aus kollidierenden Rechtsgütern des Einzelnen und der Gemeinschaft ergeben. Als kollidierende Rechtsgüter kommen insbesondere grundrechtlich geschützte Positionen in Betracht, hier etwa der Erwerbs- und Eigentumsschutz der Teichanlagenbetreiber aus Art. 12 GG und Art. 14 GG. Konfliktsituationen sind in Ansehung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung (Art. 20a GG) im Wege der so genannten „praktischen Konkordanz“ zu lösen, indem die gegenläufigen Interessen und Belange unter Beachtung des ihnen jeweils zukommenden verfassungsrechtlichen Gewichts angemessen gegeneinander abzuwägen sind (vgl. VG Neustadt a.d.W., B.v. 24.3.2009 – 1 L 136/09.NW – juris m.w.N.; Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, 4. Aufl. 2023, Art. 20a Rn. 1 ff., 9 m.w.N.).
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Gemessen daran reichen aufgrund der nicht ausgeschlossenen Gefahr der Selbstverletzung von Fischottern in den Lebendfallen die in § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG für den Fall, dass kein elektronischer Fangmelder eingesetzt wird, vorgesehenen Kontrollen im zeitlichen Abstand von vier Stunden nicht aus, um gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG Selbstverletzungen und daraus resultierende vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere auszuschließen. Hingegen gewährleisten die Regelungen zum Einsatz elektronischer Fangmelder und zur Kontrollpflicht bei Meldung eines Fangereignisses in § 12a Abs. 4 Satz 3 und 4 AVBayJG einen ausreichenden Tierschutz:
88
Zwar sind entgegen dem Vortrag des Antragstellers Drahtgitterfallen nach § 12a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 AVBayJG nur für den Fang von Jungfüchsen zugelassen und dürfen deshalb nicht zum Fang des Fischotters eingesetzt werden, weshalb sich insoweit keine Probleme hinsichtlich der Vorgaben zur Fallenkontrolle ergeben. Des Weiteren gilt auch für nach § 12a Abs. 1 Satz 2 AVBayJG in anderen Fallentypen erlaubte Kontrollöffnungen aus Drahtgitter, dass diese gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 AVBayJG so beschaffen sein müssen, dass eine Verletzung der Tiere ausgeschlossen ist. Damit genügen die Vorgaben des § 12a AVBayJG für den Einsatz von Drahtgitterfallen bzw. für Kontrollöffnungen aus diesem Material in Lebendfallen in Bezug auf den Fischotter den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG.
89
Unzureichend sind jedoch die Vorgaben zur Fallenkontrolle im Abstand von vier Stunden in § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG im Hinblick auf die Gefahr der Selbstverletzung bzw. Überhitzung der Fischotter in Lebendfallen der zugelassenen Bauarten. Hierzu wird in der vom Antragsteller vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Herrn Dr. K. vom 27. März 2022 (Anlage Ast. 7) sowie in dessen weiterer gutachterlicher Stellungnahme vom 14. August 2023 (Anlage Ast. 8) ausgeführt, auch in sog. Kastenfallen aus Holz bestehe die Gefahr von Selbstverletzungen der Fischotter in den Lebendfallen durch Abbruch der Fangzähne sowie durch Schäden an Nasen und Krallen (vgl. dort S. 9 Mitte). Beim Versuch der Fischotter, sich aus der Falle zu befreien, brächen die Fangzähne ab, wodurch die betroffenen Tiere im Falle der Entlassung in die Freiheit „deutlich schlechtere Überlebenschancen“ hätten. Ohne die langen Eckzähne würde es ihnen „deutlich schwerer“ gelingen, Fische zu fangen (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 27.3.2022, S. 8). Des Weiteren drohe die Gefahr der Überhitzung, weil die Otter sich bei Befreiungsversuchen auch in Transportkisten oder Kastenfallen körperlich sehr anstrengten und dadurch überhitzen und einen Kreislaufzusammenbruch erleiden könnten (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 27.3.2022, S. 9). Es existierten zurzeit keine Fallen, die nachgewiesenermaßen geeignet seien, das Selbstverletzungsrisiko den Anforderungen des Jagd- und Tierschutzrechts entsprechend auszuschließen. Spezielle Fallen für den Fischotter seien in der Aufzählung in § 12a Abs. 2 AVBayJG nicht enthalten, allerdings seien für Tiere ab Fuchsgröße, zu denen der Fischotter zählen dürfte, in Ziffer 3 und 6 allgemein Kasten- und Röhrenfallen mit einer Länge von 130 cm und einem Durchmesser bzw. Höhe und Breite von 25 cm zugelassen, wobei die Verwendung von Drahtgitter gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AVBayJG nur für Kontrollöffnungen zulässig sei. Gemäß § 12a Abs. 2 Satz 2 AVBayJG müssten die Fallen so gebaut oder verblendet sein, dass dem gefangenen Tier die Sicht nach außen möglichst verwehrt werde.
