Titel:
Erfolgloser Normenkontroll-Eilantrag gegen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (Biogasanlage)
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
BauNVO § 11 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Außervollzugsetzung eines Bebauungsplanes ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar erscheinen lassen, denn der bloße Vollzug eines Bebauungsplans stellt keinen schweren Nachteil im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO dar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Antragsbefugnis einer natürlichen od. juristischen Person im Normenkontrollverfahren erfordert einen hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag, der es zumindest als möglich erscheinen läßt, dass durch Festsetzungen des Bebauungsplans ein subjektives Recht des Antragstellers verletzt wird, wobei dies regelmäßig in Betracht kommt, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks (auch) gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans, Festsetzung von Biogasanlagen, Fehlende Dringlichkeit, Kein schwerer Nachteil oder sonstige wichtige Gründe, Kommunales Abstimmungsgebot, Konfliktbewältigung, Düngeverordnung, Normenkontrollverfahren, einstweiliger rechtsschutz, Antragsbefugnis, Rechtsschutzinteresse, Dringlichkeit, vorhabenbezogener Bebauungsplan, Biogasanlage, Schadstoffeintag, Gärreste, Schadstofffracht, Konfliktbewältigungsgebot, Entsorgung, Verwertung
Fundstellen:
LSK 2024, 12133
KlimR 2024, 252
BeckRS 2024, 12133
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 30.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 (im Folgenden: Antragsteller) wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen den am 24. November 2022 bekanntgemachten Bebauungsplan Nr. 19 „Biogasanlage Gerbersdorf-Nord“ der Antragsgegnerin.
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Der Antragsteller zu 1 ist als Zweckverband Körperschaft des öffentlichen Rechts und hat nach seiner Verbandssatzung insbesondere die Aufgabe, den Altmühlsee und die dazugehörenden Liegenschaften als Erholungsfläche zu betreiben und zu erhalten. Ihm gehören eine Reihe von Kommunen rund um den Altmühlsee sowie der Bezirk Mittelfranken als Mitglieder an. Die Antragstellerin zu 2 ist als Gemeinde Mitglied des Zweckverbands und eine unmittelbar am Altmühlsee gelegene Nachbargemeinde der Antragsgegnerin.
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Der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 19 „Biogasanlage Gerbersdorf-Nord“ erstreckt sich nur über die im Außenbereich gelegenen Grundstücke FlNrn. … sowie … der Gemarkung … Der Eigentümer der Grundstücke betreibt auf diesen Grundstücken mittels einer KG zwei bereits seit langem bau- oder immissionsschutzrechtlich genehmigte Biogasanlagen mit einer bisher zulässigen Biogasproduktion von 2,294 und 2,28 Mio Normkubikmetern (Ncbm) Biogas. Die Biogasanlage auf dem Grundstück FlNr. … wird als Abfallanlage unter Einsatz von Speiseresten betrieben.
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Der Bebauungsplan setzt den Planbereich als sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Biogas gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Es sind zwei Biogasanlagen zulässig mit einer jährlichen Biogaserzeugung von 2,3 Mio Ncbm und 3,0 Mio Ncbm sowie die damit verbundene Strom- und Wärmeerzeugung. Mittels der Biogasanlage auf FlNr. … (Anlage für nachwachsende Rohstoffe – NaWaRo-Anlage) wird ein umfangreiches Wärmenetz zur fast vollständigen Versorgung der Ortschaft Gerbersdorf sowie einer Fabrik betrieben. Der Bebauungsplan hat nach seiner Begründung zum Ziel, für die bestehenden Biogasanlagen Rechtssicherheit zu schaffen. Um das umfangreiche Wärmenetz mit dem entsprechenden Wärmebedarf sicher versorgen zu können und gegebenenfalls noch auszubauen, sei es erforderlich, die zulässige Biogasproduktion auf 3,0 Mio Ncbm/Jahr für die Biogasanlage auf FlNr. … zu erhöhen.
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Am 19. Juni 2023 stellten die Antragsteller einen Normenkontrollantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit dem Ziel, den Bebauungsplan für unwirksam zu erklären.
