Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.05.2024 – 15 ZB 24.341
Titel:

Beseitigungsverfügung für einen im Außenbereich gelegenen Schuppen

Normenkette:
BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 3, Art. 63 Abs. 1 S. 1, Art. 76 S. 1
Leitsatz:
Es ist nicht tatsächlich oder rechtlich gesichert, dass Grundstücksflächen auf einem im Außenbereich gelegenen Nachbargrundstück nicht überbaut werden, wenn sich dort ein Graben befindet, da dieser jederzeit beseitigt oder zurückgebaut werden kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, nicht genehmigter Holzschuppen, nicht eingehaltene Abstandsflächen, Außenbereich., Abstandsfläche, Graben, Abweichung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 21.11.2023 – RN 6 K 21.2217
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12166

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Beklagten, der sie gemeinschaftlich verpflichtet, ein an der Grenze ihres im Außenbereich gelegenen Grundstücks errichtetes Holzgebäude zu beseitigen.
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Das Verwaltungsgericht hat ihre entsprechende Klage abgewiesen. Der formell und materiell illegal errichtete streitgegenständliche Schuppen sei nicht genehmigungsfähig. Er verstoße gegen das Abstandsflächenrecht nach Art. 6 BayBO, sei nicht bestandsgeschützt und Fehler des Beklagten bei Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens seien nicht ersichtlich.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie sind der Meinung, das Urteil des Verwaltungsgerichts unterliege ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit und die Rechtssache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, die Anordnung des Beklagten, den auf dem Grundstück der Kläger im Außenbereich ohne Genehmigung errichteten Holzschuppen zu beseitigen, sei rechtmäßig und verletze diese nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Vortrag im Zulassungsverfahren, auf dessen Darlegungen sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) gibt keinen Anlass, von dieser rechtlichen Beurteilung abzuweichen. Der Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab. Ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
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a) Die Kläger machen geltend, die ergangene Beseitigungsanordnung, Art. 76 Abs. 1 BayBO, sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtswidrig, weil tatsächlich kein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht nach Art. 6 Satz 1 BayBO vorliege. Das Gericht habe „nicht hinreichend begründet und im Ergebnis falsch die Einschlägigkeit der Ausnahme des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO abgelehnt“ und außerdem übersehen, dass hier „eine Abweichung nach Art. 63 BayBO in Betracht komme“, angesichts derer sich die verfügte Beseitigungsanordnung als unverhältnismäßig darstelle. Dieses Vorbringen verhilft ihrem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg.
8
Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO dürfen sich Abstandsflächen sowie Abstände im Sinn des Satzes 1 ganz oder teilweise auf andere Grundstückstücke erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden, oder wenn der Nachbar gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich zustimmt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien hier nicht erfüllt. Weder hat der benachbarte Grundstückseigentümer einer entsprechenden Abstandsflächenübernahme schriftlich zugestimmt, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass rechtlich oder tatsächlich ausreichend gesichert wäre, dass die betreffenden Flächen auch künftig nicht bebaut werden. Die Kläger weisen zwar in diesem Zusammenhang darauf hin, ein „wohl der Wasserableitung dienender“ Graben und die – ihrer Meinung nach – mangelnde Erschließung des „als Feld genutzten“ Nachbargrundstücks verhinderten dort auch künftig „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der allgemeinen Lebenserfahrung nach“ jegliche Bebauung. Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts sei deshalb „rein theoretischer Natur und praktisch nicht nachvollziehbar“. Diese Argumentation überzeugt nicht. Sie setzt sich insbesondere nicht hinreichend mit den in den Augen des erkennenden Senats durchaus nachzuvollziehenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 10 f.) auseinander, wonach ein künftiger Abstandsflächenkonflikt schon deshalb nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Dauer ausgeschlossen ist, weil der bestehende Graben grundsätzlich jederzeit beseitigt oder zurückgebaut und auch eine gemäß § 35 Abs. 1 BauGB zulässige Außenbereichsbebauung des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks nicht völlig ausgeschlossen werden könne.
9
Soweit die Kläger außerdem wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorbringen, sie hätten jedenfalls Anspruch auf „Erteilung einer Abweichung“ gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO, der ihrer Auffassung nach hier „einzig rechtmäßigen Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung“, ist das schon deshalb nicht der Fall, weil sie niemals einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt haben. Dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift bei zutreffender Würdigung der nachbarlichen Belange vor allem angesichts der Ausmaße des Schuppens auch inhaltlich nicht vorliegen, hat das Verwaltungsgericht überzeugend begründet. Daran ändert auch das erklärte Interesse der Kläger, den Schuppen weiterhin zur Lagerung ihres „Heizholzes“ nutzen zu wollen, nichts.
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b) Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags halten die Kläger auch an ihrer Ansicht fest, die Beseitigungsanordnung nach Art. 76 BayBO leide im Hinblick auf das Alter des Schuppens, der „an dieser Stelle schon seit Jahrzehnten existent“ und stets geduldet worden sei, an Ermessensfehlern. Überdies hätten sie auf eine Zusicherung des zuständigen Landrats, „die Sache sei erledigt und eine Beseitigungsanordnung werde nicht verfügt“, vertrauen dürfen. Diesbezüglich hat allerdings bereits das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung darauf verwiesen, dass ersteres hier insbesondere angesichts des zu keiner Zeit genehmigten bzw. genehmigungsfähigen „Schwarzbaus“ im Außenbereich nicht der Fall ist. Was die angebliche Zusicherung betrifft, ist diese unstreitig nicht schriftlich und damit nicht wirksam erfolgt, vgl. Art. 38 BayVwVfG, und wird vom Beklagten außerdem ausdrücklich bestritten.
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2. Die Rechtssache weist auch nicht die behaupteten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern könnten, auf. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist der Sachverhalt hier geklärt und die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich anhand der einschlägigen Vorschriften beantworten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).