Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.05.2024 – 11 ZB 23.2202
Titel:

Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entziehung im Strafverfahren (Trunkenheitsfahrt) – Berufungszulassung

Normenketten:
StVG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 1 Nr. 2
FeV § 11 Abs. 1, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c, lit. d, § 20 Abs. 1 S. 1, Anl. 4 Nr. 8.1
Leitsätze:
1. Anders als im Entziehungsverfahren trifft den Bewerber im Neu- bzw. Wiedererteilungsverfahren nach vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis die materielle Beweislast für das Vorhandensein der Fahreignung. Aus der Wertung des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c und d FeV folgt, dass (auch) eine (einmalige) Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder eine deshalb erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis Eignungszweifel wegen einer Alkoholproblematik begründet. Solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen, besteht kein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis (vgl. VGH München BeckRS 2024, 3115 Rn. 30 mwN). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat ein Bewerber ein Fahreignungsgutachten vorgelegt, spielt es keine Rolle, ob die Fahrerlaubnisbehörde dieses (förmlich und ordnungsgemäß) angeordnet hat, denn das gutachterliche Ergebnis schafft eine neue Tatsache, die selbstständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot steht auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (vgl. VGH München BeckRS 2023, 37904 Rn. 17 mwN). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Versagung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist ebenso wie ihre Entziehung – jedenfalls zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie des Lebens und der Gesundheit – auch in Härtefällen bzw. bei Angewiesenheit des Betroffenen auf die Fahrerlaubnis und ungeachtet seiner persönlichen Verhältnisse oder individueller Schicksalsschläge verhältnismäßig (vgl. VGH München BeckRS 2024, 3115 Rn. 26 mwN). Dem Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen kommt besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen zu, die einem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber in beruflicher oder in privater Hinsicht entstehen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entziehung im Strafverfahren wegen Führens eines Kraftfahrzeugs in erheblich alkoholisiertem Zustand (1, 87 ‰), Alkoholmissbrauch, zwei negative Fahreignungsgutachten, Neu- bzw. Wiedererteilungsverfahren, materielle Beweislast für die Fahreignung, Eignungszweifel wegen Alkoholproblematik, Fahreignungsgutachten, neue Tatsache mit selbstständiger Bedeutung, berufliche oder private Nachteile
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 11.10.2023 – W 6 K 23.858
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12155

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung der Neuerteilung der ihm zuletzt am 7. Dezember 2017 durch die Beklagte erteilten Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1 (79.03, 79.04), A (79.03, 79.04), B, BE (79.06), C1 (171), C1E und L.
2
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 8. Dezember 2020 verurteilte ihn das Amtsgericht Schweinfurt wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, entzog ihm die Fahrerlaubnis und verhängte eine Wiedererteilungssperre von neun Monaten. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger am 27. Juli 2020 alkoholisiert ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Ein Atemalkoholtest um 19:59 Uhr wies einen Wert von 0,99 mg/l auf, ein weiterer Atemalkoholtest um 20:01 Uhr einen Wert von 0,95 mg/l und die dem Kläger um 20:15 Uhr entnommene Blutprobe einen Mittelwert von 1,87 ‰.
3
Am 2. Juni 2022 beantragte der Kläger die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis und legte dazu ein von der Beklagten verlangtes medizinisch-psychologisches Gutachten der TÜV ... GmbH ... vom 29. August 2022 sowie ein Gutachten der TÜV ... GmbH & Co.KG vom 20. Dezember 2022 aufgrund einer Vergleichsuntersuchung vor. Beide Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass zu erwarten sei, der Kläger könne das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen.
4
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Februar 2023 den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis ab.
5
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Unterfranken mit Bescheid vom 22. Mai 2023 zurück.