90
Dem hält der Antragsgegner zwar unter Verweis auf die fachbehördliche Stellungnahme des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 14. September 2023 (Anlage 1 zum Schriftsatz der LAB vom 4.10.2023, dort Frage 16) entgegen, dass durchaus Fallen für den Fang des Fischotters existierten – namentlich die auch vom Antragsteller angesprochenen „WeKa“-Fallen verschiedenen Typs –, welche aufgrund ihrer Beschaffenheit Verletzungsgefahren für den Fischotter ausschließen würden. Die zugelassenen Fallentypen (wie z.B. „WeKa invasiv“ oder andere geschlossene Röhren- bzw. Kastenfallen) besäßen ein geschlossenes, dunkles System mit entsprechender Luftzirkulation und glatter Wandstruktur und wiesen somit keinerlei Angriffspunkte auf, an denen Fischotter mit ihren Zähnen oder Krallen einhaken könnten, um sich zu verletzen.
91
Mit diesem Vorbringen geht der Antragsgegner aber zum einen nicht auf die Darstellung der Antragstellerseite ein, dass Fallen in Holzbauweise ein erhebliches Verletzungsrisiko bergen würden. Zum anderen ist in der Änderungsverordnung – abgesehen vom Ausschluss von Drahtgitterfallen (wie ausgeführt) – kein bestimmter Fallentyp für den Fischotter vorgeschrieben, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fallen zum Einsatz kommen, deren Beschaffenheit bzw. Bauweise die beschriebene Verletzungsgefahr nicht ausschließt bzw. zumindest auf ein unvermeidbares Maß reduziert (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Dabei ist im Hinblick auf die Regelung zur vierstündigen Fallenkontrolle in der Änderungsverordnung von der Annahme auszugehen, dass ein gefangenes Tier (je nach dem konkreten Zeitpunkt des Fangs) unter Umständen einen Zeitraum von mehreren Stunden bis zur nächsten Kontrolle in der Falle verweilen muss. Dem (auf die gutachterliche Stellungnahme gestützten) Vortrag des Antragstellers, dass bereits bei einer Verweildauer von vier Stunden in der Falle erhebliche Schäden an Zähnen und Krallen entstehen könnten, setzt der Antragsgegner keine gegenteilige Prognose entgegen. Vielmehr geht der Antragsgegner ohne nähere Begründung vom ausschließlichen Einsatz „verletzungssicherer“ Fallentypen aus. Offen bleibt jedoch, wie die Verwendung dieser Fallentypen sichergestellt werden soll. Gemessen daran erscheint der durch § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG vorgegebene Kontrollrhythmus von vier Stunden – für den Fall, dass kein elektronischer Fangmelder verwendet wird – als nicht ausreichend, um Selbstverletzungen der Fischotter und damit vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere in allen zugelassenen Fallenvarianten sicher auszuschließen. Soweit darauf hingewiesen wurde, dass die genannten Vorgaben der zugelassenen Fallentypen unter Ziffer 8 der Checkliste der LfL zur Fischotterentnahme gemäß § 3 AAV übernommen worden seien, ist dies deshalb unbeachtlich, weil § 3 AAV mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2024 für unwirksam erklärt wurde und deshalb nicht anwendbar ist.
