Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.04.2024 – 10 ZB 22.1910
Titel:

Teilweise Berufungszulassung – Darlegungsanforderungen für Zulassungsgründe

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4
GG Art. 13
Leitsätze:
1. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache iSd § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen vor, wenn die aufgeworfenen Probleme das normale Maß übersteigen und keine Prognose über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Zulassungsverfahren erlauben, sondern sich erst im Rechtsmittelverfahren selbst klären lassen. Sie liegen dann nicht vor, wenn sie sich durch Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden lösen lassen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Entscheidung stellt sich als Überraschungsurteil dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht, und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten. Es besteht jedoch kein Anspruch darauf, dass das Gericht die Beteiligten über seine Rechtsauffassung aufklärt, da die endgültige Rechtsauffassung des Gerichts im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht feststeht, sondern erst in der auf die mündliche Verhandlung folgenden Urteilsberatung festgelegt wird. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es liegt kein Überraschungsurteil vor, wenn das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein bestimmtes Rechtsproblem anspricht, ohne dabei schon seine endgültige Rechtsauffassung zu äußern, und die Partei somit Gelegenheit hat, dazu Stellung zu nehmen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierheim, Betretensduldung, Öffnungsgebot, Sedierungsduldung, Duldung des Abtransports, Hunde, Bestandskräftige Tötungsduldung, Unverletzlichkeit der Wohnung, Betriebsräume
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 12.05.2022 – M 22 K 21.6204
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12130

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2022 – M 22 K 21.6204 – wird zugelassen, soweit damit der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2021 bezüglich Nrn. 3., 4., 7. und 8. (jeweils i.V.m. Nr. 9.) aufgehoben worden ist.
Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird, soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist, auf 5.000,-- Euro festgesetzt. Für das zugelassene Berufungsverfahren wird der Streitwert vorläufig auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beklagte wendet sich mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2022, durch das auf die Klage der Klägerin hin der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2021, mit dem Duldungsanordnungen zur Durchsetzung einer bestandskräftigen Tötungsduldung bezüglich zweier Hunde erlassen worden sind, aufgehoben worden ist.
2
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ein Tierheim betreibt. Ihr einziger Gesellschafter ist der Tierschutzverein München e.V. Zwischen dem Tierschutzverein und der Beklagten besteht seit dem 11. Oktober 2013 ein privatrechtlicher Vertrag zur Unterbringung unter anderem von Tieren, die aufgrund von Vorschriften des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) sichergestellt wurden (Verwahrtiere).
3
Mit mündlichen Anordnungen vom 27. Dezember 2019 und 30. Dezember 2019 verfügte die Beklagte gegenüber dem Halter und Eigentümer der Hunde Hardo (geboren am 2.8.2018, 65 kg schwer u. 73 cm groß, im Folgenden: Hund) und Fenja (geboren am 17.4.2019, 50 kg schwer u. 63 cm groß: im Folgenden: Hündin), beide jeweils der Rasse Boerboel, − gestützt auf Art. 18 Abs. 2 LStVG − aufgrund von Beißvorfällen am 4. November 2019 (ohne Verletzungen) sowie am 22. Dezember 2019 (mit Verletzungen an Menschen) bezüglich zweier mit zwei Hunden entgegenkommender Teenager die Leinen- und Maulkorbpflicht, erklärte diese für sofort vollziehbar und traf Freilaufregelungen. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. August 2020 bestätigte die Beklagte gegenüber dem Halter und Eigentümer die Leinenpflicht, widerrief jedoch mit Wirkung für die Zukunft die Maulkorbpflicht und traf abweichende Freilaufregelungen. Nach weiteren Beißvorfällen wurden die beiden Hunde aufgrund einer Sicherstellungs- und Unterbringungsanordnung samt Kostentragungspflicht – gestützt auf Art. 7 Abs. 2 LStVG – bei der Klägerin untergebracht.
