Inhalt

VGH München, Urteil v. 24.04.2024 – 11 BV 23.1080
Titel:

Prüfungsfreie Umschreibung einer kosovarischen Fahrerlaubnis der Klasse B

Normenketten:
StVG § 2 Abs. 1, Abs. 2
FeV § 22 Abs. 2 S. 4, § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 31 Abs. 1 S. 1, Anl. 11
Leitsätze:
1. Nach § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nach § 29 Abs. 1 FeV nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, die zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Staates, der nicht Mitgliedstaat der EU oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland, also in der BRD hatten. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ersetzung eines Führerscheins unter nachträglicher Befristung der ursprünglichen Fahrerlaubnis – anders als die Ersetzung unter Verlängerung der ursprünglichen Fahrerlaubnis – stellt keine Erteilung der Fahrerlaubnis dar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass die ausländische Fahrerlaubnis den Betroffenen zum Führen von Kraftahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat, gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, sodass deren Nichterweislichkeit – wenn berechtigte Zweifel daran verbleiben – zulasten des Anspruchstellers geht. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch für den Inhaber einer in einem Staat außerhalb der EU- oder EWR-Staaten (einschließlich der Staaten nach Anl. 11 FeV) erteilten Fahrerlaubnis kann ein Bedürfnis nach Ausstellung eines Ersatzführerscheins bestehen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
prüfungsfreie Umschreibung einer kosovarischen Fahrerlaubnis der Klasse B, Vorlage eines Ersatzführerscheins, der im Kosovo nach Verlegung des Wohnsitzes in die Bundesrepublik Deutschland ausgestellt worden war, nachträgliche Befristung der Fahrerlaubnis bei Ausstellung des Ersatzführerscheins, Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis bei Erteilung der kosovarischen Fahrerlaubnis (verneint), prüfungsfreie Umschreibung, kosovarische Fahrerlaubnis, Klasse B, Verlegung des Wohnsitzes, Ausstellung des Ersatzführerscheins, nachträgliche Befristung der Fahrerlaubnis, Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis, Beweislast, Erteilung der Fahrerlaubnis
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 26.04.2023 – M 6 K 22.4194
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12147

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die prüfungsfreie Umschreibung seiner kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis.
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Der Kläger wurde 1996 im Gebiet der heutigen Republik Kosovo geboren. Seit dem 15. März 2019 ist er ununterbrochen mit Erstwohnsitz in München gemeldet.
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Am 10. März 2022 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis der Klasse B im Wege der sog. Umschreibung. Dabei legte er einen am 5. August 2019 im Kosovo ausgestellten Führerschein (Klassen B1, B, M, L und T) vor. Als Datum der Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B findet sich dort der 23. September 2016. Als Datum, an dem die Fahrerlaubnis der einzelnen Klassen ungültig wird, ist in Spalte 11 für die Klasse B der 4. August 2029 genannt. Unter der Nummer 4b, der das Datum bezeichnet, zu dem der Führerschein ungültig wird, ist ebenfalls der 4. August 2029 eingetragen. In Zeile 12 findet sich der Eintrag „71.DL…“.
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Im Laufe des Verfahrens übergab der Kläger der Beklagten einen weiteren, am 28. September 2016 im Kosovo ausgestellten Führerschein mit der Führerscheinnummer DL… Als Datum der Erteilung der Klasse B ist dort der 23. September 2016 genannt. In Spalte 11 (Ende der Gültigkeit der Fahrerlaubnis der jeweiligen Klasse) findet sich ein Strich; ebenso unter der Nummer 4b (Ende der Gültigkeit des Führerscheins). Dazu gab der Kläger an, er habe 2019 seinen Geldbeutel mit dem 2016 ausgestellten Führerschein in der S-Bahn verloren und daher einen neuen Führerschein im Kosovo beantragt. Später sei ihm sein alter Führerschein als Fundsache wieder zugesandt worden.
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Zudem übermittelte der Kläger eine Bescheinigung des Innenministeriums der Republik Kosovo vom 7. Juli 2022 über die Echtheit und Gültigkeit seines am 28. September 2016 ausgestellten Führerscheins.
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Mit Bescheid vom 26. Juli 2022 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine Umschreibung sei nur möglich, wenn der Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zum Führen von Fahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt gewesen sei. Daran fehle es, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland gehabt habe. So verhalte es sich hier. Der vorgelegte kosovarische Führerschein sei am 5. August 2019 und damit zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden, als der Kläger seinen ordentlichen Wohnsitz bereits in Deutschland gehabt habe. In der Ausstellung dieses Führerscheins sei auch eine Erteilung der Fahrerlaubnis zu sehen. Die Fahrerlaubnis der Klasse B sei dem Kläger zwar erstmals am 23. September 2016 erteilt, dann aber am 5. August 2019 bis zum 4. August 2029 verlängert worden. Nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juli 2021 (11 B 19.1473) sei die Ausstellung eines befristeten Führerscheins einer Erteilung gleichzustellen, wenn mit der Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Führerscheins zugleich die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnis verlängert werde.
