Inhalt

VGH München, Urteil v. 09.04.2024 – 15 N 23.1366
Titel:

Festsetzung von Baulinien und Baugrenzen sowie von Grünflächen in Bebauungsplan

Normenketten:
BauGB § 1 Abs. 7, § 9 Abs. 1 Nr. 25 lit. a
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:
Es verstößt nicht gegen das Abwägungsgebot, wenn die Festsetzungen von u-förmigen Baugrenzen und die zu begrünenden Flächen auf einem Grundstück, die sich am Ist-Zustand dieses Grundstücks orientieren, dazu dienen sollen, die Frei- und Gartenflächen an der Straße zu erhalten. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine Verletzung des Gleichheitsgebots aufgrund zweier u-förmiger Baugrenzen und Festsetzung „privater Grünfläche“, kein Verlust von Baurecht, kein Abwägungsfehler wegen Festsetzung öffentlicher Straßenfläche., Bebauungsplan, Baulinie, Baugrenze, Grünfläche, Abwägung, Gleichheitssatz, öffentliche Straßenfläche
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12164

Tenor

I.    Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II.    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Antragsteller wendet sich gegen einen von der Antragsgegnerin im Regelverfahren aufgestellten Bebauungsplan Nr. … für das Gebiet entlang der B.-Straße (Ortsmitte). Der Bebauungsplan wurde am 20. Juli 2022 beschlossen und am 3. August 2022 bekannt gemacht. Er setzt für das im Plangebiet liegende und mit einem landwirtschaftlichen Betrieb bebaute Grundstück des Antragstellers u.a. Baulinien entlang der B.-Straße, Baugrenzen sowie zu begrünende und zu bepflanzende Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB fest. Zudem wird ein ca. 26 qm großer, entlang der B.-Straße liegender Teilbereich des Grundstücks des Antragstellers als öffentliche Straßenverkehrsfläche festgesetzt. Die Art der baulichen Nutzung regelt der Bebauungsplan nicht. Ziele der Planung sind u.a. die Sicherung der ortsbildprägenden Gebäudestruktur, Gebäudeanordnung und Baugestaltung entlang der B.-Straße, der Erhalt der charakteristischen dörflichen Grün- und Freiflächen insbesondere der bestehenden begrünten Vorgarten- und Hofbereiche, die Sicherung des Fortbestandes landwirtschaftlich betriebener Hofstellen, die Ermöglichung einer verträglichen Nachverdichtung, die Schaffung und Sicherung fußläufiger Wegeverbindungen sowie die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durch die Anbindung des Sebastianweges an die B.-Straße im Norden des Plangebiets.
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Im Aufstellungsverfahren erhob der Antragsteller mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 30. August 2021 und vom 2. Mai 2022 Einwendungen, die in den Sitzungen der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2021 und 20. Juli 2023 behandelt wurden. Die Satzung wurde am 21. Juli 2022 ausgefertigt und am 3. August 2022 ortsüblich bekannt gemacht.
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Mit Schriftsatz vom 1. August 2023 erhob der jetzige Bevollmächtigte des Antragstellers Normenkontrollantrag. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Antragsteller sei Baurecht genommen worden, weswegen sein Grundstück einen erheblichen Wertverlust erleide. Er werde hinsichtlich der baulichen Ausnutzbarkeit seines Grundstücks ohne sachlichen Grund schlechter gestellt als vergleichbare Grundstückseigentümer. Nur auf seinem Grundstück seien zwei u-förmige Baugrenzen zur Straße und südwestlich an das bestehende Wohnhaus bis zur Grundstücksgrenze eine private Grünfläche festgesetzt worden. Eine Verbreiterung der bestehenden Straße unter Inanspruchnahme seines Grundstücks sei nicht erforderlich, insbesondere genüge der auf einer Seite liegende Gehweg den Anforderungen an die Verkehrssicherheit. Zudem solle die Kreisstraße zur O. straße abgestuft werden. Obwohl im Plangebiet neben dem Betrieb des Antragstellers weitere landwirtschaftliche Viehhaltungsbetriebe bestünden, seien die landwirtschaftlichen Immissionen, die für die Wohnbebauung entstünden, weder erfasst noch bei der Abwägung berücksichtigt worden.