4
Nach Einholung eines Gutachtens ordnete die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Oktober 2021 gegenüber dem Eigentümer und Halter der Hunde – unter anderem gestützt auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG − an, deren Euthanasierung zu dulden. Ebenfalls an diesem Tag teilten die Klägerin, und ihr einziger Gesellschafter, der Tierschutzverein, mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2021 der Beklagten mit, dass sie die Hunde zum Zweck der Tötung nicht herausgeben würden.
5
Mit streitbefangenem Bescheid vom 29. November 2021 verfügte die Beklagte gestützt auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gegenüber der Klägerin unter anderem eine Betretungsduldung für die Grundstücke und Räumlichkeiten im Tierheim zum Zwecke der Abholung der Verwahrtiere (Nr. 1.), ein Öffnungsgebot hinsichtlich verschlossener Türen und Zwinger zum Zwecke der Abholung der Verwahrtiere (Nr. 2.), eine Sedierungsduldung bezüglich der beiden Hunde (Nr. 3.), die Duldung des Abtransports der beiden Hunde (Nr. 4.) und jeweils die Androhung des unmittelbaren Zwangs.
6
Auf die Klage der Klägerin hin hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 12. Mai 2022 (M 22 K 21.6204) den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2021 aufgehoben. Zur Begründung führte es an, dass die Duldungsanordnungen und Zwangsmittelandrohungen rechtswidrig seien, weil sie der Durchführung der (nur) gegenüber dem Halter und Eigentümer der Hunde bestandskräftigen Tötungsduldung dienten, die sich bei der hier notwendigen Inzidentprüfung wegen Verletzung des § 17 Nr. 1 TierSchG als rechtswidrig erweise, und außerdem gegen das Beschränkungsverbot des Art. 7 Abs. 4 LStVG bezüglich der Unverletzlichkeit der Wohnung verstießen.
7
Mit Beschluss ebenfalls vom 12. Mai 2022 (M 22 S 21.6264) hat auf den Eilantrag der Klägerin hin das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Nrn. 1. bis 4. und 9. des streitbefangenen Bescheides wiederhergestellt und bezüglich der Nrn. 5. bis 8. angeordnet (Nr. I.). Auf die Beschwerde der Beklagten hin hat der Senat mit Beschluss vom 27. Dezember 2022 (10 CS 22.1799) unter anderem Nr. I. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 12. Mai 2022 dahingehend abgeändert, dass der Eilantrag der Klägerin in Bezug auf die Duldungsanordnungen in den Nrn. 3. und 4. sowie die entsprechenden Zwangsmittelandrohungen in den Nrn. 7. und 8. (jeweils i.V.m. Nr. 9.) des Bescheides abgelehnt, und im Übrigen die Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen wird. Zur Begründung hat der Senat unter anderem ausgeführt, dass es für die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Klägerin ergangenen Duldungsanordnungen mangels eines Rechts zum Besitz der Klägerin keiner inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Halter und Eigentümer der Hunde ergangenen, bestandskräftigen Tötungsduldung bedürfe und sich diese im Übrigen im Rahmen der vorzunehmenden Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO auch als rechtmäßig erweise. Die Betretungsduldung und das Öffnungsgebot würden jedoch gegen das Beschränkungsverbot des Art. 7 Abs. 4 LStVG in Verbindung mit Art. 13 GG verstoßen.
8
Der Abänderungsantrag der Klägerin nach § 80 Abs. 7 VwGO wurde mit Beschluss des Senats vom 15. Februar 2023 (10 AS 23.94) abgelehnt. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die von der Klägerin behauptete Übereignung der beiden Hunde auf den Tierschutzverein München e.V. bzw. auf die Klägerin selbst wegen des durch die präventive Sicherstellung bewirkten relativen Verfügungsverbots unwirksam sei.
9
Am 25. August 2022 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Mai 2022 beantragt.
10
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten beider Instanzen in diesem Verfahren sowie in den Verfahren 10 CS 22.1799, 10 CS 23.65, 10 AS 23.94 und 10 AS 23.411 verwiesen.
II.