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Mit Schriftsatz vom 26. August 2022 ließ der Kläger Verpflichtungsklage erheben, der das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 26. April 2023 stattgegeben hat. Der am 5. August 2019 ausgestellte Führerschein habe den Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt. Dabei handle es sich um ein Ersatzdokument für den am 28. September 2016 ausgestellten Führerschein. Mit dieser Ersetzung sei keine Erteilung der Fahrerlaubnis im vorgenannten Sinn verbunden. Maßgeblich sei, ob die Rechtsstellung des Fahrerlaubnisinhabers erweitert worden sei. Dies sei hier nicht der Fall. Der ursprüngliche Führerschein habe den Kläger unbefristet berechtigt, ein Kraftfahrzeug der Klasse B im Kosovo zu führen. Das Ersatzdokument habe diese Rechtsstellung allein verschlechtert, da die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnis nunmehr bis zum 4. August 2029 befristet worden sei. Diese Befristung gehe zurück auf das im Juni 2016 verkündete Führerscheingesetz der Republik Kosovo. Hätte der Kläger seinen ursprünglichen Führerschein nicht verloren, wäre dieser noch bis zum 31. Januar 2033 gültig und ohne Weiteres umzuschreiben gewesen.
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Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, die Ausstellung des Führerscheins vom 5. August 2019 sei als Erteilung einer ausländischen Fahrerlaubnis anzusehen, weil damit eine zeitlich und somit auch inhaltlich veränderte Berechtigung begründet worden sei. Das kosovarische Recht gebrauche die Begriffe Führerschein und Fahrerlaubnis weitgehend synonym. Mit der Ausstellung des Führerscheins sei daher die konstitutive Entscheidung verbunden, ob und in welchem Umfang die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs zuerkannt, mithin nach deutschem Verständnis die Fahrerlaubnis erteilt werde. Wenn die Verlängerung einer Fahrerlaubnis nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2022 (3 C 10.21) als Erteilung einzuordnen sei, müsse dies für die nachträgliche Befristung eines zuvor unbefristeten Rechts ebenso gelten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte zur Konsequenz, dass bei Vorlage eines befristeten ausländischen Führerscheins, der im Ausland trotz Wohnsitzes in Deutschland ausgestellt worden sei, stets ein Abgleich mit dem ursprünglichen Führerschein vorzunehmen sei. Denn nur so lasse sich feststellen, ob die Rechtsstellung des Betroffenen durch die Befristung verbessert worden sei. Dies sei in der Praxis nicht möglich, zumal der ursprüngliche Führerschein regelmäßig nicht mehr vorhanden sei. Soweit das Verwaltungsgericht darauf verweise, dass der Umschreibungsanspruch zu bejahen gewesen wäre, wenn der Kläger den ursprünglichen Führerschein nicht verloren und diesen – ohne zwischenzeitliche Ausstellung eines Ersatzdokuments – zur Umschreibung vorgelegt hätte, möge dies zutreffen. Nachdem der Kläger einen neuen Führerschein im Kosovo erhalten habe, sei der ursprüngliche Führerschein aber nicht mehr gültig. Dies können nicht einfach hinweggedacht werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2023 abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt darüber hinaus an, in seinem Fall sei ein Abgleich des ursprünglichen Führerscheins mit dem Ersatzdokument ohne Weiteres möglich, so dass ein Missbrauch auszuschließen sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid vom 26. Juli 2022 zu Recht aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine deutsche Fahrerlaubnis der Klasse B zu erteilen. Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis der Klasse B unter erleichterten – vorliegend erfüllten – Bedingen auf der Grundlage seiner kosovarischen Fahrerlaubnis. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die mit dem Führerschein vom 5. August 2019 nachgewiesene und bereits 2016 (erstmals) erteilte Fahrerlaubnis den Kläger berechtigt hat, ein Kraftfahrzeug der Klasse B in der Bundesrepublik Deutschland zu führen, ohne dass dem das Wohnsitzkriterium entgegenstand.
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1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310, 919), im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. dazu BVerwG, U.v. 22.9.2022 – 3 C 10.21 – NJW 2023, 1754 Rn. 11) zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2023 (BGBl I Nr. 315), ist die Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse zu erteilen, wenn der Bewerber die dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Diese Voraussetzungen haben u.a. in § 31 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. März 2024 (BGBl I Nr. 109), eine nähere Ausgestaltung gefunden (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 14).