92
Hingegen ist die Regelung zum Einsatz eines elektronischen Fangmelders unter den Bedingungen des § 12a Abs. 4 Satz 3 AVBayJG (regelmäßige Funktionsprüfungen bzw. automatische Selbstüberprüfung) in Kombination mit der in § 12a Abs. 4 Satz 4 AVBayJG vorgesehenen Pflicht zur unverzüglichen (d.h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgenden) Fallenkontrolle bei Meldung eines Fanges voraussichtlich geeignet, unvermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden der gefangenen Tiere auszuschließen. Dies ergibt sich letztlich auch aus der vom Antragsteller vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme vom 27. März 2022 (S. 9 unten, 10 oben). Die dort geäußerten Bedenken gegen die Regelung des § 12a Abs. 4 Sätze 3 und 4 AVBayJG beziehen sich auf die Zuverlässigkeit der Befolgung der Kontrollpflicht, was aber nicht zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung führen kann. Der Verordnungsgeber darf insoweit von einer entsprechenden Zuverlässigkeit des Jagdausübungsberechtigten ausgehen, zumal Verstöße bußgeldbewehrt sind (vgl. § 33 Nr. 2 lit. a) AVBayJG i.V.m. Art. 56 Abs. 1 Nr. 15 BayJG, § 18 Abs. 1 Nr. 25 TierSchG). Daher ergeben sich insoweit keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 12a Abs. 4 Satz 3 und 4 AVBayJG.
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Was die vom Antragsteller vorgetragene Gefahr der Überhitzung von Fischottern in den Fallen angeht, wenn die Tiere nicht so schnell wie möglich aus der Falle entnommen werden (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 27.3.2022, S. 9 oben und unten), wird zwar in der fachbehördlichen Stellungnahme des Antragsgegners (a.a.O.) ausgeführt, dass die jagdliche Praxis zeige, dass sich auch andere Marderartige (mit Jagdzeiten) beim Fang in den Fallen ruhig verhielten, da diese an abgelegenen Bereichen ohne direkte menschliche Störung positioniert würden. Demzufolge befänden sich die Fischotter zur Zeit des Fangs an einem ruhigen, dunklen und kühlen Ort, ein Überhitzen der Tiere, ausgelöst durch eigenes Verhalten, sei aufgrund der (körpereigenen) Thermoregulation sowie der Bedingungen innerhalb und außerhalb der Falle kaum möglich. Zudem werde durch die vorgeschriebenen Kontrollvorgaben, also entweder eine[n] äußerst strengen Kontrollrhythmus (alle vier Stunden) oder durch Einsatz eines elektronischen Fangmelders sichergestellt, dass die Tiere minimale Zeitspannen in den Fallen verbrächten. Daraus geht zwar hervor, dass bei Einsatz bestimmter Fallentypen und Beachtung gewisser Parameter hinsichtlich des Aufstellortes die Gefahr der Überhitzung der gefangenen Fischotter gering ist. Es besteht aber diesbezüglich keine klare gesetzliche bzw. verordnungsrechtliche Verpflichtung des Jagdausübungsberechtigten. Das Risiko der Überhitzung der Tiere ist damit zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Verwendung eines geeigneten Fallentyps und Aufstellortes sowie unter den Bedingungen des Einsatzes eines zuverlässig funktionierenden elektronischen Fangmelders gemäß § 12a Abs. 4 Satz 3 AVBayJG und unverzüglicher, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgender Kontrolle gemäß § 12a Abs. 4 Satz 4 AVBayJG auf ein unvermeidbares Maß reduziert. Dagegen ist eine Überhitzungsgefahr bei Einsatz eines diese begünstigenden Fallentyps und lediglich in vierstündigem Rhythmus erfolgender Fallenkontrolle (ohne elektronischen Fangmelder) gemäß § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen, womit voraussichtlich auch insoweit ein Verstoß des § 12a Abs. 4 Satz 2 AVBayJG gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG vorliegt. Letztlich bedürfen die aufgeworfenen Fragen der Selbstverletzungsgefahr bzw. der Überhitzung der Fischotter in Lebendfallen der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren.