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Zur Begründung trugen sie vor, der Altmühlsee verfüge im nordwestlichen und nordöstlichen Bereich über einen Zulauf des Nesselbachs und des Altmühlzuleiters. Der Altmühlsee leide seit Jahren an schlechter Wasserqualität aufgrund von deutlich zu hohen Blaualgenkonzentrationen. Hierfür würden hohe Nitrat- und Phosphoreinträge durch die Landwirtschaft verantwortlich gemacht. Diese führten in den Sommermonaten regelmäßig zu erheblichen Beeinträchtigungen der Nutzung des Altmühlsees. Die regelmäßigen Badewarnungen und Badeverbote in den Sommermonaten hätten gravierende nachteilige Auswirkungen auf den Freizeit- und Erholungswert des Verbandsgebiets des Antragstellers zu 1 und des Gebiets der Antragstellerin zu 2. Dies habe unmittelbare Auswirkungen auf den Tourismus und auch auf die im Eigentum der Antragsteller stehenden Liegenschaften und Einrichtungen. Die bei der Biogasproduktion entstehenden Gärreste würden vom Vorhabenträger auf seinen in der näheren Umgebung liegenden landwirtschaftlichen Flächen als Dünger ausgebracht. Von dort gelangten Nitrate und Phosphate in die Zuläufe des im Eigentum der Antragstellerin zu 2 stehenden Nesselbachs und so letztlich auch in den Altmühlsee. Die Antragsgegnerin habe im Bauleitplanverfahren die Einwendung der Antragsteller, dass sich durch die Erweiterung der Biogasanlagen die Schadstoffeinträge in den Altmühlsee erhöhten und damit das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB verletzt sei, in rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Ausbringung der Biogasgülle auf die Felder nicht zu berücksichtigen, weil die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen dem landwirtschaftlichen Fachrecht unterliege, verstoße gegen das Gebot interkommunaler Abstimmung und gegen das Gebot der Konfliktbewältigung. Gerade bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan wäre es der Antragsgegnerin ohne weiteres möglich gewesen, über städtebauliche Regelungen im Durchführungsvertrag Einfluss auf die Bewirtschaftung zu nehmen. So hätten etwa Bewirtschaftungsarten und -weisen verbindlich vereinbart werden können, die den Schadstoffeintrag in die Böden und damit in die Gewässer auf ein Minimum reduzierten. Der in der Abwägung der Antragsgegnerin enthaltene Hinweis, wonach der Nesselbach nur für 5,5% der in den Altmühlsee eingeleiteten Gesamtwassermenge verantwortlich sei, stelle keine ordnungsgemäße Abwägung im Sinne von § 1 Abs. 7 BauGB dar. Der Antragsteller zu 1 könne als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG einen Normenkontrollantrag gemäß § 47 Satz 1 Abs. 2 Alt. 2 VwGO unabhängig von einer Antragsbefugnis stellen. Das für behördliche Normenkontrollanträge erforderliche Verfahrens- oder Rechtsschutzinteresse liege vor. Der Antragsteller zu 1 habe die Aufgabe, die touristischen Funktionen des Altmühlsees aufrecht zu erhalten. Der Normenkontrollantrag sei auch deswegen begründet, weil ein Auslegungsfehler nach § 3 Abs. 2 BauGB vorliege, da die Einsichtnahme in die ausgelegten Unterlagen nur nach Terminvereinbarung möglich gewesen sei. Im Übrigen seien auch die Anforderungen an die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht erfüllt, da es an einem ordnungsgemäß ausgefertigten Vorhaben- und Erschließungsplan fehle. Auch ein Durchführungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und dem Vorhabenträger sei nicht geschlossen worden. Darüber hinaus entbehre die für den Bebauungsplan zentrale Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung einer Ermächtigungsgrundlage. Weder § 9 BauGB nach § 1 BauNVO ließen eine Festsetzung von Biogaserzeugungsmengen zu. Zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führe auch, dass gegen das Konfliktbewältigungsgebot verstoßen worden sei. Die Antragsgegnerin hätte die Frage der Ausbringung der Biogasgülle nicht dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vorbehalten dürfen.