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Beantragt der Inhaber einer Fahrerlaubnis, die in einem in Anlage 11 zur FeV aufgeführten Staat und in einer in dieser Anlage aufgeführten Klasse erteilt worden ist und die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder dazu berechtigt hat, die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die entsprechende Klasse von Kraftfahrzeugen, ist er nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV von der ärztlichen Untersuchung, der Untersuchung des Sehvermögens, dem Sehtest, der Befähigungsprüfung, der Schulung in Erster Hilfe und der Ausbildung befreit.
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2. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht seinem Urteil zunächst zutreffend zu Grunde gelegt, dass die Fahrerlaubnis des Klägers in einem in Anlage 11 zur FeV aufgeführten Staat (und in einer in dieser Anlage aufgeführten Klasse) erteilt worden und somit der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 FeV eröffnet ist.
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Zu den in Anlage 11 zur FeV aufgeführten Staaten zählt seit Inkrafttreten der Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498) am 1. Juni 2022 auch die Republik Kosovo. Nach der amtlichen Anmerkung Nr. 23 gilt dies zwar ohne Weiteres nur für Führerscheine, die ab dem 1. März 2018 ausgestellt wurden. Für Inhaber kosovarischer Führerscheine, die vor dem 1. März 2018 ausgestellt wurden und deren Inhabern aufgrund ihres ordentlichen Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland ab dem 1. März 2018 kein kosovarischer Führerschein ausgestellt werden konnte, ist danach jedoch über das Kraftfahrt-Bundesamt bei der zuständigen kosovarischen Behörde eine Auskunft über den Besitz und die Gültigkeit der Fahrerlaubnis einzuholen. Dies bedeutet, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass auch vor dem 1. März 2018 ausgestellte Führerscheine nach § 31 Abs. 1 FeV unter erleichterten Bedingungen umgeschrieben werden können, wenn die Republik Kosovo deren Besitz und Gültigkeit bestätigt (vgl. dazu auch Nr. III.2 der Gemeinsamen Absichtserklärung zwischen dem Innenministerium der Republik Kosovo und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr über Verfahrensfragen bei der Umschreibung von Führerscheinen).
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Demnach spricht viel dafür, dass die Fahrerlaubnis des Klägers diese Voraussetzungen schon deswegen erfüllt, weil der als Nachweis vorgelegte Ersatzführerschein nach dem 1. März 2018 ausgestellt worden ist. Wenn bei einem Beleg der Gültigkeit auch vor diesem Stichtag ausgestellte Führerscheine unter die Anlage 11 fallen können, legt das nahe, dass dieser allein mit Blick auf die Zuverlässigkeit der ausgestellten Führerscheindokumente, nicht aber auf inhaltliche Anforderungen, etwa an Ausbildung und Prüfung, gewählt ist. Dies kann hier allerdings offen bleiben. Auch wenn man auf den Führerschein vom 28. September 2016 bzw. darauf abstellt, wann die Fahrerlaubnis der Klasse B als materielle Berechtigung erstmals erteilt wurde, ergibt sich nichts anderes. Denn der Kläger hat eine Bescheinigung des Innenministeriums der Republik Kosovo über den Besitz und die Gültigkeit jenes Führerscheins vorgelegt.
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3. Ferner hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Kläger Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt hat und die gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV unter erleichterten Bedingungen umgeschrieben werden kann.
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a) Die Voraussetzungen der Inlandsgültigkeit ausländischer Fahrerlaubnisse bestimmen sich nach § 29 FeV. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen, wenn sie hier keinen ordentlichen Wohnsitz nach § 7 FeV haben. Begründet der Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilten Fahrerlaubnis einen ordentlichen Wohnsitz im Inland, richtet sich seine weitere Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 28 FeV (§ 29 Abs. 1 Satz 3 FeV). Begründet der Inhaber einer in einem anderen Staat erteilten Fahrerlaubnis – wie hier – einen ordentlichen Wohnsitz im Inland, besteht die Berechtigung noch sechs Monate (§ 29 Abs. 1 Satz 4 FeV) und kann nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 Satz 5 FeV bis zu sechs Monate verlängert werden. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nach Abs. 1 jedoch nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, die zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Staates, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland hatten.
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b) Dies zu Grunde gelegt hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass es für die hier streitige Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis i.S.d. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV auf die (erstmalige) Verleihung des materiellen Rechts ankommt und eine bloße Ersetzung des Führerscheins als Nachweisdokuments insoweit unabhängig davon außer Betracht zu bleiben hat, ob das Recht des Ausstellerstaates zwischen der materiellen Berechtigung und dem Führerschein unterscheidet. Ferner hat das Verwaltungsgericht richtig erkannt, dass eine nachträgliche Befristung des materiellen Rechts – im Gegensatz zu einer Verlängerung – unschädlich ist.