11
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist teilweise begründet. Der Antrag ist abzulehnen, soweit er sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 29. November 2021 bezüglich Nr. 1. (Betretungsduldung), Nr. 2. (Öffnungsgebot), Nr. 5. und Nr. 6. (Zwangsmittel) durch das erstinstanzliche Urteil wendet. Die diesbezüglichen Darlegungen der Beklagten zu § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO lassen einen durchgreifenden Zulassungsgrund nicht erkennen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist insoweit nicht zu beanstanden (1.). Soweit das Verwaltungsgericht jedoch mit dem Urteil auch die Anordnungen in Nr. 3. (Sedierungsduldung), Nr. 4. (Duldung der Herausgabe), Nr. 7. und Nr. 8. (jeweils i.V.m. Nr. 9.) aufgehoben hat, ist die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (2.).
12
1. Der Zulassungsantrag ist hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids bezüglich der Anordnungen in Nr. 1. (Betretungsduldung) und Nr. 2. (Öffnungsgebot) durch das Urteil abzulehnen, weil keine Zulassungsgründe vorliegen.
13
1.1. Es bestehen insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
14
a) Solche ernstlichen Zweifel bestünden dann, wenn die Beklagte im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Die von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist von zwei Monaten eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (BayVGH, B.v. 29.4.2020 – 10 ZB 20.104 – juris Rn. 3).
15
b) Gemessen daran werden mit dem Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht dargelegt.
16
Zutreffend dürfte zwar die Auffassung der Beklagten sein, dass es entgegen den Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts für die Rechtmäßigkeit der auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützten Regelungen keiner inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Euthanasierung und der gegenüber dem Halter und Eigentümer der Hunde ergangenen, bestandskräftigen Tötungsduldungsanordnung bedarf. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 27. Dezember 2022 (10 CS 22.1799, Rn. 32 ff.) verwiesen.
17
Darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an, denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung selbständig tragend damit begründet, dass die Regelungen in Nr. 1. (Betretungsduldung) und Nr. 2. (Öffnungsgebot) des Bescheids rechtswidrig und aufzuheben seien, weil dadurch in das der Klägerin zustehende Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen werde und dieses Grundrecht nach Art. 7 Abs. 4 LStVG durch Maßnahmen aufgrund des Art. 7 Abs. 2 LStVG nicht eingeschränkt werden dürfe („Des Weiteren ist der Bescheid auch deshalb aufzuheben, weil … in das der Klägerin zustehende Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Nach Art. 7 Abs. 4 LStVG darf dieses Grundrecht aber durch Maßnahmen aufgrund des Absatzes 2 nicht eingeschränkt werden“, Rn. 59 UA; „Die Regelungen in Nrn. 1 – 4 des angefochtenen Bescheids erweisen sich auch aus einem weiteren Grund als rechtswidrig“, Rn. 86 ff. UA).
18
Durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung bestehen nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 27. Dezember 2022 (10 CS 22.1799, Rn. 60 ff.) verwiesen, wonach das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die in den Nrn. 1. und 2. (jeweils i.V.m. Nr. 9.) des streitbefangenen Bescheids getroffenen Regelungen gegen das Beschränkungsverbot des Art. 7 Abs. 4 LStVG in Verbindung mit Art. 13 GG verstoßen.
19
Wenn die Beklagte darauf hinweist, dass die konkrete Tenorierung (Duldung und Öffnen von Türen und Zwingern anstelle bloßer Herausgabeverpflichtung) aus sicherheitsrechtlichen und aus tierschutzrechtlichen Gründen angezeigt gewesen sei und ein bloßes Herausgabeverlangen ihrer Auffassung nach ungeeignet gewesen wäre, ändert die Motivation für die angeordneten Regelungen nichts an deren Rechtswidrigkeit.
20
Soweit die Klägerin nach der Entscheidung des Senats vom 27. März 2022 einen Eigentümerwechsel der Hunde auf den Tierschutzverein e.V. bzw. an die Klägerin mit Vertrag vom 11. Januar 2023 behauptet hat, kommt dem keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, weil es für die Frage, ob die getroffenen Regelungen gegen das o.g. Beschränkungsverbot verstoßen, nicht darauf ankommt, wer Eigentümer der zu suchenden Sachen (hier der Hunde) ist, derentwegen die Durchsuchung (Betreten geschützter Bereiche und Öffnen von Verschlossenem) erfolgen soll.