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Der Antragsteller beantragt zuletzt sinngemäß,
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den Bebauungsplan Nr. … für das Gebiet entlang der B.-Straße (Ortsmitte) im Stadtteil D. der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Da der Bebauungsplan keine Gebietsart festsetze, seien keine geruchsfachlichen Ermittlungen erforderlich. Das Grundstück des Antragstellers sei nicht mit den anderen vergleichbar, da es größer sei und mit einer der längsten Grundstückserstreckungen entlang der Straße liege. Die Breite der festgesetzten Verkehrsfläche sei unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers zur Herstellung der Verkehrssicherheit der Fußgänger und um in der bislang einzigen Ortsdurchfahrt auf die Ausmaße der die Durchfahrt nutzenden, modernen landwirtschaftlichen Maschinen Rücksicht zu nehmen, erforderlich. Auf dem Grundstück des Antragstellers sei keine private Grünfläche, sondern eine Festsetzung von zu begrünenden und zu bepflanzenden Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB erfolgt, die keinen abwägungsrechtlichen Bedenken begegne.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Der zulässige Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Der Bebauungsplan leidet nicht an beachtlichen formellen oder materiellen Fehlern. Insbesondere liegt kein beachtlicher Abwägungsmangel vor.
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Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot, um die Verfahrensanforderung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten (zutreffend) zu ermitteln und zu bewerten sind. Insgesamt unterliegt die Abwägung allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die „elementare planerische Entschließung“ der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang (vgl. BayVGH, U.v. 11.3.2024 – 15 N 23.83 – juris Rn. 27). Dabei differenziert das Gesetz in Bezug auf die Fehlerfolgenregelungen zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis. Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (BayVGH, U.v. 7.10.2022 – 9 N 21.190 – juris Rn. 43).
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a) Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB ist nicht ersichtlich, insbesondere musste die Antragsgegnerin keine geruchsfachlichen Ermittlungen anstellen.
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Wie sich aus Ziffer 4.2 der Begründung (Bl. 21) des Bebauungsplans ergibt, wurde bewusst auf die Festsetzung der Gebietsart verzichtet. Dort wird ausgeführt, die Nutzung des Altorts sei wesentlich durch eine gemischte Nutzung aus landwirtschaftlich betriebenen Hofstellen, Wohnnutzungen und vereinzelten gewerblich genutzten Bereichen geprägt. Die zukünftigen Nutzungen sollten sich in ihrer Art in dieses Gebiet einfügen, was ausreichend über die Beurteilung nach § 34 und § 35 BauGB gewährleistet werden könne. Demnach bestand, anders als der Antragsteller meint, bei der Ermittlung des Abwägungsmaterials keine Veranlassung, die landwirtschaftlichen Immissionen zu erfassen und zu bewerten. Dies gilt umso mehr, da durch die Festsetzungen zur bebaubaren Grundstücksfläche lediglich geregelt wurde, wo auf den Grundstücken eine Bebauung möglich ist, nicht aber welche Arten der baulichen Nutzungen darin zulässig sein sollen. Demnach ist erst im Baugenehmigungsverfahren aufgrund der gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten zu prüfen, welche Regelungen zu treffen sind, um die Belange der vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe und die Belange der zukünftigen Nutzungen in Einklang zu bringen.
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b) Es liegt auch kein Fehler des Abwägungsergebnisses nach § 1 Abs. 7 BauGB vor.
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aa) Das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG wurde im Hinblick auf die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zur überbaubaren Grundstücksfläche für das Grundstück des Antragstellers im Vergleich zu den anderen Grundstücken im Planbereich nicht verletzt.