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aa) Das Wohnsitzerfordernis nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV geht auf § 4 Abs. 2 der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23. November 1982 (im Folgenden: IntKfzVO 1982) zurück (vgl. BR-Drs. 302/08 S. 65 zu Art. 1 Nr. 19 der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnisverordnung und anderer verkehrsrechtlicher Vorschriften sowie BR-Drs. 443/98 S. 326 f. zu Art. 3 Nr. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.8.1998). § 4 Abs. 1 IntKfzVO 1982 sah vor, dass außerdeutsche Fahrzeugführer unter gewissen Voraussetzungen mit einer gültigen ausländischen Erlaubnis vorübergehend Kraftfahrzeuge im Inland führen dürfen. Nach § 4 Abs. 2 Buchst. a IntKfzVO 1982 galt dies nicht für Inhaber ausländischer Führerscheine oder Fahrausweise, wenn sie zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis ihren ständigen Aufenthalt im Inland hatten. Sinn und Zweck dieses Wohnsitzerfordernisses war nach der Verordnungsbegründung, Missbrauchsfällen entgegenzuwirken (vgl. VkBl 1982, 474/496), also die Umgehung der deutschen Vorschriften über die Fahrerlaubnis durch Erwerb der Fahrberechtigung im Ausland ohne tatsächliche Verlegung des Wohnsitzes zu verhindern (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.1983 – 7 C 96.82 – VM 1984, 81/82; zum Gesichtspunkt des „Führerscheintourismus“ aus unionsrechtlicher Perspektive auch EuGH, U.v. 26.6.2008 – C-329/06 u.a. – NJW 2008, 2403 = juris Rn. 69). Ferner verweist die Verordnungsbegründung auf Art. 41 Abs. 6 Buchst. a des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 8. November 1968 (BGBl II 1977, 809, 811/851). Danach sind die Vertragsparteien nicht verpflichtet, nationale oder internationale Führerscheine anzuerkennen, die im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei für Personen ausgestellt worden sind, die im Augenblick dieser Ausstellung ihren ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet hatten oder deren ordentlicher Wohnsitz seit dieser Ausstellung in ihr Hoheitsgebiet verlegt worden ist. Dahinter steht ersichtlich der Gedanke, dass der Staat, in dem der Betroffene ansässig ist und den Schwerpunkt der Teilnahme am Straßenverkehr hat, im Interesse der Verkehrssicherheit auch die Voraussetzungen dafür vollumfänglich überprüfen können soll (vgl. dazu BVerwG a.a.O. S. 81 und aus Sicht des Unionsrechts EuGH, U.v. 26.6.2008 a.a.O. Rn. 69).
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bb) Das deutsche Recht unterscheidet zwischen der Fahrerlaubnis als Erlaubnis, auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug zu führen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StVG), und dem Führerschein als amtlicher Bescheinigung zum Nachweis der Fahrerlaubnis (§ 2 Abs. 1 Satz 3 StVG; vgl. zu dieser Differenzierung auch BVerwG, U.v. 27.9.2012 – 3 C 34.11 – BVerwGE 144, 220 Rn. 18; U.v. 5.7.2018 – 3 C 9.17 – BVerwGE 162, 308 Rn. 28). Entscheidend für die Zulässigkeit der Teilnahme am Straßenverkehr ist die Erteilung der Fahrerlaubnis (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StVG).
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Vor diesem Hintergrund verlangt der vorgenannte Sinn und Zweck des Wohnsitzerfordernisses allein, dass der Betroffene seinen ordentlichen Wohnsitz zu dem Zeitpunkt nicht im Inland hatte, in dem ihm der Ausstellerstaat das materielle Recht in dem nunmehr für die Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland in Anspruch genommenen Umfang (erstmals) verliehen oder in dem er es erweitert hat. Nur die (erstmalige) Verleihung der materiellen Berechtigung, auch im Weg der inhaltlichen Erweiterung oder zeitlichen Verlängerung, kollidiert mit dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland, bei im Inland ansässigen Betroffenen selbst die Voraussetzungen der Teilnahme am Straßenverkehr nach den Maßstäben des deutschen Rechts vollumfänglich zu prüfen. Im Fall der Ausstellung eines Ersatzführerscheins als Nachweis über eine in Anlage 11 genannte Fahrerlaubnis bestätigt der Ausstellerstaat hingegen allein erneut eine Fahrberechtigung, die die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich als der deutschen gleichwertig anerkennt (vgl. dazu Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 31 FeV Rn. 19) und bei der sie auf eine eigene vollumfängliche Prüfung der Voraussetzungen der Teilnahme am Straßenverkehr verzichtet. In Einklang damit stellt § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV auch auf die Erteilung der Fahrerlaubnis ab (vgl. dazu auch § 2 Abs. 11 StVG), nicht auf die Ausstellung des Führerscheins. Die bloße Ersetzung eines Führerscheins stellt demnach keine Erteilung der Fahrerlaubnis in diesem Sinn dar (so auch zur Ersetzung eines deutschen sowie in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25 FeV Rn. 33 f.).