6
Am 23. Juni 2023 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben, das diese nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren mit Urteil vom 11. Oktober 2023 als unbegründet abwies. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV müssten Bewerber um die Fahrerlaubnis auch im Neuerteilungsverfahren die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nachweisen. Bei Alkoholmissbrauch bestehe die Fahreignung nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV in der Regel nicht. Solange Eignungszweifel vorlägen, die eine Beibringungsanordnung rechtfertigten, bestehe kein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis. Die Beklagte habe zu Recht gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet, ohne dass ihr insoweit ein Ermessensspielraum zugestanden habe. Aufgrund des rechtskräftigen Strafbefehls vom 8. Dezember 2020 stehe fest, dass der Kläger am 27. Juli 2020 ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,87 ‰ geführt habe. Beide Fahreignungsgutachten kämen zu dem Ergebnis, dass bei ihm zwar keine körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen vorlägen, die mit einem missbräuchlichen Konsum von Alkohol im Zusammenhang gebracht werden könnten, gleichwohl aber zu erwarten sei, dass er das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen könne. Diese Gutachten habe die Behörde zur Grundlage ihrer ablehnenden Entscheidungen machen dürfen. Sie entsprächen den gesetzlichen Anforderungen, seien insbesondere unter Beachtung der Anforderungen aus Anlage 4a zur FeV erstellt worden, legten den korrekten Sachverhalt zugrunde und wendeten die richtigen Maßstäbe an. Ferner seien sie in sich widerspruchsfrei und setzten sich neutral mit dem Vorbringen des Klägers auseinander. Es werde jeweils nachvollziehbar dargelegt, auf welchen Grundlagen sie beruhten und welche Überlegungen zu den für den Kläger negativen Beurteilungen geführt hätten. Im ersten Gutachten würden die einschlägigen Hypothesen der Beurteilungsrichtlinien benannt und näher ausgeführt, dass der Kläger trotz Nachfragen Alkoholtrinkgewohnheiten geschildert habe, aus denen sich der erforderliche Grad an Alkoholgewöhnung nicht ableiten lasse, sodass wesentliche Ursachen für das Zustandekommen der Trunkenheitsfahrt ungeklärt seien. Aus seinen Ausführungen ergebe sich, dass er dem Zustandekommen seines Fehlverhaltens teilweise noch ratlos gegenüberstehe und keine Erklärung dafür habe, warum er am Tattag so viel getrunken habe. Daher könne keine ausreichend abgesicherte prognostische Aussage abgeleitet und auch der Grad der Alkoholgefährdung nicht eindeutig und abschließend bestimmt werden. Im zweiten Gutachten werde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die kumulativen Voraussetzungen einer ausreichenden Änderung des Trinkverhaltens, einer stabilen und motivational gefestigten Änderung im Umgang mit Alkohol und des Fehlens auf missbräuchlichen Alkoholkonsum hindeutender körperlicher Befunde sowie verkehrsrelevanter Leistungs- und Funktionsbeeinträchtigungen als Folgen früheren Alkoholmissbrauchs nicht erfüllt seien. Die Motivation des Klägers für einen dauerhaften Alkoholverzicht sei noch nicht ausreichend gefestigt. Er lasse diesbezüglich eine noch leicht ambivalente Haltung erkennen und sei sich seines früheren, deutlich von der Norm abweichenden Alkoholkonsums noch nicht hinreichend bewusst. Zum Teil zeigten sich bei der Schilderung des früheren Trinkverhaltens noch deutliche Bagatellisierungstendenzen. Auch die Darstellung seiner Trinkgewohnheiten wirke beschönigend und teilweise unplausibel. Die Alkoholgewöhnung zur Zeit der Trunkenheitsfahrt könne mit den geschilderten Trinkgewohnheiten nicht vollumfänglich erklärt werden. Die Angabe, nur am Wochenende konsumiert zu haben, wirke unrealistisch. Die genannten Gründe für den Alkoholverzicht, nämlich vor allem die derzeitigen Probleme mit der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis, müssten gutachterlich als nicht tragfähig bewertet werden, da danach regelmäßig ein abnehmender Veränderungsdruck bestehe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die persönlichen Hintergründe seines Alkoholkonsums und vor allem