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Im Bebauungsplan wurden nicht nur für das Grundstück des Antragstellers zwei u-förmige Baugrenzen zur B.-Straße hin festgesetzt, eine vergleichbare Festsetzung findet sich auch für das diesem jenseits der Straße gegenüberliegende Grundstück Fl.-Nr. 1 sowie für die Grundstücke Fl.-Nr. 219/2 und 219. Wie sich aus S. 23 ff. der Abwägungstabelle zum Beschluss des Planungs- und Stadtentwicklungsausschusses vom 22. Juli 2022 (Bl. 464 der Planaufstellungsakte) ergibt und aus den Plänen ersichtlich ist, ist das Grundstück des Antragstellers eines der größten Grundstücke im Planungsgebiet mit einer sehr langen Grundstücksgrenze zur B.-Straße. Die u-förmige Aussparung wurde daher ausweislich der Argumentation in der Abwägungstabelle gewählt, weil die große Freifläche entlang der B.-Straße ortsbildprägend ist und als Grünfläche erhalten werden soll. Das „zweite u“ ergibt sich daraus, dass das giebelständige Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers ebenfalls ortsbildprägend ist und diese Gebäudestellung zukünftig erhalten werden soll. Diese Erwägungen begegnen keinen Bedenken. In der Sitzung des Planungs- und Stadtentwicklungsausschusses vom 10. März 2022 (Bl. 149 der Planaufstellungsakte) wurden die Belange des Schutzes des angestrebten Ortsbildes, des benachbarten Baudenkmals und des auf dem Grundstück stehenden ortsbildprägenden Baumes mit den Bedenken des Eigentümers des Grundstücks Fl.-Nr. 3, ihm würde durch den Bebauungsplan Baurecht genommen, ordnungsgemäß zugunsten des Eigentümers abgewogen und ein Bauraum straßenseitig festgesetzt. Die Situation auf dem Grundstück Fl.-Nr. 3 ist mit der des Grundstücks des Antragstellers aber schon deshalb nicht vergleichbar, da das Grundstück deutlich kleiner und unbebaut ist. Zwar trifft es zu, dass das Grundstück des Antragstellers (nur) mit einem Dreiseithof bebaut ist. Es wird durch die Festsetzungen der u-förmigen Baugrenzen aber kein nicht vorhandener Dreiseithof fingiert, wie der Antragsteller meint. Vielmehr dienen die Baugrenzen und die zu begrünenden Flächen auf dem Grundstück des Antragstellers dazu, die Frei- und Gartenflächen an der Straße zu erhalten (vgl. Abwägungstabelle S. 24, Bl. 465 der Planaufstellungsakte). Entscheidend für die Festsetzungen des Bebauungsplans war der Ist-Zustand des Grundstücks des Antragstellers sowie die im Verhältnis zu den anderen Grundstücken erhebliche Größe. Die vom Antragsteller in den Raum gestellte eventuelle Teilung des Grundstücks war für die Antragsgegnerin nicht zu erkennen und daher auch nicht zu berücksichtigen. Anders als der Antragsteller meint, wurden auf dem Grundstück mit der Hausnummer 26 (Fl.-Nr. 96) nördlich des Hofgebäudes Baugrenzen festgesetzt. Soweit der Antragsteller vorträgt, auf dem Anwesen I. W. 2 und 4 sei eine Errichtung eines Wohnhauses genehmigt worden, ist dem entgegenzusetzen, dass die Situation auf den von ihm genannten Grundstücken im streitgegenständlichen Verfahren nicht vergleichbar ist, denn die Straße I. W. ist abgesetzt von der B.-Straße und liegt außerhalb des Bebauungsplans. Ziel des Bebauungsplans ist die Sicherung der ortsbildprägenden Gebäudestruktur, Gebäudeanordnung und Baugestaltung entlang der B.-Straße und nicht entlang der Straße I. W..
