Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.04.2024 – 1 ZB 23.1617
Titel:

Erneute Zwangsgeldandrohung wegen Nichtbefolgung einer Anordnung zur Beseitigung einer Ausschüttung und eines Stadels

Normenkette:
VwZVG Art. 31 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3, Art. 36 Abs. 1 S. 2, Art. 37 Abs. 4 S. 1
Leitsatz:
Das Zwangsgeld soll den Pflichtigen effektiv zur Befolgung einer Anordnung anhalten, es soll eine „Beugewirkung“ auf den Pflichtigen ausgeübt werden. Art. 31 Abs. 2 S. 2 VwZVG gibt hierzu als eine Ermessenserwägung vor, dass diese Wirkung vor allem erzielt wird, wenn durch das Zwangsgeld ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft wird, der im Fall der Nichterfüllung sonst beim Pflichtigen verbliebe. Damit muss die Behörde bei der Bemessung des Zwangsgeldes jedoch nicht einen Nachweis des wirtschaftlichen Vorteils führen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Erneute Zwangsgeldandrohung, Verwaltungsvollstreckung, Aufschüttung, Stadel, Zwangsgeld, Bemessung, erneute Androhung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 08.08.2023 – M 1 K 19.570
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12153

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen eine erneute Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung.
2
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. Juli 2015 verpflichtete der Beklagte den Kläger zur Beseitigung einer Aufschüttung/Auffüllung sowie eines Stadels auf seinem im Außenbereich gelegenen Grundstück bis spätestens vier Monate nach Bestandskraft dieses Bescheids und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtbefolgung der Beseitigungsanordnung ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro an. In dem dagegen gerichteten Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht das Verfahren nach Aufhebung der Zwangsgeldandrohung durch den Beklagten insoweit eingestellt; die gegen die Beseitigungsanordnung gerichtete Klage hat es abgewiesen. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung (1 ZB 15.2594) hat der Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2017 abgelehnt.
3
Mit – bestandskräftigem – Bescheid vom 20. November 2015 wurden dem Kläger weitere Zwangsgelder in Höhe von 14.000 Euro (hinsichtlich der Aufschüttung) bzw. 1.000 Euro (hinsichtlich des Stadels) angedroht. Nachdem bei einem Ortstermin im Dezember 2018 festgestellt wurde, dass die Aufschüttung und der Stadel nicht beseitigt worden waren, wurde das angedrohte Zwangsgeld fällig gestellt und dem Kläger mit Bescheid vom 11. Januar 2019 ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro (hinsichtlich der Aufschüttung) bzw. 2.000 Euro (hinsichtlich des Stadels) angedroht.
4
Die gegen die erneute Zwangsgeldandrohung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es könne offenbleiben, ob die Aufschüttungen zwischenzeitlich vollständig beseitigt worden seien. Vorliegend sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung abzustellen. Dass die Aufschüttungen bereits zu diesem Zeitpunkt beseitigt gewesen seien, sei weder behauptet noch ersichtlich. Die vorgetragene Notwendigkeit des Stadels für die Bewirtschaftung von Waldflächen sei angesichts der rechtskräftigen Beseitigungsanordnung nicht relevant. Auch die Höhe der angedrohten Zwangsgelder sei nicht zu beanstanden.
5
Für das Vorbringen der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze verwiesen; im Übrigen wird Bezug auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
7
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die erneute Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der Beseitigung der Aufschüttung und des Stadels nach Art. 31, Art. 36 VwZVG rechtmäßig ist.
8
1.1. Die Zulassungsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf, dass es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung offen bleiben kann, ob die Aufschüttungen zwischenzeitlich vollständig beseitigt worden sind. Die Ausführungen in der Zulassungsbegründung unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2006 (1 C 3.05), dass die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung sich grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung der Tatsacheninstanz beurteilt, rechtfertigen vorliegend keine andere Beurteilung. Dabei kann offen bleiben, ob hierfür immer auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung der Tatsacheninstanz abzustellen ist oder nur bei sog. Dauerverwaltungsakten (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 1 CS 20.143 – juris Rn. 10 für eine Baueinstellung). Denn selbst bei Annahme, dass auch bei einer Zwangsgeldandrohung für eine bestandskräftige Beseitigungsanordnung, die der Durchsetzung einer einmaligen Handlungspflicht dient, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung der Tatsacheninstanz abzustellen ist, ist hier nur die Frage maßgeblich, ob die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 19 VwZVG vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen hier weiterhin vor, weil eine bestandskräftige Beseitigungsanordnung vorliegt. Die Sach- und Rechtslage hat sich hier nicht entscheidungserheblich verändert, die Beseitigungsanordnung wurde nicht aufgehoben. Mit der Zulassungsbegründung wird nicht dargelegt, dass die baulichen Anlagen nunmehr genehmigungsfähig wären. Der Einwand in der Zulassungsbegründung, dass die Auffüllung zwischenzeitlich beseitigt worden sei, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung. Denn soweit der Kläger der Beseitigungsverpflichtung nachkommt, wird das angedrohte Zwangsgeld nicht fällig bzw. kann ein nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fälliges Zwangsgeld nicht mehr beigetrieben werden (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG).