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Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 beantragten die Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei dringend geboten, weil ein Erfolg des Normenkontrollverfahrens absehbar sei und der Vollzug des vorhabenbezogenen Bebauungsplans vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lasse, die so gewichtig seien, dass eine vorläufige Regelung unaufschiebbar sei. Es sei jederzeit mit der Umsetzung der Planung zu rechnen; daher drohten den Antragstellern und ihren von der Planung nachteilig betroffenen Liegenschaften und Einrichtungen erhebliche Nachteile. Wie sich aus der Begründung des Normenkontrollantrags ergebe, bestünden angesichts der beschriebenen Umstände ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür, dass die Umsetzung des Bebauungsplans zu weiteren Beeinträchtigungen der Wasserqualität des Altmühlsees und seiner Zuleiter führe.
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Die Antragsteller beantragen,
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den Bebauungsplan Nr. 69 „Biogasanlage Gerbersdorf-Nord“ der Antragsgegnerin – vorläufig – bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragsteller außer Kraft zu setzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag sei bereits unzulässig; im Übrigen wäre er auch unbegründet. Die Antragsteller seien schon nicht antragsbefugt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie könnten sich nicht auf das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 7 BauGB berufen. Die Bauleitplanung der Antragsgegnerin habe keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf das benachbarte Gemeindegebiet der Antragstellerin zu 2 und auf das Zweckverbandsgebiet des Antragstellers zu 1. Durch die Festsetzung von Biogasanlagen im Bebauungsplan erfolge kein Schadstoffeintrag in den Boden, der zu einer Gewässerverunreinigung führen könne. Die Frage, ob die Rückstände der Biogasproduktion als Düngemittel ausgebracht werden dürften, richte sich nach der Düngeverordnung und habe nichts mit dem Bebauungsplans selbst zu tun. Die etwaige Ausbringung der Gärreste auf landwirtschaftliche Flächen sei nur eine mittelbare Folge des Bebauungsplans und sei im Bebauungsplanverfahren nicht zu prüfen gewesen. Gesetzt den Fall, dass die Rückstände nach der Düngeverordnung nicht als Dünger verwendet werden dürften, würden diese anderweitig entsorgt werden. Mithin resultiere eine etwaige Verschlechterung der Wasserqualität des Altmühlsees nicht aus den Festsetzungen des Bebauungsplans. Der Antrag sei auch unbegründet. In der verlangten Terminabsprache für die Einsichtnahme in die ausgelegten Unterlagen liege kein Auslegungsfehler, da diese gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sinnvoll und erforderlich gewesen sei. Auch fehle es nicht an einem Vorhaben- und Erschließungsplan. Dieser sei in den Bebauungsplan integriert. Dies sei zulässig, wenn wie hier der Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans mit dem des Vorhaben- und Erschließungsplans übereinstimme. Ein Durchführungsvertrag sei geschlossen worden. Der Bebauungsplan verstoße auch nicht gegen das Gebot der Konfliktbewältigung. Die bestehenden Biogasanlagen seien immissionsschutzrechtlich genehmigt. Durch die Erweiterung auftretende Konflikte könnten im Genehmigungsverfahren bewältigt werden.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg; der Normenkontrollantrag dürfte bereits mangels Antragsbefugnis der Antragsteller und zudem auch mangels Rechtschutzinteresses des Antragstellers zu 1 als Behörde unzulässig sein; der Eilantrag ist aber jedenfalls schon deshalb unbegründet, weil der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht gemäß § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten ist.
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1. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. § 47 Abs. 6 VwGO stellt an die Aussetzung einer Norm erheblich strengere Anforderungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt. Eine Außervollzugsetzung ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar erscheinen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1998 – 4 VR 2.98 – NVwZ 1998, 1065; OVG NRW, B.v. 18.8.2023 – 2 B 349/23.NE – juris Rn. 20). Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, wenn der Vollzug der Norm vor einer Entscheidung in der Hauptsache Auswirkungen befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragsteller, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragsteller günstigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren geboten und unaufschiebbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2022 – 1 NE 22.2132 – juris Rn. 16; B.v. 26.3.2014 – 9 NE 13.2213 – juris Rn. 16 jeweils m.w.N.). Dies kann etwa angenommen werden, wenn vollendete Tatsachen entstehen, die den vom Antragsteller nachgesuchten Rechtsschutz leerlaufen ließen (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2019 – 1 NE 18.2637 – juris Rn. 13). Grundsätzlich stellt der bloße Vollzug eines Bebauungsplans jedoch keinen schweren Nachteil im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO dar (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 9 NE 15.377 – juris Rn. 26; B.v. 15.2.2021 – 1 NE 20.1813 – juris Rn. 19). Gemessen daran ist die begehrte einstweilige Anordnung im Hinblick auf die geltend gemachte Belastung des Altmühlsees durch die durch den Bebauungsplan ermöglichte Erhöhung der Biogasmengen nicht dringend geboten.