dessen Funktionalität, die über ein reines Genusstrinken hinausgehen müsse, noch nicht in ausreichendem Maße aufgearbeitet und die individuellen Bedingungen für die Entwicklung des überhöhten Alkoholkonsums nicht hinreichend nachvollziehbar dargestellt habe. Folglich könnten die angegebenen Veränderungen gutachterlich nicht dahingehend beurteilt werden, ob sie ursachenbezogen und damit dauerhaft stabil seien. Zudem sei keine angemessene Auseinandersetzung mit Fragen der Rückfallverhinderung erkennbar gewesen. Vor diesem Hintergrund sei nachvollziehbar, dass der Gutachter nicht hinreichend sicher eine günstige Prognose habe stellen können. Auch im Klageverfahren habe der Kläger die Aussagekraft der beiden Gutachten nicht substantiell erschüttert. Die Klagebegründung sei im Wesentlichen darauf gerichtet, aus seinem Vorbringen bei den Begutachtungen andere Schlüsse zu ziehen und mit den medizinischen Befunden ein ausreichendes Trennungsvermögen zu belegen. Da aber Angaben zum Trinkverhalten fehlten, die den erreichten Promillewert nachvollziehbar erklärten, werde die fehlende Einsicht deutlich. Dies lasse den Schluss auf einen stabilen Einstellungswandel nicht zu. Maßgeblich sei, dass das bei beiden Begutachtungen geschilderte Trinkverhalten nicht die erreichte Blutalkoholkonzentration zu erklären vermöge, sodass schon die Grundlage für eine sichere Prognose fehle. Hierzu sei im Klageverfahren nichts Durchgreifendes vorgetragen worden. Es werde verkannt, dass reine Abstinenzbelege nicht das Erfordernis eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens ersetzen könnten, da eine etwaige Abstinenz nichts über deren Stabilität aussage.
7
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache und einen Aufklärungsmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO) geltend. Auch wenn die Voraussetzungen für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV unstreitig vorlägen, stehe damit ein Alkoholmissbrauch im rechtlichen Sinne noch nicht fest. Nach der Systematik der einschlägigen Vorschriften begründe das Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr den Verdacht eines Alkoholmissbrauchs im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV bzw. sei ein Indiz hierfür. Diesem Verdacht habe die Fahrerlaubnisbehörde durch Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nachzugehen. Stünde mit Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ein Alkoholmissbrauch bereits fest, hätte eine Beibringungsanordnung nach § 11 Abs. 7 FeV zu unterbleiben und gäbe es keinen Anwendungsbereich für § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV. Eine etwaige medizinisch-psychologische Untersuchung habe die Fahrerlaubnisbehörde nicht angeordnet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und d FeV unzweifelhaft vorlägen, gehe fehl. Zu Unrecht gehe das Gericht von einem Vorliegen eines etwaigen Alkoholmissbrauchs im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV aus. Hilfsweise sei die Fahreignung nach einem etwaigen Alkoholkonsummissbrauch gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV wieder gegeben, was durch eine psychologische Begutachtung festzustellen sei. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die beiden Gutachten die Kraftfahreignung positiv feststellten und somit die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG vorlägen. Aus den Gutachten gehe gerade nicht hervor, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könnten. Ein etwaiger Alkoholmissbrauch sei beendet. Es lägen eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens und ein stabiler, motivational gefestigter Einstellungswandel vor. Das Verwaltungsgericht verkenne die in den Gutachten dargelegten Beweggründe des Klägers und die nach allgemeiner Lebenserfahrung möglichen Gründe für eine Abstinenz. Aus ihnen gehe nicht hervor, dass dem Kläger ein ‚kontrolliertes‘ Trinken nicht möglich sei und ihm deshalb ‚nur‘ die Abstinenz bleibe. Der Kläger habe deren gesundheitliche Vorteile und den Wandel hin zu einer gesünderen und bewussteren Lebensweise geltend gemacht. Mit diesen in der Klagebegründung vorgetragenen Aspekten setze sich das Gericht allenfalls unzureichend