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Auf dem Grundstück des Antragstellers wurde eine Fläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB mit der Festsetzung, dass die Flächen zu begrünen und zu bepflanzen sind, ausgewiesen. Diese Festsetzung erfolgte abwägungsfehlerfrei, da die Antragsgegnerin die Einschränkung des Antragstellers gesehen, aber ihren städtebaulichen Zielen im Rahmen des planerischen Ermessens den Vorrang eingeräumt hat, indem sie in der Abwägungstabelle vom 20. Juli 2022 (Bl. 467 der Planaufstellungsakte) ausführt, die in der Planzeichnung solchermaßen festgesetzte Fläche sei bereits im Bestand eine mit Bäumen, Sträuchern, Rasenfläche und Gemüsegarten begrünte Freifläche. Gegen die Auffassung der Antragsgegnerin, bezogen auf die Grundstücksgröße betrage die zu begrünende Fläche 12,7% und sei daher nicht erheblich, ist nichts zu erinnern. Ziffer D 11.2 und D.11.10 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sehen zudem Ausnahmen hiervon vor, u.a., dass notwendige Zufahrten und Zugänge, offene oberirdische Stellplätze sowie eine Unterbauung mit Zisternen von den Begrünungsfestsetzungen ausgenommen sind, wodurch auf die Nutzung des Grundstücks durch einen landwirtschaftlichen Betrieb besonders Rücksicht genommen wird. Der Antragsteller hat hiergegen auch nichts Substantiiertes eingewandt. Zudem trifft nicht zu, dass südlich des Dorfplatzes an der B.-Straße nur schmale Grünstreifen festgesetzt wurden. So wurden auf Fl.-Nr. 219/2 und 219 vergleichbare große Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB und Baulinien an der Straße festgesetzt. Ebenso wenig ist die Grundstückssituation auf Fl.-Nr. 22, die nach dem Vortrag des Antragstellers bisher eine unbebaute, als Parkplatz genutzte Freifläche darstelle, mit der Situation auf seinem Grundstück vergleichbar. Auf dem viel größeren Grundstück des Antragstellers befindet sich eine landwirtschaftliche Hofstelle samt Grün- und Freiflächen, die nach den Zielen des Bebauungsplans erhalten werden sollen. Auf den Luftbildern des Bayern Atlas Plus ist hingegen zu erkennen, dass auf der Fl.-Nr. 22 an der Straße die Fläche versiegelt ist; lediglich im rückwärtigen Bereich befindet sich Wald. Demnach gibt es auf diesem Grundstück kaum erhaltenswerte charakteristische dörfliche Grün- und Freiflächen. Dennoch wurde aber auf der Fl.-Nr. 22 direkt an der Straße und nördlich des Dorfplatzes auch eine Fläche nach § 9 Abs. Nr. 25a BauGB festgesetzt.
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bb) Ebenso wenig wurde das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung für das Grundstück des Antragstellers im Vergleich zu den anderen Grundstücken im Planbereich verletzt. Es wurde ihm auch kein Baurecht genommen.
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Zwar ist der Hinweis des Antragstellers zutreffend, dass die Antragsgegnerin auf entsprechende Einwendungen des Eigentümers des Grundstücks Fl.-Nr. 3 dort einen zusätzlichen Bauraum geschaffen hat. Jedoch wurde auch beim Antragsteller aufgrund einer Bauaktenrecherche ermittelt, welches Baurecht nach § 34 BauGB bisher auf seinem Grundstück bestand. Eine Vergleichbarkeit mit dem vom Antragsteller erwähnten Grundstück Fl.-Nr. 3 liegt schon deshalb nicht vor, da das Grundstück des Antragstellers mehr als doppelt so groß und bereits mit Gebäuden für einen landwirtschaftlichen Betrieb bebaut ist, während das Grundstück Fl.-Nr. 3 unbebaut und unter Berücksichtigung der dortigen Gegebenheiten andernfalls auch künftig kaum bebaut werden könnte.