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cc) Diese Erwägungen gelten entgegen der Ansicht der Berufung auch dann, wenn ein Ausstellerstaat nicht zwischen der Fahrerlaubnis als materiellem Recht und dem Führerschein als Dokument unterscheidet. Es mag sein, dass in diesem Fall mit der Ausstellung des Führerscheins (erneut) konstitutiv ein Recht verliehen wird, was begrifflich und denklogisch als Erteilung einer Fahrerlaubnis im vorgenannten Sinn angesehen werden könnte. Vom Sinn und Zweck des § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV wird diese Konstellation nach dem Vorstehenden jedoch nicht erfasst. Denn auch dann wird mit der Neuausstellung des Führerscheins lediglich eine Berechtigung wiederhergestellt, die die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich anerkennt bzw. schon zuvor anerkannt hat. Eine Differenzierung danach, ob der Ausstellerstaat mit dem Führerschein zugleich (erneut) ein materielles Recht verleiht, führte zu einer Ungleichbehandlung zwischen Betroffenen aus verschiedener Staaten, aber auch – bei zufälligem Verlust des Dokuments – aus einem solchen Staat, der keine Trennung von Führerschein und Fahrerlaubnis kennt. Dies wäre auch vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen.
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Deswegen kann dahinstehen, wie streng das kosovarische Recht die Fahrerlaubnis und den Führerschein gleichsetzt und ob die Vorstellung, dass die bisherige Fahrerlaubnis mit dem Verlust des Dokuments untergeht und mit der Ausstellung eines Ersatzführerscheins eine neue Fahrerlaubnis begründet wird, so zutreffend ist. Dagegen könnte sprechen, dass Art. 3 des Law No. 05/L-064 on Driving Licence (abrufbar unter gzk.rks-gov.net) durchaus zwischen dem Dokument als Nachweis („driving licence“) sowie dem Recht zum Führen von Fahrzeugen bestimmter Klassen unterscheidet. Ferner spricht Art. 99 Abs. 2 des Law on Driving Licence davon, dass im Fall des Verlusts eines Führerscheins eine „Kopie“ bzw. ein „Duplikat“ auszustellen ist.
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dd) Aus dem Vorgenannten folgt zugleich, dass auch die Ersetzung eines Führerscheins unter nachträglicher Befristung der ursprünglichen Fahrerlaubnis – anders als die Ersetzung unter Verlängerung der ursprünglichen Fahrerlaubnis (vgl. dazu BVerwG, U.v. 22.9.2022 – 3 C 10.21 – NJW 2023, 1754 Rn. 19; BayVGH, U.v. 19.7.2021 – 11 B 19.1473 – ZfSch 2021, 655 = juris Rn. 35, 39) – keine Erteilung der Fahrerlaubnis darstellt. Denn bei einer solchen Befristung ist dem Betroffenen die materielle Berechtigung, die er für die Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland in Anspruch nimmt, zu einem Zeitpunkt von dem Ausstellerstaat verliehen worden, als er dort noch seinen Wohnsitz hatte. Die nachträgliche Verkürzung des Rechts ändert daran nichts.
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ee) Dieses Verständnis liegt im Übrigen bereits der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu Grunde, wenn dort darauf abgestellt wird, ob eine Maßnahme des Ausstellerstaates die Rechtsstellung des Betroffenen erweitert (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2022 a.a.O. Rn. 19; BayVGH, U.v. 19.7.2021 a.a.O. Rn. 35, 39).