auseinander. Zu einem gefestigten Einstellungswandel führe es lediglich aus, die Gutachten kämen zu dem Ergebnis, dass zwar keine körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen vorlägen, die mit einem missbräuchlichen Konsum von Alkohol im Zusammenhang gebracht werden könnten, gleichwohl sei aber zu erwarten, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht sicher getrennt werden können. Dies erfordere einen erhöhten Begründungsaufwand, dem die gerichtlichen Ausführungen (Urteil, S. 14) nicht genügten. Ebenso wenig genüge es, zur Begründung eines fehlenden Trennungsvermögens auszuführen, der Kläger habe trotz Nachfragen keine plausiblen Alkoholtrinkgewohnheiten geschildert; aus seinen Erklärungen könnten keine ausreichend abgesicherten prognostischen Aussagen abgeleitet und der Grad der Alkoholgefährdung nicht eindeutig und abschließend bestimmt werden oder er stehe seinem Fehlverhalten teilweise noch ratlos gegenüber und habe keine Erklärung dafür, warum er am Tattag so viel getrunken habe. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass es sich um eine einmalige Trunkenheitsfahrt gehandelt habe. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Kläger selbst sein Fehlverhalten nicht vollumfänglich erklären könne. Es würden die in der Klagebegründung ausführlich dargelegten positiven Feststellungen in den Gutachten verkannt, die eine positive Prognose erlaubten. Der Verweis auf eine nicht ausreichende Erklärung für das Erreichen der Blutalkoholkonzentration und die beiden Gutachten genügten nicht dem erforderlichen Begründungsaufwand. Das Gericht setze sich nicht mit den zitierten Auszügen des Zweitgutachtens auseinander. Es werde weder dargelegt, worin die „leicht ambivalente Haltung“ auszumachen sei, noch worauf die „deutlichen Bagatellisierungstendenzen“ zurückzuführen seien. Ebenso verhalte es sich mit dem Hinweis auf die Beschreibung der Trinkgewohnheiten des Klägers. Es werde nicht erklärt, weshalb die Beschreibung der Trinkgewohnheiten beschönigend und teilweise unplausibel sei. Nicht gewürdigt worden sei auch die gutachterliche Einschätzung, ein Alkoholkonsum nur am Wochenende sei unrealistisch. Weiter liege ein Verfahrensmangel vor, weil das Gericht seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt habe. Es habe das tatsächliche Vorbringen des Klägers hinsichtlich des gefestigten Trinkverhaltens nicht ausreichend gewürdigt. Der Kläger habe, ohne es ‚zu müssen‘, von November 2021 bis zum 13. Juni 2023 durchgehend eine Alkoholabstinenz nachgewiesen. Bereits diese freiwillige – bis heute andauernde – Abstinenz lasse auf einen stabilen, motivational gefestigten Einstellungswandel schließen. Der Kläger habe aus seinem früheren Fehlverhalten gelernt und eine Fehleinschätzung dieses Verhaltens hinreichend geändert. Ein etwaiger Alkoholmissbrauch sei beendet. Mithin sei sein nachgewiesenes Trinkverhalten – die Abstinenz – gefestigt. Diese Erwägungen seien in den Entscheidungsgründen zumindest nicht ausreichend zur Kenntnis genommen worden. Dem Untersuchungsgrundsatz gem. § 86 VwGO sei insoweit nicht korrekt Rechnung getragen worden. Ferner gehe aus den Entscheidungsgründen hervor, dass das Gericht das Vorbringen, der Kläger sei auf die Fahrerlaubnis beruflich zwingend angewiesen, nicht (ausreichend) gewürdigt habe. Er sei als Freiberufler für automotive Projekte europaweit tätig und müsse somit mobil sein. Diese Tätigkeit sei für seinen Lebensunterhalt unentbehrlich. Dies habe das Gericht zumindest nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Die Berufung sei auch wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Bereits die Befassung mit der Frage, ob überhaupt aus rechtlicher Sicht ein Alkoholmissbrauch vorliege, weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Dies gelte auch für die Beurteilung des Trennungsvermögens. In diesem Zusammenhang gingen auch erhebliche tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten mit der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 86 VwGO einher.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
9
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI 04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen.