21
Ob sich die Rechtswidrigkeit der Betretensduldung und des Öffnungsgebots auch auf die weiteren Regelungen in den Nrn. 3. und 4. des streitbefangenen Bescheids erstreckt, spielt hier keine Rolle. Es wird insoweit auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 27. Dezember 2022 (10 CS 22.1799, Rn. 76) verwiesen.
22
1.2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt insoweit nicht vor bzw. ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
23
a) Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an die entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (BayVGH, B.v. 17.10.2019 – 10 ZB 18.1883 – juris Rn. 10; B.v. 9.5.2019 – 10 ZB 19.317 – juris Rn. 9; B.v. 20.2.2019 – 10 ZB 18.2343 – juris Rn. 18).
24
Schwierigkeiten liegen demnach vor, wenn die aufgeworfenen Probleme das normale Maß übersteigen und keine Prognose über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Zulassungsverfahren erlauben, sondern sich erst im Rechtsmittelverfahren selbst klären lassen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 27; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 106 ff.). Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen insbesondere dann nicht vor, wenn sie sich durch Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden lösen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2022 – 8 ZB 20.3120 – juris Rn. 40 f.).
25
b) Gemessen daran zeigt das Zulassungsvorbringen keine derartigen besonderen tatsächlichen und besonderen Schwierigkeiten auf.
26
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vorträgt, es bestünden besondere rechtliche Schwierigkeiten bezüglich der Frage, ob die betroffenen Bereiche des Tierheims dem Schutzbereich des Art. 13 GG und Art. 106 Abs. 3 BV unterfallen würden, da zumindest teilweise die Meinung vertreten werde, dass sich der „Wohnungsbegriff“ im Sinne des Art. 13 GG grundsätzlich nicht auf Geschäfts- bzw. Betriebsräume erstrecke, jedenfalls vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Falles dies anders zu bewerten wäre und sich diese Frage auch bislang nicht eindeutig aus Gesetz oder Rechtsprechung beantworten lasse, überzeugt dies nicht. Das von der Beklagten aufgeworfene Rechtsproblem stellt sich unter Zugrundelegung der Rechtsprechung bei Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden nicht beziehungsweise lässt sich mit diesen ohne Weiteres bereits im Rechtsmittelverfahren lösen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Beschluss vom 27. Dezember 2022 (Rn. 60 ff.).
27
Auch die Darlegung, rechtliche Schwierigkeiten bestünden bei der Beantwortung der Fragen, ob ein Eingriff in Art. 13 GG, Art. 106 BV Abs. 3 vorliege und ob die Betretung nicht jedenfalls nach Art. 13 Abs. 7 GG rechtmäßig wäre, weil die Auffassung des Verwaltungsgerichts München, wie bei der Frage der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargelegt worden sei, auch mit guten Gründen anders gesehen werden könne, und trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 1971 (1 BVR 280/66) das Ergebnis nicht ohne weiteres aus dem Gesetz oder der Rechtsprechung zu entnehmen sei, zeigt dies ebenfalls keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Wie sich aus den Ausführungen im Beschluss des Senats vom 27. Dezember 2022 (zur Frage des Eingriffs Rn. 68 ff. und zur Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 7 GG Rn. 72 ff.) ergibt, lässt sich diese Frage ohne besondere Schwierigkeiten unter Zugrundelegung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung und mit den allgemeinen Auslegungsregeln klären.