94
2.3 Die Regelung des § 1 Nr. 4 der Änderungsverordnung (§ 19 Abs. 4 Satz 1 AVBayJG) ist materiell unwirksam.
95
Die Festsetzung einer Jagdzeit für den Fischotter durch § 19 Abs. 4 Satz 1 AVBayJG stützt sich auf Art. 33 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 BayJG i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BJagdG ist Wild, für das eine Jagdzeit (bundesrechtlich) nicht festgesetzt ist, ganzjährig mit der Jagd zu verschonen (Grundsatz der ganzjährigen Schonzeit, vgl. Frank/Käsewieter, Das Jagdrecht in Bayern, Art. 33 BayJG Erl. III). Der Fischotter ist eine gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG dem Jagdrecht unterliegende Tierart, für die bundesrechtlich (in der auf § 22 Abs. 1 Satz 1 BJagdG beruhenden Verordnung vom 2.4.1977 über die Jagdzeiten, JagdzeitV 1977 i.d.F. des Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes v. 7.3.2018, BGBl. I, S. 226) keine Jagdzeiten festgesetzt sind. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BJagdG ist der Fischotter deshalb ganzjährig von der Jagd zu verschonen, wovon die Länder jedoch unter den in § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG geregelten Voraussetzungen abweichen können. Die Regelung dient dem Natur- bzw. Artenschutz (Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, BJagdG § 22 Rn. 5). Der Fischotter, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG zum Haarwild gehört, fällt in diese Kategorie, weil für ihn in der Verordnung gemäß vom 2. April 1977 über die Jagdzeiten (JagdzeitV 1977 i.d.F. des Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes v. 7.3.2018, BGBl. I, S. 226) gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BJagdG keine Jagdzeiten festgesetzt sind. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BJagdG können die Länder bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder bei schwerer Schädigung der Landeskultur Jagdzeiten festsetzen und damit die ganzjährige Schonzeit aufheben. Die Nennung der Gründe für eine Aufhebung der ganzjährigen Schonzeit in § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG ist enumerativ, also abschließend (Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand November 2023, BJagdG § 22 Anm. 6.2). Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BayJG enthält die Ermächtigung der höheren bzw. obersten Jagdbehörde zur Festsetzung von Jagdzeiten bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder bei schwerer Schädigung der Landeskultur nach § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG.
96
Die streitige Verordnungsregelung kann sich nicht auf eine Störung des biologischen Gleichgewichts im Sinne des Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 BayJG stützen, der inhaltsgleich mit § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG ist. Dieser Begriff bezeichnet gravierende Veränderungen im faunistischen Bereich, vor allem im Verhältnis von Beutegreifern zu Beutetieren. Er ist erfüllt, wenn das in natürlichen oder naturnahen Ökosystemen vorhandene biologische Gleichgewicht der wechselseitigen Regulierung von Beutegreifern und Beutetieren gestört ist (vgl. näher Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand November 2023, BJagdG § 22 Anm. 6.2). Nutztiere wie in vom Menschen angelegten Aquakulturen lebende Fische gehören nicht zur freien Natur und sind damit keine Beutetiere im Sinne dieser Begriffsbestimmung, weshalb weder das Erbeuten solcher Fische durch Fischotter und dadurch verursachte Schäden, noch ein etwaiges zahlenmäßiges Überhandnehmen von Fischottern im Verhältnis zu vorhandenen, mit Speisefischen besetzten Teichanlagen eine Störung des biologischen Gleichgewichts darstellt.