10
1. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 19).
11
1.1. Aus dem Vortrag, das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. März 2024 (BGBl I Nr. 109), begründe lediglich einen noch aufzuklärenden Verdacht des Alkoholmissbrauchs (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2023 – 11 CS 23.980 – DAR 2024, 43 Rn. 15) und die Beklagte habe keine medizinisch-psychologische Begutachtung angeordnet, ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
12
Anders als im Entziehungsverfahren trifft den Kläger im Neu- bzw. Wiedererteilungsverfahren nach vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis, hier im Strafverfahren, die materielle Beweislast für das Vorhandensein der Fahreignung. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2023 (BGBl I Nr. 315), muss der Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein, d.h. er muss die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und darf nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen haben (§ 2 Abs. 4 Satz 1 StVG; § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 FeV). Aus § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ergibt sich, dass keine Fahreignung besteht, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Aus der Wertung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV folgt, dass (auch) eine (einmalige) Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr durch eine Alkoholproblematik bedingte Eignungszweifel begründet. Dasselbe gilt nach der Wertung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. c FeV, wenn dem Betroffenen wegen einer Trunkenheitsfahrt mit mindestens 1,6 ‰ die Fahrerlaubnis entzogen war, sei es auch durch ein Strafgericht (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2013 – 3 B 71.12 – ZfSch 2013, 593 Rn. 6). Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 StVG hat der Bewerber der Fahrerlaubnisbehörde die Fahreignung im Erteilungsverfahren nachzuweisen. Im Neuerteilungsverfahren gelten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV die Vorschriften für die Ersterteilung. Nach den vorstehenden Vorschriften besteht keine Eignungsvermutung, auch wenn Bewerber um eine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 anders als für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 (vgl. § 21 Abs. 3 Nr. 3 und 4 FeV) ihrem Antrag – ohne entsprechende Verdachtsmomente – nicht von vornherein ein Eignungsgutachten beizufügen haben. Die Nichtfeststellbarkeit der vom Gesetzgeber als positive Erteilungsvoraussetzung geforderten Fahreignung geht zu Lasten des Bewerbers, d.h. die Erteilung der Fahrerlaubnis ist zu versagen, wenn die Eignung nicht positiv festgestellt werden kann (BayVGH, B.v. 12.2.2024 – 11 ZB 23.742 – juris Rn. 30; Siegmund in juris PK-Straßenverkehrsrecht, Stand 21.3.2024, § 2 StVG Rn. 76; Dauer, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 41; Rebler, NZV 2021, 184 f.). Solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen, besteht kein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2023 – 11 CE 23.43 – DAR 2023, 523 Rn. 15 m.w.N.; VGH BW, U.v. 7.7.2015 – 10 S 116/15 – DAR 2015, 592 = juris Rn. 19).
13
Der Kläger hat die durch seine Trunkenheitsfahrt vom 27. Juli 2020 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,87 ‰ und die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis ausgelösten Eignungszweifel aufgrund eines Alkoholmissbrauchsverdachts bisher nicht ausgeräumt. Vielmehr haben ihm zwei Gutachter im August und Dezember 2022 das hinreichend sichere Trennungsvermögen abgesprochen. Nachdem er diese beiden Gutachten vorgelegt hat, spielt es – wie bereits die Widerspruchsbehörde ausgeführt hat – keine Rolle, ob die Fahrerlaubnisbehörde diese (förmlich und ordnungsgemäß) angeordnet hat. Denn das gutachterliche Ergebnis schafft eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot steht auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 2.10 – BVerwGE 137, 10 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 11.12.2023 – 11 CS 23.1577 – ZfSch 2024, 115 Rn. 17 m.w.N.).