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ff) Soweit die Beklagte dagegen einwendet, in der Praxis sei es regelmäßig unmöglich festzustellen, ob im Fall der Ersetzung mit der Ausstellung eines neuen Führerscheins eine Erweiterung der ursprünglichen materiellen Berechtigung verbunden sei, greift dies nicht durch. Der Verordnungsgeber macht die Aufnahme in die Staatenliste nach Anlage 11 zur FeV u.a. von der Erwartung abhängig, dass Dokumente aus dem betreffenden Staat zuverlässig sind und die Möglichkeit besteht, gesicherte Informationen zur Klärung von Zweifelsfällen zu erhalten (vgl. Begründung zur Einführung der Anlage XXVII StVZO aF, der Vorgängervorschrift von Anlage 11, VkBl. 1993, 397; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 31 FeV Rn. 19). So gehen auch die Anmerkung Nr. 23 der Anlage 11 zur FeV sowie Nr. V.5 der Gemeinsamen Absichtserklärung zwischen dem Innenministerium der Republik Kosovo und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr über Verfahrensfragen bei der Umschreibung von Führerscheinen davon aus, über das Kraftfahrt-Bundesamt könnten nähere Auskünfte zu kosovarischen Führerscheinen eingeholt werden. Insoweit sieht § 22 Abs. 2 Satz 3 FeV vor, dass die Fahrerlaubnisbehörde auf Kosten des Betroffenen – in der Regel über das Kraftfahrt-Bundesamt – eine Auskunft aus den entsprechenden ausländischen Registern einholen kann. Zudem trifft den Betroffenen eine Mitwirkungslast und spricht viel dafür, dass die Behörde zur Vereinfachung des Verfahrens bei Zweifeln entsprechend § 22 Abs. 2 Satz 4 FeV diesem selbst aufgeben kann, einen ausländischen Registerauszug beizubringen (so Neu in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 23.10.2023, § 31 FeV Rn. 12).
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Wie die Beklagte im Ansatz nachvollziehbar geltend macht und dem Senat auch aus eigener Anschauung bekannt ist, kann es im Einzelfall zwar durchaus schwierig sein, nähere Informationen zu Fahrerlaubnissen von Behörden der in der Anlage 11 zur FeV genannten Staaten zu erlangen.
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Den damit verbundenen Herausforderungen kann jedoch zum einen mit den Regeln der materiellen Beweislast Rechnung getragen werden. Dass die ausländische Fahrerlaubnis den Betroffenen zum Führen von Kraftahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat, gehört nach § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV zu den anspruchsbegründenden Tatsachen. Deren Nichterweislichkeit geht – wenn berechtigte Zweifel daran verbleiben – zu Lasten des Anspruchstellers (vgl. dazu BVerwG, U.v. 20.4.1994 – 11 C 60.92 – NZV 1994, 453 = juris Rn. 11; Dawin in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 108 VwGO Rn. 93). Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass § 29 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen und der Wohnsitzverstoß gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV danach eine anspruchshindernde Tatsache darstellt, für die grundsätzlich die Behörde beweisbelastet ist (vgl. dazu allgemein Dawin, a.a.O. Rn. 110 f.). Nach § 31 Abs. 3 FeV trägt der Anspruchsteller nicht nur die Beweislast dafür, dass die ausländische Fahrerlaubnis wirksam erteilt worden, sondern auch dafür, dass diese nicht nachträglich unwirksam geworden ist (vgl. dazu BVerwG, a.a.O. Rn. 12). Dies erscheint als Ausdruck eines allgemeinen Gedankens, wonach nicht die Behörde, sondern der Betroffene vollumfänglich mit dem Risiko belastet sein soll, dass sich nicht aufklären lässt, ob die ausländische Fahrerlaubnis die Voraussetzungen des § 31 FeV erfüllt und damit Grundlage der Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis unter erleichterten Bedingungen sein kann. Dafür spricht neben den vorgenannten praktischen Schwierigkeiten der Amtsermittlung im Ausland auch der Gesichtspunkt der Sicherheit des Straßenverkehrs. Zudem fallen die Ausstellung des Führerscheins und die Verleihung der materiellen Berechtigung in der Regel zusammen. Somit erscheint die Ausstellung eines Ersatzführerscheins ohne Erweiterung der materiellen Rechtsposition als Ausnahme, für die nach allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsteller beweisbelastet ist. Bei der Bestimmung von Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG) wird die Fahrerlaubnisbehörde allerdings zu bedenken haben, dass der Verordnungsgeber den in die Anlage 11 zur FeV aufgenommenen Staaten ein Grundvertrauen entgegenbringt (vgl. dazu aus völkerrechtlicher Perspektive Zähle, NZV 2017, 520/523) und davon ausgeht, dass deren Dokumente zuverlässig sind. Ohne gegenteiligen Anhaltspunkt wird die Behörde daher zu Grunde legen dürfen, dass die in einem (echten) Führerschein bekundeten Tatsachen so zutreffen.
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Zum anderen ist die Behörde – in Zweifelsfällen – nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, im Wege des Untersuchungsgrundsatzes Informationen zu den zum Umtausch vorgelegten Führerscheinen von ausländischen Stellen einzuholen. Zeitraubende Ermittlungen mit äußerst geringfügiger Erfolgsaussicht muss sie nicht einleiten (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 24 Rn. 26). Stellt sich heraus, dass ein Staat Anfragen generell oder zu bestimmten Konstellationen inhaltlich nur unzureichend beantwortet, darf die Fahrerlaubnisbehörde von weiteren Erkundigungen absehen und, sofern der Betroffene selbst keine geeigneten Nachweise vorlegt, den Antrag auf Umschreibung ablehnen.