97
Die Aufhebung der ganzjährigen Schonzeit gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG mit gänzlicher Versagung einer Schonzeit gemäß § 22 Abs. 3 BJagdG kommt des Weiteren nur in Betracht, wenn sie zur Abwehr schwerer Schädigungen der Landeskultur geeignet und erforderlich ist. Eine entsprechend enge Auslegung entspricht der normativen Wertentscheidung, wonach die Schonzeitaufhebung eine Ausnahme darstellt. Anderenfalls hätte es der Verordnungsgeber in der Hand, den mit der ganzjährigen Schonung verfolgten Schutzzweck des Gesetzes durch großzügig erteilte Ausnahmen zu unterlaufen. Insbesondere wäre eine gerichtliche Kontrolle des Vorliegens der Voraussetzungen einer Ausnahme dann nicht möglich.
98
Maßgeblich für die Frage der Zumutbarkeit können insoweit je nach den Umständen des Einzelfalls etwa das Ausmaß des Schadens (so zur Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG: OVG SH, U.v. 22.5.2017 – 4 KN 8/15 – juris Rn. 47; OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 62; U.v. 13.12.2018 – 16 A 1834/16 – juris Rn. 106), der Bestand der Wildart und dessen Lebensbedingungen sowie die Art der Bewirtschaftung und die Eigenart der Gebiete (NdsOVG, U.v. 13.10.2021 – 10 KN 43/18 – juris Rn. 99 m.V.a. Schuck in Schuck, BJagdG, 3. Auflage 2019, § 1 Rn. 19 f., 23 ff.) sein. Insofern ist eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller relevanter Gesichtspunkte geboten (NdsOVG, U.v. 13.10.2021 a.a.O. Rn. 99 m.V.a. Schuck in Schuck, BJagdG, 3. Auflage 2019, § 1 Rn. 25). So wurde in der Rechtsprechung ein Eingriff in die festgesetzten Schonzeiten als erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne angesehen, wenn – insbesondere an Zuchtteichen – andere wirksame Abwehrmaßnahmen nicht möglich oder nicht zumutbar sind (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 10.6.1983 – 15 K 5416/81 – juris zum Abschuss von Graureihern an Fischteichanlage), ein das übliche Maß erheblich übersteigender Wildschaden entstanden ist, sodass eine notstandsähnliche Lage eingetreten ist, die mit normalen und zumutbaren Möglichkeiten nicht zu meistern ist und Abhilfe durch außerordentliche Maßnahmen verlangt (vgl. VG Münster, U.v. 13.6.1984 – 7 K 1845/83 – juris zum Abschuss von Graureihern an Fischteichanlage). Des Weiteren können an die Ermittlung eines „übermäßigen“ Wildschadens besonders strenge Anforderungen zu stellen sein, wenn durch die Form der Bewirtschaftung eines Teichgutes eine maßgebliche Ursache für den ungewöhnlichen Fischotterbefall gesetzt wird. Andere Schadensursachen sind zu den durch die betroffene Wildart verursachten Schäden ins Verhältnis zu setzen (vgl. VG Münster, U.v. 13.6.1984 – 7 K 1845/83 – juris Rn. 25).