14
1.2. Ausgehend von den Ergebnissen der beiden Fahreignungsgutachten durfte das Verwaltungsgericht annehmen, dass der Kläger wegen Alkoholmissbrauchs im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV nicht fahrgeeignet ist. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was diese Einschätzung in Frage stellen könnte.
15
Nachdem beide Gutachter zu der Prognose gelangt sind, er könne das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen, kann von einer positiven Feststellung der Fahreignung keine Rede sein. Ob der Alkoholmissbrauch bereits zu (mess- bzw. feststellbaren) körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen geführt hat, ist – wie der Kläger offenbar meint – nicht entscheidend, sondern nur eines der Kriterien, um die Prognose stellen zu können, dass nicht mehr mit erhöhter Wahrscheinlichkeit mit einer Fahrt unter Alkoholeinfluss zu rechnen ist (vgl. Nr. 3.12.1 Buchst. c der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [VkBl S. 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [VkBl S. 198], S. 244). Eine ausreichende Änderung des Trinkverhaltens, d.h. das nur noch kontrollierte Trinken oder die Einhaltung von Abstinenz, lässt nicht ohne weiteres schon den Schluss auf eine stabile und motivationale Festigung der vollzogenen Änderung im Umgang mit Alkohol zu. Diese ist nach Auffassung von Verkehrsmedizinern und -psychologen anzunehmen, wenn die Änderung aus einem angemessenen Problembewusstsein heraus erfolgt und lange genug erprobt worden ist, die hiermit erzielten Wirkungen positiv erlebt werden, der Änderungsprozess nachvollziehbar aufgezeigt werden kann, und eine ggf. zugrundeliegende Persönlichkeitsproblematik erkannt und entscheidend korrigiert worden ist (Nr. 3.12.1 Buchst. a und b der Begutachtungsleitlinien; vgl. auch Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV). Abgesehen davon hielt der Zweitgutachter die Behauptung, der Kläger habe seit dem 3. Oktober 2020 durchgehend Abstinenz eingehalten, auch für durch die Haarprobe vom 16. August 2021 widerlegt, deren Untersuchungsergebnis auf einen Konsum im Bereich eines Normaltrinkers hinwies.
16
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht beide Gutachten für nachvollziehbar und verwertbar gehalten, weil sie den Vorgaben des Normgebers gemäß § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV entsprechen. Sie orientieren sich inhaltlich an den von Fachleuten entwickelten Begutachtungsleitlinien und Beurteilungskriterien (vgl. Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 4. Aufl. 2022, S. 103 ff.), aus denen sich die in Nr. 1 Buchst. c der Anlage 4a zur FeV der Fahreignungsbegutachtung zugrunde zu legenden anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2015 – 11 CS 15.1788 – juris Rn. 15).
17
Wie das Gericht zutreffend angeführt hat, fehlten den Gutachtern bereits nachvollziehbare Angaben des Klägers zu seinem bisherigen Trinkverhalten, die die aus der gemessenen Blutalkoholkonzentration ableitbare Alkoholtoleranz hätten erklären und den Grad der Alkoholgefährdung bestimmen lassen können. Eine Einordnung des Trinkverhaltens des Klägers unter die Hypothesen A 2 oder A 3 der Beurteilungskriterien war damit nicht sicher möglich, sodass auch die Voraussetzungen für eine positive Prognose nicht sicher bestimmt werden konnten. Vielmehr stand die Verwertbarkeit des Explorationsbefunds in Frage (vgl. Hypothese 0 der Beurteilungskriterien, S. 80). Widersprüche zwischen der durch die Blutalkoholkonzentration und das Verhalten unter Alkoholeinfluss dokumentierten Toleranzbildung und den Angaben zum Trinkverhalten im Vorfeld der Auffälligkeit sind ein Kontraindikator für die Annahme schlüssiger und stimmiger Aussagen des Betroffenen (vgl. Kriterium 0.3 N der Beurteilungskriterien, S. 