28
Auch soweit die Beklagte darauf verweist, dass besondere rechtliche Schwierigkeiten bestünden, ob die konkrete Tenorierung (mit der Anordnung von verschiedenen Einzelmaßnahmen) aus sicherheits- und tierschutzrechtlichen Gründen so erforderlich gewesen sei, weil die Anordnung einer Herausgabeverpflichtung oder andere alternative Vorgehensweisen ungeeignet seien, und ob in solchen Fallkonstellationen (ausnahmsweise) ein Betreten betroffener Räumlichkeiten zulässig sei, wird eine besondere rechtliche Schwierigkeit nicht dargelegt. Es handelt sich dabei vielmehr um die gängige Konstellation, bei der die Behörde einen gefährlichen (Kampf-) Hund unter Umständen mit Mitteln des Verwaltungszwangs abholen muss. Aus den gesetzlichen Regelungen ergibt sich eindeutig, dass auch in Konstellationen wie der vorliegenden ein Betreten der Räumlichkeiten wegen des Beschränkungsverbots des Art. 7 Abs. 4 LStVG nicht zulässig ist.
29
1.3. Die Berufung ist auch nicht wegen des geltend gemachten Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
30
a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, zweitens ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig ist, also für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, und drittens erläutert, aus welchen Gründen sie klärungsbedürftig ist, mithin aus welchen Gründen die ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 124a Rn. 102 ff.). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung sich unter Heranziehung der anerkannten Auslegungsmethoden und unter Einbeziehung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (Roth in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2024 § 124 Rn. 55). Klärungsbedürftig sind somit solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- oder höchstgerichtlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07 – juris Rn. 21; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 38).
31
Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ist die Frage nicht nur auszuformulieren, sondern es ist zudem auch substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2019 – 15 ZB 17.1831 – juris Rn. 30 m.w.N.).
32
b) Soweit die Beklagte die Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam aufwirft, ob die Rechtmäßigkeit einer auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützten Anordnung auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Tötungsduldung voraussetzt, sofern dem Adressaten keinerlei Rechte und keine Möglichkeit der unmittelbaren Anfechtung in Bezug auf die weiter vorgesehene Maßnahme zustehen, ist diese Frage – wie ausgeführt – nicht entscheidungserheblich.
33
Auch die weiter als bedeutsam angesehene Rechtsfrage, ob die Euthanasie eines gefährlichen Hundes immer unzulässig ist, wenn eine dauerhafte Unterbringung in einem Tierheim (oder in einer vergleichbaren Einrichtung) tierschutzkonform möglich wäre – selbst wenn die erforderliche Art der Unterbringung aus tatsächlichen Gründen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand möglich wäre –, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich, da die Zulässigkeit der Euthanasierung in diesem Verfahren nicht (inzident) geprüft werden muss.
34
Die Rechtsfrage, ob die von einer juristischen Person geführten, grundsätzlich öffentlich zugänglichen Freiflächen oder Betriebsräume, die zur Erfüllung einer Aufgabe der öffentlichen Hand betrieben werden, dem Schutzbereich des Art. 13 GG/Art. 106 Abs. 3 BV unterfallen, ist zwar entscheidungserheblich, lässt sich aber mit dem Gesetz anhand der anerkannten Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten (vgl. Beschluss vom 27.12.2022, Rn. 64 ff. und Rn. 71).
35
Ob die sich aus § 16 Abs. 3 TierSchG ergebenden Betretensrechte auch dann bestehen, wenn die konkrete Ausgestaltung einer an sich nicht tierschutzrechtlichen Anordnung aus Gründen des Tierschutzes auf eine Art und Weise zu erfolgen hat, die eine Betretung erforderlich macht, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass Art. 7 Abs. 4 LStVG der streitgegenständlichen Verfügung nicht entgegenstehen würde, wenn Betretungsrechte (nach § 16 Abs. 3 TierSchG) bestehen würden, lässt sich diese Frage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten. Denn auf das Betretungsrecht des § 16 Abs. 3 TierSchG kann sich die zuständige Tierschutzbehörde (nur) dann berufen, wenn sie eine Duldungsanordnung nach § 16a TierSchG erlässt (vgl. Beschluss vom 27.12.2022, Rn. 70). Dies wird hier selbst von der Beklagten nicht geltend gemacht.