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Die Antragsteller behaupten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich lapidar, dass durch die durch den Bebauungsplan ermöglichte Erhöhung der Biogasmenge der Schadstoffeintrag in den Altmühlsee über die Zuflüsse zum Nesselbach, der in den Altmühlsee münde, ansteige, ohne hierfür Tatsachen anzugeben. Derartige Tatsachen sind auch in der Begründung des Normenkontrollantrags, auf den verwiesen wurde, nicht enthalten. Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin enthält keine Festsetzungen darüber, wie und wo anfallende Gärreste zu entsorgen sind. Auch zu der Frage, warum es einer einstweiligen Anordnung bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag in zeitlicher Hinsicht bedarf, verhält sich der einstweilige Rechtsschutzantrag der Antragsteller nicht. Um überhaupt von einem höheren Schadstoffeintrag in den Altmühlsee durch eine Erhöhung der Biogasmenge im Bebauungsplangebiet ausgehen zu können, bedarf es zunächst einer erneuten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sowie einer tatsächlichen Ausweitung der Menge der Gärreste und ihrer Ausbringung gerade auf den Flächen, die im Einzugsgebiet der Zuflüsse des Nesselbachs liegen. Diese Flächen dürften jedoch bereits durch die Gärreste der bereits bestehenden Biogasanlagen in Anspruch genommen worden sein. Dass es im Umkreis der bestehenden Biogasanlagen noch Flächen gibt, die im Einzugsbereich der Zuflüsse des Nesselbachs liegen und noch nicht in Anspruch genommen worden sind, tragen die Antragsteller schon nicht vor. Die Antragsteller nennen darüber hinaus weder eine Größenordnung der über den Nesselbach in den Altmühlsee eingeleiteten Schadstofffracht im Verhältnis zur insgesamt eingeleiteten Schadstofffracht, noch machen sie Angaben darüber, welche Schadstofffracht von den derzeit im Betrieb befindlichen Biogasanlagen über den Nesselbach in den Altmühlsee eingeleitet wird und in welcher Größenordnung sie eine Zunahme befürchten. Schon aus diesem Grund haben die Antragsteller nicht glaubhaft machen können, dass eine einstweilige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist.
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Ausreichende Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht festzustellen. Die Behandlung, Entsorgung und Verwertung der anfallenden Gärreste wurden für die bestehenden Biogasanlagen durch Auflagen in den entsprechenden Genehmigungsbescheiden geregelt. So enthält bereits der Bescheid des Landratsamts Ansbach vom 5. April 1995 in Nr. 9 a, b und c einen Auflagenvorbehalt zum Nachweis der erforderlichen Ausbringungsflächen durch den Bauherrn und zur Festlegung der maximalen Ausbringungsmenge. Falls die zur Verfügung stehenden Flächen nicht ausreichten, werde das Landratsamt die Zupachtung weiterer Flächen bzw. den Nachweis von Vertragsflächen fordern. Reichten die nachgewiesenen Flächen nicht aus, erfolge eine mengenmäßige Beschränkung der zu verwertenden Stoffe (Inputmenge). Der Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 13. Oktober 2003 weist bereits zwei bestehende Endlager für jeweils 2.700 m³ aus. Der Bescheid des Landratsamts Ansbach vom 18. Juli 2016 enthält Auflagen zum Betrieb und zur Wartung einer Gärrestaufbereitungsanlage. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 genehmigte das Landratsamt Ansbach die Erweiterung der Biogasanlage um eine neue Gärresteverdampferanlage. In der Auflage 6 dieses Bescheids (Landwirtschafts- und Düngerecht) wird bestimmt, dass vor jedem Hauptabgabetermin (mindestens zweimal jährlich) Informationen über die in den Gärresten enthaltenen Nährstoffe Stickstoff und Phosphat vorliegen müssen. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 8. Februar 2024 eine Äußerung des Betreibers der Biogasanlage vorgelegt, wonach zwar der gesamte anfallende flüssige Gärrerst an landwirtschaftliche Betriebe, welche ihre Flächen im nahen Umfeld zur Anlage hätten, verkauft werde. Zudem werde aber durch eine „Festflüssigtrennung“ der feste Gärrest, welcher hohe Nährstoffgehalte aufweise und transportwürdiger sei, in Regionen mit geringem Wirtschaftsdüngeranfall vermarktet. Das alles zeigt, dass auch im Falle der Umsetzung des Bebauungsplans durch den Betreiber und der damit verbundenen Ausweitung der Biogasproduktion keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Einzugsbereich des Nesselbachs Gärreste mit höherem Schadstoffgehalt ausgebracht werden, die zu einem erhöhten Schadstoffeintrag in den Altmühlsee führen müssen. Da die Ausbringung von Gärresten durch Landwirtschaftsrecht, insbesondere die Düngeverordnung (DüV – BGBl I 2017, 1305) und die Ausführungsverordnung Düngeverordnung (AVDüV – BayMBl. 2020, Nr. 783) stark reglementiert ist, ist es nicht ungewöhnlich, dass Gärreste nicht in unmittelbarer Umgebung von Biogasanlagen ausgebracht werden.