82). Der Zweitgutachter hat darüber hinaus angenommen, dass dem Kläger eine hinreichende Motivation für die Aufrechterhaltung des Alkoholverzichts fehle und die Gründe hierfür nicht tragfähig seien, was nicht zu beanstanden ist, wenn man seine Aussagen an den Kriterien A 2.4 N, A 2.5 K, A 3.4 K und A 3.5 K misst. Hierzu gehört u.a., dass der Betroffene plausible Schritte unternommen hat, um Rückfallrisiken zu vermeiden, nachvollziehbare Gründe und ein auch zukünftig wirksames Motiv für den Alkoholverzicht nennen und die Anpassungsprozesse nachvollziehbar darstellen kann, dass er eine hinreichend realistische Problemsicht entwickelt und die auslösenden und aufrechterhaltenen Bedingungen des früheren Missbrauchs erkannt hat. Es ist nachvollziehbar, wenn die vom Kläger genannten positiven gesundheitlichen Auswirkungen der abstinenten Lebensweise für den Zweitgutachter vor diesem Hintergrund nicht überzeugend waren. Das sich aus den Beurteilungskriterien ergebende Maß an Einsicht und Selbstreflexion hat nicht das Gericht dem Kläger abverlangt, sondern verlangen ihm die Beurteilungskriterien ab, weil Verkehrsmediziner und -psychologen dies für erforderlich halten, um eine positive Prognose stellen zu können.
18
Im Übrigen lässt sich der Gegenüberstellung der gutachterlichen Schlussfolgerung und der Angaben des Klägers im Zweitgutachten sowie den Nachfragen des Gutachters klar entnehmen, dass die Bewertung der Beschreibung seiner vormaligen Trinkgewohnheiten als beschönigend und teilweise unplausibel aus dem Widerspruch zwischen den diesbezüglichen wissenschaftlichen Erfahrungen (vgl. dazu Stephan/Brenner-Hartmann in Schuber/Huetten/Reimann/Graw, Komm. zu den Begutachtungsleitlinien, 3. Aufl. 2018, S. 249 f.) und der festgestellten Blutalkoholkonzentration sowie der daraus ableitbaren Alkoholtoleranz und aus dem Widerspruch zwischen der Trunkenheitsfahrt am Montag, dem 27. Juli 2020, und der Angabe, nur am Wochenende Alkohol zu konsumieren, herrührt, ohne dass es insoweit eine den Widerspruch auflösende Erklärung gegeben hätte. Die diesbezüglichen Angaben hat der Gutachter ganz offensichtlich als unglaubhaft eingestuft, auch wenn er sie nicht ausdrücklich so bezeichnet hat.
19
Da nicht davon auszugehen war, dass der Kläger wahrheitsgemäße Angaben zu seinem Trinkverhalten gemacht hat, war eine positive Prognose wegen unzureichender Mitwirkung nicht möglich. Ungeachtet der ihn treffenden Beweislast ist er als Inhaber einer Fahrerlaubnis verpflichtet, zur Klärung von Eignungszweifeln beizutragen (vgl. BVerwG, B.v. 11.6.2008 – 3 B 99.07 – NJW 2008, 3014 = juris Rn. 5) und darüber hinaus allgemein nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG, an der Aufklärung eines fahreignungsrelevanten Sachverhalts mitzuwirken und ihm bekannte Tatsachen und Beweismittel anzugeben (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 11 CS 20.123 – juris Rn. 22 f. m.w.N.). Verweigert er eine geeignete, ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung, die auch erforderlich ist, weil sie Tatsachen aus seinem persönlichen Lebensbereich betrifft, berechtigt dies die Behörde zu einer für ihn nachteiligen Beweiswürdigung (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 26 Rn. 44)
20
Dass die Gutachter vom Kläger die Einhaltung von Abstinenz gefordert haben, trifft nicht zu. Vielmehr hat er selbst dies als sein geändertes Trinkverhalten angegeben und entsprechende Belege dazu beigebracht. Es handelt sich dabei um ein Kriterium für eine angemessene Problembewältigung unter der Hypothese A 2 (vgl. Beurteilungskriterien, S. 103 ff.). Ob in seinem Fall Abstinenz zu fordern ist, würde allerdings zunächst eine sichere Einordnung seines früheren Trinkverhaltens aufgrund wahrheitsgemäßer, nachvollziehbarer Angaben voraussetzen.