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Bei streng und besonders geschützten Tierarten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 lit. a) BNatSchG wie dem Fischotter muss überdies in Rechnung gestellt werden, dass die erforderliche artenschutzrechtliche Ausnahme (§ 45 Abs. 7 BNatSchG) nur für eine sehr begrenzte Anzahl von Exemplaren in Betracht kommen wird, um die Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der Art bezogen auf die jeweilige lokale Population bzw. das natürliche Verbreitungsgebiet nicht zu gefährden (vgl. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL). Neben der schweren Schädigung der Teichwirtschaft muss deshalb auch der Nachweis geführt werden, dass schwere Schädigungen der Teichwirtschaft gerade durch den artenschutzrechtlich stark begrenzten Abschuss einzelner Fischotter wirksam vermieden werden können (vgl. Fischer-Hüftle, NuR 2001, 618/619). Die Anforderungen an schwere Schädigungen der Landeskultur durch von diesen Arten verursachte Wildschäden dürften deshalb zur Rechtfertigung einer Jagdzeitfestsetzung – überdies mit ganzjähriger Schonzeitversagung – mit denen an eine Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BNatSchG i.V.m. Art. 16 FFH-RL vergleichbar sein (vgl. für Graugänse mit Blick auf die Ausnahmevoraussetzungen des Art. 9 VSRL: OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 66), insbesondere darf es keine andere zufriedenstellende Lösung geben, die Regelung muss mithin (mit Blick auf das hohe Gewicht des unionsrechtlichen strengen Artenschutzes) geeignet und erforderlich sein (OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 65).
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Von dieser Darlegungs- und Beweislast ist der Antragsgegner – in rechtlicher Hinsicht – nicht etwa deshalb entbunden, weil die Bejagung von Fischottern an artenschutzrechtliche Ausnahmen im Einzelfall (§ 45 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BNatSchG, Art. 16 FFH-RL) oder im Verordnungswege (§ 45 Abs. 7 Satz 4, 5 BNatSchG) gebunden ist. Das Jagdrecht formuliert insoweit durch Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 BayJG i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 BJagdG eigenständige Tatbestandsvoraussetzungen, welche nicht durch die des Naturschutz- bzw. Artenschutzrechts überlagert werden, sondern von diesen unberührt bleiben (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG). Es wäre deshalb inkonsequent anzunehmen, dass die Festsetzung von Jagdzeiten nur noch den „Vollzug“ einer erteilten artenschutzrechtlichen Ausnahme darstellte, wie der Antragsgegner meint. Der Verweis auf § 3 AAV in § 19 Abs. 4 Satz 2 AVBayJG (vgl. Wortlaut: „…bleibt unberührt“) läuft ohnehin derzeit leer, da § 3 AAV (wegen der Unwirksamkeit der artenschutzrechtlichen Änderungsverordnung aufgrund des Urteils vom 30. April 2024) keine Anwendung findet. Vielmehr müssen – in Ermangelung einer gesetzlich angeordneten Bindungswirkung der artenschutzrechtlichen Ausnahme für das Jagdrecht – konsequenter Weise die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen bzw. zur gewünschten Rechtsfolge führenden Normen beider Rechtskreise ohne eine Möglichkeit der rechtlichen Verweisung dargelegt bzw. nachgewiesen werden. Ungeachtet dessen mögen im Einzelfall die Voraussetzungen einer Schonzeitaufhebung für ganzjährig zu schonende Arten (faktisch) nachgewiesen sein, wenn eine (rechtmäßige) Ausnahme nach Artenschutzrecht vorliegt, was aber den jagdrechtlichen Verordnungsgeber nicht davon befreit, die Geeignetheit und Erforderlichkeit der getroffenen jagdrechtlichen Verordnungsregelung anhand der Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 33 Abs. 3 Nr. 2, 3 BayJG, § 22 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BJagdG darzulegen.