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gg) Schließlich lässt sich, ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme, nicht von der Hand weisen, dass Inhaber von Fahrerlaubnissen der in der Anlage 11 zur FeV genannten Staaten auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in die Bundesrepublik Deutschland in gewissen Konstellationen ein berechtigtes Interesse daran haben, sich in ihrem Heimat- bzw. dem Ausstellerstaat einen Ersatzführerschein ausstellen zu lassen.
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Der Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis mit ordentlichem Wohnsitz im Inland kann in Deutschland auch die Ausstellung eines Ersatzführerscheins zum Nachweis des Bestehens der im EU-/EWR-Ausland erteilten Fahrerlaubnis verlangen (vgl. Art. 11 Abs. 5 der RL 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein [Abl. L 403/18], § 25 Abs. 4 FeV; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25 FeV Rn. 31). Für den Inhaber einer in einem anderen Staat (einschließlich der Staaten nach Anlage 11 zur FeV) erteilten Fahrerlaubnis gilt dies nicht. Denn für die Ausfertigung eines Führerscheins nach Muster 1 der Anlage 8 zur FeV, also nach dem EG-Muster gemäß Art. 1 und Anhang I zur RL 2006/126/EG sowie unter Rückgriff auf die in Art. 4 dieser Richtlinie definierten Klassen, ist der Natur der Sache nach von vornherein nur Raum, wenn damit eine deutsche bzw. EU- oder EWR-Fahrerlaubnis dokumentiert wird (in diese Richtung auch BR-Drs. 443/98 S. 276 zu § 25 Abs. 1 FeV).
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Ein Bedürfnis nach Ausstellung eines Ersatzführerscheins kann aber auch für den Inhaber einer Fahrerlaubnis aus einem solchen anderen Staat bestehen. Dies betrifft zum einen den Fall, dass der Verlust des Führerscheins – wie hier – in einen Zeitraum fällt, in dem der Betroffene seinen Wohnsitz zwar schon in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hatte, die Frist von sechs Monaten nach § 29 Abs. 1 Satz 4 FeV, in der er mit seiner ausländischen Fahrerlaubnis ein Fahrzeug im Inland führen darf, aber noch nicht abgelaufen ist. In diesem Fall benötigt der Betroffene einen Ersatzführerschein, um das Recht aus § 29 Abs. 1 Satz 4 FeV ausschöpfen zu können. Aber auch nach Ablauf dieser Frist kann der Betroffene ein anerkennenswertes Interesse an der Ausstellung eines Ersatzführerscheins haben. Zum einen liegt auf der Hand, dass sich viele Betroffene auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in die Bundesrepublik Deutschland vorübergehend in ihrem Herkunftsstaat aufhalten und dort auch dann am Kraftfahrzeugverkehr teilnehmen möchten, wenn sie ihre Fahrerlaubnis nicht in eine deutsche Fahrerlaubnis umschreiben lassen können oder wollen. So lag es hier im Fall des Klägers, da die Republik Kosovo, wie bereits erwähnt, erst zum 1. Juni 2022 in die Anlage 11 aufgenommen wurde. Doch auch wenn ihnen die Möglichkeit des Umtauschs offen steht und sie diesen anstreben, benötigen sie bis dahin im Fall eines Verlusts des Führerscheins zwingend ein Ersatzdokument. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 FeV hat der Antragsteller den Besitz der ausländischen Fahrerlaubnis durch den nationalen Führerschein nachzuweisen. Andernfalls ist die erleichterte Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis ausgeschlossen (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 31 FeV Rn. 9).
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c) In tatsächlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass das Innenministerium der Republik Kosovo (MIA) hier mit der Ausstellung des Führerscheins vom 5. Augst 2019 allein eine Ersetzung vorgenommen hat, in der nach dem Vorstehenden keine Erteilung einer Fahrerlaubnis i.S.d. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV zu sehen ist.
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Dass es sich bei dem Führerschein vom 5. August 2019 um ein Ersatzdokument handelt, ergibt sich aus dem Eintrag der Nummer des am 28. September 2016 ausgestellten Führerscheins (DL…) sowie der Schlüsselzahl 71 in der Rubrik 12. Die Republik Kosovo orientiert sich insoweit ersichtlich an der RL 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein. Danach bezeichnet die Schlüsselzahl 71 ein Duplikat (vgl. Anhang 1).
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Ferner hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die hier maßgebliche ursprüngliche Fahrerlaubnis der Klasse B mit der Ausstellung des Führerscheins vom 5. August 2019 nicht verlängert, sondern nachträglich befristet wurde, wie sich aus dem Vergleich der vorgelegten Führerscheine ergibt. Folglich wurde die Rechtsstellung des Klägers mit der Ausstellung des Führerscheins vom 5. August 2019 beschränkt und nicht erweitert.