9
1.2. Entgegen der Auffassung in der Zulassungsbegründung fehlt es auch nicht an der Bestimmtheit der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erforderlichen Erfüllungsfrist. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist im Zweifel durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts und der speziellen Sachkunde des adressierten Fachkreises in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (stRspr., vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – BVerwGE 147, 81). Hinreichende Bestimmtheit liegt dann vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2003 – 6 C 20.02 – BVerwGE 119, 282). Erst wenn auch unter Anwendung der anerkannten Auslegungsgrundsätze keine Klarheit über den Behördenwillen geschaffen werden kann bzw. Widersprüchlichkeiten nicht beseitigt werden können, ist Unbestimmtheit anzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2020 – 1 ZB 20.789 – juris Rn. 9). Hiervon ausgehend kann dem Wortlaut der Zwangsgeldandrohungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheids hinreichend deutlich und für den Kläger erkennbar entnommen werden, dass das Zwangsgeld nicht vor Ablauf von drei Monaten nach der zuletzt eintretenden Bestandskraft der angegriffenen Verfügungen fällig wird. Die neue Zwangsgeldandrohung war aufgrund der Erfolglosigkeit der vorausgegangenen Zwangsgeldandrohungen geboten und erforderlich. Dass die Frist nicht nur eine bloße Beschreibung des Inhalts des Grundbescheids darstellt, ergibt sich bereits aus der Festsetzung einer neuen – verkürzten – Frist. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Festsetzung von drei Monaten um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
10
1.3. Hinsichtlich der Angemessenheit der Fristsetzung zeigt das Zulassungsvorbringen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf. Soweit das Verwaltungsgericht auch insoweit keinen Anhaltspunkt für eine Rechtswidrigkeit des Bescheids erkennen konnte, fehlt es an einer substantiierten Darlegung der Gründe, aus denen sich ergibt, dass der Kläger nicht in der Lage ist, seiner sich aus der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung ergebenden Verpflichtung innerhalb von 3 Monaten nachzukommen. Der bloße Hinweis darauf, dass die Frist – anders als in der früheren Androhung – um 1 Monat verkürzt wurde, reicht nicht, zumal der Kläger nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten die Beseitigung der Auffüllung und des Stadels durch seinen Betrieb durchführen kann und bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 2015 zur Beseitigung der Aufschüttung und des Stadels aufgefordert wurde. Im Übrigen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Dreimonatsfrist erst nach Bestandskraft des Bescheids anläuft, sodass auch ohne Klage jedenfalls eine Frist von 4 Monaten gilt.
11
1.4. Substantiierte Einwendungen gegen die erneut festgesetzte Zwangsgeldhöhe liegen nicht vor. Das Zwangsgeld soll den Pflichtigen effektiv zur Befolgung einer Anordnung anhalten, es soll eine „Beugewirkung“ auf den Pflichtigen ausgeübt werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.5.2020 – 1 ZB 19.2258 – juris Rn. 8; B.v. 20.5.2020 – 8 CS 20.772 – juris Rn. 25). Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG gibt hierzu als eine Ermessenserwägung vor, dass diese Wirkung vor allem erzielt wird, wenn durch das Zwangsgeld ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft wird, der im Fall der Nichterfüllung sonst beim Pflichtigen verbliebe. Damit muss die Behörde bei der Bemessung des Zwangsgeldes jedoch nicht einen Nachweis des wirtschaftlichen Vorteils führen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 – 15 CS 08.455 – juris Rn. 19). Nach den Umständen des Einzelfalls erscheint hier die bei der erneuten Zwangsgeldandrohung festgesetzte Höhe – jeweils ein um 1.000 Euro erhöhtes Zwangsgeld – im Hinblick auf die Größe der Aufschüttung und den für die Beseitigung des Stadels mit ursprünglich 1.000 Euro am unteren Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG angesetzten Betrag angemessen, um die Beugewirkung zu erzielen.
12
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Die vom Kläger aufgeworfene Frage über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits kann ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden.
13
3. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler in Form der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) nicht vor.
14
Umfang und Art der Tatsachenermittlung bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 9 ZB 16.597 – juris Rn. 11). Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn sie schlüssig aufzeigt, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen. Mit der Beschwerde muss ferner dargelegt werden, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12). Die vom Kläger eingeforderte Aufklärung des Sachverhalts bezüglich des tatsächlichen Zustands auf dem Grundstück bzw. eine weitere Aufklärung im Hinblick auf die unterschiedliche Darstellung zur Aufschüttung seitens der Beteiligten war im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts weder geboten noch erforderlich. Einen Beweisantrag hat der Kläger ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung nicht gestellt.
15
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
16
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).