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Der Antragsgegner vermochte jedoch weder in der Verordnungsbegründung noch im gerichtlichen Verfahren eine schwere Schädigung der Landeskultur darzulegen. Er führte aus, eine schwere Schädigung der fischereiwirtschaftlichen Erzeugung durch die bayerische Teichwirtschaft liege im Sinne der Vorschrift vor, da ausweislich der Verordnungsbegründung die stetige Ausbreitung und der zunehmende Bestand des Fischotters zu „erheblichen und teils existenzbedrohenden Schäden“ durch den Fischotter in der bayerischen Teichwirtschaft führten, die Schadensmeldungen sich seit 2016 „fast verzehnfacht“ hätten, der Karpfenertrag in Bayern im Jahr 2022 „historisch niedrig“ gewesen sei und auch „wertvolle Laichfischbestände (…) unwiederbringlich verloren gegangen“ seien. In der Verordnungsbegründung zur Verordnung zur Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung betreffend Ausnahmen für den Fischotter (Bl. 55 der Normaufstellungsakte) wird außerdem ausgeführt, es würden oft nur sehr wenige und häufig verletzte Fische abgefischt. Wertvolle Laichfischbestände gingen verloren. Die Aufzucht von heimischen Speisefischen sei massiv gestört. Das Ergebnis sei, dass damit große Mengen hochwertiger, regional erzeugter, frischer Lebensmittel fehlten, die über kurze Transportwege beim Verbraucher landen würden. Ohne schnelle und zielgerichtete Lösung des Otterproblems verliere Bayern viele Teichwirte und damit traditionell bewirtschaftete Teiche, regional erzeugte Fische und wertvolle Lebensräume mit einem hohen Grad an Biodiversität. Erheblich beeinträchtigt sei auch die Produktion von Setzlingen. Über die wirtschaftlichen Schäden für die Produzenten hinaus habe dies auch erhebliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt, da bei Aufgabe der Produktion insbesondere bei Arten, deren Reproduktion in der freien Natur gestört sei, keine Satzfische mehr zur Verfügung stehen würden, um den Arterhalt abzusichern. Des Weiteren geht aus der vom Antragsgegner vorgelegten fachbehördlichen Stellungnahme vom 14. September 2023 (Bl. 279 ff. der Gerichtsakte des Verfahrens 19 N 23.1523) hervor (Frage 1), dass sich die Anzahl der registrierten Aquakulturbetriebe in Bayern in den Jahren 2020 und 2021 um knapp 600 von 10.075 auf 9.494 Betriebe reduziert hat, wobei der Rückgang vor allem im besonders stark vom Fischotter betroffenen Regierungsbezirk Oberpfalz festzustellen sei, wo die Betriebszahl im genannten Zeitraum von 3.141 auf 2.633 Betriebe gesunken sei, also 508 Betriebe aufgegeben worden seien. Es wird des Weiteren (a.a.O.) davon ausgegangen, dass „viele weitere Klein- und Kleinstbetriebe“ ohne entsprechende Meldung bei den Veterinärbehörden aufgegeben hätten. Die Ursachen für diesen Rückgang werden in der Unwirtschaftlichkeit der körperlich anstrengenden und arbeitsintensiven Fischerzeugung bei hohen Fischverlusten und dem extremen Schwinden der Freude an selbsterzeugten Fischen, wenn bei der Abfischung viele verletzte und angefressene Fische vorgefunden würden, gesehen. Diese Entwicklung trage „selbsterklärend“ nicht dazu bei, Betriebsnachfolger zu finden. Auch würden aktuell aufgegebene und nicht mehr besetzte Teiche auch nicht von anderen und eventuell größeren Betrieben gepachtet. Des Weiteren wird unter Frage 6 der fachbehördlichen Stellungnahme u.a. die getroffene Festlegung eines ernsten fischereiwirtschaftlichen Schadens bei 10% Verlust infolge des Fischotters erläutert sowie die Auswirkungen eines 10%-igen Verlustes auf den Gewinn (der in der Regel nur bei 10% liege). Unter Frage 7 wird zur Ersetzbarkeit von Laichfischen ausgeführt, Frage 9 geht auf die Frage möglicher Reserveursachen insbesondere unter dem Gesichtspunkt aus, dass durch Entnahme eines Fischottermännchens freiwerdende Plätze in kürzester Zeit wieder durch ein anderes Männchen besetzt würden (vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 14 B 22.1698 – juris Rn. 40 ff.). Frage 10 befasst sich mit der Frage der Eignung von Abwehrzäunen für den Fischotter und Frage 11 mit möglichen Alternativen zur Tötung gefangener Fischotter, die Fragen 12 und 13 mit der Bewertung und Dokumentation von Fraßschäden durch den Fischotter und der zu erwartenden Schadensreduzierung durch die Entnahme von Fischottern.