21
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen ist nicht zu beanstanden, dass sich das Gericht zur Begründung seiner Entscheidung die Ausführungen der Gutachter zu eigen gemacht hat, indem es sie auszugsweise wiedergegeben hat, und als überzeugend gewürdigt hat. Die Dichte der Urteilsgründe ist insoweit ausreichend. Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat das Gericht die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe anzugeben. Die Urteilsgründe sind in möglichst straffer Form abzufassen und sollen sich auf das Wesentliche konzentrieren. Urteile sind keine wissenschaftlichen Abhandlungen (Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 117 Rn. 18).
22
2. Weiter hat der Kläger keinen Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weder in Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) noch eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dargelegt.
23
Die Verfahrensgarantie der Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen, ferner nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 11.5.2023 – 7 B 13.22 – juris Rn. 26). Es müssen vielmehr nur die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfG, B.v. 2.7.2018 – 1 BvR 682/12 – NVwZ 2018, 1561 Rn. 19). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung dieser Pflicht kann nur festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfG, a.a.O.).
24
Anders als der Kläger vorträgt, hat das Verwaltungsgericht seinen Vortrag, dass er von November 2021 bis 13. Juni 2023 Alkoholabstinenz nachgewiesen habe, durchaus berücksichtigt, allerdings zur Glaubhaftmachung einer stabilen und motivationalen Festigung der vollzogenen Änderung im Umgang mit Alkohol nicht für ausreichend erachtet (vgl. UA S. 7 f., 17). Auch den Vortrag, beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, hat es zur Kenntnis genommen (vgl. UA S. 8), durfte ihn aber mangels Entscheidungserheblichkeit für unbeachtlich halten und musste ihn deshalb nicht ausdrücklich bescheiden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist – jedenfalls zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie des Lebens und der Gesundheit – auch in Härtefällen bzw. bei Angewiesenheit des Betroffenen auf die Fahrerlaubnis und ungeachtet seiner persönlichen Verhältnisse oder individueller Schicksalsschläge verhältnismäßig (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2024 – 11 ZB 23.742 – juris Rn. 26; B.v. 9.1.2024 – 11 CS 23.2041 – juris Rn. 16; 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 30). Dem Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen kommt besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen zu, die einem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber in beruflicher oder in privater Hinsicht entstehen (vgl. BVerfG, B.v. 19.7.2007 – 1 BvR 305/07 – juris Rn. 6). Nichts anderes gilt für die Versagung der Fahrerlaubnis.
25
Inwiefern das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang dem Untersuchungsgrundsatz „nicht korrekt Rechnung getragen“ bzw. gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Eine Aufklärungsrüge setzt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung voraus, dass substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Hat der Kläger nicht bereits im Klageverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, muss dargelegt werden, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2024 – 10 BN 4.23 – juris Rn. 24; B.v. 15.5.2023 – 4 B 1.23 – juris Rn. 7).
26
Der Kläger hingegen rügt der Sache nach eine aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und wiederholt seine bereits vorinstanzlich vorgetragenen Einwände.
27
3. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Derartige Schwierigkeiten weist eine Rechtssache nur dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 19 m.w.N.; VGH BW, B.v. 7.2.2024 – 13 S 1495/23 – ZfSch 2024, 232/234). Soweit die Schwierigkeiten darin gesehen werden, dass das Verwaltungsgericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, sind diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihr Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163 = juris Rn. 17).
28
Aus den Ausführungen ergibt sich, dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind.
Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26).
29
4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
30
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und den Empfehlungen in Nr. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
31
6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).