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Dieses Ergebnis erscheint mit Blick auf die im Verfahren erörterten Erkenntnisse zu Recht und Verwaltungspraxis in der Republik Kosovo auch ohne Weiteres plausibel. Nach der zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins vom 5. August 2019 gültigen Verwaltungsvorschrift Nr. 02/2017 des Innenministeriums der Republik Kosovo, die mit einer englischen Fassung (Administrative Instruction [MIA] No. 02/2017 on Procedure of Equipping with Driving Licence of the Republic of Kosovo) unter der Seite gzk.rks-gov.net abrufbar ist, wird im Fall des Verlusts oder der Beschädigung ein neuer Führerschein ausgestellt, der mit der Schlüsselzahl 71 versehen ist (Art. 6 Nr. 5). Grundlage dafür ist, wie bereits angeklungen, Art. 99 Abs. 2 des im Juni 2016 in Kraft getretenen Law No. 05/L-064 on Driving Licence, wonach im Fall des Verlusts nach näherer Bestimmung durch das Innenministerium ein Duplikat ausgestellt wird. Zudem ist in der Verwaltungsvorschrift bestimmt, dass dann, wenn der ersetzte Führerschein – wie hier – eine unbegrenzte Gültigkeit hatte, in dem neuen Führerschein für die Klassen B1 und B eine Gültigkeit von 10 Jahren vorzusehen ist (Art. 6 Nr. 7, Art. 17 Nr. 1). Genauso ist das Innenministerium der Republik Kosovo im Fall des Klägers vorgegangen. Hintergrund ist ersichtlich, wie das Verwaltungsgericht ausführt, dass Fahrerlaubnisse der Klasse B im Kosovo früher zeitlich unbefristet gültig waren (vgl. Art. 270 Abs. 5 des Law No. 02/L-70 on Road Traffic Safety, abrufbar unter gzk.rks-gov.net). Das neue Recht hingegen sieht – der Gesetzgebung der EU folgend (vgl. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der RL 2006/126/EG) – nur noch eine Gültigkeit von 10 Jahren vor (vgl. Art. 92 Abs. 3 des Law No. 05/L-064 on Driving Licence). Hätte der Kläger seinen Führerschein vom 28. September 2016 nicht verloren, wäre dieser nach dem geltenden Übergangsrecht ohne Weiteres noch bis zum 31. Januar 2033 gültig gewesen (Art. 130 des Law on Driving Licence).
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Dafür, dass die Republik Kosovo die vorgenannten Regelungen in der Verwaltungspraxis nicht umsetzen oder systematisch unzutreffend Führerscheine mit der Schlüsselzahl 71 ausstellen würde, besteht kein Anhaltspunkt. Abgesehen davon hat der Kläger hier seinen vorübergehend abhanden gekommenen und ersetzten Führerschein vorgelegt und ist ein Abgleich der Dokumente im konkreten Fall möglich.
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4. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob der Anspruch auf Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis der Klasse B unter erleichterten Bedingungen auch deshalb zu bejahen ist, weil die ursprüngliche Fahrerlaubnis vom 28. September 2016 bei einer hypothetischen Betrachtung, die die Modifikation durch die Ausstellung des Führerscheins vom 5. August 2019 ausblendet, nach wie vor gültig wäre und damit Grundlage einer Umschreibung sein könnte (in diese Richtung BVerwG, U.v. 22.9.2022 – 3 C 10.21 – NJW 2023, 1754 Rn. 10, 23; BayVGH, U.v. 19.7.2021 – 11 B 19.1473 -ZfSch 2021, 655 = juris Rn. 27, 35).
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5. Schließlich steht der Umstand, dass der Kläger seit dem Ablauf der aus seiner kosovarischen Fahrerlaubnis abgeleiteten Inlandsfahrberechtigung am 15. September 2019 (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 4 FeV) möglicherweise keine Fahrpraxis mehr gesammelt hat, seinem Anspruch nicht entgegen. Nach § 31 Abs. 1a FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnisprüfung nur an, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Anhaltspunkte in diese Richtung fehlen jedoch, nachdem zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ein Zeitraum von weniger als fünf Jahren fehlender Fahrpraxis im Raum steht bzw. bei Antragstellung noch nicht einmal drei Jahre ohne inländische Fahrberechtigung vergangen waren (vgl. dazu BayVGH, B.v. 15.9.2023 – 11 BV 23.937 – ZfSch 2023, 653 = juris Rn. 15 ff.).
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6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 709 ZPO.
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7. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Gründe i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO vorliegen.