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Die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen der Einwendung von Privatpersonen mit der Schadstofffrage befasst (Abwägung S. 22 f.). Entsprechend den Auswertungen des Wasserwirtschaftsamts brächten die Nesselbachzuleiter, in dessen Bereich die Biogasanlagen und zum Teil die landwirtschaftlichen Flächen des Vorhabenträgers lägen, nur ca. 5,5% der eingeleiteten Gesamtwassermenge in den Altmühlsee ein, was 1,7% der Gesamtphosphatfracht entspreche. Im Betrieb des Vorhabenträgers werde bereits seit 2016 ein Separator eingesetzt. Durch diesen werde der Gärrest getrennt in Flüssigkeit und Feststoff. Durch die Trennung werde erreicht, dass ca. 50% des Phosphats aus dem flüssigen Gärrest ausgeschleust werde. Mittlerweile werde ein Dekanter (Zentrifuge) zur Fest-Flüssig-Trennung des Gärrests eingesetzt. Dadurch werde ebenfalls erreicht, dass über 50% des Phosphats aus dem flüssigen Gärrest abgetrennt würde.
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Im Auslegungsverfahren des Bebauungsplans haben weder das Wasserwirtschaftsamt noch die Wasserrechtsbehörde des Landratsamts Bedenken hinsichtlich der etwaig erhöhten Ausbringung von Gärresten durch die Erhöhung der Biogasmengen angeführt. Das Thema fand schon keine Erwähnung. Vielmehr haben sie dem Bebauungsplan zugestimmt.
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Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan der Antragsgegnerin in absehbarer Zeit, also bis zum rechtskräftigen Abschluss des Normenkontrollverfahrens, schwere Nachteile für den Altmühlsee durch die Einleitung von zusätzlichen Schmutzwasserfrachten durch ein etwaig erhöhtes Ausbringen von Gärresten im Einzugsbereich der Zuleiter des Nesselbachs entstehen.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass mit dem vorläufigen Vollzug des Bebauungsplans und einer Erhöhung der Biogasmenge vollendete Tatsachen geschaffen würden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Die begehrte einstweilige Außerkraftsetzung des Bebauungsplans ist daher nicht geboten.
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2. Die einstweilige Außerkraftsetzung des Bebauungsplans ist auch deshalb nicht geboten, weil nicht davon auszugehen ist, dass der Normenkontrollantrag der Antragsteller hinreichende Erfolgsaussichten hat. Vielmehr dürfte es bereits an der Antragsbefugnis der Antragsteller fehlen. Für den Antragsteller zu 1 als Behörde dürfte darüber hinaus ein Rechtschutzinteresse nicht gegeben sein, da er in keiner Weise mit der Norm befasst ist (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 47 Rn. 33).