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Zudem hat die Antragsgegnerin die bisherige Bebaubarkeit des Grundstücks des Antragstellers ermittelt und bei der Abwägung berücksichtigt. Dies ergibt sich aus der Abwägungstabelle (S. 24) zum Beschluss vom 20. Juli 2022: „Das Ergebnis der Prüfung ergab eine Grundfläche gem. § 19 Abs. 2 BauNVO von ca. 1.320 qm (GRZ 0,33), zuzüglich der Grundfläche baulicher Anlagen gem. § 19 Abs. 4 BauNVO von ca. 2.770 qm (GRZ 0,70). Dieses Baurecht ist auch weiterhin innerhalb der festgesetzten Baugrenzen realisierbar. Unter Berücksichtigung der textlichen Festsetzung D. I. 1 ist eine GRZ gem. 19 Abs. 2 BauNVO von max. 0,4 zulässig. Das bedeutet, dass innerhalb des festgesetzten Bauraums eine Grundfläche von ca. 1.580 qm realisiert werden kann. Sollte das Grundstück weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, wäre eine max. GRZ von 0,6 zulässig, was einer Grundfläche von ca. 2.370 qm entspricht. Insofern ist dargelegt, dass kein Baurecht genommen wird, sondern lediglich die Flexibilität bzw. Freiheit in der Ausführungsplanung gesteuert wird.“
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Hiergegen hat der Antragsteller nichts Substantiertes eingewandt. Er behauptet zwar, er hätte vier weitere Wohnhäuser mit einer Wohnfläche von je 250 qm, nämlich neben dem bestehenden Wohnhaus an der Straße noch zwei weitere zur Straße stehende Wohnhäuser und im rückwärtigen Bereich zwei weitere Wohnhäuser mit jeweils sechs Wohneinheiten errichten dürfen. Nunmehr seien nur noch zwei Wohnhäuser mit einer Grundfläche von 250 qm und maximal 5 Wohneinheiten im rückwärtigen Grundstücksbereich sowie ein weiteres Haus mit reduzierter Grundfläche an der Straße möglich.
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Aufgrund der Pläne und der Unterlagen ist diese Behauptung des Antragstellers aber nicht nachvollziehbar, zumal in den Festsetzungen nirgends ausgeführt ist, dass nur 5 Wohneinheiten zulässig sein sollen. Die Bebaubarkeit des Grundstücks des Antragstellers hatte sich bisher hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung nach § 34 BauGB gerichtet. Daran ändert sich durch den Bebauungsplan im rückwärtigen Bereich des Grundstücks nichts, da dort weder die Art noch das Maß der Bebauung festgelegt wurde, mithin weiterhin insoweit § 34 BauGB gilt. Zudem ist fraglich, ob im rückwärtigen Bereich des Grundstücks ein Baurecht für Wohnhäuser bestand bzw. falls das der Fall war, welches Maß der baulichen Nutzung gegolten hätte, denn im rückwärtigen Grundstücksbereich des Antragstellers gab es bisher lediglich landwirtschaftliche Gebäude bzw. Nebenanlagen. Gleiches gilt für die Frage, ob die – nunmehr u-förmig ausgesparten – Bereiche bebaubar waren, da diese Flächen auch schon bisher ortsbildprägend gewesen sein dürften.
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cc) Es bestehen auch keine Fehler im Hinblick auf die Festsetzungen öffentlicher Straßenflächen.
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Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe in sein Eigentum zu Unrecht eingegriffen, indem sie die veraltete Straßenplanung aus dem Jahr 2013 mit überkommenen Vorstellungen der optimalen Verkehrserschließung für den motorisierten Individualverkehr herangezogen habe, weswegen er einen 26 qm großen Streifen seines Grundstücks abgeben müsse. Da durch die Inanspruchnahme dieses Streifens sein bäuerlicher Vorgarten verkleinert werde, widerspreche diese Festsetzung den Zielen des Bebauungsplans, das Ortsbild mit seinen charakteristischen Freiräumen zu erhalten. Die Straße solle zudem zur O. straße abgestuft werden. Der bisherige Verkehr könne problemlos bewältigt werden, auch der Gehweg entspreche der Verkehrssicherheit. Wegen des ab dem Kreisverkehr geltenden Durchfahrtsverbots für LKW habe die Straße keine überörtliche Bedeutung.
