Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 122 Abs. 2 S. 3, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayBO Art. 71
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Einhaltung der einschlägigen Abstandsvorschriften ist ein Indiz dafür, dass kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Vorbescheid ist hinreichend bestimmt, wenn sich sein genauer Gegenstand jedenfalls im Wege der Auslegung ermitteln lässt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baurechtlicher Vorbescheid, keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften, hinreichende Bestimmtheit, Rücksichtnahmegebot., Nachbarklage, bauplanungsrechtlicher Vorbescheid, Anbau, Rücksichtnahmegebot, einmauernde Wirkung, erdrückende Wirkung, Einsichtsmöglichkeiten, Abstandsfläche, Bestimmtheit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 11.01.2024 – RO 2 K 21.1954
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12171
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen für das Nachbargrundstück erteilten Vorbescheid, der feststellt, ein Anbau an das dort bereits bestehende Gebäude sei bauplanungsrechtlich zulässig.
2
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage abgewiesen. Ungeachtet möglicher Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit des einschlägigen Bebauungsplans verletze der Vorbescheid den Kläger jedenfalls nicht in Rechten, die zumindest auch seinem Schutz als Nachbar dienen. Das geplante Vorhaben erweise sich auch nicht als rücksichtslos.
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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Meinung, das Urteil des Verwaltungsgerichts unterliege ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit und die Rechtssache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, die geltend gemachten Zulassungsgründe seien bereits nicht hinreichend dargelegt. Der Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Mit ausführlicher und zutreffender Begründung ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger werde durch den rechtlich nicht zu beanstandenden Vorbescheid gemäß Art. 71 BayBO nicht in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Vortrag im Zulassungsverfahren, auf dessen Darlegungen sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) gibt keinen Anlass, von dieser rechtlichen Beurteilung abzuweichen. Der Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
7
Der Kläger hält unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor allem daran fest, das streitgegenständliche Bauvorhaben verletze entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts das Rücksichtnahmegebot. Das Gericht habe in diesem Zusammenhang „zu Unrecht den Rechtsschutz des Klägers mit Hinweis darauf, dass die Abstandsflächen des Bauvorhabens eingehalten seien, verkürzt“. Dieser Vortrag verhilft seinem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg. Denn er setzt sich nicht mit den überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinander, dass hier – angesichts der konkreten Ausmaße und der Lage des Bauvorhabens – eine den Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme begründende, einmauernde oder erdrückende Wirkung, die insbesondere bei übergroßen Baukörpern mit geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommt, auszuschließen ist (UA S. 11). Damit entspricht sein Zulassungsvorbringen nicht den Anforderungen, die gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu stellen sind (vgl. zum Ganzen: Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 a Rn. 63). Das Gericht hat zwar anschließend auch auf den Umstand hingewiesen, dass die Einhaltung der einschlägigen Abstandsvorschriften, deren Prüfung indes erst Gegenstand der Baugenehmigung sein wird, ein (weiteres) Indiz dafür sei, dass kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Abgesehen davon, dass diese Erwägungen rechtlich zutreffend sind, erfolgten sie erkennbar lediglich ergänzend („überdies ist anzumerken“, UA S. 12), worauf auch der Beklagte zu Recht hingewiesen hat.
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Mit seiner im Zulassungsverfahren wiederholten Rüge, der streitgegenständliche Vorbescheid sei nicht hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), legt der Kläger ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils dar. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht in nachvollziehbarer Weise erläutert, der genaue Gegenstand des Vorbescheids lasse sich jedenfalls durch dessen Auslegung ausreichend deutlich ermitteln und seine nachträgliche Erweiterung sei entgegen der Annahme der Klägerseite ausgeschlossen. Der Einwand des Klägers, „es stünde sowohl der Behörde als auch dritten Personen hiernach prinzipiell frei, nachträglich bestimmte Unterlagen noch zum Genehmigungsgegenstand zu erheben, etwa durch entsprechende Stempelung“, ist durch nichts belegt und stellt eine bloße Behauptung dar.
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Soweit der Kläger außerdem erklärt, „wie auch die Ansichten zeigen, ermöglicht das angefochtene Bauvorhaben eine derart massive Einsichtnahme, dass der Kläger diese nicht hinnehmen muss“, ist auch dieser Hinweis nicht ausreichend substantiiert. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht diesbezüglich sinngemäß ausgeführt, unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten zulasten des Klägers entstünden durch das Bauvorhaben nicht. Insbesondere in bebauten, innerörtlichen Bereichen gehöre es zur Normalität, dass unter Umständen Einsicht in benachbarte Grundstücke und Gebäude genommen werden kann. Die Grenze des Zumutbaren werde erst überschritten, wenn derartige Einsichtsmöglichkeiten über das hinzunehmende Maß hinausgehen, etwa wenn ein Balkon in unmittelbarer Nähe zu einem vorhandenen Schlafzimmerfenster oder eine Dachterrasse aus kurzer Entfernung Einsichtsmöglichkeiten nicht nur in einen Innenhof, sondern auch in die Fenster eines Nachbargebäudes eröffnet. Dies sei hier angesichts eines Abstands von 12 m aber nicht der Fall (UA S. 12). Zu diesen Einlassungen verhält sich der Kläger nicht.
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2. Die Rechtssache weist auch nicht die behaupteten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, auf. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist der Sachverhalt hier geklärt und die aufgeworfenen Rechtsfragen können anhand der einschlägigen Vorschriften beantwortet werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil er sich im Zulassungsverfahren nicht beteiligt hat. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).