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Es fehlen aber Ausführungen zur entscheidenden Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die Schäden tatsächlich vom Fischotter verursacht worden sind. Das entsprechende, vom Antragsgegner zum Vollzug von § 3 der Änderungsverordnung zur Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung betreffend Ausnahmen für den Fischotter vorgesehene Formular (zum Ausfüllen durch die Fischteichbetreiber) ist wegen der Unwirksamkeit dieser Änderungsverordnung (aufgrund des Urteils vom 30. April 2024) nicht verwendbar.
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2.4 Der Antrag in der Hauptsache ist somit hinsichtlich des Einsatzes von Nachtsichttechnik, des vierstündigen Abstandes der Fallenkontrolle und der Festsetzung von Jagdzeiten für den Fischotter unter gänzlicher Versagung von Schonzeiten voraussichtlich zulässig und begründet. Die Interessenabwägung ergibt, dass die vorläufige Außervollzugsetzung der im Tenor bezeichneten Rechtsvorschriften aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, weil die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe die gegenläufigen Gründe deutlich überwiegen:
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Würde der Vollzug der angegriffenen Rechtsvorschriften ungeachtet der dargelegten erheblichen Zweifel an deren Wirksamkeit nicht bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt, würden sich diese Zweifel aber in der Hauptsache bestätigen und die Rechtsnorm für unwirksam erklärt werden, so könnten bis zur Rechtskraft einer solchen Hauptsacheentscheidung – unter Umständen über mehrere Jahre hinweg – auf der Grundlage von artenschutzrechtlichen Einzelausnahmen gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG Fischotter abgeschossen werden, ohne dass eine lückenlose gerichtliche Kontrolle solcher Einzelfallentscheidungen gewährleistet wäre. Damit wäre nicht sichergestellt, dass die Folgen solcher Abweichungen von den Art. 12 ff. FFH-RL für die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der streng geschützten Tierart vor der Durchführung der Maßnahme geprüft und damit die grundlegenden Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL eingehalten werden. Des Weiteren würden voraussichtlich wiederholte Verstöße gegen das Verletzungsverbot des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL bzw. das Verbot nicht-selektiver Jagdmethoden nach Art. 15 FFH-RL drohen.
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Auf der anderen Seite wären im Falle der vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der streitgegenständlichen Rechtsvorschriften und anschließender Ablehnung des Normenkontrollantrags in der Hauptsache die damit (vorübergehend) verbundenen Nachteile für von Fischottern geschädigte Teichwirte nicht unzumutbar. Denn bei Fehlen zufriedenstellender Alternativlösungen und unter Einhaltung der (strengen) Anforderungen der Art. 15 und 16 Abs. 1 FFH-RL sowie § 22 Abs. 4 Satz 1 BJagdG, § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG sind Ausnahmen vom Verbot der Jagdausübung auf den Fischotter im Einzelfall nicht ausgeschlossen. Der damit (jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum bis zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen in der Hauptsache) verbundene höhere bürokratische und gegebenenfalls auch kostenmäßige Aufwand erscheint angesichts des hohen Ranges der im Falle von Verstößen gegen Art. 12 ff., insbesondere Art. 15 und 16 Abs. 1 FFH-RL sowie § 22 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG, § 13 Abs. 1 Satz 1 TierSchG bedrohten Rechtsgüter sowie der gegebenenfalls drohenden unionsrechtlichen Folgen für den Antragsgegner und damit letztlich für die Allgemeinheit (vgl. Art. 226 ff. AEUV) nicht unangemessen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, wobei die Halbierung des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts – diesen setzt der Senat mit 10.000,00 Euro an (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368) – gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 dem vorläufigen Charakter des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes Rechnung trägt.
108
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).