36
Die Rechtsfrage, ob Art. 7 Abs. 4 LStVG auch dann einer Einschränkung des Art. 13 GG, Art. 106 Abs. 3 BV entgegensteht, wenn eine auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützte sicherheitsrechtliche Maßnahme aus Gründen des Tierschutzes eine Betretung durch die Sicherheitsbehörde erforderlich mache, ist nicht klärungsbedürftig, da sich dies ebenfalls unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt. Wie sich aus der Regelung des Art. 7 Abs. 4 LStVG ergibt, enthält diese keine Ausnahmemöglichkeiten. Voraussetzung für ein Betretungsrecht ist jedoch in Bezug auf Art. 13 Abs. 1 GG eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, an der es hier gerade fehlt.
37
1.4. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Die Darlegung eines Verfahrensmangels erfordert die konkrete Bezeichnung des Verfahrensmangels in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und die Darlegung, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
38
a) Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das Urteil auf Tatsachen- und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), oder wenn das Gericht das (entscheidungserhebliche) tatsächliche oder rechtliche Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat (BVerfG, B.v. 30.1.1985 – 1 BvR 393/84 – juris Rn. 10). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich eine Entscheidung als „Überraschungsurteil“ dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht, und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. BVerwG, B. v. 15.5.2008 – 2 B 77/07 – juris Rn. 25). Es besteht jedoch kein Anspruch darauf, dass das Gericht die Beteiligten über seine Rechtsauffassung aufklärt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 108 Rn. 21). Dies folgt bereits daraus, dass die endgültige Rechtsauffassung des Gerichts im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht feststeht, sondern erst in der auf die mündliche Verhandlung folgenden Urteilsberatung festgelegt wird.
39
Die Beklagte trägt vor, dass das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Tenorierung des streitgegenständlichen Bescheids und die aus Sicht des Gerichts dadurch bestehende Problematik des Art. 7 Abs. 4 LStVG im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußert habe, dass „es schon Wege geben werde, es zu halten“, auch wenn sich dies nicht aus der Niederschrift ergebe. Der Gesichtspunkt sei nicht weiter erörtert worden. Insofern liege eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, weil das Verwaltungsgericht festgestellt habe, dass mit den verfügten Maßnahmen in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen werde und dies nach Art. 7 Abs. 4 LStVG nicht zulässig sei. Insofern sei ein Vortrag zur geänderten Auffassung nicht mehr möglich gewesen und es liege damit eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 3 VwGO vor. Das Urteil könne auf diesen Verfahrensmangel beruhen. Die Beklagte hätte ansonsten die in diesem Schriftsatz vorgebrachten Argumente bereits im Klageverfahren eingebracht. Maßgeblich sei dabei auch, dass die Frage der Rechtswidrigkeit der Verfügung vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 4 LStVG vorab weder im Verwaltungsverfahren noch schriftsätzlich zum Gegenstand gemacht worden sei. Hätte das Verwaltungsgericht diese Argumente gekannt, so wäre die rechtliche Bewertung möglicherweise anders ausgefallen.
40
Nach den o.g. Maßstäben ist damit ein Verfahrensmangel nicht dargelegt. Die Beklagte trägt insoweit selbst vor, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Problematik des Art. 7 Abs. 4 LStVG angesprochen hat. Somit hatte die Beklagte Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Ob das Verwaltungsgericht im Laufe der mündlichen Verhandlung tatsächlich eine andere (bindende) Rechtsauffassung der gesamten Kammer in hinreichend eindeutiger Weise zu erkennen gegeben hat, als sich dann im Urteil niedergeschlagen hat, ergibt sich aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung nicht. Aus der Wiedergabe der (angeblichen) Äußerung nur aus der Erinnerung der Beklagten lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass es sich dabei bereits um eine endgültige Rechtsauffassung gehandelt hat. Auch ergibt sich aus dem Vorbringen nicht, wer die Äußerung getätigt hat und ob dieser Äußerung eine Entscheidungsfindung der gesamten Kammer vorausgegangen war. Erst in der auf die mündliche Verhandlung folgenden Urteilsberatung, bei der alle Richter, auch die ehrenamtlichen, beteiligt sind, wird die endgültige Rechtsauffassung des Gerichts festgelegt. Ein schützenwertes Vertrauen konnte deshalb bis dahin nicht entstehen.