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Dieser Vortrag des Antragstellers, es handele sich um eine überholte Straßenplanung von 2013 für den motorisierten Verkehr und die Straße solle herabgestuft werden, ist unsubstantiiert und durch nichts belegt. Auf S. 26 der Abwägungstabelle vom 20. Juli 2022 (Bl. 465 der Planaufstellungsakte) wird ausgeführt, dass die B.-Straße als Kreisstraße ausgewiesen sei und eine dementsprechende Verkehrsfunktionen und einen dementsprechenden technischen Zustand aufzuweisen habe. Gerade der Schutz des besonders gefährdeten, fußläufigen Verkehrs z. B. der Schulkinder oder mobilitätseingeschränkter älterer Bevölkerungsteile, solle straßenbaulich verbessert werden. Auf die straßenrechtliche Einstufung kommt es hierbei nicht an.
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Unter 3.1. der Erläuterung des Baureferats vom 4.2.22 als Anlage zum Bebauungsplan (Bl. 1142 der Planaufstellungsakte), die sich auf die Planung der H. + W. Bauingenieure vom Juli 2013 bezieht, wird ausgeführt, dass zur Realisierung eines beidseitigen straßenbegleitenden Gehwegs Eingriffe in angrenzende Privatgrundstücke notwendig seien. Unstreitig gibt es im Bereich des Grundstücks des Antragstellers nur einen Fußweg auf der Seite des Antragstellers. Zur Sicherstellung einer ausreichenden Fahrbahnbreite für den Verkehr auf der Kreisstraße und zur Herstellung von beidseitigen, ausreichend breiten Gehwegen hat die Antragsgegnerin daher die Inanspruchnahme des 26 qm großen Streifens aus dem Vorgarten des Antragstellers abwägungsfehlerfrei als erforderlich angesehen und dem Ziel, das Ortsbild zu erhalten, vorgezogen.
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Nach Auffassung des Antragstellers ist die Annahme der Antragsgegnerin, die B.-Straße werde von überörtlichem gewerblichen Gütertransportverkehr geprägt, nicht nachvollziehbar, da aufgrund des ab dem Kreisverkehr nach F. geltenden Durchfahrtsverbots für LKW deren Aufkommen sich auf Quell- und Zielverkehr beschränke. Nach der Abwägungstabelle vom 20. Juli 2022 war Ziel des Bebauungsplans u.a. die Erhöhung der Verkehrssicherheit. Auf S. 27 der Tabelle (Mitte) wurde lediglich ausgeführt, damit der Schwerlastverkehr (LKW,Traktoren) beim Begegnen ausweichen könne, bedürfe es eines Mittelbordes. Demnach war bei der Abwägung der gewerbliche Gütertransportverkehr nicht entscheidend. Zudem befinden sich an der B.-Straße landwirtschaftliche Hofstellen. Zumindest für diesen Verkehr (Traktoren mit entsprechenden landwirtschaftlichen Geräten) ist eine ausreichende Fahrbahnbreite erforderlich, unabhängig davon, ob überörtlicher Güterverkehr durch die Straße fahren darf oder nicht.
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dd) Es besteht auch kein Fehler im Abwägungsergebnis nach § 1 Abs. 7 BauGB, weil die Immissionen der bestandsgeschützten, landwirtschaftlichen Betriebe nicht erfasst worden sind. Wie bereits oben ausgeführt, ergibt sich aus Ziffer 4.2 der Begründung (Bl. 21) des Bebauungsplans, dass bewusst auf die Festsetzung der Gebietsart verzichtet wurde. Demnach bestand bei der Ermittlung des Abwägungsmaterials keine Veranlassung, die landwirtschaftlichen Immissionen zu erfassen, zu bewerten und abzuwägen.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
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3. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).