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Die Antragsbefugnis im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO entspricht der des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Normenkontrollverfahren (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 16). Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (stRspr vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154). Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks (auch) gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Ist ein Antragsteller Eigentümer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Eine Nachbargemeinde kann eine ihre Belange berührende Verletzung des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots (§ 2 Abs. 2 BauGB) geltend machen, wenn die Planung einen abwägungserheblichen Belang der Nachbargemeinde berührt und hinreichend substantiiert aufgezeigt wird, dass dieser Belang bei der Abwägung möglicherweise zu kurz gekommen ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.1999 – 4 CN 6.98 – NVwZ 2000, 197). Wie die Antragsteller in ihrer Begründung selbst ausführen, kann sich eine Nachbargemeinde nur gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet zur Wehr setzen (vgl. (vgl. BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25; BayVGH, B.v. 29.3.2022 – 2 N 21.184 – juris Rn. 11).
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Derartige unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für die Antragsteller werden durch den Bebauungsplan der Antragsgegnerin nicht hervorgerufen. Diese weist zurecht darauf hin, dass durch den Bebauungsplan und die dadurch ermöglichte Erhöhung der Biogasmengen den Gebieten und Grundstücken der Antragsteller unmittelbar keine Schadstofffrachten zugeleitet werden. Der Bebauungsplan verhält sich zur Frage der Ausbringung etwaiger zusätzlich anfallender Gärrestmengen nicht. Es bestehen schon keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass Gärrestmengen mit entsprechend erhöhten Schadstoffgehalten durch die Erweiterung der Biogasproduktion anfallen und nicht durch technische, chemische oder physikalische Maßnahmen verhindert werden können. Ferner ist – wie ausgeführt – völlig offen, wie etwaig zusätzlich anfallende Gärrestmengen behandelt und entsorgt oder wo sie ggf. ausgebracht werden. Da die Flächen des Betriebs des Grundstückseigentümers bereits in Anspruch genommen sind, sind weitere Ausbringungsflächen in den Blick zu nehmen. Ob diese im Einzugsbereich der Zuleiter des Nesselbachs liegen, ist völlig offen.
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Zutreffend weist die Antragsgegnerin ferner darauf hin, dass die Ausbringung von Gärresten durch das Landwirtschaftsrecht und insbesondere durch die Düngeverordnung und die Ausführungsverordnung hierzu geregelt ist. Die Antragsgegnerin ist auch unter Berücksichtigung des kommunalen Abstimmungsgebots des § 2 Abs. 2 BauGB weder berechtigt noch gehalten, in ihren Bebauungsplan Regelungen hierzu aufzunehmen, zumal die etwaigen Ausbringungsflächen nicht im Bebauungsplangebiet liegen. Die Antragsgegnerin ist auch nicht verpflichtet, Beschränkungen der Ausbringung von etwaig anfallenden zusätzlichen Gärresten in einem Durchführungsvertrag zu regeln. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die durch die Erweiterung der bestehenden Biogasanlagen etwaig zusätzlich anfallende Schadstofffracht allenfalls einen äußerst geringfügigen Teil der in den Altmühlsee eingeleiteten Gesamtschmutzfracht darstellt, sodass sich die Frage stellt, warum die Antragsgegnerin insoweit einschränkende Maßnahmen ergreifen müsste und nicht andere Maßnahmen vorrangig infrage kommen sollten. Schließlich erfüllt die Gemeinde durch die Möglichkeit der Erweiterung der Biogasanlage eine kommunale Aufgabe hinsichtlich der Wärmeversorgung und Stromversorgung ihres Gemeindegebiets. Biogasanlagen, die Strom erzeugen, gehören zu den erneuerbaren Energien, deren besondere Bedeutung im § 2 EEG hervorgehoben ist. Danach liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen der erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse und sollen als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 1.3.2024 – 8 CS 23.2222 – juris).
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Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Abwägung voraussichtlich auch nicht gegen das Konfliktbewältigungsgebot verstoßen. Soweit im Rahmen der Abwägung auch mittelbare Folgen für die Umwelt zu berücksichtigen sind, kann die Antragsgegnerin entsprechend den Ausführungen in Nr. 1 dieses Beschlusses die Fragen der Entsorgung und Verwertung der Gärreste dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vorbehalten. Wie die bereits ergangenen Bescheide zeigen, sind die Genehmigungsverfahren hierfür geeignet, da die Fragen zur Entsorgung und Verwertung von Gärresten in vielfältiger Weise gelöst werden können.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an den Nrn. 1.5 und 9.8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).