41
b) Die Beklagte rügt des Weiteren, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht hinreichend erforscht und damit gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen habe. Es hätten weitere Aufklärungen vor allem in Bezug auf die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen samt deren tatsächlicher Umsetzbarkeit sowie in Bezug auf die Tierschutzkonformität einer dauerhaften Haltung im Tierheim (bzw. in einer vergleichbaren Einrichtung) getroffen werden müssen. Diese Aufklärung hätte sich auch aufdrängen müssen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass eine dauerhafte Unterbringung im Tierheim nicht tierschutzkonform wäre. Infolgedessen wäre auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die Euthanasierung der Hunde zulässig gewesen, weil dies nach (unzutreffender) Auffassung des Verwaltungsgerichts streitentscheidend gewesen sei. Unabhängig davon, ob insoweit ein Verfahrensmangel vorliegt, beruht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht darauf, da das Verwaltungsgericht in dem Urteil selbständig tragend darauf abgestellt hat, dass die Betretungsduldung und das Öffnungsgebot bereits deshalb rechtswidrig sind, weil sie gegen das Beschränkungsverbot des Art. 7 Abs. 4 LStVG verstoßen.
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c) Des Weiteren rügt die Beklagte einen Verfahrensmangel in Bezug auf die vorgenommene „Probeabstimmung“ des Verwaltungsgerichts, bevor alle Argumente der Beteiligten umfassend vorgetragen worden seien, weil das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden müsse, und damit sei aufgrund der Vorfestlegung eine Befangenheit zu besorgen. Hätte die erkennende Kammer zunächst sämtliche Argumente angehört, wäre die Abwägung der einzelnen (ehrenamtlichen) Richter und damit die Abstimmung nach Abschluss der mündlichen Verhandlung möglicherweise anders ausgefallen. Dieser Vortrag genügt bereits nicht den Darlegungserfordernissen. Dass das Gericht nach der „Probeabstimmung“ vorgebrachte Argumente in der Entscheidung nicht berücksichtigt hat und welche dies sein sollen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Aus der Niederschrift ergibt sich vielmehr, dass nach der „Probeabstimmung“ noch fast zwei Stunden weiterverhandelt worden ist und weitere Argumente ausgetauscht worden sind. Auch Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung des Gerichts und eine daraus resultierende Besorgnis der Befangenheit wurden von der Beklagten nur vermutet, jedoch nicht substantiiert dargelegt.
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1.5. Da die Anordnungen des Bescheids bezüglich Nr. 1. und Nr. 2. rechtswidrig sind, liegen auch die entsprechenden Vollstreckungsvoraussetzungen für die Zwangsmittelandrohungen nicht vor, sodass deren Aufhebung durch das Urteil ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Zulassungsgründe wurden insofern im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
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2. Die Berufung ist dagegen nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, soweit damit der Bescheid bezüglich der Nr. 3. (Sedierungsduldung), Nr. 4. (Duldung des Abtransports), Nr. 7. und Nr. 8. (Zwangsmittelandrohungen) jeweils i.V.m. Nr. 9. (Ersatztermin) aufgehoben worden ist.
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Es spricht viel dafür, dass diese Anordnungen rechtmäßig sind und das Urteil deshalb insoweit falsch ist. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 27. Dezember 2022 (Rn. 76 ff.) Bezug genommen.
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3. Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt worden ist, trägt die Beklagte die Kosten gem. § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren, soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde, beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert wurde auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt, weil der Schwerpunkt der getroffenen Regelungen insgesamt auf dem Verhalten liegt, dass der Klägerin zur Durchsetzung der Tötungsduldung abverlangt wird, und es somit nicht auf die Zahl der Hunde entscheidend ankommt (vgl. Beschluss vom 27.12.2022, Rn. 81).
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5. Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt worden ist, ist dieser Beschluss unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der teilweisen Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München bezüglich der Aufhebung des Bescheids bezüglich Nr. 1., Nr. 2., Nr. 5. und Nr. 6. rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Soweit die Berufung zugelassen wurde, wird das Verfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt. Insoweit gilt die nachfolgende Belehrung.